Angst

U-turn
Beiträge: 74
Registriert: 14. Jun 2003, 01:00

Angst

Beitrag von U-turn »

Ich hab so Angst! Vor dieser Welt, vor meiner ersten Therapiestunde, vor meiner Magenspiegelung, vor der Zukunft...
Es geschehen so viele Dinge auf die ich keinen Einfluß nehmen kann. Auch in meinem privaten Bereich. Nichts schlimmes eigentlich, aber ich habe Angst daß ich der Zukunft nicht gewachsen bin. Ich kann das auf nichts bestimmtes beziehen. Es ist einfach so ein Gefühl in mir drin.
Deshalb mache ich am liebsten gar nichts. Ich fürchte mich sonst etwas schlechtes auszulösen. Oder andere Leute vor den Kopf zu stoßen. Oder von Freunden oder auch Bekannten zurückgewiesen zu werden.

Heute Nacht träumte ich vom Betriebsausflug meiner Firma. Ich wollte mir eine Fahrkarte für den Zug kaufen, aber da war eine Frau, die mich ständig beschimpft hat. Ich rastete aus und gab ihr eine schallende Ohrfeige, so daß sie umgefallen ist. Ich schämte mich dafür und saß auf einmal im Zug. Dort erzählte ich meiner Kollegin, was ich für ein schlechter Mensch wäre, weil ich die Beherrschung vorloren habe. Und plötzlich saß da eine große Wespe an meiner Nase. Ich konnte tun was ich wollte, sie ging einfach nicht weg und ich bekam schreckliche Angst. Plötzlich fragte ich mich im Schlaf, warum sie mich denn nicht sticht. Ich hatte solche Angst vor den Schmerzen, daß ich aufgewacht bin und immer noch total verstört dasitze.

Was ist denn nur los mit mir?

Ich wär so gerne glücklich, kann es mir aber selbst nicht zugestehen. Ich würde so gern "am Leben teilnehmen", aber ich fürchte mich davor.

Was ist denn nur los mit mir?
Faustus
Beiträge: 690
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Angst

Beitrag von Faustus »

Hallo Ulrike !


Angst und Depressionen haengen oft zusammen - macht einem die Depression doch immer vor, alles sei schlecht, damit auch die Zukunft und das macht Angst.

Und wie oft platzt die Angst wie eine Seifenblase.

Ein Beispiel:

Ich habe gerade zwei Projekte. Gestern verabredet sich mein Chef mit mir, heute ueber den Fortgang meiner Arbeiten zu diskutieren. Gegen Abend, ich bin immer noch im Labor, kommen Zweifel auf. Wird er mich rundmachen, weil ich zu wenig tue ? Kommen sie dahinter, dass ich dann und wann mal im I-Net rumhaenge ? Die Nacht ist kurz, ich schlafe schlecht. Heute dann das Meeting, er war angenehm ueberrascht von meinen Fortschritten und meinte, er waere erfreut dass ich so weit waere. Auf meine Info hin, dass ich die letzten Wochen wohl auch etwas Panik hatte, lachte er nur und meinte, ich koenne mit Stress gut umgehen.

Die Angst hat sich in Luft aufgeloest. Sie war wieder nur eine Projektion meiner Depression, die sich schon damit befasste was ich mir antun koennte wenn ich entlassen wuerde. Dieses Ereignis kann mir wieder mal eine Lehre sein ...

Interessant finde ich Deine Traeume - hast Du Dich schonmal mit Traumdeutung beschaeftigt ? Man kann natuerlich allerlei Firlefanz in die Traeume hineininterpretieren, aber manchmal kommen extreme Gefuehle hoch oder es ergibt sich eine signifikante Symbolik. Koennte z.B. die Frau, die Du am Bahnsteig geschlagen hast, eine Person sein von der Du Dich bedroht fuehlst ? Oder symbolisiert es, was Du gerne ab und zu machen wuerdest, wenn Du unfreundlich behandelt wirst und alles in Dich hineinfrisst ?

Von Zuegen traeume ich auch oft, eigentlich fast jede Nacht. Und immer geht etwas schief: Ich verpasse den Anschluss, habe keine Fahrkarte, sitze im voellig falschen Zug und so weiter. Ich bin eigentlich eher Gelegenheitsbahnfahrer, insofern schon komisch dass dieses Thema bei mir so oft auftaucht. Seitdem ich meine Medis nehme, ist es noch viel haeufiger ...

Zurueck zu Deiner Angst - das ist typisch depressive Angst: Angst vor Zurueckweisung, Angst davor durch einen Fauxpas andere zu verletzen.

Hast Du schon mal eine Therapie versucht ? Es gibt vielleicht fuer den Anfang psychologische Beratungsstellen. Ist Dein Leidensdruck groesser, ist vielleicht gleich der Gang zum Psychologen angeraten. Dieser kann Dir mit Gespraechstherapie oder Medikamenten helfen. Darueber hinaus gibt es auch interessante Buecher zu diesen Themen. Zum Beispiel "Depressionen und Aengste ueberwinden" (weiss nicht ob der Titel wortwoertlich stimmt) von Shirley Trickett. In den meisten Buchhandlungen gibt es im Medizinregal eine gute Auswahl an Buechern zu diesem Thema.

Kennst Du den Selbsttest auf der Eingangsseite vom Kompetenznetz ?



Alles Gute und ein bisschen Ruhe wuenscht Dir


Faustus
C.
Beiträge: 412
Registriert: 4. Jun 2003, 22:28

Re: Angst

Beitrag von C. »

Liebe Ulrike,

ich habe auch oft so träume, wo entweder ganz fürchterliche Sachen passieren (für mich jedenfalls fürchterlich), und ich gar überhaupt nichts tun kann. Oder solche, wo dann am Ende eine ganz fürchterliche Situation sozusagen "in der Luft hängenbleibt", ich WEISS es passiert gleich etwas schlimmes, Schmerz, ... und wache aber auf bevor es tatsächlich eintritt. Und die Angst kommt mit, beim Aufwachen. Das Gefühl, gleich passiert etwas fürchterliches (manchmal bin ich dann sogar ganz verzweifelt warum ich bloss jetzt aufwachen musste, mit dem Gedanken jetzt kann ich ja erst recht nichts mehr tun, um das drohende Unheil abzuwenden...das aus dem Traum, weil ich ja dann wach bin *g*)

Einiges zu was bei mir in meinen Träumen abgeht, und zu meinen eigenen Strukturen / 'Mechanismen', mit dem Aufwachen z.B. und der Angst und Verzweiflung die dann stundenlang nicht nachlässt, obwohl ich wieder wach bin - wird mir grad erst klar, jetzt wo ich die Geschichte mit deiner Wespe lese...

Vielleicht ist es manchmal ganz gut, wenigstens beim Träumen mal nicht zu erleben, wie dann die Ängste sich bestätigen? Vielleicht gibt einem das auch "Zeit", sozusagen aus der Situation rausgerückt, überdenken zu können, was da eigentlich los ist? (und vielleicht auch doch noch Lösungen zu finden, Wege zu sehen die man in der bedrückenden Situation selbst nicht sehen konnte?)
Wie gesagt, das sind grad auch bei mir eher neue Gedanken, und auch eher in bezug auf meine eigenen Träume aus denen ich mit bleibendem Angstgefühl völlig verstört aufwache...
Vielleicht sind solche Ideen auch nur meiner verzweifelten Suche entsprungen, trotz allem irgendwo noch Silberstreifen am Horizont zu entdecken, mögliche Ansatzpunkte Wege aus meiner oft verzweifelten Stimmung zu finden, zum Verstehen und Verändern...

Ich leide auch oft sehr darunter, auf Dinge die (mir) passieren so wenig Einfluss nehmen zu können...
Und diese Starre, die dann bei mir eintritt, diese Angst mit egal was ich jetzt mache etwas falsch machen zu können, und das schlimme womöglich noch zu verschlimmern...dann doch lieber einfach nur ganz ruhig halten, nicht bewegen, nichts tun, ist dann oft meine Reaktion auf diese Angst...
Ich will da raus!

Entschuldige, jetzt hab ich mich hier ausgemehrt...und viel mehr geschrieben als ich eigentlich wollte.

einfach ganz liebe grüsse an dich
Clara
U-turn
Beiträge: 74
Registriert: 14. Jun 2003, 01:00

Re: Angst

Beitrag von U-turn »

Hallo Faustus!

Erst mal vielen Dank für Deine Antwort!
Was Du in Deinem Beispiel schreibst, kann ich sehr gut nachvollziehen. Es geht mir selbst auch oft so. Manchmal hilft es, wenn ich mir die schlimmste Reaktion vorstelle die eintreffen kann. Und wie ich dann damit umgehen würde. Du hast recht, meistens ist es dann gar nicht so schlimm wie befürchtet, sondern eher das Gegenteil.

Diese Erfahrungen mache ich allerdings nur, wenn ich die Situation nicht umgehen kann. Für gewöhnlich drücke ich mich, grade wenn es eben kein Muß ist. Wenn mich z.B. Freunde fragen, ob ich mit ihnen am Abend fortgehe oder so, sage ich meistens ich habe keine Lust. Ich hasse es auch, wenn ich Bekannte beim Einkaufen treffe. Sie könnten mich ja durch meine Sachen im Wagen oder meinem Äußeren falsch beurteilen und tratschen. Ach ich hasse dieses ewige zickzack laufen, nur um niemandem zu begegnen.

