Wie kann ich ihm nur helfen?

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missZH
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Registriert: 13. Nov 2009, 17:05

Wie kann ich ihm nur helfen?

Beitrag von missZH »

Hallo Zusammen!

Ich möchte euch gerne hier die Situation schildern in der ich mich gerade befinde und hoffe auch irgendwelche Tipps, wie ich meinem Freund helfen kann, damit es ihm besser geht. Es wird lang - sorry...

Ich bin seit etwa 4 Jahren mit meinem Freund zusammen und kenne ihn schon sicherlich 10 Jahre.

Er war immer eher der "ruhige" Typ aber dennoch immer sehr unternehmungslustig und aktiv. Vor seinen Freunden ist er das auch immernoch.

Vor etwa 9 Monaten hat er sich stark verändert. Ich wusste nicht weshalb. Ich studierte zu der Zeit schon seit einiger Zeit im Ausland und deshalb sahen wir uns nunmehr alle 2-3 Wochen für 3 Tage an den Wochenenden - und selbst dann war es schwierig immer einen guten und günstigen Flug zu bekommen. Immer, wenn ich ihn gesehen habe, habe ich mich riesig gefreut. Bei ihm allerdings konnte ich so ein Gefühl überhaupt nicht feststellen und wusste parout nicht warum. Ebenso war mit unschlüssig, warum er es nicht schlimm fand, wenn wir uns mehrere Wochen lang nicht gesehen haben. Auch Telefonate waren ihm in keinster Weise mehr wichtig.
Dass er wohlmöglich fremdgehen konnte kam mir nie in den Kopf, der Typ ist er einfach nicht und auch sonst konnte ich mir nicht vorstellen, warum er mich nicht mehr mögen könnte.
Ich dachte vorallem die ganze Zeit, dass es an mir läge.

Nachdem ich ihn so aber auch überhaupt nicht kannte hab ich mir nie wirklich überlegt mich von ihm zu trennen, da ich ja die "wahre" Seite von ihm kannte und die andere "neue" einfach nicht wahrhaben wollte.

Vor wiederum knappen 3-4 Monaten hat sich das "Rätsel" dann gelöst. Er hat mir erzählt, dass er schwere Depressionen hat. Sogar einen Klinikaufenthalt hätte er in Erwägung gezogen. Seine betreuende Ärztin meinte dann jedoch, dass es wohl ihrer Meinung nach nicht nötig sei.

Jetzt stehe immer und immer wieder aufs Neue vor den gleichen Problemen.

Er ist mittlerweile auch zu mir ins Ausland gezogen, allerdings wohnen wir getrennt. Er geht auch hier in London nun zum Therapeuten Ich dachte, dass es dadurch vielleicht ein bisschen besser werden würde, da er ja jetzt näher bei mir ist, bzw. ich bei ihm aber das hat kaum eine Verbesserung herbeigeführt. Es hat meiner Meinung nach vorallem dazu geführt, dass ich die Stimmungsschwankungen noch mehr mitbekomme (auch wenn er versucht sie vor mir zu verbergen) und immer weniger weiss, wie ich ihm helfen kann.

Er sagt, dass er mit mir nicht gerne über seine Depressionen redet. Er würde sich zu sehr schämen, wolle mich nicht weiter damit belasten,... Was er hierbei glaub ich nicht bedenkt ist, dass es mir manchmal einfach auch helfen würde, wenn wir darüber reden würden, da ich manchmal einfach nicht nachvollziehen kann, wie er sich fühlt. Wenn er mir wenigstens sagen könnte, was ihm hilft, was nicht, was ich TUN kann. Zum Reden zwingen will ich ihn natürlich auch nicht. Allerdings weiss ich auch gerade sonst nicht, mit wem ich darüber reden sollte. Zu seinen Eltern habe ich recht wenig Kontakt und ich glaube, dass dieser nicht ausreicht um groß Gespräche zu führen. Mit meinen Eltern/Geschwistern kann ich auch nicht reden. Normalerweise teile ich mit meiner Familie alles an Gedanken, Gefühlen, etc. Wir sind sehr eng "verwachsen", telefonieren 1 mal die Woche, mailen fast täglich. Da sich mein Freund jedoch so sehr für seine Depressionen schämt, habe ich ihm versprochen ihnen nicht davon zu erzählen. Er hat insbesondere Sorgen, dass mein Vater (und evtl. auch meine Brüder) ihn als schwach betrachten könnten (obwohl ich weiss, dass das nicht der Fall wäre). Er jedoch ist dieser Ansicht, da mein Vater ihm nicht sonderlich gewogen ist, seit er seit knappen 6-9 Monaten die Depressionen hat. Mein Vater ist der Meinung er würde sich nicht genug um mich kümmern, ich würde alles für ihn machen, er aber nichts für mich und und und. Und ehrlichweise macht es eben auch genau den Eindruck, wenn man den Grund nicht kennt. Auch meine Brüder haben diesen Eindruck verstärkt geäussert und verstehen mich in dieser Hinsicht nicht, eben auch weil sie die Ursache des Problems nicht kennen.

