Depression und Alkohol /neuer Schub

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Zweifelnde
Beiträge: 8
Registriert: 27. Jul 2007, 09:07

Depression und Alkohol /neuer Schub

Beitrag von Zweifelnde »

Ich war im August vorigen Jahres schon mal hier im Forum. Jetzt ist es wieder soweit. Mein Mann hat eine Depression und nach der Umstellung auf Trevilor ging ihm so gut, dass ich unser Leben fast schon als zu normal empfunden habe. Das konnte ja nicht so bleiben. Eigentlich habe ich zwei Themen:
1. Mein Mann trinkt sehr gerne Wein. Gegen ein abendliches Glas Wein ist ja auch nichts zu sagen. Aber der Konsum hat sich schleichend gesteigert, so dass zwei Flaschen Wein keine Seltenheit sind. Ich mache mir enorme Sorgen, dass zu der Depression eine Suchtproblematik entsteht. Gibt es da Zusammenhänge? Alkohol als Selbsttherapie mit der Gefahr in die Sucht abzurutschen?
Auf Grund meiner Angst vor einer möglichen Sucht habe schon oft geäußert, dass ich mir wünsche, dass weniger getrunken wird. Na ja, wenn ich dann abends die offene Flasche sehe, sehe ich rot und denke sofort, dass eine zweite folgen wird. Heute Abend komme ich also von der Arbeit nach Hause, sehe die offene Flasche Wein und sage, dass er bitte keine zweite aufmachen soll. Das habe ich wahrscheinlich wirklich nicht sehr einfühlsam gesagt. Da sich die Depression seit einigen Tagen wieder bemerkbar macht, hätte ich das wohl gar nicht sagen sollen. Womit ich beim 2.Thema wäre: Mein Mann fühlt sich von mir bevormundet und kontrolliert. Der Versuch eines Gesprächs bringt uns nicht weiter. Mein Mann macht zu. Ich versuche zu erklären; letztendlich fühlt sich jeder von uns schuldig. Mein Mann wirft mir vor, ich habe kein Vertrauen in ihn, weil er mir ja schon gesagt hat, dass er an dem "Alkoholproblem" arbeitet. Die Depression lässt glaube ich keine Auseinandersetzung zu. Ich aber habe das Gefühl, die Situation klären zu müssen. Ich fühle mich hilflos. Wie geht Ihr mit dieser Hilflosigkeit um?
L.G.,A.
flora80
Beiträge: 3620
Registriert: 24. Mär 2003, 18:48

Re: Depression und Alkohol /neuer Schub

Beitrag von flora80 »

Hallo!


Ich kann verstehen, dass du dich in dieser Situation hilflos fühlst. ABer der Gedanke, du dürftest deinen Mann in der Depression nicht mit Dingen konfrontieren, die du für problematisch hältst oder du dürftest nicht mit ihm streiten, ist aus meiner Sicht nicht richtig. Daraus entsteht bei dir nur aufgestaute Wut aus falscher Rücksichtnahme. Wie immer heißt hier das Zauberwort Abgrenzung!

Ich finde, du darfst deinem Mann durchaus sagen, dass du es absolut nicht gutheißt, wenn er Alkohol in größeren Mengen trinkt, so lange du dabei bei dir bleibst. Ein "mach aber keine zweite Flasche auf!" klingt nach "Ich weiß, was gut für dich ist und verbiete es dir deshalb". Eine Alternative könnte sein: "Es macht mir Angst, wenn du so viel trinkst, weil ich mir Sorgen mache, dass du das irgendwann nicht mehr steuern kannst." Oder so ähnlich. Damit bleibst du bei dir, sprichst von DEINER Sorge, nicht von SEINEM Fehler.

Du musst deinen Mann nicht "schonen", weil er depressiv ist, weil das auch bei ihm absolut nicht authentisch ankommen wird. Er wird ganz genau spüren, dass da ein Konflikt brodelt, der aber nicht geklärt wird.