Mit Traumdeutung habe ich mich noch nicht wirklich beschäftigt, ich konnte meine Träume in entsprechenden Büchern nicht finden. Für gewöhnlich weiß ich nach dem Aufwachen auch nicht mehr was ich geträumt habe. Manchmal ist da aber noch das Gefühl von meinem Schlaf, ich bin gut gelaunt oder eben schlecht - kann es aber nicht definieren. Oder ich konnte meine Träume auf wirkliche Situationen beziehen.
Vor einigen Jahren wohne ich mit meinem damaligen Freund zusammen und er beschimpfte mich immer, wenn ich mal Überstunden machte. Er hatte nämlich Hunger und konnte nicht kochen. Ich mußte aber länger arbeiten weil wir das Geld so dringend brauchten. Irgendwann habe ich dann mal geträumt, daß ich meinen Hasen für ihn gekocht hätte weil er mir keine Ruhe mehr ließ. Er wollte ihn dann aber überhaupt nicht essen. Ich weiß noch, wie ich aufgewacht bin und schrecklich weinen mußte.
Oder ich träumte einmal, daß der Krieg ausgebrochen ist. Ich mußte alle verteidigen, aber niemand half mir. Nur der Vater von meinem Exfreund stand da und gab mir dumme Ratschläge.
Vor kurzem hatte mein Onkel seinen 60. Geburtstag und ich schenkte ihm ein Buch. Kurz darauf träumte ich, daß er sich überall beschwert hat wie ich ihm nur solch einen Schrott mitbringen konnte.

Naja, ich dachte immer ich müßte halt meine Erlebnisse und Ängste verarbeiten. An Träume wie fliegen, fallen oder ähnliches kann ich mich nicht erinnern.

Du hast mich aber auf eine sehr gute Idee gebracht! Ich dachte mir in letzter Zeit öfter, daß ich meine Gefühle besser ausleben müßte. Wenn ich also wütend auf jemand wäre, es auch zu sagen. Natürlich niemanden umzuhauen.
Vielleicht deshalb die Frau am Bahnhof.
Nur mit der Wespe kann ich noch nichts anfangen.

Eine Therapie hatte ich mal vor einiger Zeit angefangen, dann aber wieder abgebrochen weil ich mit der Therapeutin nicht klarkam. Wenn ich´s mir recht überlege, hatte ich aber damals diese Stimmungen nicht angesprochen. War vielleicht auch ein Fehler.
Vor ca. 3 oder 4 Wochen sprach ich mit meinem Hausarzt und der sagte mir auch, daß ich Depressionen habe. Er verschrieb mir ein Antidepressiva (Zoloft) und gab mir die Adressen von einigen Psychotherapeuten. Konnte mich heute sogar überwinden, bei einigen anzurufen.
Für morgen abend 19 Uhr hab ich einen Termin bei einem. Der hat sich am Telefon sehr nett angehört. Ich hoffe nur ich kann ausdrücken, wie es mir geht. In der letzten Therapie war ich nicht immer ganz ehrlich, weil ich Angst hatte die Ärztin könnte eine schlechte Meinung von mir bekommen. Ich nehme mir ganz fest vor, diesmal ehrlich zu sein. Und hoffentlich hilft er mir ein bißchen.

Viele Grüße,
Ulrike
U-turn
Beiträge: 74
Registriert: 14. Jun 2003, 01:00

Re: Angst

Beitrag von U-turn »

Liebe Clara!

Du hast sehr schöne Dinge geschrieben und mußt Dich dafür auch nicht entschuldigen. Ich glaube, das ist wirklich so wie Du sagst. Vielleicht kann man in seinen Träumen schwierige Situationen nochmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Der Gedanke ist wirklich gut! Aus diesem Grund sollten wir vielleicht froh sein, wenn wir diese Dinge träumen. Vor allem weil wir uns anschließend noch damit beschäftigen müssen. Das ist zwar sehr unangenehm, aber wahrscheinlich würde man diese Dinge sonst in einer Schublade verschwinden lassen wollen. So müssen wir uns damit befassen und können es dann eventuell sogar besser in den Griff bekommen.
Schlimm ist es nur, wenn man nach dem Aufstehen irgendwo hin muß. Wenn man mit diesem schlechten Gefühl in die Arbeit oder sonstwo hin muß, oder man nicht alleine sein kann. Da weiß ich allerdings auch keine Lösung.

Du hast geschrieben: Ich leide auch oft sehr darunter, auf Dinge die (mir) passieren so wenig Einfluss nehmen zu können...
Und diese Starre, die dann bei mir eintritt, diese Angst mit egal was ich jetzt mache etwas falsch machen zu können, und das schlimme womöglich noch zu verschlimmern...dann doch lieber einfach nur ganz ruhig halten, nicht bewegen, nichts tun, ist dann oft meine Reaktion auf diese Angst...
Ich will da raus!

Mir geht es ganz genauso wie Dir! Vielleicht hilft es uns ein wenig, wenn wir hier darüber schreiben. Ansonsten weiß ich im Moment auch nichts anderes. Aber wenn ich was finden sollte, gebe ich Dir sofort Bescheid.

Ich freu mich wenn Du wieder schreibst!


Liebe Grüße,
Ulrike
U-turn
Beiträge: 74
Registriert: 14. Jun 2003, 01:00

Re: Angst

Beitrag von U-turn »

Hallo alle zusammen!

Während ich hier im Forum geschrieben habe, fiel mir eine E-Mail ein die mir vor langer Zeit geschickt wurde.
Ich finde sie sehr schön, deshalb schreibe ich sie hier für Euch auf:

Bald nachdem sie wieder unterwegs waren, vernahmen sie in der Ferne das Rumpeln eines Karrens, und als der um die Kurve bog, sahen sie etwas sehr Merkwürdiges...
Da kam ein Ochsenkarren daher mit drei Männern drauf... Einer stand vorn... mit einem Fernrohr und schaute sehr sorgenvoll drein... Ein zweiter schaute zurück... und schaute ebenso besorgt drein...
Doch der dritte zwischen diesen beiden, ein kleiner Mann, wirkte sehr fröhlich...
Als der Wagen herankam, rief der fröhliche Kleine... "Hallo, Ihr da, springt doch auf!" Das taten sie dann auch. Die anderen beiden Männer, die mit den Fernrohren, hatten die Kinder nicht einmal bemerkt.
"Was in aller Welt tun die beiden?" fragte eines der Kinder. "OH.. das da ist Herr Vorschau", sagte der kleine fröhliche und deutete auf den Mann, der vorn stand, "er tut nichts anderes als vorausschauen... und planen und sich sorgen!"
Und der andere...?
"Das ist Herr Rückschau, alles was er je tut, ist zurückschauen... für gewöhnlich bereut er etwas!"
"Und was tun Sie?" fragten sie den Mann in der Mitte.
"Ich..? Ich lebe in der Gegenwart... im Hier und Heute... Ich sehe die Blumen und die Vögel und die Bäume... und alles um mich herum... Ich habe Euch gesehen!!!
Hin und wieder schau ich sorgsam voraus, um zu sehen, wohin ich gehe, und zurück, um aus Erfahrungen zu lernen...
Aber ich lebe im Jetzt, von Augenblick zu Augenblick!!
"Warum?" fragten die Kinder.
"Weil das Morgen noch nicht da und das Gestern schon vorbei ist... Daher ist das Heute alles, was wir haben und wenn wir es nicht nutzen und geniessen, werden wir unser Leben am Ende vertan haben!!!"

"Dieser heutige Tag und dieses mein Ich ... sind ein einmaliges Ereignis im Universum... Ein Zusammentreffen, das es nie zuvor gegeben hat... und nie wieder geben wird... nirgendwo, niemals!"
"Und was geben Sie der Welt?" fragte eines der Kinder, ein wenig scheu.

"Alles, was ich an Gutem tun kann, als Dank für jeden Tag meines Lebens!"
"Bedenket stets... Die Gegenwart ist die Frucht der Vergangenheit... und der Samen der Zukunft...
Vergesst das nie!!!"

Leider kann ich (noch) nicht so fröhlich sein, wie der Kleine in der Mitte. Und ich kann mich auch nicht unbedingt daran halten, was er sagt. Aber ich wollte es mal wieder in Erinnerung rufen und Euch daran teilhaben.

Viele Grüße,
Ulrike
Faustus
Beiträge: 690
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Angst

Beitrag von Faustus »

Liebe Ulrike !


Bei der Parabel musste ich laecheln. Ich habe zuhause ein ganzes Sammelsurium an Fernrohren, und ich baue staendig neue ... deshalb also ...

Okay, aber ich habe die Parabel schon verstanden.

Das Dumme ist nur, dass die Gesellschaft uns zwingt, nach vorn zu schauen: Wie lange brauche ich fuer das Projekt ? Wird meine Zeitstelle verlaengert ? Finde ich irgendwann auch mal einen Partner ?

Und das nach-hinten-schauen ist ja in der Psychotherapie gaengige Praxis. Denn - warum habe gerade ich Depressionen, warum ist mein Selbstbild so gering, warum habe ich Schwierigkeiten mit der Sozialisierung ? Und viele Antworten finden sich dort, geben Aufschluss ueber alte Verhaltensweisen und diagnostizieren Fehlverhalten des Un(ter)bewussten.