Das alles macht mich selbst sehr traurig, enttäuscht (von was oder wem?!) und hält mich zum Teil auch an meiner Abschlussarbeit sehr auf, welche ich bis Ende des Januar abschliessen möchte. Auch hier habe ich das Gefühl, dass aufhalten wieder das falsche Wort ist.

Vor etwa 2 Wochen, als auch heute abend (s.u.) war für mich auch wieder ein emotionaler Tiefpunkt. Ursprünglich hatte ich damit gerechnet, dass ich ihn am Abend noch sehen werde. Das ist schon fast so "Tradition". Nachdem ich dann bis etwa 22 Uhr noch immer nichts von ihm gehört habe, habe ich ihn angerufen um zu fragen ob wir uns noch sehen bzw. was er gerne machen möchte. Nachdem das Telefongespräch eigentlich schon fast nur aus gegenseitigem Anschweigen bestanden hat kamen wir dann zu dem Schluss, dass wir uns nicht mehr sehen. Als ich ihn dann frage ob er sich nochmal meldet bevor er ins Bett geht kam nur ein "kann ich machen", allerdings so lieblos, emotionsfrei und kränkend, dass ich am Telefon schon wieder mit den Tränen gekämpft habe.

Manchmal fehlt mir dann doch auch einfach der Zugang zu ihm. Ich weiss, dass er sich alleine und schlecht fühlt, aber ich weiss, dass er sich nicht geholfen fühlt, wenn ich mich ins Auto setze und unerwartet vor seiner Haustüre stehe.



Ganz klar muss ich aber auch sagen, dass er auf mich versucht Rücksicht zu nehmen. Wie bereits oben geschrieben möchte er mit mir nicht darüber reden, sagt ich brauch mir über seine Krankheit keinen solchen Kopf machen, mich würde es ja immerhin nicht betreffen und er will nicht, dass ich mir sorgen machen muss,... Auch sagt er mir, dass er mich noch immer liebt, auch wenn er das gerade nicht zeigen kann und ich es ihm nicht übel nehmen soll, wenn er mal keine Lust darauf hat mir mir Zeit zu verbringen. Übel nehme ich es ihm auch in keinster Weise aber dennoch verletzt es mich, eben auch, weil ich immer versuche für ihn da zu sein. Man selbst möchte ja manchmal auch jemanden zum Anlehnen haben. Auf der anderen Seite scheinen mir solche Gedanken wieder egoistisch.

Das Schlimmste war, als er mir vor ein Tagen erzählt hat, dass er sich zwar manchmal über etwas freuen würde, aber richtig Freude und Glück, das hätte er eigentlich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr empfunden. Ich wünsche mir so sehr, dass ich ihm dieses Gefühl wieder einmal "zeigen" kann. Nur wie?!

Die letzte Woche (die Ausnahme eben heute abend) hingegen war er wieder in "top form" (allerdings weiss ich nicht wirklich inwieweit es in Rücksicht auf mich ernst oder "gespielt" war). Mir ging es nicht sonderlich gut und er hat sich wirklich liebevoll um mich gekümmert - als wäre wirklich NICHTS! Es war wirklich alles wunderschön - ich hätte nichts ändern wollen und es hat sich sehr gut angefühlt, dass sich auch mal jemand um mich kümmert. Heute Abend dann schrie er mich an mit ich solle weg von ihm gehen, er wolle mich nicht sehen - und das mit solcher Wut.

