Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

sunshine45
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Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von sunshine45 »

Zunächst mal einen guten Morgen und einen schönen Sonntag Euch allen!
Ich habe jetzt mal ein paar Tage hier nicht reingesehen und das hat mir richtig gut getan. Einfach mal Abstand zu halten von dem Thema Depression und mich auch mal mit anderen Dingen zu beschäftigen, das wirkt schon wie ein klitze kleiner Kurzurlaub.

Heute morgen habe ich dann mal nachgelesen und ich möchte Euch gern mal allgemein ein paar Gedanken darlegen, die mir so durch den Kopf gehen.

Einige von Euch sind momentan sehr verzweifelt. Sie wissen nicht ob sie noch an der Partnerschaft festhalten sollen, bzw. sich der Partner getrennt hat (geht mir momentan auch mal wieder so) oder ob sie die Aussagen des Partners ernst nehmen sollen etc.
Jeder von uns hat da so seinen eigenen Hoffnungsschimmer an den er sich klammert.
Aber ich glaube, dass genau dieses "Klammern" alles noch viel schlimmer macht und zwar für den Erkrankten wie auch den Partner.
Wenn ich mir vorstelle in einer "normalen" Partnerschaft zu leben und mein Partner würde mich und meine Aussagen nicht ernst nehmen und alles immer wieder hinterfragen und ich mich ständig rechtfertigen müßte, so würde ich wahrscheinlich schon aus diesem Grund die Partnerschaft beenden.
Auch wenn man in Phasen tiefster Depression keine schwerwiegenden Entscheidungen treffen sollte, so sollten wir zumindest die Entscheidungen des Erkrankten zunächst mal annehmen und uns nicht selbst immer weiter erniedrigen.
Ich kenne das alles selbst aus meiner eigenen Beziehung und weiß wie schwer es mir selbst fällt, merke aber auch wie gut es mir tut, wenn ich mich zurückziehe.
Wenn der Partner ausfallend wird oder sich sonstwie verletztend verhält, so haben wir sehr wohl das Recht zu sagen, dass es uns verletzt und wir so einen Umgang nicht möchten. Grenzt Euch da ab und sagt, dass er oder sie nicht so mit Euch umgehen sollen und zwar in der Form, dass man sagt: Ich möchte nicht, dass Du so mit mir sprichst und beendet das Gespräch oder geht aus dem Raum etc. Sagt möglichst nicht, Du machst das und das!
Zieht Eure eigenen Grenzen!
Wenn der Partner sich getrennt hat, so hat er sich getrennt und dann gibt es auch kein Kuscheln, Sex etc. mehr, auch wenn man sich noch so sehr danach sehnt.
Das führt doch nur dazu, dass der Erkrankte überhaupt nicht mehr merkt, wann er Grenzen überschreitet.
Wir sind dann verzweifelt und verstehen nicht warum er so widersprüchlich handelt, aber wir handeln ja selbst so.
Wir wollen doch alle respektvoll behandelt werden, also müssen wir das auch für uns einfordern, so lange unser Gegenüber das nicht von selbst sieht.
Bei meinem (Ex)-LG habe ich erlebt, dass er am nächsten Tag (oder sogar schon ein paar Stunden später) wie ausgewechselt war und das was gestern war in keinster Form so schlimm empfunden hat wie ich. Ja wie denn auch? Ich war ja froh über die allerkleinste Zuneigung die ich bekommen habe (und wenn das nur ein freundliches Guten Tag war) und bin ihm dann sofort wieder freundlich, liebevoll etc. entgegen gekommen.
Man saugt jede nur so kleinste Zuwendung auf und dann verschlimmert sich alles noch. Man ist dann sogar noch froh über jede Form von Zuwendung bzw. jedes Lebenszeichen was man bekommt, denn negative Zuwendung ist ja auch eine Form von Zuwendung.
Kennt Ihr diese armen Hunde, die immer wieder zum Herrchen laufen, obwohl sie getreten werden?
Das ist jetzt ein krasses Beispiel, aber rückblickend habe ich mich manchmal so verhalten. Man verliert jegliche Selbstachtung und kommt aus den Gedanken und Sorgen um den erkrankten Menschen nicht mehr raus.
Wollt Ihr wirklich so leben?
Ich selbst bin auch lange noch nicht über den Berg, aber es passiert immer öfter, dass meine Gedanken auch mal zu anderen Dingen wandern und ich auch wieder Dinge genießen kann, die ich schon lange nicht mehr gemacht habe. Ich habe das Gefühl so ganz langsam zu erwachen und wieder richtig durchatmen zu können.

