Und reiss Dich zusammen!

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bix
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Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von bix »

Ich weiss, Ihr könnt mir dabei nicht helfen. Denn Ihr könnt auch nicht hellsehen... Aber vielleicht hat ja doch jemand eine kreative Idee..... Was will meine Mutter mit mit diesen Worten sagen?

Meine Mutter weiss nicht, dass ich an einer Depression leide und in Therapie bin. Ich werde es auch niemandem sonst in der Familie sagen - nur meine Schwester weiss es.

Nun hab ich meine Mutter länger nicht gesehen, ich hab mich bewusst seit Beginn der Thera (Februar) etwas zurückgezogen. Irgendwann kurz nach Muttertag war ich mal dort, dann wars zu heiss, nach der WM waren meine Eltern 6 Wochen im Urlaub, jetzt sind sie seit einer Woche zurück. Heute rief mich meine Mutter im Büro an. Sie wüsste ja schon gar nicht mehr wie ich aussehe usw.

Das Telefonat mit ihr war sehr seltsam. Mir war diese "Frau da am Telefon" total fremd. Das Gespräch irgendwie gezwungen. Ganz komisch, kaum zu erklären.

Und dann verabschiedet sie sich völlig unpassend, wirklich ohne jeden Zusammenhang aus unserem Gespräch, mit den Worten "und reiß Dich zusammen!"

*?????????*

Ich hab gleich meiner Sis ne Mail geschickt, aber sie hat ihr nichts von meiner Depri gesagt - was ich ihr auch glaube.

Ich verstehe diesen Satz nicht.
Ich verstehe diese Frau nicht.

Aber vielleicht nehm ich den Satz auch einfach viel zu wichtig.....
tommi
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Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von tommi »

Liebe Bix,

natürlich weiß deine Mutter, dass mit dir irgendetwas nicht stimmt. Zumindest weiß sie eben, dass du dich von ihr zurückgezogen hast, weil du eben den Kontakt auf absolute Sparflamme kochst.

Ich würde aber nicht so weit gehen, dass sie erahnt, dass du krank bist. Dieses "reiß dich mal zusammen" bedeutet m.E. "siehe mal zu, dass du auch wieder für mich da bist", oder "raff dich endlich mal wieder auf, mich zu besuchen".

Ich denke dieser Satz irritiert dich deswegen, weil du ihn erwartet hättest von ihr zu hören, wenn du ihr mitgeteilt hättest, dass du Depressionen hast. Ich denke einfach, sie versteht es nicht, warum du den Kontakt abgebrochen hast.

Liebe Grüße
Tom
Chiron
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Registriert: 14. Feb 2005, 15:45

Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von Chiron »

Liebe bix,

wir Mütter haben einen sechsten Sinn wenn es um unsere "Brut" geht.

Ich glaube, Deine Mutter spürt, dass etwas nicht mit Dir stimmt, nur was?
Darin ist sie sich noch nicht ganz sicher.
Wahrscheinlich verlief das Gespräch so gezwungen, weil Du penibelst verhindern wolltest, Deiner Mutter die Wahrheit zu sagen.
Sie wollte natürlich typisch Mama wissen, was ihrem Töchterle fehlt. Jede wollte ihr Ziel erreichen oder besser die eine erhoffte sich eine Erklärung, die andere übte sich in Schweigen.
Deiner Mutter blieb also nichts anderes übrig als zu sagen:"Und reiss Dich zusammen!"
Ich weiß nicht wie alt sie oder Du bist.
Aber viele denken nun mal immer noch, Depris sind mit einer gehörigen Portion Selbstdisziplin zu heilen.
Oder die beste Erklärung dafür:"Es gibt keine Depressionen. Das sind nur Unzufriedenheiten der Menschen."
Statement meiner 74-jährigen Großtante.
Dazu kann ich nur sagen: und du hast recht.

Das war meine Meinung aus der Sicht einer Mutter und einer Tochter.

Alles Liebe und Gute für Dich.
Ich wünsche Dir den Mut es Deinen Eltern zu erzählen, auch wenn Du erst mal nicht auf Verständnis hoffen darfst, aber Du brauchst Dich dann nicht weiter zu verstellen
Diese Krankheit können nur Betroffene richtig nachempfinden.