Ich möchte ihm ja gerne helfen können, weiss aber leider nicht wie. Ich versuche ihm immer gut zuzusprechen, dass das wieder wird, er soll sich über die kleinen Erfolge freuen, dass er sich Zeit nehmen soll, dass bisher jede Depression geheilt werde konnte er auf einem guten Weg sei, dass wir das Gemeinsam schaffen werden, dass ich ihn unterstütze,... Obwohl ich mittlerweile auch nicht mehr weiss, was ich noch sagen kann oder soll. Jedes Mal, wenn ich etwas sage habe ich Angst ihn irgendwie zu verletzen oder ein Stein im Weg des Heilungsprozesses zu sein.

Ich versuche auch ihn dadurch zu unterstützen, dass ich ihm sage, dass ich immer abrufbereit bin, wenn er was braucht und indem wir mindestens einmal die Woche gemeinsam zum Sport gehen.

Der Vorteil ist, ich weiss, dass er sich auch "alleine" zurecht findet. Ich kann also Problemlos etwas unternehmen, ohne dass er dabei ist obwohl ich dabei immer schade finde, dass er nicht dabei ist. Das wäre also mein Beitrag zum "Abwechslung suchen" und "Alleine was unternehmen". Auch haben wir beide einen komplett anderen Tagesrhythmus, was die Sache auch ein wenig einfach macht.

Ich würde ihm so gerne einfach mal eine Freude machen, aber ich weiss nicht wie. Bringe ich ihm z.B. zum Essen mit, was er sehr gern hat freut er sich - allerdings kann ich auch hier schlecht deuten in wiefern die Freude echt oder gespielt ist, da die Stimmung einfach auch so sehr schwankt.
Gleichzeitig geht es mir so, dass ich mich, wenn er mich mal wieder nur am Rande seiner Depression betrachtet verletzt fühle. Daraufhin rede ich mir wieder ein, dass das ja nur an den Depressionen liegt, dass er gerade keine oder nur schlecht Gefühle zeigen kann.

Es gibt einfach gute und schlechte Tage. Ich würde nur so gerne die guten Tag beeinflussen, eben, weil ich seine "andere" Seite kenne und ihn wirklich sehr lieb habe.

So - vielen Dank fürs "Zuhören" das hat doch mal sehr gut getan!!

LG lemming.
Marionka
Beiträge: 175
Registriert: 22. Nov 2009, 18:53

Re: Wie kann ich ihm nur helfen?

Beitrag von Marionka »

Guten Morgen liebe Lemming,
ich muß immer wieder verwundert feststellen, wieviele Parallelen es doch gibt bei dieser furchtbaren Krankheit gibt!
Bei meinem LG kommen diese Depressionen leider immer im November so richtig raus. Im Sommer verbringen wir immer wunderschöne Zeiten zusammen wo er mich jeden Tag sehen will. Ich muß erwähnen, dass wir nicht zusammenleben, aber schon seit 4 1/2 Jahren ein Paar sind. Jetzt haben wir seit nunmehr 6 Wochen so gut wie keinen Kontakt. Er antwortet weder auf Telefon, SMS oder Mails.
Mein Partner ist leider nicht dazu bereit, einen Arzt aufzusuchen, auch dürfen unsere Freunde nichts von der Krankheit wissen. Da spielt er immer Theater wenn wir mit denen zusammen sind. Zuhause bricht er dann förmlich zusammen und sagte dann auch, dass ich mir nicht vorstellen könne, was es ihn für eine Anstrengung kostet, den tollen Unterhalter zu spielen. Ich würde auch alles für ihn tun, ich möchte doch, dass es ihm gut geht. Leider komme ich nicht mehr an ihn ran. Weihnachten und Silvester stehen wie ein unüberwindlicher Berg vor der Tür - habe Angst, da alleine zu sein. Er hat ab nächste Woche Urlaub - vielleicht geht es ihm dann besser und er meldet sich wieder.
Es ist so fatal, dass man wirklich eigentlich alles falsch macht. Die Armen fassen leider alles anders auf als man es meint.
Ich habe letzte Woche mal bei einer dieser Notfallnummern angerufen und die sagten mir, dass ich mich nur alle 2 Wochen mal per Mail oder SMS melden soll. Die Leute nehmen das auf, dass man an sie denkt und auch für sie da wäre, wenn sie uns brauchen. Sie können nur absolut keine Nähe zulassen. Uns sind wirklich als Angehörige die Hände gebunden - man kann nur reagieren auf das, was sie uns vorgeben.
Liebe Lemming, freue dich, dass du das Forum hier gefunden hast. Nur zu schreiben, was einen bewegt, tut schon sehr gut. Man wird verstanden.
Ich drück dich mal aus der Ferne und halte durch - ich weiß oder ich hoffe, es kommen andere Zeiten!
LG Marion
missZH
Beiträge: 3
Registriert: 13. Nov 2009, 17:05

Re: Wie kann ich ihm nur helfen?