Jeder rät immer sich abzugrenzen und im Kopf weiß man das auch, aber der Bauch und das Herz gehen oft einen anderen Weg.
Aber so wollt Ihr doch nicht wirklich weiterleben, oder?
Irgendwie glaube ich, dass durch unser Verhalten auch unsere Partner die Achtung von uns verlieren.
Natürlich ist es richtig und wichtig dem depressiven Partner Verständnis und Geduld entgegenzubringen, aber nicht bis zur Selbstaufgabe.
Ist nicht einer der wichtigsten Punkte in der Partnerschaft der Respekt voreinander?
Wenn Ihr das auch so seht, so solltet Ihr Euch auch danach verhalten.
Bei einigen von Euch mache ich mir momentan wirklich Gedanken um Euer Wohlbefinden, bitte achtet auf EUCH SELBST!

Übrigens bei meinem (Ex)-LG bringt mein anderes distanzierteres Verhalten ganz neue positive (zumindest momentan) Erkenntnisse.
Aber das sind jetzt alles nur Gedanken aus meiner eigenen Erfahrung und Gesprächen mit Therapeuten. Allgemeingültigkeit muss das von mir geschriebene deshalb längst nicht haben.
Ich kann nur sagen, dass es mir mit diesen Gedanken und der Umsetzung dieser ein ganzes Stück besser geht und vielleicht hilft es ja auch dem ein oder anderen.

Bitte passt auf Euch auf!
Herzliche Grüße
von der Koboldin
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thewayout
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von thewayout »

Hallo, auch Dir einen schönen Sonntag.
Deine Worte sind so richtig und doch ist es so schwer, wirklich danach zu handeln, nicht wahr? Freitag war ich ganz stolz auf mich. Er rief mich an, wann ich denn kommen würde, den Hund zu holen, er müsse weg. Prompt bin ich in Hektik verfallen, war ja noch bei der Arbeit und dann dachte ich, bin ich eigentlich blöd? Nur weil er es nicht "schafft" unsere Straße, unsere Wohnung zu betreten, um den Hund halt gerade nach hause zu bringen (15 Min. Fußweg), soll ich mich hetzen? Nä! Hab erstmal noch gemütlich nen Käffchen getrunken und dann ganz ruhig hin. Dann hab ICH mal kein Wort gesprochen, nicht das übliche "soll ich dich mitnehmen?, hach wie geht es Dir, hach gehst du jetzt zu dieser Veranstaltung, hach viel Erfolg..., komm ich bring dich grad hin". Etwas zögerlich musste er mich dann fragen. Ich hab ihn dann mitgenommen, aber ohne ein Wort, wie nen Taxi eben. Es ist eine gewisse Art von Gleichgültigkeit, die langsam bei mir Einzug hält und das ist auch gut so. Seine Kreditkartenabrechnung habe ich am nächsten Tag auch noch bekommen und ihn sehr deutlich darauf aufmerksam gemacht, dass das so nicht geht. Er hat nicht die letzten Jahre auf meine Kosten gelebt, sondern tut es jetzt, weil er sich aus allen anderen Verantwortlichkeiten einfach rausgezogen hat, mich behandelt wie Luft, gleichzeitig aber auf mich zählt. In dem Moment war es mir auch piepegal, ob er depr. ist oder nicht. Er ist ein kalter Egoist, basta. Warum eigentlich sollte ich immer Rücksicht nehmen? Verständnis haben? will er doch gar nicht. So fange ich jetzt an, mich abzugrenzen, mal sehen, ob es mir gelingt, durchzuhalten. Wenn ich nur tagsüber eine andere Lösung für unseren Hund hätte, das wär schön...
Euch allen hier einen schönen Tag noch!
LG, Lena
sony
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von sony »

Puh, Du hast genau ins Schwarze getroffen, Koboldin. Das hat gesessen...! Danke dafür
Babi
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von Babi »

Hallo koboldin,
du sprichst wahre Worte.
Man muß eben genau das richtige Maß finden, Verständnis für den Kranken und sich trotzdem nicht aufgeben.

