Spitritualität und Depression

ben1
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Spitritualität und Depression

Beitrag von ben1 »

Tach alle zusammen

Ein eigenartiges Thema - aber was solls!
Ich bin durch die Hölle gegangen in meiner Depression und habe erkannt, das nur ein Weg (für mich) da rausführt, nämlich abschied zu nehmen vom streng rationalistisch-logischen und hin zu mehr "spüren", KOntakt mit meinem eigentlichen Selbst. Ich habe erkannt, das ich jahrelang nur in einer Fassade gelebt habe - und der Sprung zum Selbst wurde durch die große Angst dieser Fassade extrem erschwert - dennoch denke ich, das mich die Depression erst dazu gebracht hat, über mich und mein eigentliches Selbst nachzudenken und mich auf den Weg dahin zu machen.

Ein paar Gedanken dazu

Kinder fragen häufig "Was wäre aus mir geworden, wenn ich andere Eltern gehabt hätte" - diese Frage hat sich der eine oder andere von Euch vielleicht auch schon gestellt - und da stellt sich dann automatisch die Frage, was dieses "Mir" eigentlich ist. Ist das die "Seele", die hinter all den Rollen steckt, die von außen determiniert wurden?
Bin ich wirklich nur die Summe der Gene meiner Eltern oder ist da noch mehr dahinter?
Worum gehts überhaupt im Leben? Ich denke, es geht darum, wieder "komplett" zu werden - also sich mit allem, was einen als Person ausmacht zu identifizieren, nicht nur mit den guten, erwünschten Seiten, sondern auch mit den Fehlern. Obwohl ich kein praktizierender Katholik bin, glaube ich an Gott und ich habe in der Bibel viele gute "Lebensanleitungen" gefunden. "Umkehren und wieder werden wie die Kinder" - das wärs doch! Im Augenblick leben, sich nicht um das Morgen kümmern (jedenfalls nicht mit der Panik, die mir meine Fassade immer wieder gemacht hat).

Ich habe erkannt, das sich meine Lebenskrise (die sich auch in Depressionen äußerte) nicht in der Außenwelt klären läßt, auch wenn mir das meine Fassade (die immer alles im Griff haben will) immer wieder vorgegaukelt hat.

Eure Meinung interessiert mich brennend!
tomroerich
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von tomroerich »

Hallo Ben,

eigenartig ist das Thema nicht, bestimmt aber schwierig, weil ich es immer schwierig finde, sich über Religion auszutauschen. Mir geht es zum Beispiel so, dass ich überhaupt niemanden habe (kenne), dem ich meine religiösen Vorstellungen mitteilen kann. Ich musste immer wieder feststellen, dass Gespräche darüber schnell in Sackgassen enden und in Ratlosigkeit. Aber mal sehen....

Ich fühle mich konfessionell in keiner Weise gebunden und brauche auch den Rahmen einer religiösen Gemeinschaft nicht. In meiner Entwicklungsgeschichte gibt es sowohl christliche als auch islamische Einflüsse, wichtig für die Entwicklung meines religiöses Verständnisses war aber immmer auch die Philosophie. Ich sehe das zentrale Thema der Religion auch nicht in der Frage nach Gott sondern in der Frage nach Sinn und Ziel des Menschen und der Entwicklung seiner Seele. Insofern bin ich vielleicht dem Buddhismus am nächsten, in dem Gott gar keine Rolle spielt sondern nur die ganz profan erscheinende Frage: Wie kommen wir aus dieser Sch... wieder raus und was ist die Ursache?

Deine Fragestellung interessiert mich aus dem Grund, weil du die Frage nach unserer wahren Identität stellst. Was ist Ich, was ist Selbst? Wäre ich noch ich, wenn ich andere Eltern gehabt hätte? Und habe ich überhaupt ein einheitliches Ich oder sind es mehrere? Das sind die spannendsten Fragen, denen ein Mensch in seinem Leben begegnen kann und ich gebe dir völlig Recht wenn du sagst, dass Menschen meist erst in existentielle Krisen geraten müssen, bevor sie überhaupt in Kontakt kommen mit diesen Fragen. Jedenfalls verstehe ich dich so, was du von dir selbst sagst und den Folgen deiner Krise.
Für mich sind diese Fragen schon immer brennend gewesen, auch vor meiner Erkrankung aber die hat dazu geführt, dass ich mich den Lösungen ein Stück annähern konnte.

