seltsame Therapieerkenntnis

Sonnenuhr
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seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von Sonnenuhr »

Hallo ihr Lieben!

Manche haben schon von mir gelesen, danke dafür!

Mein Freund hat vor einiger Zeit endlich eine Therapeutin gefunden, der er vertraut und die ihm sympathisch ist. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Er hat lange gesucht und schon einmal aufgegeben.

Er hat auch ab und zu von selbst über die Therapie gesprochen und mir kam das was er sagte sehr gut vor.

Heute hätten wir einander gesehen. In der Früh meinte er, er käme nach der Therapie so gegen 16:00 zu mir, nachdem das gestrige Date geplatzt ist. (Er musste seinen Eltern im Garten helfen - die haben immer und überall Vorrang, er ist fast krankhaft auf sie bezogen)

Um 18:00 rief er an, dass er wieder am Weg zu seinen Eltern sei um ihnen zu helfen und Abends vorbeischauen würde. Da wollte ich aber nicht mitspielen und schlug den nächsten Tag vor, an dem er auch gleich eine genaue Zeit plante. Das war für mich (seltsamerweise) in Ordnung.

Abends rief er an, nach einem langen guten Gespräch konnte ich es mir nicht verkneifen zu fragen, warum er dauernd im Garten seiner Eltern arbeiten müsse. Da meinte er nach einigem Zögern, dass seine Therapeutin gemeint hätte, er wäre ein wirklich toller, intelligenter Typ und sollte eine Frau das nicht erkennen, sollte er sie stehen lassen. Das gäbe ihm ein gutes Gefühl.

Nach einem kurzen Herzstillstand fing ich zu fragen an, wie er darauf kam, warum er alle Dates verschieben und vergessen dürfe aber ich mich deswegen nicht aufregen dürfe. Von da an wollte er nur noch schlafen gehen. Er hätte so viel gearbeitet den ganzen Tag und müsse das morgen wieder (also wieder kein Treffen). Er wäre eh den ganzen Tag erreichbar. Da meinte ich, er solle nicht erreichbar sein, sondern mich erreichen wollen und wie er sich eine harmonische Beziehung denn vorstellt, wenn er nie da ist und dann solche Dinge am Telefon sagt. Da sagte er, dass unsere Telefonate ja eh nur mit meinem Nörgeln enden würden und am Wochenende sähen wir einandern ja eh ganz sicher. Und Schluss machen wolle er auch nicht, so war das nicht gemeint.

Ich wünschte ihm eine gute Nacht und legte auf, ohne seine Antwort abzuwarten. Ich bin echt am Boden. Ich hatte ein echt gutes Gefühl mit seiner Therapie und ich vermute auch, dass die Therapeutin das so gar nicht gesagt hat, das hat er sich reininterpretiert. Aber egal: er hat es gesagt!! Ich dachte, wir wären über die Machtspielchen schon lange hinweg. Wie soll ich je wieder Liebe empfinden können oder Sex wollen mit ihm (der Laut Therapeutin ja Grundlage jeder Beziehung ist...). Wie sollen wir aber Sex haben, wenn er nie da ist? Diese Frage konnte er auch nur mit "ich bin schon müde" beantworten.

Wie soll ich mich morgen verhalten, falls er doch anruft? Versprochen hat er es und ich melde mich auf keinen Fall. Wenns sein muss auch nie wieder! Jetzt ist echt er dran oder gar nicht.

Könnt ihr euch so eine Meldung von einer Therapeutin vorstellen? Ja gut, sie wollte sein Ego stärken, was ihr auch gelungen ist. Ich hab die Befürchtung, die Dame ist ihm deshalb so sympathisch, weil sie ihn in seinen (schrägen) Denkweisen bestätigt. Alle vorher, die ihm nahelegten seine Lebensweise zu ändern hat er ja sitzen gelassen.

Wie mache ich ihm das klar? Wie finde ich heraus, was da falsch läuft? Wie komm ich vor allen Dingen von ihm los, falls er weiter so spinnt? Er redet sich seine Welt und seine Ansichten schön und sie unterstützt ihn womöglich noch dabei. Aber so blind kann eine Therapeutin ja doch nicht sein, oder bin ich hier die Blinde?

Traurige Grüße
Sonnenuhr
Wer den Himmel im Wasser betrachtet, sieht Fische auf den Bäumen.
BeAk

Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von BeAk »

Liebe Sonnenuhr,

ich finde die Therapieerkenntnis gar nicht seltsam, sondern richtig.
Allerdings setzt Dein Freund seine Prioritäten falsch. Nun, auch in einer Therapie kann man nur Stück für Stück vor gehn.
Ich denke das Verhältnis zu seinen Eltern wird auch noch Thema der Therapie werden.
Habe also Geduld.
Übrigens läuft in einer akuten Depriphase, in der Regel, sowieso sexmäßig äußerst wenig.
martin-hh
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von martin-hh »

also bei einer langzeittherapie muss man damit rechnen, dass es privat durchaus große veränderung geben kann. so muss man z.b. bei einer analyse damit rechnen, dass die partnerschaft (also die im privaten leben) nicht mehr läuft. warum? ganz einfach, so eine therapie kann ja sehr intim werden (nicht im sinne von sexuell-handelnd - sondern eben beziehungstechnisch) und da kann dann der echte partner im leben schnell mal emotional zu kurz kommen. das muss aber auch nicht sein und eine gute partnerschaft übersteht auch eine langzeithterapie.

aber wenn die therapeutin das wirklich gesagt hat, so scheint sie nicht sehr professionell (weiss ja auch nicht welche therapieform - klingt nach gt oder vt)...vielleicht hat er das auch falsch verstanden. es ist immer schwer, außerhalb der therapie über intimes therapiegeschehen zu reden...da gilt auch der alte satz: man solle eine therapie im privatleben nicht zerreden.

du solltest schaun, ob er dich liebt und wie er emotional zu dir steht. aber die therapie zerreden solltet ihr nicht. sag ihm ruhig, wie es dir mit allem geht.

viele grüße
Sonnenuhr
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von Sonnenuhr »

Danke für eure Antworten!

Es handelt sich um Gesprächstherapie, die ihm im Großen und Ganzen sehr gut zu tun scheint. Ich komme ganz gut zurecht damit, dass er das macht. Ich frage nicht nach, was er in den Sitzungen macht, manchmal erzählt er von selbst und dann kommen gute Gespräche zu stande.

Als er gestern das sagte von wegen ich sei ersetzbar (so klang das für mich) ist mir echt schlecht geworden und es war das erste Mal, dass ich am Nutzen der Therapie zweifelte und ihm das auch sagte (ich bin da sehr spontan und kann mich schlecht zurückhalten, wenn mich etwas sehr wurmt). Er ist der Typ, der sich aus jeder Lebenslage nur die Zuckerl herausnimmt. Würde sie ihm gesagt haben, er solle etwas ändern oder man müsse für eine Beziehung auch etwas tun (wenigstens Verlässlichkeit zeigen), er hätte es glatt überhört und über das Tapetenmuster in Raum sinniert. (Das ist jetzt nicht sarkastisch, das tut er wieklich, wenn ihm ein Thema nicht gefällt.) Dadurch denke ich, dass er sich in die falsche Richtung bewegt.

Außer einen Monat lang, als er Antidepressiva nahm hatte er nie sexuelle Probleme. (Den Therapeuten, der ihm die verschrieb, sah er nie wieder, er hätte da nämlich was ändern müssen an seinem Lebensstil...)
Er ist für meine Begriffe sogar ein bisschen zu sehr fixiert darauf und ich bin eher der Typ, dem Sex erst etwas gibt, wenn ich merke, dass mich der Mann an meiner Seite wirklich liebt. Das hat er mit der Therapeutin angeblich besprochen und die meinte, er wäre im guten Durchschnitt. Er könne das ruhig fordern. Dass mir aber die Lust vergeht, wenn er nach drei Tagen, an denen wir uns immer wieder Treffen ausgemacht haben, die er absagte, wegen irgendwelchen Arbeiten für seine Eltern, endlich mal auftaucht und dann noch zwei Stunden zu spät - ist das nachvollziehbar? Das hat er ihr sicher nicht gesagt. Wenn ich sage, dass ich traurig darüber bin, dass er es doch nicht geschafft hat, bei mir vorbeizuschauen (mehr hatte ich gestern gar nicht verlangt, weil er eben mit den Eltern arbeiten musste - außerdem schlug er das Treffen am Vormittag vor) heißt es gleich wieder, dass ich nörgle. Und dann kam der Spruch, dass seine Therapeutin ihm versichert hat, dass er ein toller, intelligenter Mann sein, der keine Frau nötig hätte, die das nicht erkennt. Nein, ich gebe zu, ich erkenne es gerade nicht. Denn ein toller Mann hält seine Versprechen und ein intelligenter Mann kennt die Uhr.

