Wie wird es wieder ein miteinander?

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Dunja67
Beiträge: 17
Registriert: 23. Aug 2006, 09:15

Wie wird es wieder ein miteinander?

Beitrag von Dunja67 »

Hallo,
ich komme momentan nicht aus einer Zwickmühle raus und brauche Rat. Im vergangenen Jahr war durch die Depression meines Freundes die Kommunikation zusammengebrochen, ich hatte Schluss gemacht und habe mich unwahrscheinlich abgegrenzt, um nicht selber in den Strudel gerissen zu werden. Das was zwischen meinem Freund und mir passiert war, hatte ich im Sommer, nachdem ich einiges über Depression erfahren hatte, als "normale" Begleiterscheinung eingestuft. Ich habe mich deshalb regelmäßig telefonisch nach seinem Befinden erkundigt, der Kontakt war nie ganz abgerissen.

Seit einigen Wochen geht es ihm deutlich besser und er war vor Weihnachten fast von heute auf morgen wieder da, als wäre nichts gewesen. Mein Problem ist, dass für ihn alles wie weg gewischt ist, die ganzen 8 Monate scheinen völlig verdrängt zu sein. Er war ganz verwundert als ich ihm das erklärt habe. Ich komme jetzt mit meinen Gefühlen nicht hinterher. Ich versuche es zu erklären, zu reden, habe aber nicht immer das Gefühl, ihn damit zu erreichen. Ich kann für bestimmte Dinge nicht nur den Schalter umlegen, ich brauche Zeit, auch weil im Hinterkopf immer die Angst sitzt, dass es noch nicht vorbei ist. Er schluckt immer noch seine hohe Dosis AD.
Andererseits scheinen auch bei meinem Freund einige Dinge noch Zeit zu brauchen. Nähe zulassen wie Kuscheln, in den Arm genommen werden, was unternehmen usw. geht, das ist auch totla schön.
Aber z.B. übernachten in meiner Wohnung kommt noch nicht in Frage. Das wäre nicht so schlimm, aber dazu jedes Mal beim Gehen ein Satz wie "Ich bin so unsicher!" oder "Wenn ich nur wüßte, was ich tun soll?" Schluck!Das macht es mir unendlich schwer meine Mauer einzureissen und lockerer zu werden. Ich möchte mich so gerne einfach nur mal wieder fallen lassen.
Er war schon vor der Depression nicht so der große Redner über Gefühle und Emotionen. So unsicher war ich noch nie. Ich will mir aber auch nicht alles gefallen lassen und mich wie ein Schaf ausnutzen lassen.

Gerade die Aussage von ihm "Ich bin unsicher" stellt für mich eine extreme Belastung dar, da ich da auch auf ein altes Beziehungsmuster anspreche. Für mich hieß das mal, ich kann mich nicht für dich entscheiden. In dem Fall sicher so gemeint, das er sich nicht für eine Beziehung entscheiden kann. Aber der Spruch nervt, zumal ich ja selbst um Zeit gebeten habe.

Vielleicht hat jemand Erfahrung, wie ich die nächste Klippe meistern kann und wie ich mich verhalten soll? Ohne Rat schaffe ich das sicher nicht.
Ich wünsche euch allen noch einen schönen Tag.

Liebe Grüße
Dunja
mitu
Beiträge: 77
Registriert: 12. Jan 2007, 16:57

Re: Wie wird es wieder ein miteinander?

Beitrag von mitu »

Hallo Dunja,
ich bin selber keine grosse Expertin, sondern fange grade an "den Umgang mit einem Depressiven zu üben" (siehe den Thread Kontakthalten/ Hinterherlaufen.)

Von meinen bisherigen "Erkenntnissen" aus, würde ich Dir raten, als allererstes rauszufinden, was DU selber möchtest/ fühlst.
Liebst Du ihn noch?
Kannst Du ihm die vergangenen Monate "verzeihen" - damit meine ich: auch wenn Du WEISST, dass sein Rückzug nicht an Dir lag, kannst Du das auch so fühlen, also:
kannst und willst Du ihm noch/wieder vertrauen?
Wenn DU weisst, welchen Weg Du gehen möchtest, dann sag es ihm.

Und ich glaube, dass er vermutlich noch nicht in der Lage ist, dir eine Entscheidung abzunehmen, bzw. Dir keinen Rat geben kann.

Vielleicht wissen andere hier im Forum aber aus eigener Erfahrung mehr dazu...

Lieben Gruss
Hanna
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Wie wird es wieder ein miteinander?

Beitrag von tommi »

Liebe Dunja,

ich gebe Hanna recht. Die letzten Monate haben dich arg mitgenommen und das merkst du sicherlich Heute noch. Du traust dem "Braten" noch nicht ganz und siehst in jeden seiner Äußerungen evtl. Anzeichen, dass es wieder losgeht. Ich denke, dass dein Vertrauen in ihn sehr gelitten hat und du erst Mal für dich die Verarbeitung vornimmst. Schaue auf deine Gefühle und äußere sie.

Ich habe das Gefühl, dass dein Freund wesendlich zugänglicher geworden ist und du mit ihm auch reden kannst. Hier musst du ansetzten. Rede mit ihm, sage ihm sofort, was solche Sätze in dir auslösen. Frage ihn direkt, wie er seine Äußerungen meint. Er wird auch verunsichert sein, weil er die Phase nicht mehr nachvollziehen kann und da hilft es schon, wenn ihr viel über eure Befindlichkeiten redet. Es wird ihm und dir gut tun und daraus entwickelt sich eine Sicherheit, die ihr beide braucht.

