Nicht zum Opfer werden

tangram
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Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Nicht zum Opfer werden

Beitrag von tangram »

Hallo
Ich bin erst seit einigen Tagen in diesem Forum. Ich hab auch lange überlegt ob ich hier überhaupt was reinschreiben soll, weil ich denke dass fast schon alles hier diskutiert wurde, was es über Depression zu sagen gibt.
Ich bin 44 Jahre alt und seit 20 Jahren verheiratet. Mein Mann leidet seit 8 Jahren an Depression. Wir haben 3 Kinder (20, 17 und 13 Jahre alt).
Als die Krankheit ausbrach wußte ich nichts darüber und wir rannten von Therapeut zu Therapeut. Auch mit Medikamenten hat mein Mann es schon probiert-mit mäßigem Erfolg - muß ich hier leider sagen.
Mein Mann ist ein sehr liebevoller Mensch und oft ist wochenlang eitler Sonnenschein, dann aus heiterem Himmel überfällt ihm die Traurigkeit und dann verschließt er sich vor uns allen. Er verkriecht sich in die Einsamkeit und möchte weder Berührungen noch Kontakte zu Menschen haben. Man kann dann nicht mehr mit ihm rechnen. Ich fühlte mich dann immer ziemlich einsam und mir ging es dann auch ziemlich schnell schlecht - er rieß mich praktisch mit ins Loch. Ich habe oft stundenlang im Internet recherchiert was ich tun könnte und wie ich ihm helfen kann. Heute 8 Jahre später muß ich aus eigener Erfahrung sagen, dass der oft gesagte gut gemeinte Rat : Kümmere dich so gut es geht um dich selbst! der einzig richtige Ansatzpunkt ist. Ich hatte damals oft eine Wut auf Leute die mir dies rieten, weil ich dachte : "Wie soll es mir gut gehen, wenn da neben mir jemand anderes leidet?"
Ich bin richtig in die Opferrolle reingerutscht und gebe zu, ich tat mir richtig leid!
An einem Wochenende hatte ich ein Schlüsselerlebnis: Es ging meinem Mann so schlecht, (auch eine gewisse Suizidgefahr war vorhanden) dass er nach einem ewigen Wortgefecht mit mir auf seinem Motorrad davonbrauste.... für mich die absolute Katastrophe. Ich durchlitt nun die 3 schlimmsten Stunden meines Lebens. Es war ein sonniger warmer Tag und ich bemühte mich trotz meines inneren Chaoszustands den Kindern eine gewisse beruhigende Fassade zu bieten. Wie ich so im Garten auf meiner Liege lag, da bekam ich plötzlich eine solche dermaßene Wut auf Gott und das ungerechte Schicksal, dass ich zu ihm sagte:
Also gut, wenn du meinst dass du ihn mir wegnehmen willst, dann tu es meinetwegen. Ich kann nicht mehr und ich will diese Verantwortung nicht mehr tragen.
Ich weiß es klingt blöd, aber in dem Moment fiel so eine Last von mir ab und mir ging es augenblicklich besser. Ein Rest schlechtes Gewissen war zwar noch da, aber ich denke nach wie vor, dass man niemals versuchen sollte die Verantwortung für eine solche schlimme und vor allem tückische Krankheit, zu tragen.
Ich denke auch da endete meine Opferrolle und ich fing an wieder zu agieren anstatt nur zu reagieren. Man fühlt sich dann nicht mehr so machtlos und ausgeliefert sondern ist wieder Herr seiner Situation.
Wenn mich heute jemand fragt: Wie hältst du das aus? Dann kann ich nur sagen: Ich liebe meinen Mann und bin an seiner Seite wenn er es möchte, aber in Zeiten in denen er lieber für sich ist und keinen sehen will, muß ich das so hinnehmen und es mir so gut es geht gut gehen zu lassen. Ich denke gerade Angehörige von Depressiven überschätzen oft ihre Kräfte und brechen dann selbst zusammen.
Damit hilft man aber niemanden. Den anderen nicht und sich selbst auch nicht.
Ich hab auch oft bemerkt dass mein Mann diese Vertätschelung (wenn es ihm schlecht ging) als absolut schlimm empfunden hat und sich dadurch noch kleiner fühlt.
Ich möchte am Schluß noch hinzufügen dass es natürlich bei Suizitäußerungen kein wenn und aber gibt und sofort der Notruf verständigt werden sollte.
Es tat gut sich dies mal hier von der Seele zu schreiben, denn mit vielen Leuten kann man nicht darüber reden!!
Ich wünsch euch einen schönen Tag
Tangram
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
Mialasi
Beiträge: 37
Registriert: 14. Apr 2010, 22:10

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von Mialasi »

Vielen Dank für deinen Thread. Es macht mir wirklich Mut, das man auch das Leben mit einem Depressiven UND Kindern gemeistert kriegt.

Ich bekomme so oft geraten, ich soll mich sofort von meinem Freund trennen, das ich so jemandem meinen Kindern nicht zumuten kann, vorallem nicht unserer gemeinsamen Tochter, weil sie ja erst 1 1/2 Jahre alt ist.

Ich denke mir nur immer, die haben ja alle gut reden. Und vorallem, was wäre wenn einer von denen in eine Depression rutschen würde - was würden sie denken wenn ihr Partner dann direkt das Weite sucht. Auch wenn ein Depressiver sich völlig zurückzieht, man kaum Kontakt hat und über Wochen kein liebes Wort hört - ich denke dennoch, das sie in ihrem Inneren froh sind, wenn der Partner an ihrer Seite bleibt.

LG
Kiti
AHS
Beiträge: 12
Registriert: 13. Mai 2010, 13:33

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von AHS »

Hallo Tangram,

ich finde es schön, dass du Anderen hier Mut machst.

Dir wünsche ich viel Kraft, Geduld und Energie.