Er hat sich heute noch nicht gemeldet und ein befreundetes Pärchen hätte uns am Abend gerne eingeladen. Ich hab noch nicht zugesagt, weil ich nicht weiß, ob ich das kann.

Ich würde so gern mit ihm darüber reden was mich bedrückt, aber in letzter Zeit hört er nicht mehr zu. Nur mehr seine Probleme sind wichtig (was ja durchaus verständlich ist) aber ich kann damit einfach nicht umgehen, wie er mit mir umspringt, wenn er sich meiner zu sicher fühlt.

Liebe Grüße,
Sonnenuhr
Wer den Himmel im Wasser betrachtet, sieht Fische auf den Bäumen.
Nico Niedermeier
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von Nico Niedermeier »

Ob das die Therapeutin auch wirklich alles so gesagt hat???????
Dr. Niedermeier
martin-hh
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von martin-hh »

hallo herr niedermeier,

wie ich schon vermutete klingt das ganz nach gt. nur dass die therapeutin hier die bedingungslose wertschätzung und anerkennung eben sichtlich durch unneutrale spiegelung übertreibt und dem patienten so ein besseres selbstbewußtsein suggerrieren will.

auf der anderen seiten teile ich ihre zweifel. es gibt viele patienten, die bestimmte sätze von therapeuten falsch verstehen und verarbeiten bzw. die im privatleben therapieinternes beziehungsgeschehen ausagieren und dazu kann durchaus "lügen" gehören.

viele grüße
martin
bix
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von bix »

Hallo Sonnenuhr,

ich weiss nicht genau, ob es "erlaubt" ist, ob "man das macht" - ob es eine gute Idee ist... Aber kannst du mit seiner Therapeuten mal ein Gespräch führen? Sie anrufen und sagen: ich bin die Partnerin von X und ich würde gerne mal mit Ihnen reden. Nicht über IHN, sondern über Dich als "Angehörige", wie du das empfindest, wie er ist nach der Thera, wie das bei Dir ankommt usw...

Nur so ein Gedanke...

Liebe Grüsse

bix
martin-hh
Beiträge: 53
Registriert: 10. Aug 2006, 01:52

Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von martin-hh »

die idee von bix finde ich ehrlich gesagt nicht so gut. wenn du das machst sonnenuhr, wird die therapeutin das auf alle fälle ihrem patienten erzählen und der wird das dann vielleicht als hintergehen bzw. vertrauensbruch deinerseits werten.

die frage ist doch, selbst wenn das die therapeutin gesagt haben soll, wie ernst nimmt er das. du solltest vielleicht darüber mit ihm reden und ihn mal an die realität der aktuellen beziehung mit dir sonnenuhr erinnern!
bix
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von bix »

Ich hab ja nicht verlangt, dass sie es heimlich tut. Aber so wie die Lage ist wird ihr Partner vermutlich auch nicht begeistert von der Idee sein...
Sonnenuhr
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von Sonnenuhr »

Hallo ihr Lieben!
Ich hab nicht so oft Zugang zum Internet, daher erst jetzt meine Antwort.

"nur dass die therapeutin hier die bedingungslose wertschätzung und anerkennung eben sichtlich durch unneutrale spiegelung übertreibt und dem patienten so ein besseres selbstbewußtsein suggerrieren will."

Diesen Eindruck hatte ich eben auch. Und auf Aufmerksamkeit und Anerkennung spricht er eben unverhältnismäßig gut an, da er das sehr braucht.

Inzwischen ist ja einige Zeit vergangen, wir haben geredet. Was da wirklich in der Therapiestunde abgegangen ist hab ich bis heute nicht herausgefunden. Es handelt sich um Gesprächstherapie, richtig. Ich würde natürlich gerne mal mit seiner Therapeutin reden, aber auf gar keinen Fall hinter seinem Rücken!! Ich hab ihn gefragt, was er davon hält, mich mal mitzunehmen. Natürlich mag er das nicht, denn es ist "seins". Das akzeptiere ich auch.

Wenn er schlecht drauf ist, dann ist natürlich meine erste Reaktion zu fragen, was los sei. Ab und zu gibt er dann eine knappe Antwort, nachhaken darf ich dann aber nicht, schließlich hätte er ja seine Therapeutin zum Reden und Probleme wälzen, mich wolle er damit nicht belasten und er meine das ja nur gut.

Naja, ab und zu möchte ich aber schon belastet werden, damit ich das Gefühl habe, doch auch wirklich zu ihm zu gehören. Mal sehen, ob wir die Gratwanderung schaffen und ob ich stark genug bin es auszuhalten, dass er hauptsächlich weibliche Freundinnen hat.

Vor etwas mehr als einem Jahr hatte er eine ziemlich schlimme Depressionsphase und ich habe es nicht bemerkt / bemerken wollen, da ich enormen Abschlussprüfungsstress hatte und mir seine (moralische) Unterstützung erhoffte, die er mir da natürlich nicht geben konnte. Bei einem Gespräch in den letzten Tagen meinte er, ich wolle immer so einfühlsam sein und dann würde ich nichtmal das bemerken. Er hat recht. Demnächst kommt die nächste Prüfungsphase auf mich zu und jetzt frage ich mich und euch:

Wie mache ich es diesmal richtig? Dass ich auf ihn Rücksicht nehme und trotzdem genug Zeit fürs Lernen habe? Dass ich ihn auch als Unterstützung gebrauchen kann und mir die Beziehung Kraft gibt, statt sie zu rauben? Dass meine Eltern nicht immer über ihn schimpfen, wenn er nicht kommen und helfen kann? Dass auch er seine Prüfungen besteht, auch wenn ich ihm diesmal nicht so sehr helfen kann, da ich auch im Stress bin? Dass wir einen guten Mittelweg finden?

Danke für eure Tipps und eure Hilfe
auf bald
Sonnenuhr, die leider immer alles gaaanz richtig machen möchte...
Wer den Himmel im Wasser betrachtet, sieht Fische auf den Bäumen.
bix
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von bix »

***Wie mache ich es diesmal richtig?

Hast Du denn vielleicht Lektüre, die Dich unterstützt? Es gibt Bücher für Angehörige, vielleicht kannst Du dort Antworten auf viele Deiner Fragen finden?

Ich habe meinem Freund folgendes Buch geschenkt: "Und wo bleibe ich? Leben mit depressiven Menschen. Ein Leitfaden für Angehörige." Er ist begeistert davon, sagt, dass er mich endlich richtig versteht und lernt, mit meiner Krankheit besser umzugehen.

Ich hab das Buch selber nicht gelesen, ich hab genügend Andere, die ICH lesen muss. Aber beim Durchblättern ist mir ein Satz aufgefallen: Es gibt ihn nicht, den perfekten Angehörigen.

Liebe Sonnenuhr, Du kannst einfach nicht alles richtig machen. Leider. Aber Du kannst Dir Unterstützung holen. In einem Buch, vielleicht auch selbst bei einer Therapeutin? Nicht bei der Deines Partners, aber einfach mal ein Gespräch mit einer Psychologin führen, vielleicht würde Dir das auch helfen?

Alles Gute weiterhin

LG bix
winnie
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von winnie »

Vor allem wäre fürs Verständnis dieser angeblichen therapeutischen Aussagen sicher nicht unwichtig zu wissen, was ER der Therapeutin vorher erzählt hatte...