Lena...
auch du hast was richtig erkannt.
Wenn man zu sehr auf den Kranken eingeht, ist das auch nicht gut. ich habe auch Depri, und wenn jemand zu sehr auf mich eingeht, dann bin ich auch dazu geneigt, dasd zu genießen, brems mich aber immer.
Ich habe aber auch schon gehört, daß man regelrecht ausgenutzt wird, wenn man zu verständnisvoll ist. Scheint bei dir so zu sein.....

Liebe Grüße an euch beide
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
sunshine45
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von sunshine45 »

Hallo Ihr Lieben,
puh heute ist mal wieder so ein Tag, an dem ich mir mein eigenes posting nochmal ganz genau durchlesen und verinnerlichen muss.

Es ist manchmal soooo schwer und doch richtig und wichtig.
Irgendwie ist es auch ein Kampf gegen sich selbst, aber ich habe mir fest vorgenommen zu gewinnen.

Ich wünsche Euch allen hier viel Kraft.

Liebe Grüße
von der Koboldin
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Marionka
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von Marionka »

Liebe Koboldin, du gibst uns allen hier so viel Kraft, wo ich mich manchmal frage, wo du sie hernimmst. Danke dafür.
Ist irgendwas vorgefallen, dass es dir heute nicht so gut geht?
Übrigens ich hatte noch nie die Hilfe eines Therapeuten in Anspruch genommen.
LG Marion
sunshine45
Beiträge: 685
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von sunshine45 »

Hallo liebe Marion,
vielen Dank für Deine Antwort.
Nein, es ist nichts passiert, aber es geht mir ähnlich wie allen andern.
Im Kopf ist mir das alles klar, nur meine Gefühle fahren Achterbahn und es ist nicht immer so einfach jeden Tag dagegen anzukämpfen.
Wenn mein (Ex)-LG so freundlich und aufmerksam zu mir ist wie momentan, so kommen dann natürlich Gedanken, dass es doch vielleicht alles wieder gut werden könnte.
Aber wenn ich dann realistisch bin, dann fällt es mir schwer (zum Glück) daran zu glauben.
Zum Glück habe ich mich schon etwas aus meiner Co-Abhängigkeit raus bewegen können, aber meine Kraftreserven sind ziemlich aufgezehrt und ich muss erstmal wieder Energien für mich tanken.
Ebenso frage ich mich auch immer wieder, ob man es überhaupt schaffen kann nach so einer langen Depression eines Partners wieder tiefes Vertrauen zu entwickeln. Es ist auch einfach soviel passiert, soviel Enttäuschungen, Wut, Verzweiflung und hinterher auch Misstrauen.
Dass sind so Gedanken die mich momentan bewegen und mich hin und her überlegen lassen vielleicht jetzt schon einen endgültigen Schlusstrich zu ziehen oder lieber doch noch abzuwarten.
Dieses Wissen, dass wir alle haben, dass hinter dem erkrankten Menschen eigentlich ein anderer steckt, läßt so schwer wirkliche Entscheidungen treffen.
Nur ich warte schon so lange und möchte endlich wieder LEBEN und zwar ohne wenn und aber.
Daher geht es mir manchmal nicht so gut, auch wenn gar nichts passiert ist.
Es halt einfach nicht mehr so, dass nach mehreren schönen Momenten mit meinem (Ex)-LG sofort wieder die Hoffnung aufflackert. Das war noch vor Monaten so, ist aber jetzt nicht mehr der Fall, was ja auch eigentlich gut ist (zumindest für mich)!
Liebe Grüße
von der Koboldin
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thewayout
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Registriert: 7. Nov 2009, 20:34

Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von thewayout »

