Mein Mann verliert die Geduld mit mir und meiner Krankheit

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julius1
Beiträge: 25
Registriert: 21. Dez 2008, 10:29

Mein Mann verliert die Geduld mit mir und meiner Krankheit

Beitrag von julius1 »

Hallo zusammen,

mein Mann mit dem ich 26 Jahre verheiratet bin, hat mich während meines Klinikaufenthaltes sehr liebevoll unterstützt, was ich auch sehr zu schätzen weiß. Jetzt bin ich seit 4 Wochen wieder zuhause und jetzt wird er langsam ungeduldig mit mir und meiner Krankheit. Äußerlich geht es mir auch schon wieder besser, ich kann wieder essen und schlafen, auch den Haushalt bekomme ich so eingermaßen geregelt, sogar Mittagessen habe ich am Sonntag alleine gekocht.

Aber ich bin noch lange nicht wieder ok, mir fällt alles noch sehr schwer und zu manchen Dingen wie Stadtbummel, Sauna, Besuch bekommen etc. kann ich mich noch gar nicht aufraffen.

Mein Mann meint jetzt, ich sei doch wieder gesund, er möchte mit mir Pläne machen und wieder mehr unternehmen. Ich habe versucht, ihm zu erklären, dass dies noch nicht der Fall ist, gestern hat er so blöd regagiert, dass ich ihn schließlich nur noch anbrüllen konnte, so wütend hat er mich gemacht.

Ich habe ihm dann später noch einmal in Ruhe versucht zu erklären, wie es mir wirklich geht und ihm gesagt, dass ich nur deshalb so getobt habe, weil ich mich so unverstanden gefühlt habe. Wir haben uns dann so einigermaßen wieder versöhnt, aber ich glaube, seine Grundhaltung, dass ich jetzt langsam wieder gesund bin, hat er beibehalten.

Ich mache mir selbst schon genug Druck und habe selbst oft Angst, dass es so langsam wieder aufwärts geht, sein Druck zusätzlich kann ich überhaupt nicht vertragen. Ich würde mir so wünschen, dass er mich einfach nur in den Arm nimmt und mir sagt, dass es schon wieder wird und er mir die Zeit dafür auch gibt und mich weiterhin unterstützt.

Ich weiß, dass mein Mann mich liebhat und sich um mich sorgt. Er meint es gut mit mir, aber leider bedeutet gut gemeint nich auch gleichzeitig gut. Sein Verhalten tut mir in jedem Fall überhaupt nicht gut.

Habt Ihre ähnliche Erfahrungen gemacht und wie seid Ihr damit umgegangen.

Viele Grüße
Wilhelmine
S.P.
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Registriert: 13. Nov 2007, 12:22

Re: Mein Mann verliert die Geduld mit mir und meiner Krankheit

Beitrag von S.P. »

Hallo Wilhelmine,
es wäre schön, wenn man aus der Klinik kommt und danach wieder ganz okay und wieder belastbar wäre. Leider ist das nicht so. Eine Depression braucht lange, bis sie ganz überwunden ist, darüber solltest du mit deinem Mann sprechen. Zeig ihm deine Gefühle und sag ihm, dass du es gerne hättest, dass er dich mal in die Arme nimmt und dass du dir wünschst, dass er dir Mut zuspricht und dich nicht unter Druck setzen soll. Meine Erfahrung: Lange lange Gespräche über Gedanken und Gefühle, Ängste und Sorgen ohne dem anderen etwas vorzumachen ist das beste Rezept.

Liebe Grüße
Sibylle
julius1
Beiträge: 25
Registriert: 21. Dez 2008, 10:29

Re: Mein Mann verliert die Geduld mit mir und meiner Krankheit

Beitrag von julius1 »

Eben hatte ich ein ganz vernünftiges Gespräch am Telefon mit meinem Mann, wir haben noch einmal in Ruhe über gestern gesprochen. Ich habe ihm gesagt, dass ich mir Mühe gebe und mich nicht hängen lasse und ihm erzählt, was ich heute schon alles gemacht habe.

