"Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

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otterchen
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"Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von otterchen »

Hier ein Gedanke von mir an die Angehörigen, der vielleicht auf den ersten Blick arg fies erscheinen mag und sich wie ein Angriff liest - aber so ist es nicht gemeint. Es soll ein Denkanstoß sein, seine eigenen Ansprüche, Bedürfnisse und Defizite auch zu erkennen.


Bitte lasst Euren depressiven Partnern die Möglichkeit zu lernen, SICH SELBST lieben zu lernen und zu sich selbst zu stehen.
"Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb" - das klingt bei einigen Postings ziemlich deutlich durch.

Aber DER PARTNER hat die Depressionen - der kann nicht für Euch da sein und braucht erst einmal viel Zeit und Raum, um zu sich selbst zu finden. Und dazu gehört oft auch leider dazu, dass man halt NICHT präsent ist - weil das für den Depressiven wieder bedeuten würde, dass er seine Aufmerksamkeit wieder von sich weg auf Euch richtet.

Zu lieben heißt auch zu gewähren.

Ein Partner ist nicht nur dazu da, um Euch Liebe zu geben.
Wie sieht es mit Eurer eigenen emotionalen Bedürftigkeit aus? Vielleicht könnt Ihr selbst noch etwas vom Depressiven bzw. aus den Therapieinhalten übernehmen für Euch selbst?
Statt zu bangen und zu hoffen "wird er mich noch lieben nach der Therapie",
"die Therapie bringt ihn von mir weg",
"er hat sich nicht bei mir gemeldet" oder
"wird ein AD seine Persönlichkeit verändern" (na hoffentlich doch! oder wollt Ihr, dass es dem Partner weiterhin schlecht geht? braucht Ihr ihn "schwach"?) (- provokativ als Denkanstoß gefragt)
wäre es vielleicht besser, sich sich selbst zuzuwenden?





Arg kritisch, ich weiß.
Natürlich möchte man einen geliebten Menschen möglichst immer in seiner Nähe haben und wissen, dass man selbst auch geliebt wird.
Aber mir scheint, dass auch die eigene Bedürftigkeit (als Angehörige/r eines/r Depressiven) mal beleuchtet werden sollte.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
schneewittchen.m.m
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Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von schneewittchen.m.m »

Hi Otterchen,

ich find deinen Beitrag nicht fies.
Ich finde deinen Beitrag sogar ziemlich hilfreich wenn ich ganz ehrlich bin. Du hast mit vielem Recht

Im Grunde steht da alles drin, was wir in der Theorie bestens wissen und soooo gerne richtig umsetzen wollen!

Das Problem ist nur, dass es so leicht nicht umzusetzen ist.
Denn es ist ja irgenwie was aus dem Gleichgewicht geraten.
Vor der Erkrankung waren beide Partner auf Augenhöhe, haben sich gegenseitig gestützt, jedenfalls sollte es so sein und bei mir war es so.
In der Erkrankung verändert sich der Betroffene so stark, dass man ihn manchmal gar nimmer wieder erkennt..
Der Betroffene hat eine andere Sichtweise die für uns zum Teil schwer nachzuvollziehen ist.
Die Partnerschaft ist sozusagen ins Ungleichgewicht gerutscht. Die Angehörigen müssen plötzlich stark für zwei sein, kannst du verstehen was ich meine?

Wir wollen alles tun um unseren Partner zu unterstützen und ihn auf seinem Weg zu begleiten.
Genau das ist sehr schwierig, man muss aufpassen, dass man sich selbst nicht verliert, das ist die große Gefahr und bei manchem Teilnehmer hier, habe ich schon das Gefühl, dass er sich selbst ein Stück weit verloren hat. Sich aufgeopfert für seinen Partner.
Ich möchte auch nicht anmaßend sein oder jemandem zu nahe treten, es ist immer sehr viel Liebe dabei aber manchmal vielleicht noch mehr die Angst vor dem Alleinein, ein riesiges Helfersyndrom, Mitleid, ect.

Jeder von uns muss selbst entscheiden wie weit er gehen kann und will. Leider ist es schwierig diese selbstgesteckte Grenze dann auch einzuhalten weil man oft denkt, na, wenn ich da jetzt noch etwas mehr tue oder gebe, dann vielleicht....