Nur mal ein (überzogenes?) Beispiel dafür, was er vielleicht über seine Beziehung berichtet haben könnte:
"Meine Freundin denkt immer nur an sich und will immer nur ihren Kopf durchsetzen.
Sie verlangt, daß ich alles andere, was mir wichtig ist, stehen und liegen lasse, sobald sie pfeift.
Sie verlangt immerzu, daß ich sie anrufe.
Sie ist eifersüchtig auf mein gutes Verhältnis zu meinen Eltern / sie akzeptiert nicht, daß ich auch mal meinen Eltern helfen muß und betrachtet mich deshalb als Muttersöhnchen.
Sie erwartet, daß ich mich nur noch um sie kümmere und ständig für sie verfügbar bin.
Sie ist total dominant in der Beziehung und versucht ständig mir vorzuschreiben, was ich tun soll.
Sie ist immer diejenige, die entscheidet, was unternommen werden soll, mit wem wir etwas unternehmen wollen, usw.
Sie will immer alles für mich regeln und sich um mich kümmern. Anscheinend traut sie mir überhaupt nichts zu.
Sie hat mich auch dazu gebracht, in Therapie zu gehen.
Ihr gegenüber fühle ich mich oft wie ein kleiner Junge, ein Schwächling, der allein sowieso nichts auf die Reihe kriegt.
Ob ich meine Freundin liebe? Ja, natürlich. Sie ist ein toller Mensch, total stark. Eigentlich ein Wunder, daß sie so einen Typen wie mich haben will..."

Wirklich vollkommen abwegig?
DAZU würde die Reaktion der Therapeutin doch schon ein wenig eher passen, oder?

Gruß,
Winnie
Sonnenuhr
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von Sonnenuhr »

Boah Winnie!
Jetzt hast du mich aber am linken Fuß erwischt. Jeder deiner Sätze könnte von ihm stammen. Ich möchte aber Stellung zu den Sätzen nehmen. Es wird wahrscheinlich so passiert sein, wie du es gesagt hast. Und ja, ich habe einige Bücher gelesen (u.a. auch das wo bleibe ich).

"Meine Freundin denkt immer nur an sich und will immer nur ihren Kopf durchsetzen."
Als ich vor zwei Jahren Diplomarbeitsstress hatte, traf das ganz sicher zu. Ich erwartete seine moralische Unterstützung, er gab sie mir nicht (weil er nicht konnte...) und ich forderte und forderte. Damals wusste ich aber nichts von seinem psychischen Problem. Er meinte, ich hätte es merken müssen. Was meinst du dazu? Hätte er es nicht sagen sollen?

"Sie verlangt, daß ich alles andere, was mir wichtig ist, stehen und liegen lasse, sobald sie pfeift."
Naja, wenn er pfeift springe ich ja auch. Aber, weil es mir ein Bedürfnis ist, Zeit für ihn zu haben. Was ich evtl. wirklich verlange ist, dass ich ihm wichtig bin. Aber das sollte ich nicht verlangen müssen...

"Sie verlangt immerzu, daß ich sie anrufe."
Ist das denn so abwägig in einer Beziehung?

"Sie ist eifersüchtig auf mein gutes Verhältnis zu meinen Eltern / sie akzeptiert nicht, daß ich auch mal meinen Eltern helfen muß und betrachtet mich deshalb als Muttersöhnchen."
Da mache ich einen Unterschied zwischen dem wöchentlichen Rasenmähen in Mamas Garten (was ich sehr lieb von ihm finde) und dem spontanen Heimfahren von einer gemeinsamen Unternehmung mit mir, weil sich Mama mit dem PC gerade nicht auskennt. Eifersüchtig bin ich höchstens auf seine drei "platonischen" Freundinnen. Obwohl ich weiß, dass er mir treu ist, habe ich ein seltsames Gefühl dabei, wenn er so engen vertrauensvollen Kontakt zu anderen Frauen hat und mit mir über viele Dinge nicht reden will.

"Sie erwartet, daß ich mich nur noch um sie kümmere und ständig für sie verfügbar bin."
So fasst er es auf, obwohl das gar nicht stimmt. Ich möchte mind. einmal am Tag was von ihm hören und ihn so zwei, dreimal pro Woche sehen. Außerdem wäre es für uns beide von Vorteil, würden wir unsere beruflichen Termine aufeinander besser abstimmen, damit wir in unserem doch gedrängten Terminkalender mehr Zeit füreinander finden (sofern er das überhaupt will.)

"Sie ist total dominant in der Beziehung und versucht ständig mir vorzuschreiben, was ich tun soll."
Dass ich dominant bin hat er mir letztens auch gesagt. Da muss ich aber echt lachen, denn ich lasse mir in Wirklichkeit viel zu viel von seinen Launen gefallen, die mit der Krankheit direkt nichts zu tun haben. Trotzdem, meine Mama hat bei uns die Hosen an und ich hab das sicher irgendwie geerbt.

"Sie ist immer diejenige, die entscheidet, was unternommen werden soll, mit wem wir etwas unternehmen wollen, usw."
Er hat bis auf oben genannte drei Damen sehr wenige Freunde. Meistens machen wir etwas zu zweit oder mit meinen Freunden. Es wäre schön, die anderen Mädls mal kennen zu lernen... Würde ich nicht ab und zu einen Kinoabend vorschlagen, sähen wir uns wahrscheinlich wochenlang nicht. Kann schon sein, dass ihm das wie "vorschreiben" vorkommt.

"Sie will immer alles für mich regeln und sich um mich kümmern. Anscheinend traut sie mir überhaupt nichts zu."
Ich traue ihm sehr viel zu! Er ist sehr intelligent und schafft alles was er sich vornimmt, doch gibt er sehr schnell auf und da beharre ich dann schon auf ein fertigmachen. Ich bin auch eine "Kümmerin", so bin ich eben. Jetzt muss er sein Studium abschließen und da bin ich doch ab und zu mit der Mistgabel hinter ihm, denn er würde es hinschmeißen. Vielleicht aber ist das falsch

"Sie hat mich auch dazu gebracht, in Therapie zu gehen."
Das hat er entweder allein gemacht oder jemand anderes hat ihn dazu gebracht. Was er wirklich mit seinen Freundinnen bespricht weiß ich ja nicht. (Merkt man, dass mich das wurmt?) Als er damals die Therapie aufgegeben hat, hab ich ihm zugeredet, weiterzusuchen. Als er AD genommen hat, war ich bei ihm (ich Kümmerin). Vielleicht hab ich beigetragen zum Entschluss. Und nun soll mir das einen Strick drehen? Wäre doch schon unfair...

"Ihr gegenüber fühle ich mich oft wie ein kleiner Junge, ein Schwächling, der allein sowieso nichts auf die Reihe kriegt."
Kann sein, dass er so fühlt. Eigentlich sollte er sich gegenüber seiner Mama so fühlen, denn die regelt ihm sein Leben, sein Haus, das eigentlich ihr Ferienhaus ist, sein Papa ist im Job die Stütze. Er Darf praktisch gar nichts allein tun oder entscheiden. Ich bemühe mich, ihm immer wieder Verantwortung für etwas zu übertragen, was er dann ja doch schafft. Er hat Probleme damit, dass ich weiter studiere. Ich denke, eigentlich hätte er gern das Heimchen am Herd, das zu ihm aufblickt. Das bin ich aber einfach nicht. Vielleicht gibt das auch Probleme zwischen uns. Aber ich bin eben so.

"Ob ich meine Freundin liebe? Ja, natürlich. Sie ist ein toller Mensch, total stark. Eigentlich ein Wunder, daß sie so einen Typen wie mich haben will..."
Oh je, wie ich diesen letzten Satz hasse, aber nicht bloß einmal hat er ihn gesagt. Wie reagiere ich da möglichst richtig darauf? Manchmal kommt auch, ich bräuchte nicht eifersüchtig sein, denn so einen wie ihn will eh keine außer ich.