Chiron
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
bix
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Registriert: 16. Feb 2006, 15:03

Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von bix »

Danke Ihr zwei!

Vermutlich habt Ihr recht. Mütter merken was.

Meine Mutter ist im Rentenalter, ich bin 37. Aber ich blieb immer "die Kleine". Meine ältere Schwester (42) kann sich monatelang nicht melden, das macht nix, die ist ja "groß" und kann auf sich selbst aufpassen.

Nun waren meine Eltern im Urlaub bei meiner Oma. Ich hab Oma einen Brief geschickt, da standen nur Sachen drin, von denen meine Eltern nie gehört haben. Dass ich in die Kunstschule gehe, dass ich auf 3 Kunsthandwerkermärkte gehe, dass ich evtl. nach Berlin ziehe. Fotos waren dabei von einigen meiner Bilder und von meinem neuen Freund. Meine Mutter weiss, dass ich "nebenbei male". Punkt. Sie hat nie ein Bild von mir gesehen, war nie in meiner Wohnung seit ich male. Ich habe nie genauer mit ihr drüber gesprochen, weil ich auf ihre destruktiven Kommentare (gib nicht so viel Geld dafür aus, hast eh kaum welches! (streng) Willst etwa berühmt werden? (ironisch) usw.) keine Lust hatte und habe. Nun erfährt sie das also von Oma und kann nur sagen "davon weiss ich gar nix". Ihre jüngste Tochter, die sie Jahrzehntelang geklammert und bevormundet hat, läuft nach all den Jahren "out of her control". Muss ein komisches Gefühl für sie sein. Tja, da muss sie sich wohl dran gewöhnen.

Nein, Chiron, ich werde meinen Eltern nicht erzählen, dass ich depressiv bin. Mein Vater würde zwar vermutlich sowas wie "kein Wunder", sagen, aber meine Mutter soll das auf keinen Fall erfahren. Denn auch die Kommentare dazu kann ich mir echt sparen! Als meine Sis ihr erzählte, dass ihre Vermieterin an schweren Depressionen erkrankt ist, meinte sie auch nur ganz lapidar "Die soll sich halt was zusammenreissen!!!" Krankheiten jeder Art sind für sie ein Zeichen von mangelnder Disziplin. Sie würde mir auch bei einer Bronchitis erklären ich solle nicht so husten. Psychotherapie ist für sie das Letzte, nur was für "Bekloppte" und ausserdem redet man da nicht drüber, man macht alles micht sich selbst aus. "Und erzähl bloss nix von UNS" würde auch kommen... Neee, lass mal.

Danke, so langsam macht ihr gestriger Abschluß-Satz dann ja doch Sinn für mich.....
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von tommi »

Liebe Bix,

nun, nach deiner Schilderung, würde ich deiner Mutter auch nichts davon erzählen. So wie es sich anhört, hat dich deine Mutter bewusst "klein gehalten", weil sie ein Problem mit der Abnabelung hat/hatte.

Dazu gehört auch die ständige Kritik an deinem Tun. Dadurch fühlst du dich weiterhin klein, bedeutungslos und minderwertig.

Umso mehr freue ich mich, dass du in deinem künstlerischen Schaffen Erfolg hast und du dich hast nicht beirren lassen, DEINEN Weg zu gehen.
Für deine Mutter mag es hart sein, dass du dich gelöst hast, aber wie hart war es für dich vorher?

Ich wünsche Dir in deinem Tun alles Liebe und dass es dir weiterhin viel Spaß und Freude bringt.

Liebe Grüße
Tom
bix
Beiträge: 99
Registriert: 16. Feb 2006, 15:03

Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von bix »

Danke, Tom!

und:
So wie es sich anhört, hat dich deine Mutter bewusst "klein gehalten", weil sie ein Problem mit der Abnabelung hat/hatte.

Volltreffer!

Ich werde evtl. Sonntag zu meinen Eltern zum Essen fahren. Ich bin gespannt, ob ich "endlich" mit meiner Mutter aneinandergerate und mir jegliche weitere Einmischung in mein Leben verbitte... Ich lasse mir von ihr keine "Befehle" mehr erteilen, wie ich mein Leben zu leben habe.