Insofern brauche ich meine Fernrohre oft (auch wenn ich seit meinem Depriausbruch kaum noch zum Sterngucken komme - dort gucken wir uebrigens stets in die Vergangenheit !).

Zur Traumdeutung: Ich habe kein Buch darueber, aber ich habe zwei Traeume (einen wiederkehrenden Albtraum aus der Kindheit, der mit dem Analogon eines Suizids endet, weil ich mich nicht geliebt fuehlte; und ein Traum vor einigen Wochen der grotesk aber nach Interpretation heilsam war). Auf jeden Fall mache ich mir oft Gedanken ueber meine Traeume. Seitdem ich ADs nehme, traeume ich ziemlich intensiv und jeden Morgen wache ich voller Traeume auf - wovon das meiste nur eine lose Aneinanderreihung von Eindruecken ist, ohne erkennbaren Sinn. Manchmal ist dann aber auch was dabei, was wie ein zusammenhaengender Film ablaeuft und mir Einblicke in mein Selbst ermoeglicht.


Deine Traumbeispiele scheinen mir das "hurt child"-Syndrom widerzuspiegeln. Du tust alles um geliebt zu werden (selbst Deinen Hasen schlachten - uebrigens toller Freund der "nicht kochen kann") und hast Angst vor Zurueckweisung (Onkel beschwert sich ueber das Geschenk). Gerade letzteres ist mir wirklich mal passiert ... ich war zwoelf, Muttertag stand an. Ich wollte etwas kaufen und meine Mutter bekam wohl Wind davon. Im Geschaeft entschloss ich mich dann spontan fuer etwas Anderes. Meine Mutter war total enttaeuscht und ich war in Traenen. Das hat mich extrem verletzt, so zurueckgewiesen zu werden ... !


Alles Gute,


Faustus (der mit den Fernrohren)
U-turn
Beiträge: 74
Registriert: 14. Jun 2003, 01:00

Re: Angst

Beitrag von U-turn »

Hallo Faustus!



Das mit den Fernrohren ist ja nun wirklich witzig! Sternegucken mag ich auch sehr, früher stand mein Bett unterm Fenster und ich konnte mir nachts den Himmel von dort aus ansehen. Ich vermisse das, kann in meiner Wohnung aber die Möbel nicht so stellen. Wenn ich mal nachts draußen bin, mach ich es aber meistens.
Da fällt mir übrigens was ein. Ein Bekannter erzählte mir mal, daß man von hier aus den Mars sehen kann. Als ich das meinem Bruder erzählte, hat er sich fast krumm gelacht und es auch gleich allen Bekannten erzählt. Naja, nicht so schlimm... Aber kann man den Mars nun sehen oder nicht?
Ich hab gleich noch ne blöde Frage an Dich. Wenn ich mich nicht täusche lebst Du derzeit in England? Sieht der Himmel dort genauso aus wie bei uns, oder stehen da die Sterne anders? Hat ja nun überhaupt nichts mit dem Thema zu tun, aber die Frage stelle ich mir schon eine Ewigkeit. Zwar nicht auf England bezogen sondern überhaupt, aber vielleicht kannst Du mir das erklären.

Nun zu den Träumen:
Ich hatte gestern meine erste Therapiestunde (von der ich sehr begeistert war) und mein Therapeut fand es sehr schade, daß ich mich so selten an meine Träume erinnern kann. Ich soll mir nun ein Buch neben das Bett legen, wo ich gleich nach dem Aufwachen meine Träume reinschreibe. Nachdem mein Gedächtnis über Bilder, Gefühle und Gerüche funktioniert wäre ich angeblich in einer sehr glücklichen Situation. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das immer so ein Segen ist.
Er erklärte mir, daß man tagsüber viel mehr wahrnimmt als einem eigentlich auffällt. Also im Blickwinkel oder durch beiläufiges hören. Man würde das nicht beachten, verarbeitet es dann aber trotzdem in seinen Träumen. Hört sich für mich sehr plausibel an und vielleicht deshalb kein erkennbarer Sinn im Geträumten.

Stell Dir mal vor was ich gestern geträumt habe: Ich war Harald Schmidt. Dieser Typ von SAT1. Kennst Du den?
Ich stand auf der Bühne und habe auch so rumgelästert wie er und alle haben sich einen abgelacht. Ich war richtig gut. Plötzlich mußte ich im Schlaf selbst lachen und bin davon aufgewacht. Als ich dann darüber nachdachte, kam ich du einer Erklärung. Ich bewundere ihn ein bißchen, weil er sich traut, zu sagen was er meint. Auch wenn das nicht immer "leichte Kost" ist. Ich selbst traue mich das leider kaum. Obwohl ich in gewissen Glanzphasen schon recht "blöd" daherreden kann und ziemliche Sprüche reiße. Gestern hat z.B. mein Bruder über seine Rückenschmerzen gejammert. Da er vor ca. 4 Wochen mit dem Rauchen aufgehört hat bekam er nun einen ganz schön dicken Bauch, sieht aus als wäre er schwanger. Als er nun an mir rumkritisierte, daß ich immer noch rauche, sagte ich ihm ich hätte lieber Husten, als daß mein Ranzen so auf meine Wirbelsäule drückt daß ich Rückenschmerzen kriege. War wohl ziemlich böse, aber ich mußte auf dem Heimweg immer noch darüber lachen. Hab mich einfach gefreut, daß ich mich wehren konnte.

Von einem "hurt-child-Syndrom" habe ich noch nie was gehört, aber Du beschreibst sehr genau, wie ich mich fühle. Auch mein Therapeut sagte mir das gestern. Da wir von unseren Eltern nie Anerkennung oder Zuneigung erfahren haben, wurde ich in meiner Kindheit so sehr geprägt, daß ich nun lauter falsche Verhaltensmuster entwickelt habe. Naja, für mich sind sie im Moment nicht falsch, sondern verständlich. Aber eben nicht gut für meine Psyche und meinen Körper. Der Therapeut hat das gestern genau so auf den Punkt gebracht, wie ich mich fühle und möchte das nun mit mir in Angriff nehmen. Wird sicherlich ein harter Weg das zu bearbeiten, aber irgendwie freue ich mich auch darauf.

Danke daß Du Dich wieder gemeldet hast.

Viele Grüße,
Ulrike.
U-turn
Beiträge: 74
Registriert: 14. Jun 2003, 01:00

Re: Angst

Beitrag von U-turn »

Ach übrigens Faustus!

Jetzt fällt mir gerade noch was ein!
Vielen Dank daß Du mir mit Deinem ersten Posting (heißt das so?) so sehr geholfen hast. Du hattest natürlich Recht!
Ich hatte so eine Angst vor dieser Magenspiegelung und dem ersten Therapiegespräch, daß ich am liebsten alles abgesagt hätte. Aber Dein Beispiel mit der Arbeit hat mir doch noch soviel Mut gegeben es durchzuziehen.
Es war überhaupt nicht schlimm, sondern das Beste was ich tun konnte. Denn nun kann ich angehen was mir fehlt.

Vielen Dank
nochmal
Ulrike
Faustus
Beiträge: 690
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Angst

Beitrag von Faustus »

Liebe Ulrike !


Ich freue mich, dass ich Dir mit meinem Posting (okay, das ist "Nato-hochdeutsch" und steht fuer Beitrag ) so helfen konnte !

Zu den Sternen: Mars kann man sehen, wie alle anderen seit der Antike bekannten Planeten, also insgesamt Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Nur sind sie nicht immer sichtbar, weil sie sich oft winkelgemaess zu nahe an der Sonne aufhalten. Der Mars ist momentan ein heller roter "Stern" in den Morgenstunden im Suedosten. Naechsten Monat wird er in die "Opposition" kommen, er ist dann der Erde am Naechsen (und im Teleskop am groessten, Gier ...) und er ist die ganze Nacht ueber in suedlicher Richtung sichtbar.

Der Sternhimmel ist von England aus nicht anders als von Deutschland. Das einzige, was sich mit der geografischen Breite aendert, sind die maximalen Hoehen der Sterne im Sueden und der Anteil der Sterne, die man vom Suedhimmel sieht. An den Polen sieht man immer das selbe, es dreht sich nur. Vom Aequator kann man theoretisch im Jahreslauf den gesamten Sternhimmel sehen.

Ich finde es gut, dass Du Dich mit dem Sternegucken beschaeftigst. Es gibt mir oft Trost und Geborgenheit. Ich habe mich in diese Welt gefluechtet, mache es beruflich und habe ein Haus voller Teleskope. Jetzt muss ich allerdings lernen, dass es auch was Anderes gibt. Aufgeben werde ich das Sterngucken aber nie, denn dafuer ist das viel zu schoen.

Nun zurueck zur Psychologie: Das mit dem "verletzten Kind" ist eine Struktur, die genau darauf aufbaut, dass spaeter depressive Kinder zu frueh in gesellschaftliche Normen gepresst werden und lernen, anders zu sein als sie eigentlich sind um die Liebe der Eltern zu bekommen. Ein Buch, welches mir da sehr die Augen geoeffnet hat, ist "Das Drama des begabten Kindes" von Alice Miller. Kann ich nur empfehlen, gibts in fast jeder gut sortierten Buchhandlung.