Ich bin eine Kümmerin, ich möchte, dass er aus seinen Talenten etwas macht, ich arbeite an mir, an unserer Beziehung und an meiner Karriere. Ich bin strebsam und möchte auch einfühlsam sein. Ich liebe ihn und möchte die sein, der er sich anvertraut. Er fühlt sich unter Druck gesetzt, wenn ich einen Anruf von ihm möchte, wenn er spät Nachts heimfährt. Schwierige Konstellation, wir zwei, aber ich liebe Herausforderungen

Danke, eure Sonnenuhr
Wer den Himmel im Wasser betrachtet, sieht Fische auf den Bäumen.
Hina1
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von Hina1 »

Liebe Sonnenuhr,

kurze provokative Frage. "Ich bin eine Kümmerin, ich möchte, dass er aus seinen Talenten etwas macht, ich arbeite an mir, an unserer Beziehung und an meiner Karriere." Willst Du wirklich ihn oder einen anderen, der was aus sich macht oder besser das aus sich macht, was Du sehen möchtest? Ich meine das in der Hinsicht, daß das wohl nicht nur bei Depressiven Druck ausübt, wenn man aus dem Partner, den man hat, einen andren machen möchte und nicht den akzeptiert, mit dem man mal die Beziehung eingegangen ist. Leider gehen viel zu viele Beziehungen am typisch deutschen "Beziehungs-Erziehungsmodell" kaputt, weil sich die Leute dann nur noch mit dem "hinbiegen" beschäftigen, solange, bis dann annähernd etwas akzeptables bei raus kommt. Wie lange die Liebe das aushält, wenn man ein anderer werden soll, das wäre zu klären. Wenn Du die Herausforderungen liebst, gut und schön, aber was wird mit ihm, ein ewig unzufriedener Mensch, der gegen seinen eigenen Strich lebt?

Winnis, Pseudogespräch bei der Therapeutin - Winni hat eine tolle Auffassungsgabe - hat Dich also regelrecht "erwischt". Du hast Gründe dafür, warum das Gespräch hätte so sein können. Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, Du hast den total falschen Freund, wenn das wirklich so ist, wie es da steht. Das soll kein Angriff auf Dich sein. Deine Überlegungen, Wünsche und Bedürfnisse sind absolut nachvollziehbar. Aber was bleibt von ihm eigentlich übrig, was Du an ihm liebst? Die Frage sollst Du nicht uns sondern Dir beantworten. Ich meine das absolut nicht böse und und von oben herab. Manches ist bei ihm wohl auch tatsächlich depri-gesteuert aber irgendwie lebt Ihr wohl gegeneinander. Kann das sein? Er scheint wirklich ein Muttersöhnchen zu sein und Du willst den ganzen Kerl. Vielleicht ist für ihn das Modell "Heimchen am Herde" das, was er braucht. Daß Du Dich nicht in diese Richtung "hinbiegen" lassen willst, kann ich nachvollziehen. Er wird ähnliche Gedanken haben. Warum will sie mich anders? Eine schwierige Situation ist das, das muß ich zugeben. Ich wüßte auch nicht so recht, was ich da machen würde. Vielleicht kommen ja noch andere Erkenntnisse bei der Therapie raus, die Euch gemeinsam etwas bringen.

Ich drücke Dir die Daumen, daß Ihr eines Tags dann doch noch eine gemeinsame Sprache sprecht.

Liebe Grüße
Hina
tommi
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von tommi »

Liebe Sonnenuhr,

ich finde das Beleuchten deiner Rolle durch Winnies Beitrag sehr gut. Mir fiel sofort deine Verteidigungshaltung auf und der Satz, der zwi mal kam: "so bin ich eben". Das ist gefährlich, weil er ihn auch übernehmen könnte .

Ich kann dich gut verstehen, was du aufführst, also deine Gründe warum du so handelst.
Ich kann mir gut vorstellen, dass eure Gespräche auch daran scheitern, weil ihr euch beide angegriffen fühlt, wenn ihr über die Krankheit und eure Beziehung reden. Ist das richtig? Du empfindest dich bei manchen Äußerungen seinerseits ungerecht behandelt, was ich selbst auch erfahren muss. Du tust und machst und bekommst dafür keinen "Lohn". Er fühlt sich von dir wiederum angegriffen, weil du ihm Vorwürfe machst, dass er sich nicht meldet, dass er springt, wenn die Eltern rufen.... .
Hier muss eine Lösung gefunden werden, dass ihr richtig miteinander kommuniziert. Du willst nicht, dass er sich von seinen Eltern entfernt, er hat aber das Gefühl. Du willst nicht, dass er die Freundschaft zu seinen Freundinnen aufgibt, er hat aber das Gefühl... . Du empfindest diese Gefühle als ungerecht und schon kommt es nicht zum gewünschten Ergebnis.

Wenn er also diese Gefühle dir gegenüber hat, wird er sich dir auch nicht öffnen, er wird sich sperren, weil er Angst hat, dass du wieder eine Lösung parat hast, die ihm nicht weiterhilft, aber unter Druck setzt.

Meine Frau zum Beispiel hat irreale Ängste. Als meine Tochter geboren wurde, stand es für sie z.B. fest, dass sie als Jugendliche vergewaltigt wird. Was habe ich gesagt (damals von Depressionen keine Ahnung): "Das ist doch quatsch. Wie kann man nur solche Gedanken haben. Ihr wird schon nichts passieren, mach dir keine Gedanken!" Die Angst blieb, nur sie erzählte mir nichts mehr, wovor sie noch Angst hat.
Rückblickend habe ich sie mit ihren Ängsten alleine gelassen. Auf jede Angstäußerung ihrerseits, habe ich immer mit einer realistischen Bemerkung reagiert, was sie wiederum zu dem Gefühl verleitet hat, ich nehme sie nicht ernst. Tat ich vielleicht auch nicht und schob es auf eine extreme pessimistische Einstellung meiner Frau.

Nachdem vor ca. 3 Jahren die Diagnose gestellt wurde und wir viele Informationen bekommen haben, ging mir ein Licht auf, dass ihr vermeintlicher Pessimismus, die Krankheit war, die sich mehr und mehr ausbreitete. Sie fühlte sich durch meine Äußerungen mächtig unter Druck gesetzt und ich wunderte mich nur, warum sie mit mir nicht mehr spricht.
Mitlerweile nehme ich ihre Angst ernst, höre zu und versuche nicht mit meinen optimistischen Äußerungen dagegen anzugehen. Es ist ihre Angst und diese kann ich ihr nicht nehmen. Auch wenn sie für mich unreal ist, für sie ist sie sehr greifbar.

Wir haben kurz nach der Diagnosenstellung eine Ehe/Lebensberatung durchgeführt, die uns sehr geholfen hat, richtig miteinander zu reden. Es galt alte Kommunikationsmuster zu durchbrechen, die immer zum gleichen Ergebnis führten: Streit, Mißverständnisse, Aufbauschen... .

Natürlich kommen diese Streits auch heute noch vor , aber wesendlich seltener.

Ich hoffe, dass ihr eine Lösung findet, in der ihr euch gegenseitig öffnen könnt.

Lieben Gruß
Tom

Schweigen ist God, reden ist Platin
winnie
Beiträge: 1683
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von winnie »

Hallo Sonnenuhr,

ich hoffe, ich bin Dir jetzt mit meinen Spekulationen nicht zu nahe getreten - ich betone nochmals, so in der Richtung KÖNNTE er geredet haben.
Denn aus dem, was Du hier über eure ganze Situation erzählt hast, drängte sich mir halt immer mehr der Gedanke auf, daß Dein Freund die ganze Geschichte vermutlich völlig anders sieht als Du.

Was jetzt wörtlich abgelaufen war oder nicht, das wissen wir natürlich alle nicht.
Aber ich sehe, daß bei euch beiden eine sehr große Diskrepanz herrscht in Sachen Vorstellung, wie man eine Beziehung führt.

Wie Dein Freund es sieht, kann man ja nur aus Deinen Texten erraten. Aber Du, Sonnenuhr, scheinst zumindest ziemlich strikte Ideen darüber zu haben, was in einer Beziehung alles wann, wie oft und von wem kommen muß.