Die Liebe ist eben manchmal grenzenlos, obwohl es besser wäre man könnte auch da Grenzen ziehen...

Und ein letzer Gedanke, wir Angehörigen haben natürlich auch unsere Bedürfnisse und Gefühle, wir können das alles ja nicht ablegen und zur Seite stellen. Wir sind ja auch noch wer und während der Depri bekommen wir halt sehr wenig Zuneigung,oder Anerkennung, sondern viel Ablehnung, das ist auch schwierig zu verkraften....


Das ist so meine Sichtweise, ich hoff ihr könnst es verstehen.
Mima
Babi
Beiträge: 1972
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von Babi »

Hi otterchen,

ich finde deinen Beitrag sehr gut.

Es ist eigentlich normal, daß jeder Mensch Zuneigung und Wärme und Liebe braucht, egal ob er depressiv ist oder nicht.
Aber in einem hast du recht:
Es ist wichtig, daß nicht zu viel von einem Depressiven gefordert wird, sonst fühlt er sich schnell überfordert.

Depressiven geht schneller die Kraft aus, sie tun sich mit allem schwerer, am schwersten ist immer der Kampf um ein Stück Normalität im Leben.

Es ist ganz ganz wichtig, daß jeder auch seine eigenen Kraftquellen hat, aus denen er Kraft schöpft, nur so kann eine Beziehung mit einem Depressiven auf Dauer funktionieren.

Mima....
ich kann deine Einstellung auch verstehen und da spricht auch viel viel Liebe mit.
Liebe heißt aber auch, demjenigen, den man liebt, Freiraum für das eigene Weiterkommen lassen, das ist ganz wichtig.

Weißt du, ihr Angehörigen wollt für den Kranken da sein und alles geben, und das ist ja auch schön. Aber ihr vergeßt dabei, daß wir Depressiven auch sehr feinfühlig sind und merken, wenn ihr euch selbst dabei vernachlässigt. Und das belastet uns Depressive dann wieder, wir brauchen das Gefühl, daß wir euch, die wir lieb haben, nicht schaden, daß es euch gut geht und daß ihr auch auf euch achtet.

Nur so können wir uns um unsere Genesung kümmern, weißt du. Wenn wir Depressiven aber merken, daß es euch auch nicht gut geht und ihr euch vernachlässigt, kreisen unsere Gedanken darum, was wir tun können, daß es euch wieder gut geht und wir stellen uns hintenan.

Ich hoffe, du kannst das nachvollziehen, mima. Ihr nehmt uns Depressiven so viel Druck, wenn ihr gut auf euch aufpaßt und wir das Gefühl haben, daß es euch gutgeht.
Wir wollen euch nicht mit runterziehen, auf keinen Fall.

Alles Liebe Babi
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
schneewittchen.m.m
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Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von schneewittchen.m.m »

Liebe babi, hi ihr alle,

klar ich kann das wunderbar nachvollziehen. Wollte eigentlich auch so was rüberbringen ist wohl n bissle daneben gegangen, sorry!!

Genau, der Punkt, dass Betroffene ihren Weg da durch finden müssen, das ist das Schwierige! Sie sollen ja ihren Weg finden und ihren eigenen Weg gehen. Aber diesen WEg finden ist ja so schwierig, meine Beobachtung ist, dass das was heute noch für gut erachtet wird, morgen schon wieder zu den Akten gelegt wurde...
Ja bin ich Hellseher?
Sie sollen ihren Freiraum bekommen, gar kein Thema.Ganz wichtig!

Viele von uns Angehörigen, ich auch, wissen das und können das nur zu gut verstehen.
Schließlich haben wir es ja mit erwachsenen, vernünftigen Menschen zu tun. Ich möchte ja auch nicht von meinem Partner vorgesetzt bekommen was ich am Besten wie tun soll.

Mein Problem und vielleicht auch das von anderen Angehörigen ist das Begleiten bei diesem Weg. Das ist echt schwierig, weil man eben immer auf Hab Acht Stellung sein muss um den Betroffenen nicht zu verletzen.
Anders herum aber oft vom Partner ausgegrenzt und verletzt wird.
Das musste als Angehöriger erst mal auf die Reihe bekommen, verstehst du was ich meine.