Zu den Traeumen: Ja, schade dass die Erinnerung so schnell verfliegt. Ist vielleicht aber auch notwendig, denn Traeume dienen dem Hirn ja, vergangene Eindruecke zu verarbeiten. Wenn man tagsueber mit der Verarbeitung der Traeume befasst ist, kommt man irgendwie nicht vom Fleck. Insofern mag es ein Schutzmechanismus sein. Ich habe auch schon an ein "Traum-Tagebuch" gedacht, aber die Traegheit ...

Harald Schmidt kenne ich noch aus der Zeit, wo ich einen Fernseher hatte. Ja, ein Witz nach dem Anderen. Manchmal geht es mir auch so ... leider schaeme ich mich dafuer im Nachhinein. Auf so mancher Party, nach Einnahme gewisser Fluessigkeiten, erzaehlte ich einen Witz nach dem Anderen und merkte gar nicht, dass ich mich wie ein kleines Kind (!) benahm. Offenbar fallen dann Hemmungen, nur merkt man nicht dass man seinem Umfeld damit tierisch auf die Ketten gehen kann und sich selbst zum Clown abstempelt. In der Zwischenzeit versuche ich immer rechtzeitig, mich zu bremsen ...





Alles Liebe ...


Faustus
U-turn
Beiträge: 74
Registriert: 14. Jun 2003, 01:00

Re: Angst

Beitrag von U-turn »

Hallo Faustus!

Danke für die Erklärung mit den Sternen. Ha! Ich hatte also doch recht mit dem Mars.
Werde es stillschweigend genießen...
Wenn ich Deine Erklärung mit den Sternen in anderen Ländern richtig verstanden habe, sind sie also auch in Amerika oder so nicht viel anders. Sieht man da den Nordstern? (meine den ganz hellen, den man auch bei etwas Bewölkung noch sieht.)
Naja, Du merkst es bestimmt schon. Mit Sternbildern kenne ich mich gar nicht aus. Ich kann mir deren Standorte nicht merken, obwohl ich Vorträge im Planetarium sehr gerne mag. Aber Du weißt ja, die weibliche Orientierung...
Ich schau sie mir ganz einfach an und freu mich über sie. Als ich noch ein Kind war, konnte ich am Himmel die Milchstraße sehen. Leider ist es mittlerweile zu hell und sie ist nicht mehr zu erkennen.
Hört sich sicherlich blöd an, aber seitdem mache ich jede Lampe aus die ich nicht unbedingt benötige. Keine "Festbeleuchtung" mehr, nicht daß ich irgendwann gar keine Sterne mehr sehe.

Deinen Buchtip habe ich mit auf meine Liste geschrieben. Ich führe Buch darüber, was ich noch alles lesen will. Im Moment ist mir allerdings eher nach Phantasiegeschichten oder Kinderbücher. Letztes Jahr habe ich fast ständig "Selbsthilfebücher" gelesen, aber das möchte ich derzeit nicht. Vor ca. einem viertel Jahr laß ich "Das Buch der Menschlichkeit" vom Dalai Lama - ich mag sein Lachen so gern, deshalb wollte ich mich mal mit ihm beschäftigen. Er schreibt da, daß alles was man tut - egal was - den Lauf der Welt verändert. Und zwar der gesamten Welt.
Ohne Scheiß, seitdem überlege ich mir immer wieder, was ich denn jetzt schon wieder angerichtet habe.
Deshalb lese ich grad lieber schöne Geschichten für (meistens) schöne Träume.

Hast Du derzeit keinen Fernseher?
Könnte ich mir für mich gar nicht vorstellen, wobei ich merke daß es ganz gut ist auch mal nicht reinzuschauen. Für gewöhnlich läuft der bei mir immer. Bzw. ich habe in meiner 2-Zimmer-Wohnung drei so Exemplare. In der Küche, im Wohnzimmer und im Schlafzimmer. Das ist vielleicht so eine Single-Untugend.
Da ich nichts mehr unternehmen möchte, pflege ich meine Pflanzen, lese oder schau eben fern. Mittlerweile brauche ich den Fernseher auch abends zum Einschlafen, weil ich sonst so lange vor mich hin grübeln würde bis ich nicht mehr schlafen könnte.

So extrem habe ich das mit Harald Schmidt nicht gemeint wie Du das vielleicht aufgefasst hast. Ich möchte niemanden vor den Kopf stossen und bin was das angeht auch sehr sensibel. Wenn ich schon mal nen Spruch loslasse, weiß ich auch wo ich aufhören muß bzw. wer das verträgt.
Oft passiert es mir sogar, daß ich mich für andere Leute schäme weil die ihre Grenzen nicht erkennen. Die hören einfach nicht auf rumzusticheln oder machen sich am Schluß noch lächerlich. Das ist schon eigenartig, mir sind solche Leute dann immer peinlich und wenn ich sie kenne, entschuldige ich mich auch sofort für sie.
Ein Kumpel sprach z.B. mal eine Freundin von mir an, warum sie denn lesbisch ist. Er könne das überhaupt nicht verstehen, sie sehe doch schließlich gut aus...
Und das, nachdem er sie erst einmal gesehen hat.
Oh Gott! Ich muß heute noch jedesmal dran denken, wenn ich ihn sehe.

Aber so schlimm bist Du sicher nicht!
Und wenn Du jetzt merkst, wann Du Dich zurückhalten mußt ist das ja auch ganz OK.

Ich meinte eher, daß ich auch mal Grenzen setzen sollte. Wenn mich jemand blöd anredet oder mir was nicht paßt, lächle ich nur (in meinen Augen recht dümmlich) und denke mir meinen Teil. Deshalb kann ich das dann mal wieder sehr schlecht verarbeiten und denke tagelang über eine mögliche Antwort nach. Da ich die dann aber nicht mehr geben kann, muß ich mal wieder alles in mich reinfressen. Deshalb sollte ich vielleicht ein bißchen schlagfertiger werden.

Aber das wird schon noch, ich bin schließlich grade erst am Anfang.

Sei lieb gegrüßt,
Ulrike
C.
Beiträge: 412
Registriert: 4. Jun 2003, 22:28

Re: Angst

Beitrag von C. »

Liebe Ulrike, lieber Faustus,

will euch hier mal liebe Grüsse rüberfunken
Hat mir gutgetan hier zu lesen...

Dass es der Mars ist hat mich auch gefreut hier zu lesen *gg* hab schon seit tagen immer wieder diesen kleinen rötlichglitzernden punkt der im südosten hängt angeschaut und überlegt ob das wohl Mars sein könnte ...

'Oops' dachte ich als ich das mit den frühen morgenstunden las - ist wohl doch etwas krasser als ich wahrhaben möchte mit dem nicht schlafen.

Deshalb versuch ich's jetzt endlich noch mal mit schlafen... :-/

Ulrike, dein letzter Absatz hat mich sehr berührt / nachdenklich gemacht...

<Deshalb kann ich das dann mal wieder sehr schlecht verarbeiten und denke tagelang über eine mögliche Antwort nach. Da ich die dann aber nicht mehr geben kann, muß ich mal wieder alles in mich reinfressen. Deshalb sollte ich vielleicht ein bißchen schlagfertiger werden.>
Wenn ich's doch nur so gut in Worte fassen könnte, dann hätt ich's genauso geschrieben...

mehr krieg ich grad nicht zusammen.

zu viele Gedanken in mir, die gedacht werden wollen. und ich bin müde.

macht's gut, bis bald
liebe Grüsse,
Clara
Faustus
Beiträge: 690
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Angst

Beitrag von Faustus »

Hallo Ulrike und Clara ... !


Zunaechst zur Astronomie ... ja, der rote "Stern" im Suedosten am Morgen ist der Mars. Und was den Polarstern betrifft, ist der eigentlich eine eher schwache Funzel, bei Weitem nicht der hellste Stern. Aber er steht fast genau am Himmelsnordpol. Seine Hoehe ueberm Horizont entspricht der geografischen Breite. z.B. in Hannover (52 Grad Breite) ist er 52 Winkelgrad hoch im Norden zu finden. Am Nordpol (90 Grad Breite) ist er im Zenit. Man kann ihn finden, wenn man die hinteren beiden Kastensterne des Grossen Wagens nach "oben" hin ca. 5-mal verlaengert.

Ulrike, dass Du die Beleuchtung reduzierst freut mich ungemein. Das Thema Lichtverschmutzung ist naemlich ein Riesenproblem, nicht nur fuer uns Sterngucker. Es ist Energieverschwendung und nachtaktive Tiere gehen vor die Hunde. Es zeigt mir, dass Du nicht in den Tag hineinlebst sondern sehr naturbewusst bist.

Seitdem ich in England bin, habe ich keinen Fernseher und ich vermisse ihn nicht. Ich finde Fernsehen irgendwie ungemuetlich, ich lese lieber. Und es ist erstaunlich, wieviel Freizeit man ohne die "Hirnsaege" so hat ...

Du brauchst Dich sicher nicht fuer Aeusserungen Anderer zu schaemen. Das Beispiel mit der "gutaussehenden Lesbierin" sehe ich lieber mit einem humorvollen Augenzwinkern ... vielleicht dachte der Freund aber auch, dass sich Homosexualitaet nur dann entwickelt, wenn eine Hetero-Partnerschaft nicht klappt. Und nach dem, was ich darueber weiss, stimmt das so ja nicht - zumindest nicht generell.