Ich bin mit 37 Jahren endlich erwachsen geworden!
Dunja67
Beiträge: 17
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Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von Dunja67 »

Hallo Bix,

vieles von dem, was du erzählt hast, kommt mir bekannt vor. Dazu zählen die Kontrollsucht und das Übertragen von eigenen, nicht erfüllten Hoffnungen und Wünschen auf die Kinder. Meine Schwester und ich (11 Jahre Altersunterschied) arbeiten bis heute die Sprüche meiner Mutter auf: z.B. "Nimm dir ein Beispiel an deiner Schwester!",usw. Für meine Schwester war es die Hölle.
Den Spruch "Reiss dich doch zusammen" den kenne ich auch. Meine Mutter hört schon am Tonfall, ob ich o.k. bin, möchte aber nie hören, dass nicht alles eitel Sonnenschein ist. Und dann fallen solche Sprüche.
Ich glaube auch, dass du unbewusst eine Stimmungs- oder Tonlage im Telefonat hattest, die sie misstrauisch gemacht hat.

Es gibt nur zwei Wege, entweder du schaffst es, mit deiner Mutter über die Depression zu sprechen oder du ziehst dich noch eine Weile zurück. Hängt sicher vom Stand deiner Therapie ab.
Ich hatte vor einigen Jahren einen Punkt, wo ich nicht mehr bereit war, mit meiner Mutter zu Reden. Sie kannte nur schwarz und weiss, keine Toleranz, wir haben uns nur gezofft. Sie hatte dann einen schweren Schlaganfall und danach haben wir uns langsam wieder angenähert. NAch dem Erlebnis kann ich mir heute nicht mehr vorstellen, mit einem Menschen im Streit auseinanderzugehen.

Deshalb wäre ein wenig abwarten in Ordnung, aber dann könntest du versuchen, einen Weg zu ihr zu finden.
Du hast so viel erreicht, hast Deinen Weg im Leben gefunden, bist nicht von den Eltern abhängig und kannst stolz auf das sein, was Du dir erarbeitet hast.
Das kannst Du mit ganz breiten Schultern vortragen, vielleicht möchte deine Mutter gerade das von dir hören. Auf jeden Fall ist es schade, wenn man die Eltern so verliert.

Liebe Grüße und viel Kraft

Dunja
bix
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Registriert: 16. Feb 2006, 15:03

Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von bix »

Liebe Dunja,

ich habe ja nicht vor, den Kontakt zu meinen Eltern oder zu meiner Mutter komplett abzubrechen. Ich ziehe mich lediglich ein wenig zurück.

"Reden" kann man mit der Frau sowieso nicht. Man kann nur Befehle entgegen nehmen. Nur ihre Meinung ist richtig, nur was sie sagt stimmt. Alles Andere "kommt überhaupt nicht in Frage!" Wie mein Vater das so lange aushält ist mir ein Rätsel, der führt nämlich auch kein eigenes Leben.

Ich werde nach wie vor ab und zu hinfahren, klar. "Wie gehts?" "Gut!" nach dem Essen "Du brauchst nicht aus lauter Höflichkeit nach dem Essen sitzen bleiben, kannst ruhig wieder fahren!" - Besuch beendet, Danke für das "Gespräch".

Liebe Grüsse an Dich und Danke

bix
Chiron
Beiträge: 2006
Registriert: 14. Feb 2005, 15:45

Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von Chiron »

Hallo bix,

oh jeh, das mit Deiner Mutter hört sich nicht gut an.
Jetzt kann ich allerdings verstehen, warum Du nichts von Deinen Depris erzählen willst.
Würde ich in dem Fall nicht anders machen.

Ich wünsche Dir viel Kraft Dich mit Hilfe Deiner Therapie noch besser gegen die Übermacht Deiner Mutter zu wehren und vor allem Deine Depris zu überwinden.

Liebe Grüße,

Chiron
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
Cecil
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Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von Cecil »

Hallo Bix,

es kommt mir sehr bekannt vor, was Du schreibst. Und ich frage mich immer wieder, was "die Lösung" für mich sein kann? Wie ich mit desem Ist-Zustand besser zurechtkomme.