Das Beispiel mit dem Kontakt - wie sagtest Du doch, Du erwartest, daß Dich Dein Freund jeden Tag mindestens einmal anruft, und daß ihr euch 2 bis 3mal die Woche seht, basta, das könntest Du verlangen.
Meinst Du wirklich, daß irgendjemand sowas verlangen könnte? Meinst Du nicht, man könne seine Zuneigung und sein Zusammengehören nicht auch anders beweisen, als daß man einem festgeschriebenen Ritualrhythmus an Begegnungen folgt?
Eine Beziehung ist doch kein Arbeitsdienst mit Stechuhr und Rapportberichten!

Oder das mit dem "Springen".
Du würdest "ja auch springen, wenn er pfeift, weil Dir das ein Bedürfnis sei.
Ja, Sonnenuhr - DU würdest das tun, weil es DIR ein Bedürfnis wäre, um Deine Liebe zu zeigen.
Du. Aber er ist nicht Du.
ER zeigt Dir seine Liebe wahrscheinlich ganz anders. Nimmst Du DAS denn dann eigentlich wahr?

Wahrscheinlich wär es ja auch tatsächlich so, daß ihr kaum mal ausginget, wenn Du nicht immer was mit anderen ausmachen würdest.
Hast Du Deinen Freund denn mal gefragt, ob IHM das Augehen eigentlich genauso wichtig ist wie Dir...?

Sonnenuhr, ich habe alles in allem den Eindruck, Du erwartest von Deinem Freund, daß er alles exakt genau so sieht und sich genau so verhält wie Du. Du versuchst, eure Beziehung in ein festes Schema zu pressen, sendest die entsprechenden Signale und Reizmuster ab und ERWARTEST von Deinem Freund die dazu passenden Gegensignale. Und interpretierst SEINE Signale nach DEINEM Code.

Du willst mit ihm DIE Beziehung führen, die DU Dir wünschst. Hast Du IHN auch mal gefragt, was ER sich wünscht?

Und wenn er nicht tut, was Du von ihm erwartest, dann willst du ihm sozusagen "helfen".
Bis dahin, daß DU dafür sorgst, daß er sich um sein Studium kümmert... Mit der Begründung, daß Du dann natürlich doch mal mit der Mistgabel daneben stehen müßtest...

Warum mußt Du das?
Bist Du seine Mutter?

Du sagst, er schafft es nicht, sich von seinen Eltern zu lösen - aber Du behandelst ihn ja eigentlich auch nicht viel anders. Er muß sich ja fühlen wie vom Regen in die Traufe gekommen. Du erwartest von ihm, genau wie seine Eltern es erwarten, Beweise der Liebe und "Bravheit" - die natürlich von IHM kommen MÜSSEN.

Ich glaube eigentlich nicht daran, daß er wirklich "nur" ein "Heimchen am Herd" sucht.
Ich denke mal, er möchte nur endlich wie ein Mann behandelt werden, und nicht wie ein unmündiger kleiner Junge. Das bedeutet ja nicht automatisch, daß er keine selbständige, intelligente Frau will - er will aber genau das auch sein dürfen.

Wie gesagt, es ist reine Spekulation.
Aber so hab ich Deine Einstellung aus Deinen Postings heraus ehrlich gesagt verstanden.

Gruß und alles Gute,
Winnie
Sonnenuhr
Beiträge: 19
Registriert: 26. Jun 2006, 12:07

Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von Sonnenuhr »

Hallo ihr Lieben!
Keine Angst, ihr könnt mir nicht zu nahe treten, ich wende mich ja deshalb an euch, weil ich eure Meinung hören will.

Auch ich habe damals falsch reagiert und von ihm Aufmerksamkeit gefordert obwohl er sie selbst von mir gebraucht hätte. Aber genauso wie du noch keine Ahnung von krankhaften Angstzuständen hattest, hatte ich keine Ahnung von Depression und handelte ziemlich egoistisch. Das "so bin ich eben" hab ich mir erst vor Kurzem angewöhnt, um mich nicht selbst zu verbiegen. Ich hab mich beobachtet, wie ich auf gewisse Dinge reagiere, und manches kann und möchte ich an mir nicht ändern. Ich würde das gesunden Narzissmus nennen, so wie im Buch "wenn ein Mensch den du liebst depressiv ist" beschrieben.

"Das Beispiel mit dem Kontakt - wie sagtest Du doch, Du erwartest, daß Dich Dein Freund jeden Tag mindestens einmal anruft, und daß ihr euch 2 bis 3mal die Woche seht, basta, das könntest Du verlangen."
Vielleicht hab ich es zu heftig formuliert. Ich "erwarte oder verlange" es nicht, ich würde es mir wünschen. Und einmal am Tag etwas von ihm zu hören bedeutet nicht automatisch, dass ER anrufen MUSS. Es kann ja auch einfach abheben, wenn ich mich melde oder ein kurzes Gute-Nacht-SMS schreiben. Ein Lebenszeichen am Tag, von wem auch immer es ausgeht. Aber du hast recht. Es ist MEINE fixe Vorstellung und nicht das, was ER sich unter Beziehung vorstellt.

"ER zeigt Dir seine Liebe wahrscheinlich ganz anders. Nimmst Du DAS denn dann eigentlich wahr?"
Er zeigt mir seine Liebe durch sexuelle Lust. Früher waren auch noch andere Aufmerksamkeiten an der Reihe oder Pünktlichkeit u.Ä.

"Hast Du Deinen Freund denn mal gefragt, ob IHM das Augehen eigentlich genauso wichtig ist wie Dir...?"
Ums Ausgehen geht es mir gar nicht. Es geht mir ums Treffen, ums einander mal sehen. Ich sitze sehr gerne gemütlich daheim, ich bin nicht der jeden-Samstag-Fortgeh-Typ. Aber ich habe schon ab und zu das Bedürfnis, meinen Freund zu sehen, das gebe ich offen zu.

"Sonnenuhr, ich habe alles in allem den Eindruck, Du erwartest von Deinem Freund, daß er alles exakt genau so sieht und sich genau so verhält wie Du."
Da hast du recht, das ist ein Problem, das ich nicht nur in der Beziehung habe.

"Und interpretierst SEINE Signale nach DEINEM Code."
Ich hab nur meinen Code, ich kennen seinen nicht. Er lässt mir auch keinen Einblick.

"Du willst mit ihm DIE Beziehung führen, die DU Dir wünschst. Hast Du IHN auch mal gefragt, was ER sich wünscht?"
Hab ich. So genau weiß er es nicht. auf der einen Seite möchte er dringend Familie und eben die brave Ehefrau, die sich um Haus und Kind kümmert, auf der anderen Seite hat er die blanke Panik vor allem, was ein gemeinsames Leben bedeuten könnte: Kinder, Hochzeit, gemeinsame Wohnung, Urlaub...

"Und wenn er nicht tut, was Du von ihm erwartest, dann willst du ihm sozusagen "helfen"."
Da hast du mich missverstanden. Ich will ihm "helfen" wenn er etwas, was er sich wünscht oder er für seine Laufbahn braucht, allein nicht schafft.

"Bis dahin, daß DU dafür sorgst, daß er sich um sein Studium kümmert... Mit der Begründung, daß Du dann natürlich doch mal mit der Mistgabel daneben stehen müßtest..."
Ja, an meine Wortwahl muss man sich erst gewöhnen. Das mit der Mistgabel war ein Scherz, sorry.

"Warum mußt Du das?
Bist Du seine Mutter?"
Seine Mutter hilft ihm beim Studieren nicht. Darum hab ich das ein wenig übernommen. Falsch, ich weiß. Aber soll er seine letzte Frist verstreichen lassen für eine Abschlussprüfung, für die er sechs Jahre lang fleißig studiert hat? Das könnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, zumal ich weiß, wie wichtig ihm der Abschluss ist und dass er seinen geliebten Job an den Nagel hängen kann, wenn er nicht bald das Studium abschließt. Wenn ich also die Möglichkeit habe, ihm seinen Job zu erhalten, indem ich mit ihm in Büchereien gehe und ihn auf Prüfungstermine aufmerksam mache - warum sollte ich es nicht tun?

"Du sagst, er schafft es nicht, sich von seinen Eltern zu lösen - aber Du behandelst ihn ja eigentlich auch nicht viel anders. Er muß sich ja fühlen wie vom Regen in die Traufe gekommen."
Es stört ihn bei seinen Eltern ja auch nicht, ganz im Gegenteil. (Diesen Satz bitte nicht ernst nehmen, er ist zynischer Natur.)