Babi, einige der Depressiven tun uns nunmal manchmal wirklich weh, aber es wird von UNS erwartet, dass es uns nicht schadet und es uns gut geht....
WEil wenn der Betroffene merkt dass uns sein Verhalten verletzt, dann geht es ihm schlecht?
Ja wieso verhält er sich denn so.........., ich weiß, es ist die Krankheit, aber kannst du nachvollziehen was ich meine?
So, das war jetzt sehr platt ausgedrückt,könnte falsch verstanden werden- dafür entschuldige ich mich, s ist in keinster Weise vorwurfsvoll gemeint, ich will nur mal übertrieben schreiben um deutlich zu machen was ich meine.

Aber das ist es was ich meine, mit Kraft für zwei.

Du musst für dich selbst Kraft haben,
musst plötzlich dein leben wieder weitestgehend (in meinem Fall) alleine leben,
Musst die Kraft haben all die "Regeln" der Depri zu verstehen, musst die Kraft haben die oftmals damit verbundene Ablehnung auszuhalten und dennoch an die Liebe zu glauben und darauf vertrauen, dass alles wieder gut wird.
Und dabei müssen wir dann unseren geliebten Menschen auch noch zeigen, dass es uns gut geht... Puuuh, ich finde das sauschwer!
Keine Frage, man versucht das, ich tue dies auch weil eine Liebe eben auch das aushalten und tragen kann.

Meistens kann ich das alles ganz gut auseinanderdröseln, Aber manchmal bin ich damit einfach überfordert.
Und dann hab ich meine "Hängerle"

Die will ich meinem Partner nicht zeigen, damit er sich nicht gleich wieder Vorwürfe macht, drum jammere ich halt hier ein wenig rum, und bin unendlich dankbar dass es dieses Forum und solche Leute wie euch, gibt.

Mima
Babi
Beiträge: 1972
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von Babi »

Mima,

ich verstehe dich so gut, glaub mir.
Natürlich ist das alles nicht einfach.

Ich sag dir mal was:
Wenn ihr Angehörigen oder Freunde euch von uns Depressiven auf den Schlips getreten fühlt, ist es ganz ganz wichtig, daß ihr das sagt.
Glaub mir, kein Depressiver tut jemandem absichtlich weh.
Und wenn ihr Angehörigen uns dann sagt, hey, das war nicht gut, das hat mich traurig gemacht oder mir weh getan, das hilft uns Depressiven auch weiter, solange es nicht aggressiv gesagt wird.

Ich denke immer sehr darüber nach, wenn mir jemand sagt, was ihm an meinem Verhalten weh getan hat und lerne auch viel daraus, den es liegt mir fern, jemandem weh zu tun.

Das Hin und Her, was ihr Angehörigen erlebt, sind die Selbstfindungsphasen von uns. Möglichweise leben wir die zu offen vor euch aus und denken manchmal nicht darüber nach, wie sehr wir euch damit belasten.

Und du kannst mir glauben, daß sich viele Depressiven für ihre Depression wirklich auch wirklich schämen, das ist so.

Ihr Angehörigen habt es wirklich nicht einfach und ich habe großen Respekt vor euch, mima, daß ihr trotzdem mitkämpft.
Wir Depressiven sind keine einfachen Menschen, man sollte trotzdem nicht vergessen, daß wir dafür nix können, sondern daß es immer Umstände und Menschen gegeben hat, die etwas in uns kaputt gemacht haben. Von allein wird man nicht depressiv.

Fühl dich mal gedrückt und laß dir gesagt sein, ich habe den größten Respekt vor euch allen hier, daß ihr kämpft und nicht weglauft wie viele. Danke!