Vielleicht hilft dir auch folgendes Buch, um dich sicherer im Umgang mit Kritik, etc. zu fühlen:

Pöhlmann, Simone. 2004. Streiten will gelernt sein. Die kleine Schule der fairen Kommunikation. Freiburg: Herder

Das könnte dir helfen, klar auszudrücken, was du ihm sagen willst, ihm deine Sorgen und Ängste mitzuteilen, ohne ihm dabei das Gefühl von Bevormundung zu geben.

Und was mir noch zum Thema Alkohol eingefallen ist: Wenn du es nicht gut findest, dass er trinkt, dann muss er wohl damit leben. Es ist seine Entscheidung, zu trinken, aber es ist auch deine Entscheidung, das nicht zu untersützen. Wenn du z.B. diejenige bist, die Einkaufen geht, dann kauf einfach keinen Wein mehr. Und wenn er welchen möchte, dann muss er wohl oder übel selbst losziehen und ihn kaufen. Wenn du dich so positionierst, statt zu meckern und zu kritisieren, wird es vielleicht einfacher.


Das sind jetzt alles nur Ideen und Vorschläge, die mir zu dem Thema einfallen. Was davon passt, musst du schauen.

Liebe Grüße von Flora
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Depression und Alkohol /neuer Schub

Beitrag von tommi »

Liebe A.E.,

ich habe gerade deine Postings gelesen.
Ich denke, ihr habt ein Kommunikationsproblem. Jedes Wort wird sich wie ein Vorwurf anhören und der andere geht sofort in die Defensive oder holt zum Gegenangriff aus. Ihr habt also eine nicht so optimale Streitkultur.
Meine Frau und ich sind damals zu einer Eheberatung gegangen, die uns unheimlich weitergeholfen hat. Hier lernten wir erst das Miteinanderreden. Wir redeten ab sofort in der Ichform, statt in der provokativen Duform. Auch half uns die Stunde mit dem Lebensberater, unter "Aufsicht" zu streiten. Er moderierte diese ganz klasse. Vielleicht ist das ja auch was für euch. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dann auch klappen kann, über die Gefühle zu reden.

Ich kann dein Gefühl nachvollziehen, außen vor zu stehen. Daraus entwickelt sich die Hilflosigkeit. Es geht nicht um Kontrolle, es geht um Mitgefühl. Wir werden diese Krankheit nicht verstehen und das ist auch gut so . Uns geht es darum, wie du auch schon geschrieben hast, sie zu akzeptieren. Haben wir das geschafft, können wir auch auf unsere Partner eingehen. Schade, dass dein Mann mit dir darüber nicht spricht; diese Gespräche erweitern auch deinen Gedankenhorizont.

Mir würde dieser Alkoholkonsum auch Sorgen machen. Es ist auch nicht gut, auf AD Alkohol drauf zu schütten. Ich habe schon des öfteren hier gelesen, dass Depressive damit ein Problem haben. Kann sein, dass sie sich eine Aufhellung versprechen, die kurzzeitig eintrifft, dann aber doch recht schnell ins Negative verwandelt.

Macht dein Mann eine Therapie? Hier könnte auch noch ein Ansatz in eurem Umgang miteinander gefunden werden.

Ich hoffe, dass du mit deinem Mann eine Lösung der Probleme findet.

Lieben Gruß
Tom
Zweifelnde
Beiträge: 8
Registriert: 27. Jul 2007, 09:07

Re: Depression und Alkohol /neuer Schub

Beitrag von Zweifelnde »

Liebe Flora, lieber Tom,
vielen Dank für Eure Antworten. Mir hat es schon sehr geholfen, mich durch Euch verstanden zu fühlen. Die Buchempfehlung finde ich interessant, und ich werde nähere Infos dazu suchen. Ja, ich habe meinem Mann meine Sorge bezüglich des Alkoholkonsums auch schon oft in der Ich-Form rübergebracht. Mein Mann macht in Streit-Situationen oft zu, und dann haben wir tatsächlich ein Kommunikationsproblem: Ich will reden, um die Sache zu klären, und mein Mann reagiert so gut wie gar nicht mehr. Ich habe mir vorgenommen, mich in diesen Situationen nicht mehr zum "Hampelmann" machen zu lassen, obwohl ich nicht weiß, ob es mir gelingt, einfach abzuwarten, den Konflikt auszusitzen.
Leider kauft mein Mann seinen Wein selber, so dass ich auf den Einkauf keinen Einfluss habe.
Ja, mein Mann macht eine Therapie. Vielleicht ist das wirklich eine Möglichkeit???
In den letzten beiden Tagen haben wir sehr viel miteinander geredet, und ich hoffe, dass dieser positive Ansatz sich fortsetzen lässt.
Eigentlich wollte ich mich nur für Eure Antworten bedanken. Daraus ist ein etwas längerer Text geworden.
L.G.,A.
S.P.
Beiträge: 66
Registriert: 13. Nov 2007, 12:22