Alexia
wennfrid
Beiträge: 799
Registriert: 15. Feb 2010, 08:01

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von wennfrid »

Hi tangram
Ich bin davon überzeugt, dieser Satz, kümmere dich erst mal um dich selbst, du wirst für niemanden anderen etwas sein können, wenn du dich nicht für dich selber sorgst, ist die einzige Hilfe. Außerdem ist dieses Forum dazu da, Hilfe zu kriegen, sich die Sorgen von der Seele zu schreiben und Trost und Zuspruch zu bekommen. Menschen, die Gleiches oder Ähnliches erlebt haben, werden dich sofort verstehen.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
Arni
Beiträge: 26
Registriert: 23. Nov 2009, 15:02

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von Arni »

Hallo tangram,
mich hat dein Bericht sehr ergriffen, bei mir ist mein Sohn depressiv. Mir ging es genauso wie dir, ich wußte so gut wie nichts über diese Krankheit -Depression-,
habe sehr viel im Internet nachgelesen oder
versucht mit den Psychologen im Krankenhaus zu sprechen, aber auf meine vielen Fragen bekam ich nur unzureichende Antworten, wie sie müssen Geduld haben.
Dieser Satz:- Kümmere dich um dich selbst -
kann ich noch nicht für mich annehmen, bei uns dreht sich alles um unseren Sohn. Unser ganzes Leben ist darauf ausgelegt. Ein eigenes Leben gibt es für uns z.Zt. nicht
mehr.
Nur bin ich nicht in der Opferrolle sondern
fühle mich macht- und hilflos, da man so wenig den Betroffenen helfen kann.
Deine Gedanken an dem Tag gingen mir sehr nahe, ich kann sie aber verstehen. Zuerst ist man verzweifelt, dann kommt die Wut,
auf diese Scheißkrankheit und die Machtlosigkeit, mit der ich sehr oft nicht umgehen kann.
Ich stoße sehr oft an meine Grenze der Belastbarkeit, darf es mir aber nicht anmerken lassen, da sonst mein Sohn sich wieder Vorwürfe macht, obwohl keiner etwas dafür kann, dass es auch unsere Familie getroffen hat.
Wenn es meinem Sohn jetzt mal schlecht geht, lass ich ihn auch in Ruhe.

Sei gegrüßt von Ute
tangram
Beiträge: 131
Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von tangram »

Hallo Ute,
ja ich denke wenn mein Sohn Depressionen hätte wäre das auch sehr sehr schlimm für mich. Bei seinem Kind (auch wenn er schon älter ist) fühlt man sich oft so machtlos und irgendwie ist es da auch schwer, da loszulassen, weil man sich doch verantwortlich fühlt.
Mein ältester Sohn ist 20 und leidete auch jahrelang unter der Krankheit meines Mannes (tut es immer noch), als er noch Jugendlicher war, tauchte er aus Selbstschutz in die virtuelle Welt von World of Warcraft ein und verbrachte da tagelang vor dem PC. Bin damals auch zur Suchtberatung gegangen und da meinte man, er hätte ein Autonomie Problem und wir sollten ihm ein Zimmer unterm Dach einrichten, wo er völlig allein ohne uns sein kann. Ein Jahr später überraschte er uns mit dem Wunsch sich bei der Bundeswehr für 8 Jahre zu verpflichten. Was er dann auch tat. Seitdem ist er über die Woche in Mainz - also ziemlich weit weg von uns. Ich denke das tat er auch damit er nicht ständig mit der Krankheit konfrontiert wird. Und ich verstehe ihn gut. Er zeigte damals auch oft depressive Stimmungen und ich fürchtete schon dass auch ihn die Depression erwischt.
Liebe Ute, da konnte ich mich auch nicht rausnehmen. Mein Verhalten, dass ich oben beschreibe ist ja im Prinzip auch nur so eine Art Selbstschutz, damit ich noch einigermaßen gut über die Runden komme - zudem hab ich ja noch 2 Kids. Was mir sehr hilft ist meine Malerei, und mein unbeschreiblicher Optimismus- ich lache sehr gern und das ist mein Rettungsanker.
Liebe Ute für dich und deine Familie auch alles Gute!!
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
MarionRößler
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Registriert: 27. Apr 2010, 21:36
Kontaktdaten:

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von MarionRößler »

Hallo tangram,

ja, das war echt gut, dass diese Zeilen hier Einzug gefunden haben. Und vor allem: Dass es DIR damit besser geht!

Ich war der depressive Part bei uns und es ist für Angehörige so etwas wie ein Tabu zu sagen, dass man dafür nicht zuständig ist.

Ist man aber nicht!
Und man ist damit überfordert - so einfach ist das.

Der Partner ist auch nicht der richtige Ansprechpartner, so meine Überzeugung und Erfahrung. Das habe ich auch erst mühsam lernen dürfen. Kein Angehöriger hat die Verantwortung für das, was ein depressiver Mensch tut oder auch nicht.

Ich habe meinen Mann unlängst gefragt, warum er sich nicht dafür interessierte, wie es mir ging. Ich konnte nicht mit ihm darüber reden in der schlimmen Zeit. Seine Antwort: Er hat sich als Versorger und zuständig für mein Wohlergehen gefühlt. Er hat es nicht geschafft, dass es mir besser oder gar gut ging. Somit hat er sich "ausgeklinkt", sich als Versager gefühlt.

Ich finde es gut, dass du dich von diesem inneren Klotz hast befreien können und dafür war die Schlüsselsituation gut- etwas Gutes in diesen schrecklichen drei Stunden !!!

Nimm es einfach an, es ist okay, wenn es DIR gut geht. Mehr kannst du sowieso oft nicht tun...