Genau, liebe Koboldin... mir geht das auch oft so, dass ich denke: selbst, wenn er sich nochmal fängt, kann es dann wirklich noch mal gut werden? Nach allem, was passiert ist? Kann ich mir vorstellen, wieder so etwas wie Vertrauen zu entwickeln? Werde ich wirklich vielleicht? krankhaftes Verhalten von vorhandenen Wesenszügen unterscheiden können? Würde es mir gelingen, die Verletzungen, die Erniedrigungen, die Peinlichkeiten Geschichte sein zu lassen? Und was ist mit der Angst und Unsicherheit, dass "es" wieder passiert? Oder ist es nicht einfach nur so, dass ich nun mal zu der Verantwortung stehe, die ich mal übernommen habe, dass ich nicht einfach einen mal geliebten Menschen untergehen lassen kann... aber eigentlich schon alles in mir abgestorben ist? Wer weiß das schon? Ich haben die aktive Kommunikation jetzt eingestellt. Ich bin der Bote, so komme ich dem zuvor, dass er mich wie einen behandelt = weniger Verletzung. - Er hat einfach gar keine Zeit und Gelegenheit dazu. So ist es im Moment. Aber, wie Du schon bemerkt hattest, Theorie ist das eine, der Kopf ist das eine, die Gefühle sind das andere. Die fahren Achterbahn, völlig richtig.
Aber bei allem, was man so Krankheit nennt, bei allen Rechtfertigungen für das Verhalten des "Partners", die man sich selbst so verständnisvoll vorbetet - und anderen auch - es gibt ja auch noch das eigene ich. Das hast Du ja nun auch schon mehrfach geschrieben. - Aber wo bleibt es?
Nachdenkliche Grüße und vielen Dank für Deine Beiträge. Es ist gut und hilfreich, zu lesen, wie andere mit dieser schweren Geschichte umgehen.
Die Lena.
PS: Mein Mann ist natürlich immer noch weit entfernt von jeder Krankheitseinsicht...
Marionka
Beiträge: 175
Registriert: 22. Nov 2009, 18:53

Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von Marionka »

Liebe Koboldin,
ich fand das neue Posting der uni-liebe sehr hilfreich. Man solle ein "gleichmässiges" Leben führen, eben auch die guten Zeiten nur ganz vorsichtig geniessen. Man knallt halt zu leicht wieder auf den Boden der Tatsachen, wenn wieder eine "schlimme" Phase kommt. Aber du machst das ganz super, finde ich. Da bin ich noch weit davon entfernt, das Ganze mit soviel Weitblick zu sehen, wie du es schon kannst!
LG und einen schönen Tag.
Marion
sunshine45
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Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von sunshine45 »

Hallo liebe Lena und Marion,
vielen Dank für Eure Antworten und Gedanken.
Den Beitrag von Uni-Liebe habe ich auch gelesen und finde ihn sehr interessant.
Allerdings kann ich sagen, dass das nicht wirklich "meins" ist. Für den an Depressionen erkrankten Menschen kann ich mir diese Hilfe auch sehr gut vorstellen. Aber für mich als "Angehörige" nicht wirklich. Ich könnte vielleicht über einen sehr begrenzten Zeitraum so leben, aber ansonsten möchte ich meine Emotionen nicht steuern müssen, sondern möchte dann auch wirklich Freude in dem Maße zulassen können wie ich sie auch empfinde.
Es ist einfach nicht mein Ding mein Leben bewußt emotional zu begrenzen. Freud und Leid möchte ich in der Intensität ausleben können, wie ich es auch erlebe.
Ich habe mal von jemandem gehört, der sagte: Die Depression meines Partners ist nicht meins!
Das ist etwas was ich mir jeden Tag sage (manchmal auch schon nicht mehr täglich sagen muss, weil ich nicht mehr so lebe) und allein dieser Spruch macht mich irgendwie freier.
Heute habe ich wieder einen guten Tag, obwohl es meinem (Ex)-LG sehr schlecht geht wie ich gestern in einem Gespräch mitbekommen habe. Es klappt also immer besser mit der Abgrenzung und wir zwei gehen auch etwas anders damit um.
Am Wochenende mache ich übrigens was, was ich schon seit über 10 Jahren machen möchte. Ich mache meinen I. Reiki-Grad und freue mich schon sehr darauf.
Wir müssen unser Leben schon selbst anpacken und wieder auf die positive Seite bringen und das können wir nur allein und aus uns selbst heraus.
Heute habe ich viel Kraft, die Hälfte davon verteil ich mal ganz lieb an Euch hier aber ganz wichtig, die andere Hälfte bleibt bei mir
Herzliche Grüße auch Euch, schaut mal raus die Sonne scheint!
die Koboldin
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sony
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Registriert: 7. Dez 2009, 11:46

Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von sony »

Hallo Ihr Lieben!
@Lena: Ich frage mich genau dasselbe wie Du. Selbst wenn er sich "berappeln" würde und es ihm besser ginge, wenn wir wieder "richtig" zusammen wären, könnte ich ihm dann wieder vertrauen? Oder hätte ich ständig Angst, dass seine Zweifel zurückkehren und alles von vorne losgeht? Kann ich mich noch auf ihn verlassen? Wird er überhaupt jemals aufhören, alle paar Jahre sein Leben (und damit auch seine Beziehung) in Frage zu stellen, wo er das doch schon sein Leben lang tut? Kann und will er sich wirklich ändern?
Ehrlichgesagt habe ich bei all den Fragen momentan meine Zweifel. Ich merke, dass ich mich langsam löse und verabschiede. Und wenn es nur aus Selbstschutz ist...

Das Seltsame ist: es ist schmerzhaft und befreiend zugleich. Kennt Ihr dieses Gefühl?
trydan
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von trydan »

ich lese hier schon eine weile mit und möchte jetzt auch mal schreiben.
die frage bezüglich des immer wiederkehrens und ob man jemals wieder vertrauen fasst
meine gedanken zum "krank": ist jemand krank, aber ich, meine person, bin mir wichtiger und ich lasse sie/ihn im stich. oder nicht "krank" und ich lege normale massstäbe an und gehe.
versteht ihr wie ich das meine?
und zum immer wiederkehren: ich hab hier gelesen, dass "es" heilbar ist...zeit braucht. War das nur mut machen? durchhalteparolen? oder ist es tatsache?
wenn es tatsache ist, warum dann nicht durchhalten? die chance zu gering? also aufwand zu nutzen rechnung?
ich weiss, ich riskiere gerade gerade alles zu verlieren nicht nur meine liebe...
bin ich der hund der immer wieder da ist und mit dem schwanz wedelt und für sein herrchen auch in den abgrund springt?
sony
Beiträge: 47
Registriert: 7. Dez 2009, 11:46

Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von sony »

Das Problem, das wir alle hier irgendwie teilen, ist doch, dass unsere Partner UNS weggestoßen haben mit ähnlichen Begründungen wie: "Ich will meine Ruhe haben, ich kann jetzt keine Beziehung führen,ich muss mich erstmal selbst finden,..."
Dass wir alle in dem Dilemma stecken, das Du, Trydan, ansprichst: Unser Partner ist krank. Sein Verhalten kann also nicht mit normalen Maßstäben gemessen werden. Der Partner will uns (zur Zeit?) nicht um sich haben. Man hat zwei Möglichkeiten damit umzugehen:
1.Man nimmt den anderen nicht ernst und denkt sich, dass alles irgendwann wieder besser wird.
2.Oder man nimmt ihn ernst und verabschiedet sich.

Das Problem bei der 1. Möglichkeit ist, dass man sich mit abhängig macht, dass man jede noch so kleine Gefühlsregung des Partners aufsaugt, jedes Wort auf die Goldwaage legt, sich zwar immer damit rausredet, dass der Partner krank ist, aber letztlich vor der Krankheit die Augen verschließt, weil man den Wunsch des Partners nach Ruhe nicht respektiert. Mit diesem Verhalten zeige ich, dass mir meine eigene Person wichtiger ist, weil ICH Nähe will und davon ausgehe, dass der andere sie auch braucht. Ich verhalte mich letztlich egoistisch.