"Ich denke mal, er möchte nur endlich wie ein Mann behandelt werden, und nicht wie ein unmündiger kleiner Junge."
Und wie macht frau das? Wann ist ein Mann ein Mann? Wann fühlt er sich als solcher? Er ist mein Mann, ich nehme ihn als Mann, bitte ihn um Dinge, die ein Mann so macht und eine Frau allein nicht kann. Ich bin da auch gar nicht emanzipiert, er darf voll und ganz Mann sein.

"Das bedeutet ja nicht automatisch, daß er keine selbständige, intelligente Frau will - er will aber genau das auch sein dürfen."
Er darf es und ich rede in nichts rein in seinem Leben (bis auf das Abschlussprüfungsding), aber solang ihm seine Mama den Gartenteich plant (den ER dann pflegen muss) und sein Papa ihm das Auto vorschlägt, das er dann zu kaufen hat, solange fühle ich mich wie das fünfte Rad am Wagen. Vielleicht versuche ich etwas zu bestimmen, damit ich auch "dazugehöre", der Gedanke ist gar nicht so abwegig.

Danke für eure Gedanken! Sie helfen mir sehr!
Scheut euch nicht davor, sie mir mitzuteilen. Ich reibe mich an eurer Meinung, um mir eine eigene zu bilden und wenn ich manchmal unhöflich klinge ist das mein seltsamer Zynismus mit dem ich eure Meinungen herausfordern möchte.

Nochmals Danke!
Bussi, Sonnenuhr

PS: Wie reagiere ich darauf, dass er um zwei noch nicht da ist, obwohl er mich um halb zwei schon abholen wollte? Von ihm aus.
Wer den Himmel im Wasser betrachtet, sieht Fische auf den Bäumen.
tommi
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von tommi »

Liebe Sonnenuhr,

sag ihm, er soll dich lieber um eins abholen . Spaß beiseite .

Ich glaube schon, dass es eines seiner Probleme ist, der Abnabelungsprozess. Hat er eigentlich Geschwister?

Ich denke, dass dieses Thema Eltern schon ein rotes Tuch bei euch sein wird. Er sitzt zwischen zwei Stühlen und macht dabei einen ungesunden Spagat. Auf der einen Seite will er dir gerecht werden, auf der anderen Seite seinen Eltern.
Schon in frühester Kindheit entwickelt man sich so, wie man als Erwachsner ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass sein Selbstbewustsein sehr oft durch das Gutheißen von Taten seinerseits durch seine Eltern herausgezogen hat. Er achtete schon damals darauf, das zu tun, was von ihnen verlangt wurde und wurde gelobt, was für ein lieber Junge er ist.
Dieses wurde zum "Zwang" (finde im Moment kein besseres Wort). Seine Eltern haben ein Händchen dafür, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn er nicht "springt". Es sind ja schließlich meine Eltern.... .

Er und seine Eltern haben noch nicht begriffen, dass er kein kleines Kind mehr ist und er sein eigenes Leben in die Hand nehmen muss. Das ist wirklich schwer und geht nicht von Heute auf Morgen. Auch ist die Tatsächliche Trennung mit viel Tränen, meistens der Mutter, verbunden. Und schon ist wieder das schlechte Gewissen da. Er scheut die Konfrontation, die aber nötig ist.

Er wird im Zweifel immer seine Elter in Schutz vor dir nehmen, bis er merkt, dass er zu dir gehört und du der wichtigste Punkt in seinem Leben bist.
Komisch ist es, dass häufig der Vater immer zu seiner Frau hält, auch wenn sie im Unrecht ist. Verlangen sie es aber, dass er sich auf ihre Seite schlägt und nicht zu seiner Frau hält.

Schlußendlich ist dann die Frau die Buhfrau (abgeleitet vom Buhmann )Sie will den Jungen für sich haben, ihn wegnehmen. Letztendlich kannst du nur mit Geduld darauf einwirken, bis er die Situation erkennt und die Konfrontation nicht mehr scheut.

Das sind meine eigenen Erfahrungen, mit der Ausnahme, dass mein Selbstbewusssein auch von Außen Bestätigung bekommen hat

Lieben Gruß
Tom
winnie
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von winnie »

Hallo Sonnenuhr,

die Frage ist wohl, ob er grundsätzlich bei allen Gelegenheiten unpünktlich ist, oder nur bei Dir.
Kommt er bei anderen auch immer zu spät, würd ich das mit einem Seufzen als "unangenehm, aber eine der weniger wichtigen Macken" von ihm abhaken.
Kommt er nur zu Verabredungen mit Dir zu spät - hm, dann scheint er wohl im Unterbewußtsein nicht wirklich kommen zu wollen...

Sonnenuhr, ich will Dir wirklich keine Verhaltensmaßregeln für Deine Beziehung erteilen. Das steht mir nicht zu, und ich kann auch vieles von dem, was Dich an Deinem Freund stört, nur zu gut nachvollziehen. Sowas KANN einen zermürben, das weiß ich.
Hina hat schon Recht, wenn sie Dich fragt, was Du eigentlich an diesem Mann liebst. Denn es scheint wirklich bei euch hinten und vorn nicht zu passen - nicht, weil ihr so verschieden seid, sondern weil keiner von euch bereit ist, auf den anderen mal wirklich einzugehen und dadurch vielleicht mal einen Kompromiß zu finden.

Ich will auch gar nicht mehr groß auf die einzelnen Punkte Deines obigen Postings eingehen - denn Du stehst ja schließlich nicht vor der Inquisition .

Nur das eine vielleicht, weil mir DAS doch sehr wichtig erscheint:
Du schriebst "Seine Mutter hilft ihm beim Studieren nicht. Darum hab ich das ein wenig übernommen. [...] Das könnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, zumal ich weiß, wie wichtig ihm der Abschluss ist und dass er seinen geliebten Job an den Nagel hängen kann, wenn er nicht bald das Studium abschließt. Wenn ich also die Möglichkeit habe, ihm seinen Job zu erhalten, indem ich mit ihm in Büchereien gehe und ihn auf Prüfungstermine aufmerksam mache - warum sollte ich es nicht tun?"

Ich erklär Dir, warum Du das nicht tun solltest: Weil es nicht Deine Sache ist.
Es hört sich hart an, was ich jetzt sagen werde, aber: LASS IHN MACHEN!
Es ist SEIN Studium, SEIN Job und SEIN Leben, das schlimmstenfalls den Bach runtergeht, wenn er nicht endlich mal die Kurve kriegt.
Dich geht das NICHTS an.

Verstehst Du auch, warum ich das sage?
Weil er NIEMALS lernen wird, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und Verantwortung zu übernehmen, wenn ihm das immer wieder jemand abnimmt, aus der Hand nimmt sozusagen.
Er MUSS ja denken, er schafft das EH nie. Weil er ja überhaupt keine Chance hat, mal SELBST was auf die Beine zu stellen, SELBST ein paar Erfahrungen zu machen, und ja, auch mal selbst ein paar Suppen auszulöffeln, die ihm seine Art eingebrockt hat.

Ich weiß, daß es schwer fällt, weil DU ja weiter denkst. DU denkst Dir, scheiße, wenn er jetzt nicht bald DIESES tut, dann wird JENES passieren, und damit würde er sich ja XYZ verbauen und so weiter.
NEIN.
LASS IHN SELBST MACHEN!!!
Laß ihn selbst handeln (oder NICHT handeln...), und laß ihn ruhig auch mal auf die Schn... fallen. Und wenn er dadurch wirklich am Ende sein Studium in den Sand setzt - tja, that's life, hätt er sich halt mal drum gekümmert, kann man dazu dann nur sagen...