Aehnlich wie Clara hat mich Dein letzter Absatz beruehrt. Ich erkenne mich in ihm wieder - ich kann auch nur laecheln wenn mir einer dumm kommt, zuhause ellenlange Stunden darueber mit den Waenden reden - dem "Angreifer" das Schlimmste wuenschen, mir selbst das Schlimmste wuenschen ... bis ich dann am naechsten Tag einen Beschwerdebrief schreibe oder es Dritten erzaehle oder es einfach unverrichteter Dinge in mich hineinfresse ... ist das nicht wieder typisch Depression ? Wir sind nicht schlagfertig, einer ungewohnten Stresssituation nicht gewachsen.


Wir muessen da durch - mit einem bisschen mehr Selbstvertrauen sollte die Schlagfertigkeit auch eine Renaissance erleben - oder besser gesagt eine Premiere .

Alles Gute !!!


Faustus
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Angst

Beitrag von ben1 »

Eine hochinteressante Diskussion. Vielen Dank für so viele Gedanken!

Meine Frage an Ulrike ist, wer da in Dir Angst hat (klingt komisch, gell, aber ich denke, daß das nur ein Teil Deiner Persönlichkeit ist). Kannst Du den beschreiben?

Und an Faustus - warum schämst Du Dich dafür, Dich wie ein Kind zu verhalten? (oder habe ich Dich falsch verstanden?) Kann es sein, daß die Gesellschaft nicht mehr zum Menschen passt und nicht umgekehrt (die Frage, was in der Erziehung alles falsch lief, ist sicher ein Stück weit berechtigt, aber meiner Meinung nach kann man ein Kind nicht so erziehen, daß es in der Gesellschaft nicht einen Minderwertigkeitskomplex entwickelt - denn man hat als Erziehender nur 2 Möglichkeiten - dem Kind bedingungslose Liebe geben (die dann in der Gesellschaft erschüttert wird) - oder eben nicht! Ich glaube (und ich polarisiere damit wieder mal), das die Schuld der Eltern nichts anderes ist, als eigene Verantwortung abzugeben, nach dem Motto - hättest Du damals ... Und ich spreche hier NICHT von Extremfällen, sondern von Eltern, wie wir Sie hatten, die sich um Ihre Kinder gekümmert haben, uns aber manchmal oder auch häufiger enttäuschten - einfach deshalb, weil Sie MENSCHEN sind

Ich hoffe, nicht mißverstanden zu werden und freue mich auf Antwort(en)

Ben
U-turn
Beiträge: 74
Registriert: 14. Jun 2003, 01:00

Re: Angst

Beitrag von U-turn »

Hallo Clara!

Schön daß Du Dich wieder gemeldet hast. Was machen Deine Träume? Konntest Du noch ein bißchen schlafen?

Es freut mich, daß noch wer anders den Mars sieht außer mir.
Ist doch ne schöne Selbstbestätigung.
Ich sehe also noch Dinge die wirklich da sind und nicht nur Schreckgespenster!
OK, ich übertreibe mal etwas. Aber meine Angst hat mich heute mal wieder eingeholt.
Zum Glück hatte ich nachmittags sowieso nen Termin beim Therapeuten. Bin mir allerdings noch nicht so ganz sicher, was mir das Gespräch jetzt sagen sollte.
Da ist es wohl wie bei der Schlagfertigkeit - ich muß mal wieder alles setzen lassen und mir das nochmal überlegen was er sagte.

Schön, daß du das nachvollziehen kannst. Das zeigt mal wieder, daß wir nicht allein mit unseren Problemen sind.

Meld Dich bald wieder!
Viele Grüße,
Ulrike.
U-turn
Beiträge: 74
Registriert: 14. Jun 2003, 01:00

Re: Angst

Beitrag von U-turn »

Hallo Faustus!

Nochmals danke für Deine Erklärungen in der Sternkunde. Leider weiß ich nicht, wie der Stern den ich meine sonst heißt. Aber der Polarstern ist es dann wohl nicht. Ich mein einfach den hellsten, den man im Winter mit dem Mond als erstes sieht.
Ich werd mich jetzt aber sicher nicht mit dem Geodreieck auf den Balkon setzen, um Dir den genauen Winkelgrad zu messen.

Sorry, ich könnt mich wegschmeißen vor lachen bei der Vorstellung - ist aber echt nicht böse gemeint!

Von der Lichtverschmutzung hörte ich auch schon was, daß die Falter zu sehr von der Straßenbeleuchtung abgelenkt werden und die Fledermäuse ihr Radar (?) nicht richtig benutzen können. Ich denke halt, wenn ich den armen Viechern dadurch helfen kann dann tu ich das. Muß mich dadurch ja noch nicht mal großartig einschränken.
Da muß ich ja mal Augsburg loben, über die kam erst ein Bericht im Fernsehen weil sie ihre Straßenbeleuchtung mit anderen Röhren ausstatten und auch nicht mehr so viele einschalten. Das ist doch was.
Ich wohn nicht zuweit davon entfernt - deshalb ist mir das grad eingefallen.

Das mit dem Schämen ist mal wieder so eine Sache. Ich weiß, daß ich das eigentlich nicht müßte, kann es aber nicht abstellen. Das ist auch etwas, das ich heute mit meinem Therapeuten besprach. Ich weiß in meinem Kopf, daß meine Gefühle völlig überzogen sein können, handle aber trotzdem danach.
Der mußte heute ganz schön schmunzeln, als ich ihm erzählte daß ich nachts niemals an nem Friedhof vorbeilaufe. Wenn ich im Auto bin, schließe ich auf dem Stück sogar die Türen ab. Obwohl ich doch genau weiß, daß mir von dort keine Gefahr droht...

Da bin ich gleich bei Deinem nächsten Absatz. Erst mal hat mich Dein und auch Claras Lob sehr gefreut. Nochmal: es ist schön zu wissen, daß ich damit nicht alleine bin.
Aber bitte wünsch niemand anderen etwas schlechtes. Ich glaube nämlich, daß das zu einem selbst wieder zurückkommt. OK - mag mal wieder Aberglaube sein, doch ich will da nichts riskieren.
Einen Beschwerdebrief schreiben oder sich bei anderen zu beschweren, halte ich aber für eine ganz gute Lösung. Denn dadurch kann man vielleicht doch noch etwas verarbeiten.
Ich sollte ja, lt. meinem Therapeuten, auf meine zusammengeknüllte Bettdecke einprügeln. Um meine aufgestaute Aggression loszuwerden. Leider kann ich das nicht, obwohl ich schon öfters mit dem Gedanken gespielt habe. Ich würde mich vor mir selbst für mein Verhalten schämen.

Ich fing übrigens heute morgen an ein Traumtagebuch zu führen. Das ist viel schwieriger als ich gedacht hätte diese Eindrücke in Worte zu fassen. Ich ich habe ja lauter Bilder in meinem Kopf.
Aber ich versuch das.

Sei lieb gegrüßt,

Ulrike
U-turn
Beiträge: 74
Registriert: 14. Jun 2003, 01:00

Re: Angst

Beitrag von U-turn »

So, nun hallo Ben!

Ganz ehrlich, die Antwort an Dich habe ich etwas geschoben, ich wollte nichts falsches zurückschreiben.

Ich werde aber auf deinen kompletten Beitrag antworten, das nimmst Du mir sicher nicht übel. Denn das eine schließt das andere bei mir nicht aus.

< wer da in Dir Angst hat (klingt komisch, gell, aber ich denke, daß das nur ein Teil Deiner Persönlichkeit ist). Kannst Du den beschreiben? >
Muß ich wirklich lange drüber nachdenken. Impulsiv würde ich sagen, das ist mein inneres, verletztes Kind das nicht noch mehr verletzt werden möchte. Ich bemerkte sehr häufig an mir, mich wie ein Kind zu denken, zu fühlen und (zum Glück) mich auch zu freuen.
Andererseits kann es aber auch nicht sein, da ein kleines Kind noch keine schwerwiegenden, schlimmen Erfahrungen gemacht hat. Deshalb eigentlich auch nicht davor zurückschrecken kann. Ich denke da z.B. an die Angst davor, beim Radfahren lernen hinzufallen - ein Kind fürchtet sich nicht davor, weil es ihm noch nicht passiert ist.
Ich las einmal das Buch "Aussöhnung mit dem inneren Kind" von E. Chopich und M. Paul. Darin steht, daß ein Teil von uns noch immer ein Kind in uns ist. Und das mußte die selben Erfahrungen machen wie wir selbst.
Deshalb könnte es dann wieder doch stimmen.

Mit meinem logischen Denken hat das auf jeden Fall nichts zu tun, denn ich weiß daß meine Ängste völlig ungerechtfertigt sind. Weshalb sollte ich z.B. Angst haben unter Menschen zu gehen?
Aber da ist eben trotzdem dieses Gefühl der Furcht. Oder weshalb habe ich eine Spinnenphobie? Keine Ahnung, denn ich bin viel größer und stärker als diese Tierchen. Ich könnte sie locker umbringen, wenn ich das wollte. Aber ich kann sie noch nicht mal auf Bildern anschauen.

Jetzt hab ich Dir diese Frage so gut ich konnte beantwortet. Falls Du irgendeine andere Idee dazu hast, kannst Du sie mir gerne schreiben. Vielleicht sehe ich ja auch was falsch.