Es verletzt mich auch immer wieder sehr solche Sprüche wie "reiß Dich zusammen" zu hören.
Das zeugt meiner Meinung nach von völligem Unverständins des Zustandes gegenüber in dem wir uns befinden.


Dunja schrieb.>Es gibt nur zwei Wege, entweder du schaffst es, mit deiner Mutter über die Depression zu sprechen oder du ziehst dich noch eine Weile zurück. Hängt sicher vom Stand deiner Therapie ab.<

Ich denke, es gibt bestimmt noch mehr Möglichkeiten. Selbst wenn wir es schaffen mit der Mutter über die Depression zu sprechen, heißt das noch lange nicht, dass sie wirklich versteht oder sich einfühlen kann (Mütter sind eben auch nur Menschen mit Möglichkeiten und Unmöglichkeiten). Manchmal ist bei Müttern auch eine innere Sprerre da, als Selbstschutz sozusagen, denn sie will ihr Kind nicht leiden sehen, will es nicht wahrhaben und verdrängt die Krankheit deshalb. Oder sie verdrängt es aus Selbstschutz, weil sie nicht "schuld" sein will.

Auf der anderen Seite können wir vielleicht an unserem eigenen Anspruch etwas ändern. Dieses Gefühl, Verständnis zu wollen und Rücksicht usw., vielleicht könnten wir irgendwann damit aufhören, wenn wir merken dass dies nicht zu verwirlichende Wünsche sind. Ohne Zorn und ohne den Kontakt abzubrechen. Einfach sich mit der Realität versöhnen und die Mutter in ihrer Beschränkung so anzunehmen wie wir uns wünschen angenommen zu werden ...?

best wishes
Cecil
tommi
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Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von tommi »

Liebe Cecil,

das wäre schön, aber geht das wirklich, ohne dabei oberflächlich zu sein?

Ich denke, es hat viel mit gegenseitigem Respekt zu tun. Irgendwann haben manche Mütter es verpasst, zusehen, dass das eigene Kind kein Kind mehr ist und denken immer noch in alten Erziehungsmustern. Statt die Kinder im Leben zu begleiten, meinen Sie ihnen ihr Lebenstiel aufdrängen zu müssen. Nur der ist richtig, weil erprobt.
Ich meine damit nicht, dass mit guten Ratschlägen gespart werden soll, aber wenn ein anderer Weg eingeschlagen wird, als vorgeschlagen, dann muss das auch respektiert werden.

Auch denke ich, dass wenn man sich mit der Krankheit Depressionen bei dem Kind auseinander setzten muss, sich mit sich auch das gleiche machen muss. Was da alles zu Tage treten kann.... .

Deswegen sind Depressionen ein Reiß- Dich - Zusammen- Thema. "Ich habe nichts falsch gemacht, ich habe es immer nur gut mit dir gemeint" Und wenn doch? "Das ist Schnee von Gestern, darüber will ich nicht nachdenken."

Depressionen sind meistens aus der Kindheit begründet (so bei meiner Frau und wenn ich mich durchs Forum lese, in den meißten Fällen auch) und einen großen Anteil haben dann wohl auch die Eltern. Hier die Stärke zu haben, "Frieden" mit sich und den Eltern zu schließen bedingt wohl die vollkommene Aufarbeitung seiner Kindheit, oder?

Liebe Grüße
Tom
Cecil
Beiträge: 187
Registriert: 22. Mai 2006, 12:55

Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von Cecil »

Hallo Tom,


ob das geht ohne oberflächlich zu sein? Ich denke ja. Ich meine nicht ein oberflächliches nebeneinanderherleben, sondern ein tiefes Verständnis für sich selber, seine Ansprüche und Wünsche, die Realität, die Endlichkeit und Beschränktheit der Eltern und dann die Erkenntnis, dass man das was man sich schon als Kind gewünscht und vielleicht nie bekommen hat nun im "fortgeschrittenen Alter" auch nicht mehr erhalten wird. Vielleicht ist es möglich, dass sich manche Eltern auch im Alter noch wandeln, ihr ganzes Leben auf den Prüstein legen, aber ich glaube auch, es hängt vom jeweiligen Alter der Eltern, von ihrem Gesundheitszustand, Lebensphase, Bildung, Introspektionsfähigkeit usw. ab.