Es ist nicht Deine Sache, ihn zu beschützen und ihm die Hand untern Hintern zu halten.
Er hat sich da bei Papa und Mama viel zu gut dran gewöhnt - aber so funktioniert das Leben nicht. Und das muß er endlich lernen.
Und indem Du ihm sowas abnimmst und ihn vor den Folgen seiner Fehler und Versäumnisse bewahrst, wird er es NIE lernen. Er hat ja gar keinen Grund dazu, es lernen zu müssen. Und keinen Mut dazu erst recht. Weil ihm eh keiner was zutraut.
Und DU wirst für ihn dadurch unaufhaltsam zur "Überperson", gegen die er sich immer weniger durchsetzen kann. Wie seine Eltern.
Und das KANN doch nicht Dein Wunsch sein, für ihn sozusagen als der dritte Elternteil zu fungieren, oder doch?
Jedenfalls wird DAS dann über kurz oder lang zu seinem immer deutlicheren Rückzug von Dir führen. Vielleicht nicht bewußt - aber unbewußt.

Du leidest unter seinem Verhalten - oder Nichtverhalten - also ÄNDERE was dran!
Und ändern wirst Du das erst, wenn Du ihn nicht mehr vor den Folgen seines Handelns oder Nichthandelns beschützt.
DANN hat er Grund, was zu ändern.
Vorher nicht.

Und nochmal kurz zu der Sache mit "Heimchen" etc. - Daß sich Dein Freund angeblich Familie usw. wünscht - hm, ich denke eher, er denkt, man erwartet das von ihm. Und weil er ja brav ist, "will" er das dann natürlich auch... Aber in Wirklichkeit will er das eigentlich ganz und gar nicht - denn das würde ja VERANTWORTUNG bedeuten. Und davor scheut er sich.

Und ich meine, wenn Du ihn "Mann" sein läßt, in dem Du ihn Sachen erledigen läßt, die Du als Frau nicht "kannst" - das hat wenig damit zu tun, was ich eigentlich meinte.
DAS wäre wieder bloß eine vorgefertigte Rolle, die Du von ihm erwartest.

Versuch doch mal, ohne diese festen Erwartungshaltungen auszukommen.
Nichts von wegen "einmal am Tag melden müssen", "soundsooft pro Woche sehen müssen", "Terminkalender aufeinander abstimmen müssen" uns was Du sonst noch glaubst, das zu einer funktionierenden Beziehung gehören MUSS.

Nichts MUSS.

Alles Gute und viel Erfolg!

Grüße von Winnie
Sonnenuhr
Beiträge: 19
Registriert: 26. Jun 2006, 12:07

Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von Sonnenuhr »

Hallo Tom!
Hallo Winnie!

Natürlich will ich kein dritter Elternteil werden! Das wär ja lächerlich und völlig kontraproduktiv.

Du hast sicher recht damit, dass er von seinen Eltern immer gelobt wurde und ihm das viel gibt. Für mich ist das eine schwierige Situation, denn ich lobe ihn nicht für die Dinge, für die er gelobt werden möchte (Rasenmähen bei seiner Mum, noch dazu an einem Tag, den wir miteinander verbringen wollten). Er sitzt zwischen den Stühlen, den Eindruck habe ich auch. Was ich aber nicht verstehe ist, warum er mich dann nicht ein bisschen mehr in die Familienbelange mit einbezieht, wenn er mich in seinem Leben haben möchte (was er ja oft betont). Dann wäre da eine Barriere weniger, meine ich.

Irgendwie hat mir der Gedanke Angst gemacht, dass er sich ja eigentlich vor der Verantwortung scheut und der Wunsch nach Familie eher ein gesellschaftlich aufgedrückter ist. Wenn du recht hast, was du sicher hast, denn der Gedanke ist ganz und gar nicht abwegig, haben wir ja nichtmal den Funken einer Chance auf eine halbwegs "normale" Beziehung.

"Und ich meine, wenn Du ihn "Mann" sein läßt, in dem Du ihn Sachen erledigen läßt, die Du als Frau nicht "kannst" - das hat wenig damit zu tun, was ich eigentlich meinte.
DAS wäre wieder bloß eine vorgefertigte Rolle, die Du von ihm erwartest."
Hm, und wie hast du es dann gemeint? Es wäre wirklich sehr hilfreich für mich, wenn du mir das näher bringen könntest.

Was ich an ihm liebe? Kann ich schon beantworten. Seine liebevolle Art wenn wir zusammen sind. Seine ruhige Art, wenn ich mal einen schlechten Tag habe. Seine zuvorkommende Art, wenn ich etwas brauche. Als wir einander kennen gelernt haben hat er sich total um mich bemüht, das hat genaugenommen bis heute angehalten. Er war sehr geduldig und liebevoll mit mir, hat mich in sein Leben mit einbezogen und wir hatten auch irrsinnig viel Spaß miteinander. Den Spaß haben wir immer noch, aber ich bin rausgerückt aus seinem Leben. Wir haben viel erlebt und ich dachte auch, dass wir über alles reden konnten. Mit der Sache mit der Depression ist er allerdings erst nach den Trennungsmonaten rausgerückt. Wir haben über unsere Probleme und Gedanken immer schon sehr offen gesprochen und ich dachte einfach er wäre sehr sensibel (ich hatte ja keinerlei Erfahrung mit Depressionen). Er ist ein sehr intelligenter, kreativer, zärtlicher Typ, der viel Anerkennung braucht. Er hat keinen Monatstag vergessen, mir viel Aufmerksamkeit geschenkt und mich nie daran zweifeln lassen, dass er mir treu ist. Aber als ich schnurgerade meinem Abschluss entgegenging und er immer noch nicht dabei war fertig zu werden begann es (rückblickend gesehen) zu kriseln, da er das nicht verarbeiten konnte. Ich dachte, seine Liebe würde nachlassen und begann, noch mehr von ihm einzufordern.

Ich habe viel zu genaue Vorstellungen und Pläne davon, wie alles laufen soll, nicht nur die Beziehung betreffend und als es dann plötzlich aufhörte, perfekt zu sein suchte ich nach Gründen - natürlich bei ihm. Meine Eltern waren mir dabei (zynisch gesprochen) eine große Hilfe, indem sie immer skeptischer nachfragten, bei welchen "Kunden" er denn sei, ob ich denn auch wisse, wo er sich den ganzen Tag "herumtreibt" und ob er nicht auch nebenbei eine andere Freundin "beglückt". Denn auch meine Eltern haben eine genaue Vorstellung davon, wie meine Beziehung laufen soll und ich kann mich schwer dagegen stellen, wenn ich selbst nicht ganz zufrieden bin.

Was mir auch noch zu schaffen macht ist deine Frage, ob er sich vielleicht davor drückt mich zeitgerecht abzuholen. Du magst da schon recht haben. Meine Beobachtung ist aber: Er lebt so in den Tag hinein, sagt morgens, er habe nichts vor und dann tröpfeln die Aufträge von Geschäft und Familie so auf ihn ein. Er arbeitet es ab und die, die am einfachsten um die eine oder andere halbe Stunde zu vertrösten ist, bin ich. Verschiebt er einen Geschäftstermin, kriegt er Troubles mit Papa, denn das Geschäft ist das allerallerwichtigste. Einen Auftrag seiner Mama sagt er ja prinzipiell nicht ab, da würde ihn ganz massiv das schlechte Gewissen plagen, wenn er sich mit mir "vergnügt" und die Mama daheim Hilfe bräuchte. Und die liebe Sonnenuhr zickt halt mal 10min herum, wenn er später kommt, ansonsten gibt es bei mir eben die wenigsten Konsequenzen zu befürchten. Er verbringt dann aber meistens die Zeit bis spät in die Nacht mit mir, möchte jede Minute nützen und mich so lang wie möchlich bei sich "behalten". Wegen meinen Glucken-Eltern ist ein gemeinsames Übernachten wie gesagt nicht gut möglich.

Danke fürs Lesen und fürs Antworten geben und fürs Tipps geben und fürs Bei-Mir-Sein, wenn auch virtuell!

eure Sonnenuhr,
die gestern einen supertollen wunderbaren Tag mit ihrem Schatz hatte, sich aber wundert, warum dieser gerade nach solchen Tagen so still ist.
Wer den Himmel im Wasser betrachtet, sieht Fische auf den Bäumen.
winnie
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Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von winnie »

Hallo Sonnenuhr,

Du fragst, was ich mit "vorgefertigter Rolle" für den Mann meinte, in die Du Deinen Freund stecken willst.