Herzlichst
Marion
Viel Spaß im Leben!
tangram
Beiträge: 131
Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von tangram »

Hallo Beginner,
danke für deine Worte-taten gut!
Gerade heute die letzten Tage waren alles andere als einfach. Auch wenn man glaubt alles zu wissen, in Punkto Verhalten zum depressiven Partner kann man sehr schnell wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Passierte mir gerade eben - meinem Mann geht es seit 10 Tagen sehr schlecht- die erste Zeit kommt man noch gut damit zurecht- aber umso länger dieser Zustand der "Eiszeit" dauert umso zermürbender und zehrender wird das Ganze. In meinem Fall platze dann die Bombe in Form meines 17-jährigen Sohnes, der gestern einfach beschloß eine Party mit 13 Leuten zu feiern, ohne das wir davon wußten. Mir platzte der Kragen und da meine Nerven eh schon blank lagen, nachdem ich mehrfach darum bat, doch etwas Rücksicht zu nehmen und keinen Erfolg damit hatte.
Mein Mann stand dem Ganzen fast widerstandslos gegenüber und ich fing an ziemlich hektisch und kopflos zu reagieren. Na ja eigentlich menschlich, aber dann kam der eigentlich Fehler - ich versuchte meinen Mann zu involvieren und vermutlich auch (sehr wahrscheinlich sogar) hab ich ihn damit dann überfordert. Im nachhinein denke ich, ich hätte das Ganze vielleicht mit etwas mehr nachdenken ruhiger gestalten können. Aber so kann man sehen, dass man halt einfach auch nur ein Mensch ist und es auch mir als Angehörigen erlaubt ist mal Fehler zu machen. Ich hab dann das eigentlich richtige getan und bin für eine kurze Zeit weggefahren um mich aus der Situation zu bringen und ihm die Gelegenheit zu geben wieder ruhiger zu werden. Ich weiß ja dass er im Moment nicht anders kann, aber in diesem Moment war einfach der berühmte Tropfen gefallen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat.
Ich möchte auch ganz dringend raten, das Angehörige sich beizeiten mal selbst Hilfe bei einer Therapeutin zu holen. Das kann sehr oft auch hilfreich sein, denn bei aller Liebe darf man nicht vergessen - unsere Batterie kann sich ganz schnell mal entladen.
Liebe Grüße Tangram
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
sunshine45
Beiträge: 685
Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von sunshine45 »

Liebe Tangram,
danke für Deine Berichte und Deine Gedanken.
Sie entsprechen sehr meinem eigenen Denken, vielleicht hast Du meine Geschichte ja auch in der "Zwischenbilanz" gelesen.
Im letzten Jahr habe ich mir selbst Hilfe geholt, weil es mir sehr sehr schlecht ging, denn die Depression meines LG geht schon über mehrere Jahre ohne gute Phasen zwischendurch und er ist meist vorwurfsvoll und verbal aggressiv. Das kann einen dann ganz schön mürbe machen.
Ich habe in meiner eigenen Therapie gelernt, dass ich viel zuviel Verständnis für ihn hatte und dadurch die Situation oft noch verschlimmert habe und mich dadurch auch viel zu sehr zurückgenommen und "verbogen" habe. Das mache ich jetzt nicht mehr. Ich finde nämlich nicht, dass man immer Verständnis haben muss.
In heftigen Situationen mache ich dann einfach mein eigenes Ding und unternehme was allein oder plane für mich allein. Das tut mir gut, ebenso bitte ich meinen LG in seinen Bereich zu gehen, wenn er extrem schlecht drauf ist.
Wenn es ihm besonders schlecht geht (war bei uns kürzlich auch wieder für einige Tage der Fall), dann biete ich ihm an etwas gemeinsam zu unternehmen und achte dann aber auch darauf, dass ich nicht nur den "Unterhalter" mache, sonder ich auch etwas von den Unternehmungen habe.
So haben wir letztens gemeinsam eine neue Stadt entdeckt und es hat uns Beiden gut getan und ihn aus der "Starre" etwas gelöst. Nie wieder werde ich etwas machen, was ausschließlich ihm gut tut. Das wäre nicht richtig, denn ich bin genauso wichtig. Für meinen LG ist es auch besser so, wenn er merkt, dass ich es nicht nur ihm zuliebe tue, sondern selbst Freude daran habe.
Ich finde auch nicht, dass Du einen Fehler gemacht hast wie Du schreibst, sondern Du lebst einfach und das steht Dir zu und ebenso darfst Du genauso überfordert sein mit Situationen wie Dein Mann auch.

Im Übrigen hatte ich auch (leider mehrere) Schlüsselerlebnisse, die dazu geführt haben, dass ich mit der Situation anders umgehe. Ich weiß, dass ich es nicht ändern kann, wenn mein LG Suizidgedanken hat und mir auch manchmal damit droht. Mittlerweile weiß ich warum er es macht und gerate nicht mehr direkt in Panik, aber ich weiß auf jeden Fall, dass ich nicht verantwortlich dafür wäre. Und dieses Wissen und Empfinden macht vieles für mich leichter.

Ich kann Angehörigen, die sehr lange mit Depressionen konfrontiert werden auch nur raten sich professionell begleiten zu lassen. Oft erkennt man das viel zu spät und ist dann schon mittendrin in der Co-Abhängigkeit.

Liebe Grüße
von der Koboldin
Love it, leave it or change it!
tangram
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Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von tangram »

Hallo Koboldin,
ja stimmt, Fehler passieren eben und ich denke auch nicht stängig nach hinten zu gucken und mir gedankliche Watschen zu geben
Das mit deinen Unternehmungen ist schon super! Auch wichtig - es sollte nicht nur zum Wohle des anderen sondern für beide nährend sein.
Ich denke das heißt vor allem sich seine eigenen Fehler zu vergeben und trotzdem nicht das Lachen zu verlernen.
Liebe Grüße Tangram
Hoffe trotz allem dass die Eiszeit bald wieder endet!!
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
tangram
Beiträge: 131
Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von tangram »