Möglichkeit 2 bedeutet natürlich ein schmerzvolles Ende und auch die Erkenntnis, dass man dem Menschen, den man liebt, mit seiner noch so gut gemeinten Nähe und Fürsorge nicht weiterhilft. Dass man ihn durch sein eigenes Klammern vielleicht sogar daran hindert, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Denn er sieht, wie wir leiden und fühlt sich dadurch noch schlechter. Möglichkeit 2 bedeutet letztlich, dass man sich respektvoll verhält, dem Depressiven gegenüber und sich selbst.

Das alles finde ich furchtbar paradox und unendlich schwer und heule dauernd, seitdem mir das klar geworden ist.
trydan
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von trydan »

liebe sony

ist das nicht schwarz weiss denken?

zum problem 1.: heisst das ich bin egoistisch, wenn ich liebe und für eine sache kämpfe? einerseits soll ich doch nach mir schauen, dass es mir gut geht (...ist das nicht egioistisch?)der andere braucht die nähe nicht oder er erträgt sie nicht...richtig. aber ist warten, sich hoffnung machen, dran glauben, da sein ohne dem anderen auf die pelle zu rücken, egoistisch?

zu problem 2.: was würdet ihr denken als betroffene, wenn der partner sagt...ok...du willst kannst nicht...ciao ich lebe nun mein eigenes leben? man hat die aussage respektiert und konsquenzen gezogen...

ich bin auch fix und fertig
und ich verstehe auch dass hier viele das ende mit schrecken propagieren, aber
ist das nicht nur eine sichtweise? eine sichtweise damit es einem selbst schnellstmöglich wieder gut geht?

was wenn es mir das wert ist? wenn es mir das alles wert ist? ich aushalte und warte...
masochist? träumer? egoist?

ich rotiere seit tagen...aber es wird eigentlich immer klarer


und eine bitte...wenn ich mit meiner sichtweise...es euch schwerer mache auf eurem weg, dann sagt es mir. ich höre dann wieder auf zu posten.
ich lese eure posting...viele personen sind mir sehr sympathisch hier...und die aussagen nicht falsch...nur ich sehe es etwas differnzierter...weil ich ein mann bin?
sunshine45
Beiträge: 685
Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von sunshine45 »

Liebe Sony,
Du hast das Dilemma gut auf den Punkt gebracht und die daraus resultierende Erkenntnis ist zunächst einmal sehr schockierend und traurig.
Genau an diesem Punkt war ich vor einigen Monaten auch schon angekommen und sah zunächst erstmal nur Ausweglosigkeit.
Ich glaube durch dieses Tal der Tränen muss man auch als Angehöriger wahrscheinlich irgendwie durch, aber letztendlich ist es auch ein gute Erkenntnis, die man dabei gewinnt. Und zwar erkennt man an diesem Punkt einfach, dass man selbst aus dem Strudel raus muss um nicht selbst unterzugehen.
Ich finde man sollte den Dingen auch die Möglichkeit sich in die ein oder andere Richtung zu entfalten.
Fakt ist doch, dass man wenn man zu dieser Erkenntnis gelangt ist man selbst schon sehr viel Kraft verloren hat und sich nur noch im Kreis dreht.
Wie ist es denn in so einer Situation sich einfach mal auf sich selbst zu besinnen (dem Partner damit dann auch die gewünschte und erforderliche Ruhe zu lassen) und erstmal für sich allein wieder Kraft zu gewinnen.
Ich glaube aus der zurück gewonnenen Kraft und dem auch damit gleichzeitig erlangten Abstand kann man wieder klarer denken, empfinden und dann vielleicht auch entscheiden.
Je öfter man das versucht, desto besser wird das Gefühl ganz allein für sich entscheiden zu können und auch wieder genießen zu können.
Das bringt Freiheit, das Gefühl des Durchatmens und macht den Kopf auch wieder klarer.
Versuch es jetzt nicht so verkrampft zu sehen und nicht jetzt sofort eine Entscheidung herbei zu führen. Lebe für Dich im Hier und Jetzt und der Rest wird sich finden.
Ich bin schon gespannt was wir alle hier in ein paar Monaten zu berichten haben.
Tragisch wäre, wenn wir dann auf dem gleichen Stand wie jetzt wären und das hoffe und wünsche ich mir für uns alle und unsere erkrankten "Partner" nicht.
Betrachten wir doch einfach mal unsere eigene Abgrenzung als eine Art "Kur" von der Realität, die unserem Partner nicht schadet und uns nur gut tut.
Ich wünsche Dir liebe Sony, dass Deine Tränen bald versiegen und Du wieder einen Blick für z.B. die kleinen Triebe der Krokusse und Schneeglöckchen bekommst, die momentan in den Gärten vorsichtig ihre Fühler ausstrecken.
Das Leben hat auch immer noch schöne Seiten, wenn man sie dann auch erkennen kann und will.
Euch allen hier einen schönen Tag mit dem Bewußtsein Euch jeden Tag etwas Gutes zu tun.
die Koboldin
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sunshine45
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von sunshine45 »