Alles Liebe Babi
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:) ;)
7777
Beiträge: 23
Registriert: 17. Mär 2010, 07:41

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von 7777 »

Hallo,
ich bin vor ca. drei Wochen von meiner Freundin verlassen worden. Noch immer hoffe ich, dass sie zu mir zurückkommt, aber ich denke, für sie ist die Sache gelaufen und sie wird sich nicht melden.
Es ist mir bewusst, dass es nicht immer einfach mit mir war.
DENNOCH:
Ihrerseits klang immer wieder durch, dass ICH das Problem und die Kranke bin. Mein Verhalten müsse sich ändern....etc....
Das tat und tut mir sehr weh. Ich hätte mir gewünscht, weniger bewertet zu werden und einfach nur angenommen. Ihre beste Freundin vertrag die Meinung, ich solle mich der Umwelt anpassen und die Umwelt nicht mir...solche Sätze finde ich sehr oberflächlich und die Verantwortund wird von sich total abgeschoben...schade.
Ich persönlich kann nur versuchen mit der Sitution umzugehen bzw. sie akzeptieren und für die nächste Beziehung zu lernen.
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von otterchen »

Lieber Spunck,

Ihre beste Freundin vertrag die Meinung, ich solle mich der Umwelt anpassen und die Umwelt nicht mir...solche Sätze finde ich sehr oberflächlich und die Verantwortund wird von sich total abgeschoben...schade.

Das ist aber gerade der Knackpunkt.
Die Umwelt wird sich niemals nach Dir richten. Das ist aussichtslos. Wenn Du mit Deiner Umwelt besser klarkommen willst, gilt es, sich selbst zu verändern.
Solange Du darauf wartest bzw. diesen Anspruch stellst, vergeudest Du nur Deine Kraft.

Und Verantwortung für Dich? Die kannst nur Du selbst tragen. Es ist jeder nur für sich selbst verantwortlich. Du nicht für andere und andere nicht für Dich.

mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
schneewittchen.m.m
Beiträge: 154
Registriert: 24. Feb 2010, 16:51

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von schneewittchen.m.m »

Hi ihr alle,

wisst ihr was, ich finde diese Diskussion ganz klasse!
Danke euch sehr für eure Sichtweisen!

Ich als Angehörige traue mich manchmal nicht, meinem Partner zu sagen was mir nicht gut tut. Ich habe einfach Angst, dass er sich dann noch kleiner fühlt als er das ohnehin schon tut und dann schlucke ich lieber, tut mir aber dann nicht gut.

Es ist für Angehörige manchmal nicht leicht, für die Betroffenen aber natürlich auch nicht.
Es sind eben manchmal ein bisschen so zwei Welten, dabei leben wir doch auf ein und derselben Welt. Wisst ihr was ich meine?
Der WEg zurück in die gemeinsame Welt, ist schwierig und steinig.

Beide Seiten haben es schwer, da hilft nur gegeseitiges Verständnis.

Am Wichigsten finde ich aber überhaupt, dass ein ERkrankter seine Diagnose annimmt, sich Hilfe sucht - und ein Angehöriger sich nicht plötzlich in die "Mama" Rolle begibt. Das finde ich schrecklich. puhh ich will dcoh auch nicht, dass man mir sagt, was das Beste für mich ist, ich will doch selbst herausfinden was das Beste für mich ist.
Allerdings, ich muss zugeben, das ist für mich manchmal nicht einfach, das musste ich lernen,da klopft das kleine Helferlein in mir und ich muss das größere Hämmerlein holen und das Helferlein bissi zurückstoßen.

Da sich die "Verhaltensmuster" in der Erkrankung ähneln, kann ich viel von den Erfahrungen der Anderen nutzen.
Trotzdem ist jeder "FAll" anders.

Platte Sprüche von Außenstehenden kann ich nicht mehr hören, denn die können sich das Alles ja nicht erklären. Vor ein paar Monaten hab ich mit dem Wort Depession auch Traurigkeit, Suizidgedanken und zurückziehne verbunden.
So naiv ist man eben, wenn man damit nichts zu tun hat. Mit dieser Krankheit muss man sich auseinandersetzen.

Solche Reaktionen von Unwissenden lassen mich in der Zwischenzeit kalt.

Mima
ochikun
Beiträge: 14
Registriert: 7. Feb 2010, 21:20

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von ochikun »

Hallo otterchen,

ich finde deinen Beitrag schon ziemlich provokant. Mir ist klar, dass du damit niemanden fertig machen willst, oder so.
Also versteh auch mich nicht falsch:

Prinzipiell, also theoretisch, stimme ich dir voll und ganz zu. Klar, "lieben heißt gewähren", auf jeden Fall!