< denn man hat als Erziehender nur 2 Möglichkeiten - dem Kind bedingungslose Liebe geben (die dann in der Gesellschaft erschüttert wird) - oder eben nicht! >

Auch wenn dieser Text an Faustus gerichtet ist, ich möchte trotzdem dabei mitreden.
Habe ich so eine naive Lebenseinstellung oder bin ich einfach nur optimist. Ich glaube, daß man Kinder so erziehen kann, daß sie ihre eigenen Schwächen akzeptieren und ihre Stärken schätzen lernen. Ich habe zwar keine eigenen Kinder, kann das aber z.B. an meiner Cousine feststellen.
OK - die Gesellschaft und unser aller Leben ist hart und auch nicht unbedingt schön. Aber deshalb muß man doch nicht schon zu seinen Kindern so hart sein. Vielleicht habe ich Dich da auch falsch verstanden.
Ich glaube halt, daß die Welt nicht von Grund auf schlecht ist. Sondern daß die Menschen auch verlernt haben, aufeinander Rücksicht zu nehmen und auf die Gefühle anderer einzugehen.
Wenn wir nun alle griesgrämig dreinschauen und dementsprechend aufeinander zugehen, wird sich daran nie was ändern.
Eine Kollegin sagte mal zu mir, ich wäre zu nett. Ich müßte mehr wie ein Arschloch werden (sorry für den Ausdruck, ich zitiere) denn sonst würde ich nur ausgenutzt. Ich setzte auch Grenzen, aber deshalb kann ich trotzdem freundlich sein. Und ("... I have a dream" ) ich will mich noch im Spiegel anschauen können und glaube daß die Welt dadurch ein bißchen besser wird.
Wenn das mehrere berücksichtigen würden, wäre man schon ein ganzes Stück weiter. Und solche Leute gibt es auch, die finde ich immer wieder.


< das die Schuld der Eltern nichts anderes ist, als eigene Verantwortung abzugeben, nach dem Motto - hättest Du damals ... Und ich spreche hier NICHT von Extremfällen, sondern von Eltern, wie wir Sie hatten, die sich um Ihre Kinder gekümmert haben, uns aber manchmal oder auch häufiger enttäuschten - einfach deshalb, weil Sie MENSCHEN sind >

Verantwortung abzugeben hat für mich sowas wie Beweihräucherung. Das wollen wir hier, glaube ich nicht.
Aber der Spruch ...hättest Du damals... muß nicht immer falsch sein.
Ich für meinen Teil (für andere kann ich natürlich nicht sprechen) möchte meinen Eltern keinen Vorwurf machen, bzw. ich bin ihnen nicht böse für ihr Verhalten damals. Naja, irgendwas in mir drin ist denen von damals noch heute böse. Ich muß dafür etwas ausschweifen:
Meine Eltern sind für mich jeweils (!) zweierlei Personen. Meine Mutter von früher ist für mich eine andere Person, als die von heute. Genauso auch mein Vater. Die von damals sind wie Fremde.
Den Personen von damals werfe ich ihr Verhalten teilweise schon vor. Wobei ich das meinen "heutigen" Eltern nicht übel nehme.
Kann man das nachvollziehen, was ich meine? Oder ist das zu verwirrend ausgedrückt?

Ich war damals ein Kind und brauchte von meiner "damaligen" Mutter Hilfe und Zuneigung. Die konnte ich aber, außer in materiellen Dingen, nicht erfahren. Heute weiß ich, daß meine Eltern so reagierten wie sie es eben konnten. Wenn sie mit einer Situation nicht klarkamen, machten sie uns Vorwürfe um das eigentliche Problem von sich wegzuschieben...
Ich glaube ich komme nicht drumrum Dir ein Beispiel zu geben:

Als ich 8 Jahre als war, fuhren wir zum Lago Magiore in Urlaub. Es kam ein starker Sturm auf und es goß in Strömen, weswegen ein Surfer nicht mehr an Land kam. Deshalb fuhr mein Vater mit unserem Katamaran raus, um ihm zu helfen.
Ich war wahnsinnig stolz auch ihn und wollte ihm vom Steg aus zuwinken als er wieder reinkam. Wie gesagt, es regnete sehr stark. Ich hatte Gummistiefel und diese ganze Montur an und der Holzsteg war sehr glitschig. Ich fiel ins Wasser, konnte aber nicht schwimmen und geriet in Panik.
Eine Menge Leute kamen vom Campingplatz und standen da oben und schauten teilnahmslos zu mir herunter.
Ein 13-jähriger Junge hat mich damals rausgezogen und ich wurde in den Wohnwagen verfrachtet.
Ich lag da, war klatschnaß und total verängstigt. Alles was ich wollte war, daß mich meine Mutter in den Arm nimmt und tröstet. Aber sie machte mich zur Schnecke, ob ich denn nicht besser hätte aufpassen können und wegen meiner Blödheit muß sie sich nun auch noch bei diesem Jungen bedanken. Wir wären das Gerede vom ganzen Platz...
Sie ist gegangen und ließ mich allein.

Das sind z.B. die Geister die ich bei meiner Therapie loswerden, oder mich versöhnen will. Ich mach meiner Mutter heute keinen Vorwurf, sie war mit der Situation überfordert und mußte sich vielleicht auch erst wieder fassen.
Aber hallo - ich war acht!

Nunja, lassen wir diese Geschichten. Das ist noch eine von den harmloseren, ich könnte hier noch ganz anderes erzählen.
Aber das sind mit Sicherheit Prägungen die uns begleiten.

Ich will damit nur sagen, natürlich sind unsere Eltern auch nur Menschen mit Fehlern und Schwächen. Aber sie haben manchmal eben Fehler gemacht, die man erst heute aufarbeiten kann.
Ich wiederhol mich nochmal. Ich mach meinen Eltern keinen Vorwurf daraus. Und ich liebe sie heute und würde auch alles für sie tun. Aber trotzdem haben sie durch ihre Fehler Prägungen bei mir hinterlassen die ich nun aufarbeiten will um meine Ängste loszuwerden.


Ich hoffe Du fühlst Dich jetzt auch nicht durch mich mißverstanden. Ich wollte Dir nur meine Sichweise erklären.

Viele Grüße,
Ulrike.
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Angst

Beitrag von ben1 »

Danke für Deine ausführliche Antwort!

Bin heute etwas im Streß und muß erst mal nachdenken - aber ich melde mich wieder

Ben
MadMax
Beiträge: 383
Registriert: 1. Jun 2003, 14:05

Re: Angst

Beitrag von MadMax »

Liebe Ulrike und all die anderen hier!

Ich antworte Dir, Ulrike, jetzt endlich und tue dies in diesem Thread, weil ich mich in vielen Dingen wiederfinde.

Die Woche war total stressig, da ich umgezogen bin. Gab somit ziemlich viel zu tun. Welch neues bzw. wiederentdecktes Gefühl: Soviel um die Ohren, dass ich überhaupt keine Zeit hatte, mir großartig um irgendetwas Gedanken zu machen. Einfach nur den ganzen Tag über durchgepowert. Ausgelastet und nicht mit etwas belastet. Das war soweit positiv, aber es bleibt natürlich nicht so und ist auch gar nicht durchzuhalten. Jetzt am Wochenende ist die Luft wieder raus und ich muss erstmal wieder zu Atem kommen.
Naja, immerhin hat mit dem Umzug alles besser geklappt als zunächst befürchtet. Hab mit vorher natürlich wie immer bei allem viel zu viel Stress gemacht.

>Manchmal hilft es, wenn ich mir die schlimmste Reaktion vorstelle die eintreffen kann. Und wie ich dann damit umgehen würde. Du hast recht, meistens ist es dann gar nicht so schlimm wie befürchtet, sondern eher das Gegenteil.

Das trifft genau zu. Jetzt beim Umzug wie auch sonst. Ich muss mir immer einen Plan machen für alles und jedes. Muss alle Möglichkeiten durchspielen und genau überlegen wie ich mich in welcher noch so entfernt möglichen Situation verhalten soll. Oft genug liege ich abends im Bett und überlege wie ich was am nächsten Tag anstelle, damit es möglichst perfekt durchführbar ist und ich auf alle Eventualitäten eingerichtet. Da liege ich dann wach und grüble. Bin totmüde und will nur schlafen, halt mich aber krampfhaft wach, weil alles durchgespielt werden muss. Warum muss ich mir nur so einen Druck machen? Warum nicht alles etwas lockerer angehen? Warum?
Hab mich in Deiner kleinen Geschichte, die Du aufgeschrieben hattest, erkannt:

> er tut nichts anderes als vorausschauen... und planen und sich sorgen!"

Was soll man dazu noch sagen? Trifft es genau! Das Schlimme ist ja nur, dass ich mir dessen vollkommen bewusst bin und ich es vom Kopf her abschalten sollte, aber da macht das Gefühl einem wieder einen Strich durch die Rechnung. Es geht einfach nicht, soviel ich auch WILL.

Meinem Magen geht es wieder besser. Mittlerweile hab ich keine Probleme mehr, aber hab grosse Angst, dass im Urlaub wieder irgendsoetwas auftritt. Das wär nun das allerungünstigste! Nächsten Freitag geht's los. Was freue ich mich schon darauf!