Lieber Trydan,
ich finde Deine postings gut und auch die manchmal andere Sichtweise der Dinge bereichert uns hier alle.
Es ist soooo gut, dass auch ein Mann hier postet und damit auch mal "frischen Wind" hier reinbringt.
Jeder von uns hat aufgrund seiner eigenen Erfahrungen, seiner aktuellen Lebenssituation, seiner Art zu Lieben etc. eine ganz persönliche Herangehensweise an die Dinge.
Du machst es hier bestimmt keinem schwerer durch Deine Postings, im Gegenteil!
Es ist ja auch ein schwieriges Thema und wenn man selbst involviert ist, sieht man den Wald vor lauter Bäumen oft nicht mehr.
Schön, dass Du da bist und hoffentlich auch bleibst
Gern würde ich auch mehr von Deiner eigenen Geschichte erfahren, sofern Du es erzählen möchtest.

Liebe Grüße
von der Koboldin
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trydan
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von trydan »

liebe koboldin
ich habe alle deine postings gelesen und ich finde es schön wie du uns trost spendest

vielleicht bin ich nicht soweit, vielleicht bin ich egoistisch, vielleicht liege ich falsch, wenn ich so anders argumentiere

ich hab das ganze ja schonmal erlebt, zwar nicht so schlimm wie jetzt. aber damals hätte ich so reagiert, wie ihr es heute sagt, dann wäre alles aus gewesen.
ich habe dieses feedback von meiner liebe bekommen...sie sagte es mir mal nach dem klinik aufenthalt

vielleicht versteht ihr mich jetzt
vielleicht sind die menschen, die situationen zu verschieden um eine perfekte lösung zu finden.

ich bin mir wichtig (das habe ich langsam gelernt, war früher nicht so), aber ich bin mir immer noch nicht so wichtig (egoistisch), dass ich aufgebe....fatal? mag sein
ich sage mir, dann wenn ich nicht mehr kann, dann muss ich ne andere lösung suchen aber ich kann noch
wann "nicht mehr können" ist, muss jeder selbst entscheiden
hoffe ihr versteh was ich meine
trydan
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von trydan »

liebe koboldin
unsere postings hatten sich überschnitten
deshalb hier meine antwort auf dein willkommens posting.
ich freue mich über das willkommen sein
es fällt mir sehr schwer die letzten jahre unsere geschichte aufzuschreiben...ich arbeite daran...ich könnte es auch als pm schicken an die die es interssiert...würde mir leichter fallen

ich habe die kurzbeschreibung unserer beziehung wieder herausgenommen, weil es unter umständen jemand liest, was meiner partnerin nicht so recht wäre...ihr müsstet es ja per mail in der ersten fassung bekommen haben...

ich hab nicht den faden verloren
ich heule und es geht mir scheisse
aber ich steh noch....
und solange ich steh....

bis später

trydan
sony
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von sony »

Lieber Trydan,
Koboldin hat recht. Klar ähneln sich unsere Geschichten, aber eine allgemeingültige Lösung gibt es einfach nicht. Jeder kann nur tun, was er eben aushalten kann.
Während ich eben diese Zeilen geschrieben habe, dachte ich: "Ja, genau das will ich jetzt!" Und gleichzeitig: "Ich will uns nicht aufgeben." In meinem Fall ist es aber wohl das Beste auf Abstand zu gehen, wie er sich das gewünscht hat. Was in einigen Monaten passiert, ist ja wieder eine völlig andere Sache...