Re: Depression und Alkohol /neuer Schub

Beitrag von S.P. »

Hallo,
leider entstehen aus Depressionen oft Alkoholprobleme. Bei meinem Mann war es genauso. Wenn Alkohol getrunken wird und gleichzeitig Antidepressiva, verstärken sich zudem die Depressionen enorm. Man steckt am Ende in einem Teufelskreis und es ist sehr schwer, wenn nicht unmöglich da selbst wieder rauszukommen.

Wichtig ist, dass dein Mann selbst erkennt, dass er ein Alkoholproblem hat. Es gibt überall Selbsthilfegruppen für Alkoholkranke und auch Depressive. Ich besuche mit meinem Mann regelmäßig eine Gruppe für Alkoholkranke. Wir haben dort neue Freunde gefunden, die uns verstehen und uns sehr viel Mut gemacht haben und gute Tipps gegeben haben. Mein Mann hat es - Gott sei Dank - geschafft. Nach erfolgreicher Entgiftung wurden die richtigen Medikamente gegen die Depressionen gefunden und heute ist er ein neuer Mensch. Aber es ist für uns sehr wichtig, auch weiterhin in die Gruppe zu gehen, einfach auch um daran erinnert zu werden, dass da eine Gefahr im Hintergrund lauert, die man nicht an sich rankommen lassen darf. Und es macht sehr viel Mut, zu sehen, dass da Leute dabei sind, die seit 20 Jahren oder noch länger trocken sind und trotz immer wieder auftretender Probleme es schaffen, trocken zu bleiben.

Das erste was ich in dieser Gruppe gelernt habe: Ich hab praktisch alles falsch gemacht: ich habe meinen Mann kontrolliert, ihm den Alkohol weggenommen und ihn angefleht aufzuhören zu trinken. Das alles bringt ihn nur weiter in die Sucht. Es ist sehr schwer, aber was meine "Vorredner" schon gesagt haben stimmt: Er ist sein eigener Herr und wenn er trinken will, dann trinkt er. Er muss selbst aufhören wollen und dann kann ihm auch geholfen werden.

Liebe Grüße
Sibylle
hey
Beiträge: 28
Registriert: 11. Nov 2007, 22:30

Re: Depression und Alkohol /neuer Schub

Beitrag von hey »

Hallo A.E.,

so wie du deinen Mann beschrieben hast, so kenne ich mich selbst. Habe jahrelang regelmäßig Alkohol getrunken, weil ich total unzufrieden mit mir war und um überhaupt einschlafen zu können. Nach einem Zusammenbruch wurde bei mir die Depression diagnostiziert. Danach habe ich einige Zeit überhaupt keinen Alkohol mehr getrunken. Inzwischen trinke ich selten.
Wenn meine Frau mich auf mein Alkoholproblem angesprochen hatte, habe ich wie den Mann reagiert, nämlich nach außen hin gar nicht. Dies habe ich so aus Scham gemacht, weil ich wußte, dass meine Frau Recht hat und ich kein Argument finden konnte, das für mich gesprochen hätte. Man schämt sich, fühlt sich als Versager ist mit sich und der Welt unzufrieden und das Selbstwertgefühl geht immer weiter in den Keller.
Letzendlich kann nur dein Mann selbst was gegen sein Alkoholproblem tun.
Mir hat damals übrigens geholfen, dass meine Frau irgendwann gesagt hat: Du hast ein Alkoholproblem und ich möchte dir helfen. Es war somit nicht mehr die Anklage im Raum bzw. die Bevormundung.

Liebe Grüße Heiner
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