Ich verstehe schon, dass die Situation auch für meinen Mann schwierig ist, er möchte seine aktive Frau von früher wieder haben.
Besonders wenn er selbst auch Stress hat und belastet ist. Aber die möchte ich auch wieder haben und ich glaube, dass ich am meisten darunter leide, dass ich jetzt sozusagen auf Sparflamme leben muss.

Viele Grüße
Wilhelmine
tomroerich
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Re: Mein Mann verliert die Geduld mit mir und meiner Krankheit

Beitrag von tomroerich »

Hallo Wilhelmine,

dieser Druck ist ganz übel und er kommt häufig nicht nur vom Partner sondern auch von Freunden, Arbeitgeber, Kollegen. Häufig wissen die seltsamerweise genau, dass dieser Druck "gut" für einen sei und dass es nun darauf ankäme, den Kranken wieder ins Leben zu integrieren. So nach dem Motto "jetzt reichts!". Das ist nur eine der vielen Formen der Unwissenheit darüber, was Depression ist. Dein Mann müsste verstehen, dass es nun darauf ankommt, zusammen wieder in Geduld das alte Leben neu zu lernen - nach deinem Tempo, nicht nach seinem. Du weißt, was du kannst und was nicht, er weiß es nicht. Das muss er verstehen lernen. Vielleicht kannst du ihm entsprechende Passagen aus einem Buch zeigen oder auch Teile dieses threads, wenn er sich gefüllt hat?

Man kann nicht genug betonen, dass Behutsamkeit bei der Genesung und stetes Abwägen dessen, was möglich ist und was nicht, darüber entscheiden, wann du vollkommen gesund bist. Du brauchst den Freiraum, dich heute zu verweigern und dich morgen einzulassen, je nachdem, wie es geht. Die Umwelt wird darin leicht eine Form von Willkür sehen oder gar eine Art von Machtspielchen - habe ich alles schon erlebt. Sie versteht nicht, dass heute nicht möglich ist, was gestern möglich war und macht eine persönliche Angelegenheit daraus. Wenn du zu sehr ins Auge fasst, die Bedürfnisse der anderen möglichst schnell zu erfüllen, kann das deine Gesundung verzögern - zu deinem Schaden und dem der anderen. Das zu vermitteln ist schwer aber wichtig.

Ich wünsche dir alles Gute!

Thomas
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HelH3
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Re: Mein Mann verliert die Geduld mit mir und meiner Krankheit

Beitrag von HelH3 »

Hallo Wilhelmine/ Thomas,

übel ist auch, dass man ja nicht einmal selbst in der Lage ist, den Druck auf sich zu verringern und er somit von innen wie von außen kommt. Das kann innerhalb einer Beziehung - besonders wenn beide Partner psychisch eher instabil sind - dazu führen, dass du irgendwann nicht mehr zuordnen kannst, ob du selbst dir den Druck verursachst oder ob es dein Partner ist, ob du deinen eigenen Druck auf deinen Partner projizierst oder umgekehrt. Klingt irre? Tja, ist es wohl auch...

Dass man mit sich selbst kaum noch Geduld hat und sich dafür verurteilt, immer noch so langsam, so schwach zu sein, bei Beziehungskrisen und beruflichen Existenzängsten gleich wieder in F.32 abzudriften, anstatt SICH VERDAMMT NOCHMAL ENDLICH ZUSAMMENZUREISSEN - sorry for that, musste raus -, ist natürlich auch nicht genesungsfördernd

Man fühlt sich selbst schon wie ein armseliges Würstchen und glaubt sich durch den Partner darin bestätigt, auch wenn jener vor allem mit seinen eigenen Problemen kämpft - aber das kann man, wie bereits ausgeführt, irgendwann kaum noch unterscheiden

Da hilft auch positiver Druck von außen nicht allzuviel - "Tu nichts, was dir schadet", "Setz dich keiner Situation aus, die dich überfordert" - man muss wohl wirklich erst wieder lernen, Erbarmen mit sich zu haben.