Aber ich hätte auch einige Fragen an Dich. Wohnst Du mit deiner Freundin zusammen? Schaffst Du es, zu hoffen, für sie da zu sein und Dich gleichzeitig nicht selbst kaputt zu machen? Vielleicht hast Du ja einen ganz anderen Zugang (als Mann). Das würde mich wirklich interessieren.
Und bitte, bitte poste Deine Meinung! Dafür sind wir doch in diesem Forum, um mal mit Leuten "reden" zu können und eben sagen können, wie es uns gerade geht. In den Postings siehst Du ja auch, dass sich unsere Erkenntnisse und Meinungen ständig ändern - vielleicht sage ich morgen ja auch schon wieder etwas ganz anderes...
trydan
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Registriert: 7. Mai 2008, 19:04

Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von trydan »

liebe sony

ich hatte ja schon versucht dich über pn zu erreichen...vielleicht kannst du dein profil kurz offnen und wir tauschen die emailadressen

Ich hatte eben die kurzfassung drin, weiss nicht ob du sie gelesen hast



ich werde schreiben, ich werd schreiben wenn ihr es wollt

trydan
sony
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Registriert: 7. Dez 2009, 11:46

Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von sony »

ich hab echt keine ahnung wie ich das mit den pns machen muss, aber das profil öffne ich
trydan
Beiträge: 18
Registriert: 7. Mai 2008, 19:04

Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von trydan »

liebe sony

habe deine mail

ich habe deine fragen nicht vollständig beantwortet...ich wohne wieder in meiner alten heimat...weit weg von ihr
sunshine45
Beiträge: 685
Registriert: 16. Sep 2008, 14:26

Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von sunshine45 »

Lieber Trydan,
bist Du sicher, dass Du noch stehst?
Momentan wirkst Du auf mir eher liegend, aber vielleicht ist das ja auch nur heute der Fall.
Manchmal merkt man selbst aber auch schon gar nicht mehr wie ausgelaugt man ist.
Pass bitte auf Dich auf, ja?
Liebe Grüße
von der Koboldin

Ich werde jetzt erstmal ein paar Tage nicht hier sein, habe schöne Sachen für mich geplant und freue mich darauf.
Love it, leave it or change it!
trydan
Beiträge: 18
Registriert: 7. Mai 2008, 19:04

Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von trydan »

liebe koboldin

stehen liegen wechhselt sich ab...ich lebe noch und ich funktioniere
ausgelaugt bin ich...das weiss ich

schönen urlaub?

liebe grüsse
trydan
DYS-
Beiträge: 1838
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Re: Ein paar Gedankengänge zu der Verzweiflung der Angehörigen

Beitrag von DYS- »

Also Kobold, dein erstes Posting kann ich (als Betroffene) nur unterschreiben. Die anderen schaffe ich gerade nicht noch zusätzlich.

Aber was mich immer wieder wundert ist das Verhalten eurer Partner.

Seit ich an Depressionen leide bin ich eher willenlos. Früher habe ich erzählt was mich stört und (etwas mehr) gefordert. Jetzt versuche ich allen Reibereien aus dem Weg zu gehen.
Wenn es um Termine ausserhalb des Hauses geht, versuche ich mich wirklich zu drücken, aber bevor es Stress gibt, gebe ich nach.

Ich würde niemals laut werden oder Ärger zeigen. Mein eigenes ICH ist mir sowas von egal. Also meine Familie zu bitten, mich mal alleine zu lassen, würde mir nicht passieren. Ich hätte Angst sie zu verletzen.

All mein Verhalten ist auch nicht OK. Sicher leidet auch meine Familie unter meine Erkrankung. Aber ich mache alles was in meiner Kraft liegt, damit sie weniger belastet sind.

Aber wem interessiert das, wahrscheinlich keinem, weil jeder anders reagiert.

Wollte nur mal Kobold meinen Respekt aussprechen.

Liebe Grüße
dys
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
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