Hallo Koboldin,
noch mal ich!
Ich hab gerade mal deine Geschichte gelesen und finde es sehr mutig und bewundernswert wie du mit diesen Agressionen von deinem LG umgehst.
Ich kenne diese Agressionen auch-aber nicht von meinem Mann - sondern noch von früher, als ich noch ein Kind war. Meine Mutter war Alkoholikerin und schwer depressiv. Angefangen hat das Ganze als ich 8 Jahre war, das ging dann bis sie schon fast an Leberzirrhose gestorben wäre- da war ich 16. Da hatte sie dann ihr Schlüsselerlebnis und seitdem trinkt sie nicht mehr. Allerdings sind diese Agressionen-Depressionen-Phasen, geblieben. Dieses Gefühl heimzukommen, und nicht zu wissen wie die Stimmung da drin ist-
kann sein dass alles Butterkuchen ist, kann aber auch sein, dass da drin der Krieg tobt-kenne ich gut. Gott sei Dank nicht von meinem Mann, denn ich denke dass ich solche Agressionen nicht noch mal aushalten könnte.
Meine Mutter hat auch vor Prügel nicht halt gemacht. Ich hab schon manchmal drüber nachgedacht ob es da einen Zusammenhang zwischen meiner Mutter und der Depression meines Mannes geben könnte- kann die Frage aber nicht wirklich bejahen oder verneinen.
Ich weiß nur dass ich als Kind Schuldgefühle hatte wenn es meiner Mutter schlecht ging und dass ich die auch heute manchmal habe, wenn es meinem Mann nicht gut geht.
Da hätten wir dann schon eine Parallele.
Dann war da noch dieses kindlichen Helfersyndrom-frei nach dem Motto, ich kann ihr helfen (ging natürlich nicht). Lange Zeit hatte ich das auch bei meinem Mann, bis zu jenem Tag im Garten.
Ich habe bei dir gelesen dass du auch zuviel ja und amen zu allem gesagt hast und ihm helfen wolltest, worauf er noch gereizter reagierte.
Die Erfahrung, Nachts allein im Bett zu liegen und nicht zu wissen, ob er den Weg wieder zu mir findet hatten wir vor einem halben Jahr. Da zog er ins Dachgeschoß und stellte den Kontakt mit mir ein. Während ich unten in der Wohnung langsam am Durchdrehen war, schien es ihm oben in seinem Domizil geradezu grandios zu gehen. Im Umgang mit anderen Leuten ging es auch ganz gut - nur wenn ich in der Nähe war, war Funkstille.
Als ich dann nach einer durchweinten Nacht endlich aufgab und anfing meine Gefühle zu beobachten, stellte ich fest, wieviel Verlustangst da in mir war. Man könnte fast schon sagen todesangstähnlich.
Dann ging ich wieder mehr auf mich selber ein und bemerkte dass ich schon wieder auf dem besten Wege gewesen war, alles von ihm und seiner Stimmung abhängig zu machen. Ich zog dann meine Aufmerksamkeit mehr und mehr von ihm ab und siehe da- plötzlich fing er wieder an sich anzunähern. Zwar langsam aber immerhin.
Hoffe es ist jetzt nicht zu viel geworden. Ich hab nur so die Gedanken aufgeschrieben die da gerade so in mir waren.
Jetzt hör ich mal lieber wieder auf, sonst wirds womöglich noch peinlich
Schönen Abend noch
Tangram
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
sunshine45
Beiträge: 685
Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von sunshine45 »

Liebe Tangram,
danke für Deine Gedanken und keine Sorge es wird gar nichts peinlich.
Ich kenne das alles nur zu gut habe bei mir dieselben Beobachtungen gemacht. Es ist nur einfach so unglaublich schwer aus dieser Schraube nach unten herauszukommen.
Jede schlechte Stimmung des Partners bezieht man auf sich, denkt wieder was falsch gemacht zu haben und fängt an sich immer mehr zu verdrehen, weil man denkt es wird dann besser.
Es gibt ja auch oft keine Energiequellen für einen selbst mehr und man ist nur noch mit negativen Gedanken des Partners konfrontiert. Das Selbstwertgefühl leidet, man fühlt sich ungeliebt und arbeitet und bemüht sich bis zur Erschöpfung. Du hast ja auch noch Kinder, die Dich brauchen.
Dein Mann ist ja auch schon so lange depressiv und im Grunde genommen ist ja auch unklar, ob unsere Männer überhaupt jemals wieder gesund werden. Ich finde, dass muss man sich schon klar immer wieder vor Augen halten. Gerade aus diesem Aspekt heraus ist es sehr wichtig, dass Leben für sich selbst auch lebenswert zu machen, wenn man mit dem Mann zusammenbleiben möchte. Das eigene Leben darf nie weniger bewertet werden, als das eines anderes Menschen. (hinsichtlich eigener Kinder mag die Ansicht nicht unbedingt stimmen)
Aber gerade wir, sollten so ziemlich jede Kraftquelle annehmen, die sich bietet.
Seit ich für mich eine gesunde Distanz gefunden habe, geht es mir viel besser. Ich bin eigenständig und nicht abhängig und das ist ein gutes Bauchgefühl.
Genau das wünsche ich Dir auch.
Herzliche stärkende Grüße
von der Koboldin
Love it, leave it or change it!
Marionka
Beiträge: 175
Registriert: 22. Nov 2009, 18:53

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von Marionka »

Hallo tangram,

genauso wie du das Verhalten deines Partners beschreibst, war es bei mir auch. In der Öffentlichkeit immer nett, freundlich, unterhaltsam und bei mir nur muffelig, langweilig und agressiv. Habe das auch ganz lange Zeit sehr persönlich genommen. Da hat mir das Forum hier wirklich sehr geholfen, das nicht zu tun.
Auch hatte (und habe) ich diese wahnsinnigen Verlustängste, weiß aber nicht warum. Ein Therapeut hilft mir dabei, das herauszufinden.
Ich agiere mittlerweile überhaupt nicht mehr, sondern lasse wirklich meinen Partner kommen und reagiere nur noch. Das ist das Beste, was ich tun konnte. Er sucht, wann immer es möglich ist, den Kontakt zu mir und unsere Beziehung ist nicht mehr verkrampft sondern wirklich wieder richtig locker geworden. Einiges zwischen uns ist noch unausgesprochen, aber der Zeitpunkt für ein klärendes Gespräch ist noch nicht gekommen. Das spüre ich.
Mittlerweile leben wir ja seit 7 Monaten in einer Art Schwebezustand und ich hoffe nicht, dass ich wieder auf den Boden knalle, was aber durchaus passieren kann. Mein Freund ist nach wie vor nicht in ärztlicher Behandlung wegen der Depression.
Ich wünsche dir viel Kraft und Mut für deine Beziehung und hier in dem Forum bist du witklich gut aufgehoben.
Alles Liebe von Marion
tangram
Beiträge: 131
Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von tangram »