Beitrag von missZH »

Hallo!

Danke für die Antwort!

Bei dir hört sich die momentane Situation wirklich auch nicht sonderlich rosig an. Ich bin wenigstens noch froh, dass ich ihn häufig sehe, er sich meldet und wir in Kontakt stehen. Auch Weihnachten werden wir jeweils bei unseren Familien zu Hause feiern - foglich werden wir uns dort dann auch viel sehen! Auf diese Zeit freue ich mich!

Hoffentlich bekommst du auch bald eine Nachricht von deinem LG. Ich hoffe sehr, dass ihr gemeinsam ein schönes Weihnachtsfest verbringen könnt, da Weihnachten wirklich so eine herrliche Zeit ist!

Eine Umarmung zurück - geteiltes Leid ist eben doch irgendwie weniger

Schönen Abend noch!
thoder
Beiträge: 1
Registriert: 15. Dez 2009, 22:24

Re: Wie kann ich ihm nur helfen?

Beitrag von thoder »

Hallo Lemming,

wollte dir mal etwas als Betroffener sagen. Vielleicht kann ich dir etwas helfen. Ich kann aber nur von meiner Seite sprechen. Ich glaube bei jedem äußert sich die Depression anders. Haben andere Gründe dazu geführt. Jeder hat die Symptome unterschiedlich ausgeprägt.

Also ich muss erstmal sagen, dass ich finde, dass du sehr gut mit deinem Freund umgehst. Man merkt, dass du ihm helfen möchtest.

Wie du auch schon über deinem Freund geschrieben hast, kann ich auch mit Druck nicht gut umgehen. Ich kann Druck von meiner Partnerin nur sehr schwer ertragen. Wenn es mir schlecht geht wittere ich den Druck an jeder Ecke. Und das kann auch nur eine Kleinigkeit sein.

Ich fühle mich in einer schlechten Phase wie unter Halbschlaf. Alles geht an mir vorbei. Alles ist in Watte gepackt. Es fällt mir schwer mich zu konzentrieren.

Das blöde ist nun, dass ich in einer depressiven Phase enorme Anforderungen an mich stelle. Ich muss es jeden Recht machen und habe das Gefühl nur gemocht zu werden, wenn ich entsprechendes leiste. Während einer Depression ist dein Körper und dein Geist aber heruntergefahren. Sie wollen eine Pause. Sind überfordert. Zuviele negative Gefühle. Keine richtige Perspektive. Kein Ziel im Leben.

Wenn jetzt meine Partnerin Druck auf mich ausübt bzw. mich kritisiert und will das ich ihr wieder mehr zeige, dass ich sie mag usw., (Was ja an sich manchmal normal und nötig ist!) dann ist das wie ein Weltuntergang für mich. Ich wittere sofort verlassen zu werden und sie zu verlieren. Ich erlebe große Ängste.

Ich habe dann Angst vor Nähe. Möchte mit niemanden zusammen sein. Bloß kein Druck spüren. Ich bin viel zu schwach dafür. Ich kann dem nicht standhalten. Dabei will ich es doch jedem Recht machen - denn sonst werde ich nicht geliebt.

Jeder Mensch wünscht sich aber (manchmal insgeheim) mit anderen Menschen eine Beziehung zu führen. Geborgenheit und Sicherheit zu spüren. Anerkannt zu werden.

Ein Teufelskreis.

Bei mir war es so, dass ich diese Sicherheit in meiner Kindheit nie richtig aufbauen konnte. Das führte u.a. zu meiner Depression heute.

Das macht es so u.a. so schwierig für mich mit anderen Menschen zusammen zu sein. Hinzukommt noch die Antriebslosigkeit, Gefühlskälte, Müdigkeit, Keine Freude, keine Hoffnung auf Besserung und immer wieder schlechte Gedanken, die neue und alte schlechte Gefühle hervorrufen.

So mal nen Einblick in meine Gefühlswelt - vielleicht ist ja was dabei, dass dir helfen kann Wie gesagt, bei deinem Freund kann das anders sein.
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