Und ich sehe auch ein (wenn auch zähneknirschend und nur, weil es wirklich so ist und ich es so bei meinem depressiven Partner erlebe), dass sich Depressive nicht um ihre Mitmenschen kümmern können. Und klar, sollen sie sich um sich selbst kümmern, damit sie aus der Depression rauskommen.

Aber was willst du damit sagen?

Ich weiß, dass ich nicht perfekt bin und auch zu meinem (depressiven) Partner nicht perfekt bin. Dass ich durchaus auch mal "falsch" mit der Depression umgehe. Und ja, dass ich geliebt werden will.
Es ist ziemlich anstrengend, ständig nur zu lieben, ohne zurückgeliebt zu werden, und dann dem "Unliebenden" noch nicht mal Vorwürfe machen zu können.
Es ist ziemlich anstrengend, ständig nur zu geben (organisieren, zuhören, versuchen, Formalitäten zu regeln, zuhören, zuhören, zuhören...), ohne etwas dafür zu bekommen.

Also, otterchen, mach uns Angehörigen keinen Vorwurf dafür, dass wir (auch wenn wir um die Depression unserer Lieben wissen) geliebt werden wollen.
Und nicht nur auf irgendeinem theoretisch und völlig abgehobenem Niveau geliebt, sondern so, dass wir es ganz klar und deutlich spüren.
Und darum die Liebe hin und wieder einfordern.

Ja, man kann viel aus den Therapieinhalten lernen. Wie man sich selbst sieht, wie man Zuversicht gewinnt, wie man "Psychohygiene" betreibt, ... was ja immer mit einem selbst zu tun hat.
Aber die Sicht aufs Innere zu lenken, ist vielleicht eine philosophisch-lebensanschaulich hochwertige Beschäftigung, aber zumindest für Otto Normalverbraucher kein Ersatz für die sinnlich und geistig erfahrbare Liebe von einem Menschen.

Ansonsten schätze ich deine Mühe, als Nicht-Angehöriger uns mal was klarzumachen.

Wie Mima schrieb, wir Angehörige erfahren durch den Depressiven kaum Liebe, Anerkennung, Aufmerksamkeit etc. - damit müssen wir eben auch klarkommen - und unsere "Bedürftigkeit" wird dadurch eher größer, je größer das Zuneigungsdefizit wird. Durch andächtige Betrachtung unserer Bedürftigkeit nimmt diese nicht unbedingt ab. Aber man lernt, damit umzugehen.

Viele Grüße und alles Gute
Ochikun
elas
Beiträge: 2102
Registriert: 12. Mär 2009, 16:50

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von elas »



Wer sagt denn, dass otterchen "nicht" Angehörige eines Depressiven ist, oder schon gewesen ist, nur weil sie es nicht im Eingangsposting erwähnt.

Ich glaube, die meisten, die hier in diesem Forum schreiben, haben selber schon Depressionen gehabt, und haben aber auch als Angehörige die Depressionen in der Familie, bei einem Partner, auch wenn die Partnerschaft schon beendet ist, bei einem eigenen Kind oder im Freundeskreis miterlebt.

Dort der reinrassige Depri und auf der anderen Seite der , die reinrassige Angehörige(r) ist aus dem Reich Utopia.

Ich finde diesen Faden interessant und gut.

Herzlichen Restsonntag
elas


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Der Weg ist das Ziel



Lebensringe sind auch Themenringe
wennfrid
Beiträge: 799
Registriert: 15. Feb 2010, 08:01

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von wennfrid »