Hallo Marion
Danke für eine Worte.
Ich denke auch dass ich in diesem Forum gut aufgehoben bin.
Gerade heute ist wieder ein sehr schlimmer Tag - 2 Wochen geht das *Schweigen* jetzt schon und ich glaube langsam geht mir die Puste aus.
Es kostet so viel Kraft wenn da jemand neben dir lebt und eigentlich ganz weit weg ist. Tagsüber geht man sich aus dem Weg und Nachts liegt man nebeneinander und doch ist man einsam.
Diese Krankheit ist so gemein - für beide Seiten.
Die ersten Tage sind die Batterien noch voll aber mit jedem Tag der vergeht geht man mehr auf Reserve und ich fürchte meine Reserve ist bald erschöpft.
Ich hab Angst dass ich die Hoffnung wieder verliere und habe dauernd solche Gedanken wie: Vielleicht kommt er ja nie wieder zu mir zurück. Das macht mir Angst! Äußerlich versucht man ruhig und gelassen damit umzugehen und innerlich spielt sich bei mir ein Gefühlschaos zwischen Traurigkeit Wut Angst - dann wieder Hoffnung und Zuversicht!
Hab heute eine gute Idee für ein Bild gehabt. Werde mich mal dranmachen! Vielleicht hilft es ein wenig - Mist ist das alles K....! Liebe Grüße Tangram
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
sunshine45
Beiträge: 685
Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von sunshine45 »

Liebe Tangram,
ich kann Dich so gut verstehen.
Um es aber auch mal ganz klar zu sagen, glaube ich, dass wir in einer "anderen Liga spielen" als viele andere hier.
Leider ist es so, dass die Depression bei unseren Partnern schon seit Jahren andauert und wenn ich mich mal so umschaue, so finde ich einfach wenige Partner, die das schon so lange mitmachen.
Es ist völlig normal, dass uns die Puste ausgeht und die Wut auch oft vordergründig ist. Aber ich glaube, das ist für uns auch überlebensnotwendig, denn die Wut hilft uns auch an uns selbst zu denken.
Ich umarm Dich mal, habe heute einen ähnlichen Tag hinter mir. In den letzten 2 Tagen wurde ich förmlich mit postitiven Dingen mir gegenüber überschüttet (naja im Rahmen seiner Möglichkeiten, immer noch weit von dem entfernt was man Partnerschaft nennt, aber immerhin).
Heute sieht es schon wieder anders aus, er fühlt sich eingeengt und die Dinge, die er gestern noch selbst vorgeschlagen hat, sind ihm heute zuviel.
Noch vor 1 Jahr hätte mich das heute total fertig gemacht, heute kenn ich die Hintergründe und weiß, dass morgen schon wieder alles anders sein kann.
Aber auf jeden Fall weiß ich, dass ich auch für mich allein glücklich sein kann und beobachte immer mehr, dass ich nicht mehr abhängig von der Stimmung meines LG bin.
Ich versuche ihm Entspannung und Rückhalt zu geben zu gut ich kann, aber genieße trotzdem das Leben.
Ich wünsche Dir auch etwas mehr Distanz, obwohl ich natürlich weiß, dass Du in einer anderen Situation bist. Mit Kindern ist das alles bestimmt noch viel schwieriger.
Ich drück Dich mal aus der Ferne, sonst macht das aktuell wahrscheinlich keiner
Liebe Grüße
von der Koboldin
Love it, leave it or change it!
tangram
Beiträge: 131
Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von tangram »

Hallo Koboldin!
Danke für die Umarmung!
Heute scheint endlich mal wieder die Sonne - nach diesem ewigen Regen!! Heute früh ging es meinen Mann nicht sehr gut - stand spät auf und hing dann da so rum - na ja - er hat ja Urlaub. Ich hab mir dann meine Tochter geschnappt und wir sind zum shoppen gefahren - hat richtig gut getan.
Mir gehen heute den ganzen Tag soviele Gedanken durch den Kopf. Ich hab mal ein Buch gelesen: Liebe dich selbst und es ist egal wen du heiratest!
Darin beschreibt die Autorin eine Zustand, den sie *die dunkle Nacht der Seele* nennt.
Der Zustand, in dem das Alte vergangen ist und das Neue noch nicht greift. Ich denke diesen Zustand strebe ich gerade mächtig an.
Man weiß gar nicht, was die Zukunft bringt und schwebt so dahin.
Als du geschrieben hast : Wir beide gehören da einer gewissen Liga an, wurde mir schmerzlich bewußt, wo wir uns gerade befinden. Meinst du es gibt wirklich so wenig von uns??
Möglicherweise schrecken wir ja andere, die am Anfang einer solchen Beziehung stehen total ab. Nun ja, ich für meinen Teil kann sagen, ich lebe und ich liebe auch noch.
Besonders stark denke ich auch nicht, dass ich bin - so normaler Durchschnitt. Vielleicht haben wir uns nur an alles gewöhnt. Aber ich merke dass ich gerade dabei bin etwas in meinem Inneren zu verändern. Bzw. es verändert sich etwas in meiner Denke. Ich hab meinen ganzen Fokus von meinem Mann abgezogen und höre in mich hinein was da in meinem Inneren passiert. Denkst du auch dass da was an der Theorie dran ist, dass etwas von der Krankheit unserer Männer auch in uns vorhanden ist, sonst könnte man doch auch nicht vom *Spiegel* sprechen. Der Partner spiegelt dich! Hört sich verrückt an, aber ich möchte weiter lernen - vielleicht etwas über mich selbst?

Einen schönen sonnigen Tag für dich
Tangram
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
Himmelblau
Beiträge: 15
Registriert: 20. Mai 2010, 08:24

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von Himmelblau »

Hallo ihr Beiden!