Wie geht es Dir und Deinem Magen, Ulrike? Bist Du noch krank geschrieben? Wann steht die Magenspiegelung denn an?


>Wenn mich jemand blöd anredet oder mir was nicht paßt, lächle ich nur (in meinen Augen recht dümmlich) und denke mir meinen Teil. Deshalb kann ich das dann mal wieder sehr schlecht verarbeiten und denke tagelang über eine mögliche Antwort nach. Da ich die dann aber nicht mehr geben kann, muß ich mal wieder alles in mich reinfressen. Deshalb sollte ich vielleicht ein bißchen schlagfertiger werden.

Als ich das las, dachte ich, "hm, wer schreibt denn da meine Gedanken auf?" *g* Da schoss es mir durch den Kopf, ja, das ist es! Genau den Punkt getroffen! Als ich dann weiterlas und in euren Antworten überall nur Bestätigung fand, dass dies wohl ganz und gar keine seltenes Phänomen ist, sondern ihr es wohl alle kennt, fühlte ich mich gleich "besser". Einfach mal wieder, weil ich hier Verständnis erfahre, ich mich nicht allein mit meinen Gedanken und Gefühlen befinde.

Vor bestimmt schon 10 oder noch mehr Jahren hat mal eine damalige Klassenkameradin zu jemand anderem gesagt, er solle mal etwas schlagfertiger sein. Da war nachdem ich eine wohl ganz gekonnte Erwiderung losgelassen hatte und er nur irgendeine blöde Antwort zustande gebracht hat. Irgendwie ist mir dieses Erlebnis in Erinnerung geblieben. Heute kann ich nur noch darüber lachen. Mit meiner Schlagfertigkeit ist es nicht mehr sehr weit her.


Ich wünsche euch allen noch viel Spass beim Sternegucken!! *g* Mach ich übrigens auch ganz gerne, sobald es ausserhalb der Großstadt möglich ist

Viele liebe Grüsse schickt

Mad Max
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Angst

Beitrag von ben1 »

Hallo Ulrike

Ich denke, Du siehst vieles sehr genau und bringst viele Dinge auf den Punkt - dennoch noch eine Anmerkung zu meiner Meinung über Erziehung.

Erziehung passiert nicht nur im Elternhaus, sondern erzogen wird man auch durch die gesellschaftlich gewollten und geduldeten Verhaltensweisen. Ich stells mir so vor: Am Anfang ist der Mensch eher perfekt, spürt, das er in eine größere Einheit eingebettet ist und fühlt sich völlig in Sicherheit. Sobald der Mensch anfängt, ein "Ich" zu entwickeln, entfernt er sich automatisch von seinem "Selbst", seinem eigentlichen Kern. ER lernt, welche Verhaltensweisen o.k. sind und welche nicht - und zwar nicht, wie wir es heute machen würden, durch nachdenken, sondern durch intuitives reagieren auf die Einflüsse der Umwelt. So kann es sein, daß dich Dein beinahe-Badeunfall dazu verleitet hat, dich nicht geliebt zu fühlen (kann ich nachvollziehen) und Du erst jetzt, aus der Distanz heraus, auch VErständnis für das Verhalten Deiner Mutter findest.

Wir bauen also von frühester Kindheit an eine Fassade um uns auf, in die wir alle erwünschten VErhaltensweisen integrieren. Unsere Gefühle der Angst haben IMMER etwas mit den Anforderungen dieser Fassade zu tun (was macht es meinem Kern schon aus, mal zu verlieren, mal zweiter zu sein oder mal den Job zu wechseln? Nix! Ich kann sowieso NUR Leben, ob mit 10000 oder mit 100000 Euro pro Jahr).

Das Verhältnis zu den Eltern ist bei mir ein sehr ambivalentes. Einerseits liebe ich Sie für viele Dinge, andererseits ist (war) da auch ein HAss da für so viel (scheinbar) vermeidbares Leid, das sie mkit zugefügt haben. Diese Doppelbindung lies sich bei mir nur auflösen, indem ich erkannt, das meine Fassade (die sehr perfektionistisch angelegt ist) meine Eltern hasst, mein Selbst aber meine Eltern liebt - und je nach dem, welche PErspektive man einnimmt, haben beide Herangehensweisen ihre Berechtigung.

Was mir einfach nur auffällt (ohne das ich das negativ sehen würde - ist nur eine Beobachtung), Du versuchst auch in deinen Postings mir gegenüber, keine "Fehler" zu machen (mein Gott, was ist denn hier ein Fehler) - nutze diese Chance, in diesem anonymen Forum, nicht alles, was Du schreibst, gleich zu bewerten - lass es einfach auch mal raus, was Dir stinkt oder wie Du wirklich fühlst - das ist sehr wichtig!

Ben
Faustus
Beiträge: 690
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Angst

Beitrag von Faustus »

Hallo Ulrike !


Der Stern im Sueden, im Winter, ist Sirius. Der scheinbar hellste von der Erde aus sichtbare Stern (die Sonne mal ausgenommen).

Deine Schilderungen von Kindheitserlebnissen, in denen Du Dich voellig missverstanden fuehltest und Hass statt Liebe bekamst, kann ich voll nachvollziehen.

Damit auch zu Ben - es geht mir nicht darum, die Eltern als Schuldigen darzustellen. Wie im Buch "Am Anfang war Erziehung" von Alice Miller aufgezeigt wird, ist die Erziehung mitsamt ihren Fehlern einerseits das, was die Eltern rational und bewusst tun. Ein anderer Part ist die unbewusste Erziehung, die sich auf ihre eigenen Kindheitserfahrungen stuetzt. Ein Beispiel: Meine Mutter durfte einst bei einer Freundin uebernachten. Am naechsten Tag kam sie vormittags eine halbe Stunde zu spaet nach Hause. Sie musste deswegen sofort fuer den Rest des Tages ohne Essen ins Bett. Als ich als Kind bei einem Freund uebernachtete, war meine Mutter aeusserst penibel darauf bedacht, dass ich ja schon am naechsten Morgen wieder zuhause sei. Sonst gabs Aerger, obwohl sie rational weiss wie sinnlos diese Forderung ist. In meinem Fall sind beide Elternteile zwanghaft erzogen worden, und ich habe diese Zwanghaftigkeit unbewusst eingebleut bekommen. Ich mache meinen Eltern hieraus keinen Vorwurf, habe auch schon mit ihnen ueber solche Dinge gesprochen. Aber die Analyse der Erziehung erklaert so viele Dinge - warum gerade ich Depressionen habe, und warum ich Schwierigkeiten in der Partnersuche habe, sexuell total verklemmt bin und so weiter. Das laesst sich alles zurueckverfolgen, es finden sich Ursachen. Diese Ursachen zu finden gibt mir Selbstsicherheit zurueck und deckt Loesungsansaetze auf. Um die Fragestellung "wer ist schuld ?" gehts mir also nicht.


@ Mad Max - wusste garnicht, dass es hier so viele Sterngucker gibt


Na denn klaren Himmel und vor allem Klarheit im Kopf zum Wochenanfang ...



Faustus
U-turn
Beiträge: 74
Registriert: 14. Jun 2003, 01:00

Re: Angst

Beitrag von U-turn »

Hallo MadMax!

Schön von Dir zu hören!
Und toll, daß mit Deinem Umzug alles so gut geklappt hat.
Das bestätigt mal wieder, daß wir uns einfach zu viele Sorgen machen. Aber ich kenn das ja von mir selber.

Das mit dem Überlegen kann ich voll nachvollziehen. Meistens will ich gar nicht ins Bett gehen, weil ich mich vor dem nächsten Tag fürchte. Also sitze ich auf der Couch und grüble vor mich hin, was ich alles richtig machen möchte.
Etwas mehr Gelassenheit wäre da schon ratsam, aber da sind wir ja dabei es zu lernen.
Ich beneide auch oft diese Menschen, die einfach mal abschalten können. Die haben zwar vielleicht ein Problem (bei dem ich völlig durchdrehen würde) und machen sich trotzdem nen schönen Tag. Ich bin so neidisch auf die!
Aber wie Du schon sagst, mein Kopf weiß das alles aber ich kann nichts dagegen tun. Manchmal wünschte ich mir, nicht so sensibel zu sein.
Aber wenn ich das nicht wäre, könnte ich mich dann an so vielen Kleinigkeiten freuen? An nem kleinen Schmetterling oder einer schönen Blume? Oder mich mit einem Baum unterhalten? Bei alten Bäumen frage ich mich immer, was sie mir wohl alles aus ihrem Leben erzählen könnten. Und manchmal muß ich ihnen dann ein Kompliment machen, weil sie so schön sind.