Manchmal sollte man seine Kindheitswünsche nicht mehr von den Eltern einfordern und dabei immer wieder einen Schlag ins Gesicht zu erhalten. Eine andere Sicht auf die Eltern, auf sich Selbst als Erwachsener .. und manchmal nützt das friedliche sich Selber ändern auch etwas bei den Eltern. Druck erzeugt nur Gegendruck -auf beiden Seiten.

Vielleicht muß man eben irgendwann von seinen eigenen Ansprüchen ablassen, das annehmen was die Eltern bereit und in der Lage sind zu geben und nicht zu fordern was sie nicht können oder wollen. Die Eltern eben so annehmen wie sie sind. Und durch Gespräche evenetuell herausfinden warum sie so sind wie sie eben sind. Oftmasl steckt auch da viel Leid dahinter. Sie waren ja auch mal Kinder.



best wishes
Cecil
bix
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Registriert: 16. Feb 2006, 15:03

Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von bix »

Vielleicht muß man eben irgendwann von seinen eigenen Ansprüchen ablassen, das annehmen was die Eltern bereit und in der Lage sind zu geben und nicht zu fordern was sie nicht können oder wollen. Die Eltern eben so annehmen wie sie sind. Und durch Gespräche evenetuell herausfinden warum sie so sind wie sie eben sind. Oftmals steckt auch da viel Leid dahinter. Sie waren ja auch mal Kinder.

In Deinen Worten steckt viel Wahrheit, Cecil! Ich will auch meiner Mutter nicht einfach die "Schuld" an meiner Depri geben, auch wenn es mit Sicherheit an ihrer Erziehung, ihrem Verhalten liegt, dass ich depressiv geworden bin. Ich denke mir, sie konnte eben nicht anders. Sie hat getan was sie für "am besten für ihr Kind" gehalten hat. Dass sie nur tat, was am besten für sie selbst war - hat sie vielleicht gar nicht gemerkt. Weil sie selber seit Jahren depressiv ist. Das aber nicht weiß, man ihr das auch nicht sagen kann, denn psychische Krankheiten gibt es nicht, das ist nur was für Bekloppte, Verrückte, die weggesperrt gehören. "Man" redet nicht über sich selbst, seine Probleme, Gefühle, Sorgen. Sie würde sich nicht helfen lassen. Sie hatte auch lieber jahrelange Gallenkoliken, als einer OP zuzustimmen. Sie geht zu keiner Kontrolluntersuchung, und wenn sie Krebs hätte würde sie es keinem sagen.... Wenn sie krank war haben wir das immer erst hinterher erfahren. So wie sie mir einmal ganz nebenbei nach einem Telefonat sagte "Ich muss jetzt auflegen, ich muss noch zu Deinem Vater ins Krankenhaus!" "WAS? Papa ist im Krankenhaus? Weswegen? Warum sagst Du denn nix???"

Ich frage mich natürlich, warum ist sie wie sie ist. Was hat sie in ihrer Kindheit erlebt, im Krieg, das sie so hat werden lassen? Was ist geschehen, dass aus einer ehemals jungen, lebenslustigen Frau ein so negativ eingestellter, isolierter Mensch geworden ist. Aber - das ist IHR Problem, das muss sie selber lösen, wenn sie das möchte. Oder eben nicht.

Meine Mutter so zu nehmen wie sie halt nun mal ist - das heisst aber für mich noch lange nicht, dass ich mir alles gefallen lassen muss. Dass ich mir Befehle erteilen lassen muss anstatt Ratschläge. Dass ich mich nicht dagegen wehren darf, bevormundet zu werden, "klein gehalten", wie Tom sagt.
tommi
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Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von tommi »