Tja,in welcher Liga spielen wir ?
In einer Liga,wo es vielen Frauen so geht wie uns.
Ich würde es nicht mal zeitlich messen.
Die Frage ist eher,warum halten wir es so lange aus,durch und versuchen es immer wieder ?
1. Weil die Ehe davor eine gute Ehe war?
2. Weil wir Strukturen in der Kindheit gelernt haben? (Im positiven oder negativen Sinne)
3. Können wir nicht loslassen durch schlechte Erfahrungen?
Ich frage das mich öfters? Meine Therapeutin sagte damals:"Warum ich es meinen Mann versuche recht zu machen" ? Jeden alles recht zu machen,das bin ich nicht. Aber warum gerade in dieser Ehe.
Ich muß dazu noch sagen mein Mann ist ADS-ler und vor kurzen haben wir auch dieselbe Diagnose bei meinen erwachsenen Sohn.
Erst durch die Depression meines Mannes sind wir darauf gekommen.Anschließend durch die Diagnose eines Psychiaters der sich darauf spezialisiert hat. Mein Mann nimmt selber Trevilor und Methylphenidat (Ritalin).Da ADS-ler eigensinnige Menschen sind und sich von niemanden gern was sagen lassen,doktert er mit der Dosierung selber herum.Da könnt ihr Euch sicherlich vorstellen,daß ich nicht nur durch die Depression, sondern auch durch der unterschiedlichen Medikamentengabe einen ständigen anderen Menschen zu Hause sitzen habe. Ab und zu taucht dabei auch mal für kurzer Zeit mein Mann auf , den ich mal geheiratet habe.
Wie lange soll das noch gehen ?
Ich weiß es nicht!
Zum Teil hängt dies auch von meinen Mann ab!!!
Er will den schnellen Weg! Hat keine Geduld!Macht immer wieder Fehler!Und ich weiß,wenn man nicht an sich selber arbeitet,taucht die Dame in schwarz immer wieder auf.
Bin ja mal gespannt,wie die Medi-Einstellung (Trevilor)bei meinen Sohn hilft ? Er selber bekommt kein Retalin.Da Ritalin u. Strattera ab diesen Jahr selber bezahlt werden muß, haben wir da schon mal ein Problem.
Hallo Tangram,der Gedanke mit dem Spiegel ist nicht einmal verkehrt.
Ich selber habe in meiner Kindheit die selben Szenen durch,die ich jetzt in meiner Ehe erlebe.Der einzige Unterschied ist,ich spreche mit meinen Mann darüber.Natürlich habe ich auch einiges aus der Kindheit mit in die Ehe gebracht!!! So wie ich es erlebt und gelernt habe. Deswegen habe ich auch bis vor der Depression meines Mannes nichts vermießt.Ich habe es nicht anders gelernt.Heute weiß ich, daß wir eine gute Ehe hatten,aber anders als bei den andern.Aber dieses Wissen macht mich nicht glücklicher.Oft denkt man dann halt auch,man hat das normale Leben verpaßt.Wäre man mit jemanden anders glücklicher oder ist es gerade die persönliche Struktur des eigenen Partners mit der man alt werden möchte?
Ich glaube solche ähnlichen Fragen gehen Euch auch durch den Kopf!



LG an Euch Heide!
tangram
Beiträge: 131
Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von tangram »

Hallo Heide,
danke für deine Antwort.
Du schreibst dass du eine gute Ehe hattest, aber nicht so wie bei anderen "Normalen"
Wer gibt denn vor was "Normal" und was "Unnormal" ist? Schalten wir den Fernseher ein und gucken uns eine Zuckergußheile Welt mit Friede Freude Eierkuchen oder dergleichen an, wo immer die Sonne scheint? Ist das Normal?
Ich denke mal eher nicht. Oder meine Welt ist schon so dunkel gefärbt dass ich mir schon gar nicht mehr vorstellen kann, wie so was funktioniert. Ich hatte mal eine Freundin die lebte in so einer heilen Welt und dachte nie könnte ein Wölkchen diese trüben. Am Muttertag hatte sie für die ganze Familie Kaffe und Kuchen gemacht. Vor versammelter Familie (Schwiegermutter, Eltern und Kindern) eröffnete ihr ihr Mann, dass er eine andere hatte und zog auch gleich aus. Punkt! Ich glaube unsere Gesellschaft ist durch die Denke unserer Zeit, gemessen an Superlativen schon gar nicht mehr in der Lage, auch die Schattenseiten zuzulassen. Man denke an diverse Fernsehsendungen wie:Supermodell, Superstar, Superschön, Superblöd.....
Wenn alles immer Super und 200 % ig sein muß, wo bleibt da der Normale Mensch, von dem es ja auch zig-Millionen gibt.
Das geht doch durch alle Bereiche im Zusammenleben, ob Beruf oder Privat. Bist du in der Arbeitswelt nicht zu 100 - bzw. besser noch zu 200 % präsent, und wagst es einmal die Waffen zu strecken, dann bist du raus.
Vielleicht geht es in unserem speziellen Leben auch einmal darum umzudenken und einfach auch mal zu akzeptieren, dass es Grenzen gibt und Schatten und dass eben nicht immer alles "machbar" ist. Wenn man das in sein Leben integrieren kann, dann wäre das vielleicht ein toller Schritt nach vor.
Das war das Wort zum Sonntag von Pfarrerin Tangram ...sollte jetzt sarkastisch sein.
Liebe Grüße
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
sunshine45
Beiträge: 685
Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von sunshine45 »

Liebe Tangram,
ich habe Dein posting bei hopefully gelesen und möchte mich hier in Deinem Thread nach Deinem Befinden erkundigen.
Du hast geschrieben, dass bei Euch schon seit 3 Wochen Eiszeit ist. Das ist natürlich hart und glaube mir, ich kenne sowas leider auch.
Man leidet unglaubliche Qualen, wenn man den Partner täglich vor Augen hat, er aber trotzdem Lichtjahre entfernt ist und zudem so eine furchtbare Kälte ausstrahlt.
Diese Kälte und Starre tut mr auch immer am meisten weh.
Mein (Ex(-LG lebt schon seit dem letzten Jahr im DG und hat dort eine vollständig eingerichtete Wohnung.
Anfangs dachte ich das nicht aushalten zu können, weil ich die Distanz ja nicht gewollt habe. Mittlerweile habe ich verstanden, dass auch diese kleine räumliche Trennung für mich gut ist, damit auch ich meine Auszeiten bekomme.