Hi otterchen - ochikun
Ich möchte mal meine Denkweise zu euren Berichten schreiben. Ein Partner eines depressiven Menschen wird sehr schnell erkennen, daß der Depressive viel Aufmerksamkeit und Verständnis braucht. Er braucht mehr Verständnis, als er zurückgeben kann. Er soll lernen, seine negative Sichtweise gegen eine Sichtweise für ein erfülltes Leben auszutauschen. Für dieses ehrliche Bemühen braucht er Unterstützung, Verständnis und viel Geduld von seinen Angehörigen, ev. sogar eines Therapeuten oder Facharztes. Mit dem Willen allein kann der Depressive keine Änderung herbeiführen, wird keine andere Sichtweise annehmen. Er kann und soll aber selbständig Besorgungen ausführen, sich um seine eigenen Bedürfnisse kümmern. Es wird es bestimmt als sehr hilfreich erkennen. Wenn es gelingt, ihn zu akzeptieren, wie er momentan ist, dazu ev. einen leichten Druck ausüben, damit er seine Termine, seine Tagesstruktur, durchführt. Von einem Depressiven wird wenig oder gar keine Liebe zurückkommen und für die Angehörigen bleibt nur Eigenliebe und immer wieder Eigenliebe, um nicht runtergezogen zu werden. So können sie wenigsten ein bißchen ihre Defizite ausgleichen. Ich denke, der Depressive wird seine Lage als sehr grausam empfinden. Für die Angehörigen ist es ähnlich. Außerdem verstehe ich das Zitat nicht, wo es um eine philisophische-lebensanschauliche hochwertige Beschäftigung geht. Ich denke, spirituelle Erkenntnisse oder Erfahrungen sind nicht von einem depressiven Menschen in der nächsten Umgebung abhängig.
Ich glaube, daß jeder, depressiv oder nicht, sein Bestes nach seinem momentanen Wissensstand gibt. Dies ist meine Meinung und ich glaube, daß die Depression für den "Kranken", wie auch für die "Gesunden," sehr kompliziert ist. Jeder Mensch braucht Anerkennung und Liebe, um zu wachsen und zu gedeihen und dadurch den Alltag zu meistern.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
7777
Beiträge: 23
Registriert: 17. Mär 2010, 07:41

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von 7777 »

Hallo,

ich erwarte von niemandem, dass er sich nach mir richtet, ebensowenig werde ich mich nie ganz der Umwelt anpassen. Was ich damit sagen möchte ist, dass jeder in Beziehungen, egal ob jetzt mit oder ohne Depression Verantwortung für sich alle tragen sollte, aber ebenso jeder auch für die gemeinsame Beziehung. Ebenso wie es schwierig ist mit einem depressiven Partner umzugehen, kann es auch genauso schwierig sein, mit einen Partner umzugehen, der so gar kein Einfühlungsvermögen und gar kein Verständnis hat...
Ich merke, dass ich sehr emotional auf dieses Thema reagiere, naja so hat jeder seine eigene Geschichte....
ego57
Beiträge: 500
Registriert: 15. Sep 2009, 21:56

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von ego57 »

Hallo,

warum ist es so schwer? Ich hatte mich überlastet.
Und dann konnte ich nichts
mehr, schaffte nichts mehr, fühlte nichts
mehr. Vorher habe ich Bestätigung bei
anderen gesucht. Alles getan und gemacht
damit eine Anerkennung kam. Dann kommen
keine, noch schlimmer, ich schaffe etwas
und mein Partner findet es nicht gut.
Selbstwert ganz unten.
Nichts wert sein, keiner muß sich mit
mir beschäftigen weil ich wertlos bin.
Wie soll man da helfen können?

Als Angehöriger kann man sagen, ich liebe dich
so wie du bist mit deinen
Fehlern, Schwächen und der Krankheit.

Als Kranker kann man sagen, (siehe oben)

Ja es ist so einfach, aber unsere Gedanken
machen es so kompliziert. Nehmt eure Gedanken
nicht so ernst und achtet mehrauf eure Gefühle.
VLG ego57

„Ein Tag ohne Lächeln ist ein verlorener Tag.“ Charlie Chaplin

הַלְּלוּיָהּ

otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von otterchen »

Lieber/s Ego,

ich meinte es eigentlich genau umgekehrt -
in Bezug auf die Angehörigen.
Wenn sie merken, dass der depressive Partner, z.B. am Anfang einer Therapie, irgendwie weggleitet.