Nach den Phasen meiner Frau reden wir auch sehr viel. Innerhalb der Phasen kommen wir auch an einem Punkt, indem wir zweifeln, wie es weiter gehen soll. Dieses Vertrauen, was vorher da war bröckelt ein wenig und muss nach der Phase wieder gekittet werden. Die Gespräche zeigen uns immer wieder, dass wir auf eine Linie kommen und daraus unsere Kraft tanken.

Wichtig ist, ob du die Phase deines Freundes verarbeiten und dich wieder richtig auf ihn einlassen kannst. Diese Frage musst du dir selbst beantworten, das kann er natürlich nicht.

Ich hoffe, dass es für euch ein Miteinander gibt, dazu braucht es aber Geduld .

Lieben Gruß
Tom
Hina1
Beiträge: 761
Registriert: 23. Mai 2006, 23:23

Re: Wie wird es wieder ein miteinander?

Beitrag von Hina1 »

Liebe Dunja,

es kann gut möglich sein, daß es Deinem Freund mittlerweile zwar bedeutend besser geht, er aber noch nicht ganz aus der Depression raus ist. Das kann durchaus noch etliche Wochen dauern und erklärt vielleicht auch seine Unsicherheit. Ich habe das selbst schon einmal bei meinem Exfreund miterlebt und es hat sogar noch einige Monate gedauert, bis es wieder alles ganz "normal" war und nicht immer wieder diese Usicherheiten und Unentschlossenheiten kamen.

Daß Dein Freund noch seine Medikamente nimmt, ist auch ganz richtig so. Selbst wenn so eine depressive Episode vorbei ist, dann ist es wichtig, sie noch einige Monate weiter zu nehmen, denn all zu häufig kommt es bei zu frühem Absetzen wieder zum Rückfall in die Depression.

Liebe Grüße
Hina
Dunja67
Beiträge: 17
Registriert: 23. Aug 2006, 09:15

Re: Wie wird es wieder ein miteinander?

Beitrag von Dunja67 »

Hallo,
vielen Dank erstmal für eure Ratschläge. Ja, an erster Stelle muss ich meine eigenen Gefühle auf den Prüfstand stellen und neues Vertrauen aufbauen. Ich war mir sicher, dass ich gut über die vergangenen Monate gekommen bin. Ich war "im Kopf" auch auf die Möglichkeit vorbereitet, dass er wieder zurückkommt. Ich hatte mich schon in eine Art "Warteposition" gebracht (das gestehe ich mir aber erst jetzt). Ich habe ihm auch gesagt, dass ich gerne wieder mit ihm zusammen wäre. Aber ich merke doch, dass Narben da sind und dass ich Zeit brauche, um mich emotional wieder auf ihn einzulassen. Ich merke wie dünnhäutig ich bei bestimmten Äußerungen von ihm bin. Ich habe tiefe Gefühle für ihn, er ist mir sehr vertraut und ich möchte gerne wieder eine Beziehung mit ihm führen. Aber dann ist es wieder genau wie Tom schreibt, ich traue dem Frieden noch nicht recht. Ich suche Bestätigung und habe Zweifel, ob er wirklich schon wieder beziehungsfähig ist. Ja, er ist unsicher und sein ganzes Selbstbewußtsein ist noch nicht wieder in Ordnung. Mir ist auch klar, dass es Zeit braucht, die Gefühlswelt wieder zu richten, aber ob ich Monate mit diesem Gefühl der Unsicherheit leben kann, muss ich mir selber noch klar machen. Ich werde erstmal versuchen, die für mich offenen Fragen zu stellen.

@Hanna
Verzeihen kann ich deshalb, weil ich es war, die im April 2006 die Notbremse gezogen hat. Erst nachdem ich ihn um Abstand gebeten habe, war bei ihm die Schmerzgrenze erreicht, so dass er zum Arzt gegangen ist. Ich habe für mich die Chance genutzt, habe viel für mich getan, pflege meine Freundschaften viel intensiver, hab mein Englisch verbessert. Jetzt weiß ich auch, was ich 2006 an Druck auf ihn ausgeübt habe, welche Erwartungen ich hatte, denen er zu dem Zeitpunkt nicht mehr gerecht werden konnte. Mir wurde bewusst, dass ich auch bei mir einiges ändern muss, dass vieles auf der Strecke geblieben war (mein Sohn war 6 Monate lang ziemlich krank). Mein Freund war in dieser Zeit sehr wichtig für mich, er hat mir geholfen, vor allem als die erste Diagnose meines Sohnes ziemlich mies aussah. Er war einfach die Schulter zum Anlehnen, der Partner zum Reden.
Als ich mit meinem Freund jetzt darüber geredet habe, war ich erschüttert, wie
er das aus seiner depressiven Sicht empfunden hatte. Er hatte sich selber als
Belastung für mich gesehen, dachte er nutzt mich aus, wenn er Zeit mit mir verbringt und ich mich nicht um meinen Sohn kümmmern kann. Also hat er sich zurückgezogen, wollte keine Last sein. So extrem kann das sein. Mit dem jetzigen Wissen, ist es zu erklären, damals war es ungemein schmerzhaft.
Sorry, dass es so viel geworden ist.

Liebe Grüße
Dunja
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