Aber mal was ganz anderes, wir haben für uns einen Weg gefunden miteinander umzugehen, wenn er wieder einen starken depressiven Schub hat.
Wir haben ausgemacht, dass ich dann Vorschläge machen darf ihn irgendwie vor die Tür zu locken.
Beim letzten Mal (er war völlig unten, pflegte sich schon seit Tagen nicht mehr, aß kaum noch was und wenn er sprach, so war es nur wütend und er hatte eine völlige Starre im Gesicht) habe ich vorgeschlagen gemeinsam in die Stadt zu fahren. Ich habe dabei eine kleine Stadt ausgesucht, die wir Beide nicht kannten. Es ist nämlich dann ganz wichtig, dass man gemeinsam etwas neues erlebt über das man sich auch unterhalten kann.
Ich konnte diesmal förmlich sehen, wie beim Gang durch die Stadt so ganz langsam die Starre aufbrach. Es tat ihm gut sich zu bewegen und das Sonnenlicht zu spüren.
Tatsächlich waren dann auch oberflächliche Gespräche möglich.
Momentan geht es ihm auch nicht besonders gut und er stürzt zwischendurch immer wieder ab.
Aber auch da haben wir eine Art Notbremse gefunden.
Wir gehen in den Garten und spielen Boule etc.
Das hilft uns tatsächlich sehr und zaubert dann auch mal ein Lächeln in die Gesichter.
Hauptsächlich es sind Dinge, die völlig vom Alltag ablenken und Beiden gut tun.
Vielleicht geht sowas ja auch bei Euch. Man kann sich das wirklich antrainieren, hätte anfangs auch nie gedacht, dass das bei uns klappt, denn zum spielen oder in depressiven Phasen in die Stadt zu fahren, hatte er eigentlich nie Lust.
Jetzt hat er aber gemerkt, dass es ihm gut tut und es hilft wirklich.
Ich hoffe bei Dir hat heute die Sonne etwas geschienen und Du hattest einen guten Tag.
Herzliche Grüße
von der Koboldin
Love it, leave it or change it!
tangram
Beiträge: 131
Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von tangram »

Hallo Koboldin,


Danke für deine lieben Worte.

Tja im Moment geht es mir wirklich nicht besonders. Sogar die Kollegen in der Arbeit meinten schon, dass ich in den letzten Tagen auffallend blass und wortkarg sei.

Ich weiß langsam ehrlich nicth mehr so genau was ich denken soll.
Die Phase dauerte noch nie so lang - manchmal ein paar Tage - schlimmstenfalls mal 1 1/2 Wochen - aber nun? 3 Wochen sind es bald und kein Zeichen mehr. Meine Stärke schmilzt langsam dahin -

Ich höre immer wieder in mich rein, was meine innere Stimme zu mir sagt - aber diesmal schweigt sogar die.

Als ich neulich deinen Tread gelesen hab, stand dort, dass dein Mann sich mal kurzzeitig in eine andere Frau verguckt hatte.
Das hätte ich mir bei meinem Mann nie vorstellen können - aber nun bin ich mir da gar nicht mehr so sicher.

Er verschwindet oft stundenlang in seinen Hobby-Keller (da hat er einen PC) und ich denke dass er da mit jemanden chattet.
Angesprochen hab ich das Thema bisher noch nie, aber meine Therapeutin meinte neulich ich muß über die Angstschwelle springen und klartext reden.

Das mit dem Computer hat er übrigens schon länger -- auch als es ihm gut ging - und die gute Phase dauerte immerhin fast ein halbes Jahr lang- ging er immer wieder fast rituell in seinen Keller und ich denke dass er dann mit jemanden chattet.

Er hat sich sehr verändert.
Ich spüre, dass es da jemanden gibt, der da zwischen uns steht.
Meine Intuition sagt mir das.

Ich hab hier im Forum schon öfters gelesen, dass das *Fremdorientieren* (ich will gar nicht *Fremdgehen* schreiben) offenbar sehr häufig vorkommt.
Dabei steht immer wieder dass die Leute dann glauben mit diesem neuen Partner ginge es ihnen besser, als mit den *alten*.

Morgen hätten wir eigentlich unser Paargespräch bei einer wirklich tollen Psychotherapeutin - weiß noch gar nicht ob der überhaupt mitkommt.

Dein Tipp mit dem rausgehen und spielen ist bestimmt eine gute Idee.



Ich werde den Rat beherzigen und es versuchen, wenn wir mal wieder miteinander sprechen können.

Vielen Dank nochmal und liebe Grüße

Tangram
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
sunshine45
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Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von sunshine45 »

Liebe Tangram,
mach Dir mal bzgl. einer anderen Frau nicht zuviel Gedanken. Dein Mann ist gar nicht in der Lage sich ernsthaft einer anderen Frau zu widmen.
Vielleicht chattet er mit einer anderen Frau, ja mag sein ...
Er kann anderen ja auch gut was vorspielen, im Chat kann er so sein, wie er sein möchte und anderen etwas vorgaukeln, dann fühlt er sich zumindest mal eine zetilang nicht so krank und unten. Er bekommt Selbstbestätigung, die er bei Dir nicht bekommen kann, weil er sie nicht zulassen kann und sich klein fühlt.
Das sind meist die Mechanismen die sich so abspielen.
Mein LG hat sich nicht in eine andere Frau verguckt, sondern er hat eine gute Freundin (mit der es vor meiner Zeit mal einen ons gab) und diese Freundin ist auch seine Ärztin. Er kennt sie schon bestimmt 10 Jahre länger als mich. Das ganze macht mir auch nichts, allerdings ist die Frau selbst extrem grenzüberschreitend und er tanzt manchmal ganz schön nach ihrer Pfeife.
Mittlerweile empfinde ich ihr Verhalten auch im Hinblick auf sie als Ärztin als extrem fahrlässig und habe eine Mordswut auf sie, aber das ist alles ein anderes Thema.

Wir haben ja auch eine Paartherapie gemacht und mein LG hat sie abgebrochen. Im letzten Gespräch hat die Therapeutin ihm dringend geraten sich stationär aufnehmen zu lassen. Diese Aussage hat ihn ziemlich geschockt und hat zumindest soweit geführt, dass er schon mal 10 Therapiestunden gemacht hat. Dabei gab es für ihn heftige Erkenntnisse, die auch etwas bei uns verändert haben.