Liebe Bix,

ich denke, dass deine Mutter viel Schlimmes erlebt hat, was eben nie aufgearbeitet wurde. Ich bin auch der Meinung, dass es an der Generation liegt. Wenn ich mich mit älteren über das Thema zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit unterhalte ist es schon sehr häufig vorgekommen, dass mein Gegenüber in Tränen ausgebrochen ist. Sie haben das Erlebte so stark verdrängt, weil man nicht darüber sprechen wollte- einfach nur vergessen. Auch liegt es nahe, dass sie auch Jahre danach in der Nachkriegszeit ganz andere Probleme hatten, als sich damit zu beschäftigen. Hinzu kommt, dass über Leute, die an den Ereignissen zerbrochen sind, doch recht hart mit den Worten umgegangen wurde. "Der ist Verrückt geworden, der ist in der Klapse gelandet..." Das alles prägt natürlich fürchterlich. Man musste also stark sein, durfte gesellschaftlich nicht über Probleme reden, keiner durfte merken, wie es innerhalb seiner und der Familie aussah.
Viele Ältere werden jetzt in ihrem Alter von den Erinnerungen eingeholt, einige lassen sich sogar behandeln, aber für viele ist das immer noch ein Tabuthema, was sie mit sich selbst ausmachen wollen, aber logischer Weise nicht können. Daraus entsteht die Trotzreaktion: Ich habe nichts falsch gemacht! Fertig!
Da sie nicht hinterfragen, hinterfragen sie auch nicht ihre Erziehungsmethoden von damals und so leidest z.B. auch du darunter.

Ich finde es richtig, wenn du hier auch die Konfrontation suchst und ihr klarmachen willst, dass Ratschläge gut für dich sind, aber Befehle der Vergangenheit angehören (sollten). Vielleicht schafft sie dadurch ja ein Umdenken und der Umgang miteinander wird besser. Das wünsche ich dir, weil die jetztige Situation dich verständlicher Weise sehr belastet.

Liebe Grüße
Tom
Cecil
Beiträge: 187
Registriert: 22. Mai 2006, 12:55

Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von Cecil »

Hallo Bix,

Du schreibst: >Meine Mutter so zu nehmen wie sie halt nun mal ist - das heisst aber für mich noch lange nicht, dass ich mir alles gefallen lassen muss. Dass ich mir Befehle erteilen lassen muss anstatt Ratschläge. Dass ich mich nicht dagegen wehren darf, bevormundet zu werden, "klein gehalten", wie Tom sagt.<

Da stimme ich Dir natürlich zu. Denn so wie Du Dich innerlich weiterentwickelst und stärkst so kannst und sollst Du Dich natürlich auch von Deiner Mutter emanzipieren. Du bist nicht mehr das kleine Kind das Hilfe braucht und nicht alleine klarkommt. Und Deine Mutter ist nicht mehr diejenige, die alles für Dich bestimmen kann und Befehle erteilt. Vielleicht ist das für Euch beide eine Entwicklungschance und vielleicht kannst Du Deiner Mutter bei der nächsten Befehlsparade auch mal liebevoll oder mit einem Augenzwinkern klarmachen, dass dieser Ton nicht mehr angemessen ist. Vielleicht will sie schon lange nicht mehr so sein, aber findet auch keinen Ausweg aus diesen eingeschliffenene Mustern. Was Tom über die Kriegs- oder Nachkriegsgeneration schreibt kommt erschwerend hinzu. Manche sind wirklich auch traumatisiert und bedürftig.

Muß ja nicht immer sofort in einer "kritischen Auseinandersetzung" münden ..vielleicht hat sie davor auch Panik. Manchmal werden auch kleine Gesten wahrgenommen und verändern das gesamte System.


best wishes
Cecil
bix
Beiträge: 99
Registriert: 16. Feb 2006, 15:03

Re: Und reiss Dich zusammen!

Beitrag von bix »

Liebe Cecil,

Muß ja nicht immer sofort in einer "kritischen Auseinandersetzung" münden ..vielleicht hat sie davor auch Panik.

Ich lasse es mal auf mich zukommen. Irgendwann werde ich bestimmt mal ordentlich mit ihr zusammenkrachen... Ich seh das aber gar nicht so negativ. Ich habe in der Pubertät nie rebelliert, mich mit Muttern gezofft, Türen geschlagen. Meine Schwester, ohja, die schon. Ich war immer die Brave, Angepasste. Vielleicht muss es einfach einmal im Leben passieren. Vielleicht muss ich mit 37 die Rebellion nachholen. Vielleicht gehts auch friedlich, weil man schliesslich erwachsen ist. Ich lasse mich überraschen

Danke an Dich und auch an Euch Anderen für Eure Meinungen, Ihr habt mich echt weitergebracht.
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