Eigentlich dachte ich, das sei doch ziemlich klar - aber dann wurde mir bewußt, daß bei Dir tatsächlich ALLES irgendwo eine vorgefertigte Rolle zu haben scheint. Also siehst Du das wahrscheinlich wirklich nicht.
Deshalb also das, was mir einfach bei Dir auffällt:

Was erwartest Du von "einem Mann"?

Er soll stark sein.
Er soll beruflichen Erfolg haben.
Er soll sich um seine Frau kümmern.
ER soll sie umwerben und sich regelmäßig bei ihr melden.
Er soll zuverlässig und pünktlich sein.
Er soll ihr helfen, wenn sie etwas nicht "kann". Also Reifen wechseln, die Wohnung renovieren, die Getränkekästen tragen, die Möbel umstellen, die Gurkengläser aufmachen, den Kindern in Mathe helfen.

ER soll die Führung haben.

Und um ihm diesen (wie Du denkst, wichtigen) Eindruck zu vermitteln, daß ER dieser MANN ist, spielst DU die dazu passende Frau.
Das heißt, Du "läßt ihn die schweren Sachen" für Dich erledigen.
Du wartest hübsch in der Stube, bis er kommt und Dir den Hof macht.
Du schmollst, wenn er "zu tun" hat und sich nicht um Dich kümmern kann.
Du bist demonstrativ eifersüchtig ("sowas schmeichelt ihm doch bestimmt...").
Du hoffst auf eine Ehe und Kinder mit ihm.
Du lobst ihn nicht, weil es sich für Dich einfach "so gehört", daß der MANN etwas für die FRAU tut.
Du spielst für ihn das Weibchen.

Nach außen hin, Sonnenuhr, läßt Du ihn den Mann spielen. In Äußerlichkeiten. Weil Du Dir einen Mann so vorstellst: stark, handwerklich geschickt, kümmernd.

Aber weil das alles reine Äußerlichkeiten sind, die zudem mit dem tatsächlichen Wesen Deines Freundes offenbar wenig bis gar nichts zu tun haben, kochst Du hinter der devoten Frauchenfassade immer mehr. Denn auch Du SPIELST das Weibchen nur, weil Du so erzogen wurdest, daß man sich als Frau so verhält. In Wirklichkeit möchtest Du dem Typen nämlich am liebsten die Hammelbeine langziehen, weil er so ne Lusche ist. Aber weil sich das ja für die Frau nicht gehört, "hilfst" Du ihm stattdessen bei dem, was er Deiner Ansicht nach eigentlich tun müßte.
Aber er spürt instinktiv, daß Du ihm eine Rolle verpassen willst, die er niemals ausfüllen kann. Du drückst ihn da rein, in der wohlmeinenden, aber völlig irrigen Denkweise, daß Du ihm damit genau DAS Leben ermöglichst, das er will.
Und indem Du so TUST, als sei er wirklich der MANN, als den Du ihn gerne sehen würdest, drängst Du ihn immer weiter an die Wand.

Verstehst Du ein bißchen, was ich damit sagen will?

Du erzählst selbst, daß Du schon aus Deinem Elternhaus eine extrem traditionelle Denkweise, was Mann und Frau angeht, mitbekommen hast. Tja, das ist dann wohl die Folge davon.

Oder was meinst Du?

Gruß,
Winnie

P.S.: Wie alt seid ihr beide eigentlich?
martin-hh
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Registriert: 10. Aug 2006, 01:52

Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von martin-hh »

mann ist das lang geworden - dieses thema. da braucht man ja um mitzukommen schon nen halben tag zum lesen

wisst ihr woran ich grad denke? ach wenn frauen andere männer fragen können, was in ihren kerlen seelisch abgeht ...dann wollen sie manchmal alles ganz genau wissen um nichts falsch zu machen und um alles ganz genau zu verstehen und seine schritte vorhersagen zu können. aber häufig ist das auch ein zeichen dafür, dass es in der beziehung nicht so stimmt. ...und häufig steht da auch die grosse angst bei den frauen dahinter, ihn zu verlieren, eine schlechte partnerin zu sein und ebenso die frauentypische angst vor autonomie.

liebe sonnenuhr, bitte sei mir nicht böse wenn ich dich mal frech frage: kann es sein, dass er dein erster freund (deine erste längere beziehung) ist? ich spüre da eine deutliche unsicherheit bei dir und irgendwie machst du doch jetzt hier genauso eine therapie im forum wie er bei seiner therapeutin. (ja du rächst dich ) und diese unsicherheit steht halt in krassem gegensatz zu deinem sicherlich vorhanden selbstbewusstsein und deinem "so bin ich eben - und will auch so bleiben."

vielleicht ist es ja auch wirklich so wie ich es in meinem ersten beitrag gesagt habe:

"also bei einer langzeittherapie muss man damit rechnen, dass es privat durchaus große veränderung geben kann. so muss man z.b. bei einer analyse damit rechnen, dass die partnerschaft (also die im privaten leben) nicht mehr läuft. warum? ganz einfach, so eine therapie kann ja sehr intim werden (nicht im sinne von sexuell-handelnd - sondern eben beziehungstechnisch) und da kann dann der echte partner im leben schnell mal emotional zu kurz kommen."

ein stück weit hat er eben auch "eine andere"...dir bleibt da stets die rolle des reagierers und forumsbefragers (was auch nicht schlecht sein muss)

und wenn du schreibst, er zeigt dir seine liebe (nur) durch sexuelle lust - naja als freund hätte ich dir jetzt wahrscheinlich im überschwang geraten, schluss zu machen. aber darfst du das denn überhaupt...schluss machen (nur mal rein hypothetisch)? oder nur mal die beziehung für eine zeit ruhen zu lassen?

ich muss grad an stromberg denken, wie der immer seinem kollegen ulf geraten hat, mit seiner freundin schluss zu machen als es nicht mehr so lief - um mal klare fronten und klarheit zu schaffen - dass der gegenüber merkt, man kann auch anders. ich weiss nicht ob das ein guter tip für dich wäre, aber wo bleiben eigentlich seine liebesbeweise?

ich hoffe ich war nicht zu direkt...
martin

ps: ich will dir nicht raten, mit ihm schluss zu machen oder ihn in eine schlechte oberflächliche ecke drängen - mir ging es eher darum, dass du mal bei dir bleibst und schaust, was du eigentlich brauchst und wie es dir mit all dem geht...
BeAk

Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von BeAk »

Habt ihr eigendlich auch schon mal darüber nachgedacht, das ein akut Depressiver zu Liebesbeweisen nicht fähig ist, da er keine Liebe mehr spührt?
Man das Thema lieber auf nichtdepressive Zeiten vertagen sollte.

Allerdings, finde ich, das Sonnenuhr durchaus ihren eigene Befindlichkeit und Standpunkte klären sollte, denn sie ist ja zur Zeit nicht depressiv.
Edeltraud
Beiträge: 1495
Registriert: 22. Mai 2003, 16:49

Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von Edeltraud »

Hallo Bea,

>>>das ein akut Depressiver zu Liebesbeweisen nicht fähig ist, da er keine Liebe mehr spührt?

Klingt so allgemeingültig. Wie kommst du darauf?
Bei mir ist es manchmal so, je nach Befinden, dass ich nur kaum in der Lage bin meinen Gefühlen Ausdruck zu geben.

Grüße,
Edeltraud
martin-hh
Beiträge: 53
Registriert: 10. Aug 2006, 01:52

Re: seltsame Therapieerkenntnis

Beitrag von martin-hh »

hi bea,

es ging bei meinem beitrag auch weniger um den freund, als um bienchen selbst. klar ist es wichtig zu wissen, dass akut depressive schwerer liebe in form von glück, bestätigung und euphorische zuneigung offen zeigen können. dennoch kann man ja z.b. weinen und trotzdem "passiv" lieben! liebesbeweise sind ja nicht nur sowas wie blumenstrauss und sex.

...es ging mir mehr um bienchens eigene bedürfnisse - darüber hat sie nähmlich so gut wie nie geschrieben!

viele grüße
martin
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