Dass der Depressive diese Gedanken hat, ist gut nachvollziehbar.
Mir ging es darum, dass die Angehörigen vielleicht auch einmal ihre eigenen Wünsche an den Partner überdenken und prüfen,
dass sie ihre Bedürfnisse nach Bestätigung, Aufmerksamkeit etc. evtl. woanders einholen,
dass sie dem Depressiven die Möglichkeit geben, sich um SICH SELBST zu kümmern, damit er sich selbst finden kann, ohne seine Aufmerksamkeit auf den "gesunden" Partner zu lenken,
dass sie ihm Raum und Zeit lassen,
keine Ansprüche an die Partnerschaft stellen (wenn du so-und-so bist, funktioniert es, wenn du anders bist, ist die Beziehung beendet),
dass sie reflektieren, dass Liebe nicht nur "haben wollen / zusammen sein wollen" bedeutet, sondern auch zu gewähren und loszulassen,
aber auch dass sie sich liebevoll um sich selbst kümmern und ihr Leben nicht nur nach dem Depressiven ausrichten sollen. (Unterstützung ist gut, aber nicht Mit-Leiden)

Quintessenz: lasst Euch nicht unterkriegen, kümmert Euch gut um Euch selbst,
schiebt aber nicht alles auf den Depressiven, sondern überlegt Euch, ob der Depressive all Eure Bedürfnisse erfüllen "muss" - und lasst das alles zugewandt und mit viel Liebe für Euch selbst und den Partner passieren.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
ego57
Beiträge: 500
Registriert: 15. Sep 2009, 21:56

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von ego57 »

Hallo Otterchen,
ich sehe es auch so das sie erstmal an sich
denken müssen um nicht auch depressiv zu
werden. Um den Selbstwert eines Depressiven
aufzubauen ist meiner Meinung immer Hilfe von
anderen (Ärzten) nötig.
Wenn man jemanden liebt oder gern hat und dann
feststellt das der andere sich zurückzieht fragt man
sich warum. In Gedanken sucht man die
Schuld auch bei sich und will dem anderen helfen.
Aber man weiß nicht wie man an den anderen heran kommt.
Das ist ein Gefühl der Hilflosigkeit.
Erstmal sollte man sich mit der augenblicklichen Situation
befassen und sich fragen: Was will ich?
Dann erkennt man vieleicht das es im Leben
nicht nur Trauer und Leid gibt und macht das
was einem Spass und Freude gibt.
Erstmal an sich denken um dann klarer an die
anderen Probleme gehen.
Achtsamkeitsübungen haben mir geholfen weniger
in einer "Gedankenwelt" zu leben.
So früh wie möglich ärztliche Hilfe suchen
ist ganz wichtig.
VLG ego57

„Ein Tag ohne Lächeln ist ein verlorener Tag.“ Charlie Chaplin

הַלְּלוּיָהּ

tangram
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Registriert: 24. Mai 2010, 19:40

Re: "Bleib bei mir, verlass mich nicht, hab mich lieb"

Beitrag von tangram »

Hallo @all,

ich hab diesen Tread hier heute entdeckt und finde ihn sehr sehr wichtig.

Mir geht es zur Zeit nicht gut damit dass mein Partner "eingeforen" ist und wenn ich auch sonst immer so positiv und stark rüberkomme und es scheint dass nichts mich umwerfen könnte, so fühle ich mich doch im Moment wie ein Grashalm im Wind.

Der Satz von (ich glaube Eos ):

Erstmal sollte man sich mit der augenblicklichen Situation
befassen und sich fragen: Was will ich?


ist sehr hilfreich.

Gestern sollte ich einkaufen fahren - normalerweise erledigen wir die Einkäufe immer zusammen - da fiel es mir schon schwer allein ins Auto zu steigen und das zu tun, obwohl ich sonst auch im Beruf und Privat immer gut alleine zurecht komme.

Das ist jetzt ein blöder Vergleich, aber er fehlt dann einfach, weil wir ja irgendwie im Laufe der Jahre so zusammengewachsen sind.

Stimmt, ich kann das prinzipiell alles alleine - ja - aber dieses traurige Gefühl das da anwesend ist, kann man nicht wegleugnen.

Ich verstell mich dann immer und tu vor allen anderen so, als ginge es mir ganz gut und normal-vor allem dass mein Mann nicht spürt was da gerade in mir passiert und ich ihn damit nicht noch tiefer in die Depri stoße.

Liebe Grüße
Tangram
"Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt"

Laotse
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