Die Antwort auf alle Fragen findet man nur in sich, auch hier hast du Recht. Das Außen ist nur scheinbar ein Außen, in Wirklichkeit ist es ein Teil von uns und wir sind ein Teil vom Außen. Wir können die ganze Welt verändern, wenn wir uns selbst verändern, verstehst du, wie ich das meine?
Aber zurück zu deiner Frage nach unserer Identität. Die liegt nicht in unserem Ich sondern in unserem Bewusstsein. Das Ich verwandelt sich unentwegt, es ist nicht einmal innerhalb eines Tages das gleiche Ich. Mal sind wir gut drauf, dann wieder nicht, weil uns jemand geärgert hat oder wir nehmen uns heute etwas fest für morgen vor und finden das am nächsten Tag schon wieder nicht mehr so wichtig. Es ist ein ständiger Wechsel der Ichs. Als Kinder fanden wir vielleicht, dass Rutschbahnen das Wichtigste im Leben seien, heute sind es vielleicht Frauen oder Autos oder Fußballspiele oder heute dies und morgen das. Wodurch wird das alles gesteuert? Wir selber machen das gewiss nicht, es passiert eben so. Was aber bleibt, ist unser Bewusstsein, das rätselhafteste Phänomen, das es im seelischen Bereich überhaupt gibt und das alle diese verschiedenen Ichs erst sichtbar macht. Es wird aber permanent in Anspruch genommen von diesen Ichs, die uns hier verwickeln, dort verwickeln, ständig ist unser Bewusstsein damit beschäftigt, diesen sich immer verändernden Film anzuschauen.
Was wäre, wenn wir den Film anhalten könnten, was würde dann passieren? Dann würden wir unserem Selbst begegnen.
Den Film anzuhalten ist das große Thema der Religionen.

Jetzt muss ich aber aufhören, meine Lady steht bereits geschminkt und ausgehfertig im Flur

Schönen Abend

Thomas
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ben1
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von ben1 »

Hallo Thomas

ich sehe das genau so wie Du! Auch ich habe mich mit den Religionen beschäftigt, sympathisiere auch mit gedanken aus dem Buddhismus. Was ich immer sehr spannend finde ist, sich von den Rollen (also den verschiedenen Ichs) zu lösen und sich selbst beim Handeln zuzusehen - die Rolle des stillen, neutralen Beobachters einzunehmen und so seine Ichs und die damit verbundenen Ängste besser zu verstehen. Und nur darum gehts meiner Meinung nach - jedes Ich, jede Rolle, die wir spielen, hat gewisse Ängste, nicht zu funktionieren, nicht ins Bild zu passen usw. Und man kann diese Ängste nicht wegwünschen oder wegdiskutieren, sondern es gilt, sie zu verstehen. Dazu braucht man aber Distanz zu den Ichs - und die gibt es nur, wenn man sich einen Bereich erschließt, der diese Rollen nicht braucht - einen Bereich, in dem man nur "IST" ohne etwas zu "MÜSSEN" oder zu "SOLLEN" - und dieser Bereich hat für mich etwas mit Gott zu tun (obwohl auch das nur ein Begriff ist für das nicht-kommunizierbare) - ein Bereich in einem, den man nur erfahren, nicht beschreiben und nicht willentlich erreichen kann. Solche Augenblicke kennen wir wahrscheinlich alle - wenns einfach passt, obwohl nichts passt, wenn man einfach mit sich und der Welt eins ist - das ist meiner MEinung nach der Kontakt mit dem göttlichen Funken, der in jedem Mensch darauf wartet, entdekct zu werden - und Leiden ist nichts anderes als die Geburtswehen für diese Entdeckung, für dieses Erwachen, für diese Erfahrung.

Religiöse Themen mit anderen zu besprechen, die diese Erfahrung (noch) nicht machen durften, ist aus meiner Erfahrung heraus unmöglich - das ist wie einem Tauben die Brandenburgischen Konzerte zu erklären - diese Leute haben einfach das richtige Organ noch nicht gefunden - und die ICHS und ROLLEN spielen einem da einen üblen Streich, fordern Beweise ein und tun alles ins Reich der Einbildung ab - einfach, weil sie dadurch existentiell bedroht sind. Auch diese Ängste gilt es zu verstehen - dann gehts wieder einen Schritt weiter.

Und nochmal, weil das der Schlüssel bei mir ist - es gilt immer wieder zu erkennen, das man nicht sein Problem IST, es ist eher so, daß man der Computer ist, auf dem ein fehlerhaftes Programm läuft oder der Garten, indem die verschiedenen Blumen und Unkräuter gedeihen.