< Meinem Magen geht es wieder besser. Mittlerweile hab ich keine Probleme mehr, aber hab grosse Angst, dass im Urlaub wieder irgendsoetwas auftritt. Das wär nun das allerungünstigste! >



Ließ mal den Anfang von unserem Text nochmal. Wie war das mit dem schlimmsten Ereignis das eintreffen kann?
Da sind wir uns ganz schön ähnlich.
Also, ich spiel die Situationen mal durch:
- Du könntest Dich so sehr vor den Magenschmerzen fürchen, daß Du in Streß gerätst und Dein Magen wieder schlechter wird. Außerdem ist durch diese Angst dann Dein ganzer Urlaub versaut.
Warst Du jetzt nicht abgelenkt vom grübeln und Dir gehts besser?
- Du könntest wirklich etwas bekommen. Falls Dein Arzt mittlerweile etwas gefunden hat, nimm Medikamente dagegen mit.
- Ich könnte mir gut vorstellen, daß Deine Auslandskrankenscheine schon lange bereit liegen.
- Falls Du im Ausland ins Krankenhaus mußt, kannst Du eh nicht verstehen was sie Dir sagen. Super! Dadurch kannst Du die schlimmen Nachrichten gar nicht erfahren. (OK - Galgenhumor)
- mein bester und schwierigster Einfall:
Du könntest Dich auf schöne Tage freuen und genießen was kommt. Wenn es Dir dann trotzdem nicht gut geht, hätte sowieso nichts dran geändert werden können. Weshalb also die Zeit vorher versauen?

Das letzte ist eigentlich die Lebenseinstellung von meinem Exfreund. Und eigentlich hat er damit auch recht. Ich kann mich selbst nur seltenst dran halten, aber vielleicht hilfts Dir ein bißchen.

Meine Magenspiegelung war letzten Mittwoch und leider bekam ich keine so guten Nachrichten. Die Prozedur selbst war überhaupt nicht schlimm, ich hab die ganze Zeit geschlafen. Anschließend erklärte mir mein Arzt allerdings, daß ich Bulemie hätte. Meine Magenschmerzen kommen von meiner total verätzten und entzündeten Speiseröhre. Deshalb halfen auch die Magentabletten nichts und jetzt bekam ich andere Medikamente. Die kann ich zwar nicht ausstehen, weil ich sie vor dem Frühstück einnehmen muß (ich frühstücke normal nicht und muß mich jetzt zwingen) aber sie helfen.
Die Diagnose spukt die ganze Zeit in meinem Kopf herum. Denn ich doch nicht! Andere, ok. Aber ich kotz doch nur ab und zu, nicht regelmäßig. Habe es aber offensichtlich übertrieben damit und als ich den Befund als Suchbegriff nachgeschlagen habe, dachte ich die schreiben da mein Leben auf.

Nunja, ich bin jetzt bei einem Therapeuten in Behandlung und habe mich auch überwunden, ihm davon zu erzählen. Ich werde es also in den Griff bekommen. Möchte mich andererseits auch unter keinen Umständen von meiner Figur verabschieden. Momentan versuche ich, einfach weniger und dafür vernünftiges zu essen. Mal sehen, wie´s wird.
Ist bloß so scheiße, weil mich jeder fragt was denn nun ist. Kann das doch nicht sagen, denn dann müßte ich mich ständig rechtfertigen. Außerdem würde mich dann jeder beim Essen und anschließend beobachten. Wie lächerlich, denn ich konnte es ja bisher auch verstecken.

Am Samstag schrieb ich für den Therapeuten meine Lebensgeschichte auf. Das habe ich noch nie getan, denn dadurch mußte ich alles wieder auskramen was ich so lange verdrängen wollte. Aber trotzdem hat es auch gut getan. Nur Nachts konnte ich einfach nicht schlafen. Ich fühlte mich zu sehr in meine Kindheit zurückversetzt.
Aber nur wenn ich das alles zulasse, kann ich es auch verarbeiten. Und damit werde ich jetzt anfangen!

Ich wünsch Dir auf jeden Fall einen schönen Urlaub! Erhol Dich gut und meld Dich wieder.
Mach Dir keine Sorgen, Du bist gut aufgehoben.

Liebe Grüße,
Ulrike.
U-turn
Beiträge: 74
Registriert: 14. Jun 2003, 01:00

Re: Angst

Beitrag von U-turn »

Hallo Faustus, hallo Ben!

Jetzt hab ich mir unsere Beiträge nochmal ganz genau durchgelesen und ich glaube, wir reden alle vom Selben. Faustus hat ja jetzt auch dargelegt, daß er seinen Eltern keinen Vorwurf macht. Und natürlich werden wir nicht nur von unseren Eltern, sondern dem ganzen Umfeld mit"erzogen".
Faustus und ich reden hier von unserem verletzen oder inneren Kind. Du Ben, nennst das eben Dein Selbst. Ansonsten haben wir in meinen Augen die gleichen Ansätze und auch Eindrücke gewonnen (haben wir ja wirklich, denn wir können damit nur gewinnen).

Das Buch "Am Anfang war Erziehung" habe ich auch gelesen. Es ist wirklich heftig zu erfahren, was dadurch aus Menschen werden kann. Es steht neben mir im Bücherregal und auf der Rückseite des Einbands steht:

"Ich kann mir keinen Zustand denken, der mir unerträglicher und schauerlicher wäre, als bei lebendiger und schmerzerfüllter Seele der Fähigkeit beraubt zu sein, ihr Ausdruck zu verleihen."
Montaigne

... das trifft es wohl sehr genau.

@Ben: Danke für Deinen Hinweis. Du hast recht, ich überlege mir sehr genau was ich hier schreibe. Ich befürchte jemanden vor den Kopf zu stoßen oder altklug zu wirken. Aber trotzdem drücke ich recht genau aus, was in mir vorgeht. Allerdings überlege ich sehr genau auf ein Thread zu reagieren oder wie es rüberkommen könnte. Einmal schrieb ich auch nichts, weil ich mein Entsetzen zu einem Verhalten nicht darlegen wollte.
Obwohl wir hier anonym sind, habe ich trotzdem Angst davor verletzt zu werden oder daß es mir bei einem anderen so geht. Deshalb wähle ich meine Worte sehr sorgfältig.
Aber das hast Du ja bei Deiner Anmerkung auch getan.

Wir gehen eben einen Schritt nach dem anderen und lernen immer mehr dazu.

Ich wünsch Euch eine schöne Woche und freu mich wieder was zu hören.

Viele Grüße,
Ulrike.
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Angst

Beitrag von ben1 »

@ Ulrike und Faustus

Ich habe mal was sehr spannendes probiert - wenns Euch gefällt, probierts doch auch mal.

Ich war durch eine Äußerung einer meiner Mitarbeiter sehr aufgewühlt (um was es da genau ging, bruach ich hier nicht zu schreiben, da jede Situation geeignet ist) und dann habe ich mir meine inneren Dialoge angesehen, wie ein Kammeramann in einer Talkshow.

Da kam natürlich auch das verletzte Kind, das ungefähr sagte "So ein blöder A...! Wie kann er nur so was sagen? Der mag mich nicht! Wie kann ich ihm mal eine reinwürgen? Mit mir nicht!"

Dann kam der "Perfektionist"
"War da vielleicht was dran? Habe ich einen Fehler gemacht? Hoffentlich merkt das keiner ..."

Dann kam der "Friedensstifter"
"He Leute, alles o.k., der hat das nicht so gemeint."

Dann der "Bequeme"
"Über so einen Schwachsinn reg ich mich doch nicht auf. Den ignoriere ich nicht einmal!"

Ich schau mir also erst mal die Protagonisten an und versuchen, ihre Motive zu verstehen. Und wenn dann alle ihre Statements abgegeben haben, trete ich als Kammeramann hervor und werde zum Moderator - und ich merke, das da Laute, impulsive Stimmen da sind und leise, bedächtige Stimmen. Und mein Part ist es jetzt, diesen Stimmen auch Raum zu geben und ein Ergebnis zu produzieren, bei dem sich KEINER übergangen fühlt.

Das mit den verschiedenen Stimmen und Diskussinsteilnehmern hat nichts mit Schizophrenie zu tun. Schizo wäre es, wenn man ohne Kontrolle von einer Rolle zur nächsten hüpft.

Eine für mich sehr wertvolle Übung, bei der ich viel über meine Persönlichkeitsanteile gelernt habe - anfangs habe ich die Dialoge noch aufgeschrieben, um nicht den Überblick zu verlieren. Ich kanns nur empfehlen!

Grüße

Ben
MadMax
Beiträge: 383
Registriert: 1. Jun 2003, 14:05

Re: Angst

Beitrag von MadMax »

Hallo Ulrike!

Will mich in den Urlaub verabschieden. Morgen geht es los. Mache mir auch nicht mehr so die Gedanken wegen meinem Magen. Die letzten Tage war alles okay. Insofern.......

>Du könntest Dich auf schöne Tage freuen und genießen was kommt. Wenn es Dir dann trotzdem nicht gut geht, hätte sowieso nichts dran geändert werden können. Weshalb also die Zeit vorher versauen?

Stimmt, Du hast 100%ig Recht! Aber wie es nunmal immer so ist: es ist nicht umsetzbar. Ich will halt auch immer Unabänderbares ändern oder überlege, wie es hätte verhindert oder in andere Bahnen gelenkt werden können. Tja, blöde perfektionistische Einstellung.
Aber genug davon! Der Urlaub wird super und ohne irgendwelche Probleme ablaufen! Basta!

Ich finde es sehr gut, dass Du Dir ganz bewusst vorgenommen hast, Deinem Therapeuten von der Bulemie-Diagnose zu erzählen und auch mit einigen anderen Dingen aufzuräumen und wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du es schaffst!

Vielen Dank für Deine Urlaubswünsche! Ich werde mich ganz bestimmt melden, wenn ich wieder zurück bin!
Bis dahin wünsche ich Dir und natürlich auch allen anderen alles, alles Liebe und Gute!

Mad Max
Antworten