Insofern geh mal zur Paartherapie und sei es, dass Du allein gehst und kannst dort mal Deine Sorgen schildern und eine neutrale Person sieht mal drauf und kann Dir raten. Wenn er mitgeht, so sei vorsichtig mit Deinen Äußerungen, denn er kann sich schnell verletzt fühlen und sofort alles schmeißen. Das ist alles etwas ein Tanz auf dem Vulkan.

Ich drück Dir die Daumen und kann mir gut vorstellen, dass Dir gerade die Luft etwas ausgeht. Umso mehr wird es Zeit, dass Du Dir selbst etwas gönnst. Ruf eine Freundin oder einen Freund an und mach Dir einen schönen Abend. Du brauchst eine Auszeit!!!
Je mehr man sich distanziert (auch mal gefühlsmäßig) desto stärker wird man wieder und kommt mit sich selbst ins Reine.
Ich habe das auch nur mit Hilfe eines Kinesiologen geschafft mich abzugrenzen, ohne ihn wäre ich bestimmt unter gegangen.

Herzliche Grüße
von der Koboldin
Love it, leave it or change it!
tangram
Beiträge: 131
Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von tangram »

Hallo Koboldin,

lange Rede kurzer Sinn - ich sags mal kurz -

du hast in allem Recht!

Ich denke ich bin der beste Beweis dafür, wie es einem nahen Angehörigen geht, wenn die Zeit einen zermürbt.

Ich hab deinen Beitrag gelesen und dann ging es mir wirklich wieder besser und ich hab mich aufgerappelt.

Siehste mal, jetzt wär ich beinahne wieder in die Co-Abhängigen-Rolle gefallen!

Das sind die kleinen fiesen Stolpersteine, die einem immer wieder passieren können.

Mir ist das dann aber echt wie Schuppen von den Augen gefallen

Es gibt einfach Tage, da sieht man dann alles schwarz und dann ist es gut, wenn man sich mit jemanden austauschen kann, der in einer ähnlichen/gleichen Situation ist.

Ist immer wieder erstaunlich wie viel man über sich selbst lernen kann - Dinge die man nicht so gerne sieht und eingesteht.

Freu mich ehrlich hier zu sein --- liebe Grüße und einen schönen Donnerstag Abend---

Tangram
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
sunshine45
Beiträge: 685
Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von sunshine45 »

Liebe Tangram,
das freut mich sehr, dass ich Dich etwas aufbauen konnte.

Wie war's bei der Paartherapie?

Es ist wirklich so, dass man als Angehöriger versuchen muss, viele Verhaltensweisen des Erkrankten nicht auf sich zu beziehen. Das ist schwer, weil man ja oft ständig nur mit negativem konfrontiert wird und es bedarf schon einer unglaublichen Kraft dagegen zu halten.
Ich merke, dass ich mich immer weniger mit Menschen darüber unterhalte, die keine Erfahrung mit Depressionen haben.
Es ist für Außenstehende einfach überhaupt nicht nachvollziehbar und solche Gespräche ziehen mich dann meist nur noch runter.

Aber seit mir klar ist, dass viele Äußerungen und Handlungsweisen meines LG ausschließlich mit der Depression zu tun haben, komme ich damit viel besser zurecht.
Vieles prallt von mir ab und ich komme auch viel besser damit zurecht, wenn er mal mit anderen lacht oder plötzlich mit anderen Menschen Dinge machbar sind, die mit mir manchmal nicht möglich sind.
Ich habe verstanden, dass er sich manchmal "freier" fühlt im Umgang mit anderen Menschen, weil er ihnen gegenüber kein "schlechtes Gewissen" hat und weil sie einfach viel zu wenig wissen und er einfach mal in eine andere Welt mit ihnen abtauchen kann.
Letztendlich profitier ich dann auch davon. Seit diesen ganzen Erkenntnissen gibt es wirklich eine große positive Veränderung zwischen uns. (Hoffentlich bleibt das auch so, denn schon oft, wenn ich sowas hier geschrieben habe, kam ein Rückschlag, also klopf ich mal schnell auf Holz doing, doing, doing

Liebe Tangram, ich wünsche Dir ein gutes Wochenende und versuche mal zumindest an einem Tag (oder wenigstens abends) mal nur etwas zu tun was Dir persönlich Freude und Entspannung bringt.

Ich geh gleich zum public viewing und am Wochenende ist zumindest an einem Tag die Hängematte mit einem guten Buch angesagt.

Mach Du auch was draus!
Herzliche Grüße
von der Koboldin
Love it, leave it or change it!
tangram
Beiträge: 131
Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von tangram »

Liebe Koboldin,

danke! Werd ich machen.
Zum Public.. gehe ich heute zwar nicht, obwohl in der Innenstadt so ne Veranstaltung ist, aber ich denke mal, der Fernseher tuts heute auch mal.

Mit Leuten drüber zu reden, die so was wie Depression nicht kennen bzw. nicht unmittelbar damit zu tun haben, hab ich auch schon ziemlich aufgegeben, denn die gutgemeinten Ratschläge (und ich meine wirklich dass sie es gut meinen) helfen meist nicht wirklich, sondern ziehen einen nur runter.

Letztlich hab ich die Erfahrung gemacht, dass man dann auch noch mit Worten wie:

Wie hältst du das bloß aus?? Du Arme!! usw.


eher wohl frustrierend sind.

Paartherapie haben wir heute erst noch.
Er geht auch mit, hat er mir heute früh gesagt.

Freu mich schon aufs Wochenende - bisschen "chillen" wie mein Sohn immer sagt.

Liebe Grüße und viel Spaß


wünscht Tangram
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
sunshine45
Beiträge: 685
Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: Nicht zum Opfer werden

Beitrag von sunshine45 »

ja, dann sag ich mal:

toi, toi, toi

Drück Dir die Daumen für gleich und bin gespannt was Du zu berichten hast!

... und chillen, abhängen oder wie auch immer nicht vergessen

LG
Koboldin
Love it, leave it or change it!
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