Wünsche dir auch alles Gute.

LG Helena
julius1
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Registriert: 21. Dez 2008, 10:29

Re: Mein Mann verliert die Geduld mit mir und meiner Krankheit

Beitrag von julius1 »

Hallo,

gestern war ein ganz friedlicher Tag mit meinem Mann, der selbst zuhause war weil er krank war.

Heute morgen hat er mich gefragt, ob wir am Wochenende Besuch einladen könnten und ich habe ihm gesagt, dass mir das noch zuviel ist. Daraufhin hat er wieder total verständnislos reagiert und mir gesagt, ich würde ihn dominieren und würde die Krankheit nur als Vorwand nehmen.

Er hätte sich schon in meiner Klinikzeit von allen Freunden zurückgezogen und jetzt immer noch. Ich habe ihm gesagt, dass er doch gerne alleine was mit seinen oder unseren Freunden unternehmen kann und habe ihm das auch während meiner Klinikzeit immer wieder gesagt. Er will aber, dass wir als Paar auftreten.

Was mache ich nur mit diesem Mann, der auf einmal so verständnislos reagiert?

Viele Grüße
Wilhelmine
tomroerich
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Re: Mein Mann verliert die Geduld mit mir und meiner Krankheit

Beitrag von tomroerich »

übel ist auch, dass man ja nicht einmal selbst in der Lage ist, den Druck auf sich zu verringern und er somit von innen wie von außen kommt. Das kann innerhalb einer Beziehung - besonders wenn beide Partner psychisch eher instabil sind - dazu führen, dass du irgendwann nicht mehr zuordnen kannst, ob du selbst dir den Druck verursachst oder ob es dein Partner ist, ob du deinen eigenen Druck auf deinen Partner projizierst oder umgekehrt. Klingt irre? Tja, ist es wohl auch...

Tja, genau so ist es. Die Außenwelt wird dann zum Sprecher des eigenen inneren Anklägers und dadurch scheint sie Recht zu haben. Nur mal als Gedanke für bessere Zeiten: Ist es nicht irre, was Depressionen da so aufdecken? War das vor der Depression wirklich anders oder hatte man da lediglich Mittel und Wege, nicht zu sehen, wie man sich selbst anklagt und wie man aus diesem Gefühl des Schuldigseins heraus brav die Erwartungen der anderen erfüllt?

@Wilhelmine

Was mache ich nur mit diesem Mann, der auf einmal so verständnislos reagiert?

Was macht es mit dir, dass er so verständnislos reagiert? Darf man in Beziehungen den anderen dazu benutzen, sich Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen? Es ist gängige Praxis, das sicher. Aber was das eigentlich ist, wird doch erst in so einer Situation wirklich deutlich, wo einer von beiden nicht kann und der andere sich dadurch plötzlich ungeliebt und weggestoßen fühlt. "Nicht zu können" kann außerhalb einer Depression auch eine deutliche Unlust sein, ein Widerstand - dann gibts halt Streit. In der Depression aber reißt es immer neue Wunden, wenn man erfährt, dass man in dieser Not danach beurteilt wird, ob man mitmacht oder nicht.

Ich glaube, dass auch hier die Depression eine sehr nützliche Erfahrung sein kann weil sie offenlegt, wie leichtfertig man sich oft lieblos ausnutzen lässt und seine Rolle spielt. Das ist aber kein Vorwurf an deinen Mann - er "liebt" so wie die meisten Menschen es tun. Für sich selbst sollte man erkennen, dass allzu bereitwillige Anpassung Selbstunterdrückung sein kann, in der man die eigenen Überzeugungen von Wertlosigkeit ausagiert.

Herzliche Grüße

Thomas
Betroffene für Betroffene

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