Viele Gedanken - auch meine Lady ist ausgehfertig, also genug für heute

Grüße

Ben
Acedia
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von Acedia »

ben1
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von ben1 »

Tja, interessant, was Du erzählst!
Wie kommt man denn darauf, nach der Perle zu suchen, wenn man keine Schmerzen im jetzt empfindet? Wenn man über die Depression zu einer solchen Suche "gezwungen" wird, machts das insofern leichter, weil man nicht nach Perlen sucht, also mit keinen zu hohen Erwartungen da rein geht (nach dem saloppen Motto "schlimmer wirds nimmer") - und selbst da wehrt sich die ganze Fassade und stürzt in wahre Existenzängste.

Meiner Meinung nach scheune trotzdem viele Leute diese sehr intensive Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Selbst und versuchen statt dessen, mit Medikamenten (die in vielen Fällen sehr sinnvoll sein können - das gleich als Einschränkung) oder radikalen Lebenswandel ohne Fundament diesen Zustand erträglich zu machen - und ich sehe die Schmerzen halt wirklich als Aufforderung, als Hinweis, das man zur Zeit nicht so lebt, wie man leben sollte - nämlich Ganzheitlich im wahrsten Sinne des Wortes, also nicht mit seinen angenehmen Rollen und Fassaden sondern als der Mensch der man ist, nicht der, der man sein möchte oder von dem man glaubt, das nur der von anderen akzeptiert wird. Und dann kommt die schmerzliche Frage, wenn alle Fassaden wegfallen - bleibt dann überhaupt irgendwas übrig? Etwa gar nix oder nur ein kleines, ängstliches, hässliches Ich? Und nur über diesen schmerzhaften Weg kommt man zum selbst, zum Beobachter, zum unsterblichen Kern, zu Gott ...

Ben
tomroerich
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von tomroerich »

Hallo Lea und Ben,

ich finde es gut, dass du (Lea), darauf hinweist, dass man nicht so ohne weiteres einfach beschließen kann 'Ich mache mich jetzt mal auf die Suche nach meinem wahren Selbst und schaue mal ganz tief in mich selbst hinein' Führungslos wird das ziemlich sicher schiefgehen. In einem mir sehr lieben und wertvollen Buch habe ich mal gelesen, es gebe zwei grundsätzliche Wege zur spirituellen Entwicklung. Der eine ist der natürliche Weg und führt Menschen durch die Proben des Lebens, lässt sie immer wieder scheitern, bis sie anfangen zu sehen, was wichtig ist und was nicht. Etwa wie ein Stein, der über viele Jahre vom Fluss rundgewaschen wird. Der andere Weg ist der bewusste Entschluss, auszusteigen und den langen Weg der Flusswaschung zu verkürzen indem man beginnt, bewusst an sich zu arbeiten. Zum 2. Weg benötigt man jedoch Unterstützung durch Menschen, die sich auskennen und einen leiten können, sonst verirrt man sich.
Man kann diese beiden Wege nicht völlig voneinander trennen, das ist klar. Es geht hier um 2 grundsätzliche Möglichkeiten zu leben: Geformtwerden oder Formen. Geformtwerden ist das Schicksal jedes Menschen, niemand kann davon frei sein sondern muss über das Leid in Konflikt geraten zwischen dem was er ist (wie er geformt wurde) und dem, was er sein soll. Das ist das große Thema der leidenden Jesusfigur. Die Depression ist in meinen Augen genau so ein Geschehen, das für die Zeit der Krankheit die gewohnte Welt zusammenbrechen lässt und so eine Chance für neue Sichtweisen bietet. An sich selbst zu arbeiten ist eines der wichtigsten Aspekte der Religion. Meine Analytikerin sagte einmal zu mir 'Auch Analyse kann ein Einweihungsweg sein'

Ich schlage jetzt mal einen Bogen zu unserem Hauptthema. Wie kann man die Erlebnisse der Depr. so verstehen und nutzen, dass sie einem weiterhelfen und man nicht nur wieder gesund wird sondern mit Gewinn für die eigene Entwicklung aus der Krise geht?
Wenn ich meine eigene Geschichte anschaue, dann kann ich klar erkennen, dass die Depr. bei mir einen sehr gründlichen Wertewandel ausgelöst hat. Ich beachte meine vielen Ichs nicht mehr so, wie ich es früher tat.
Das Ich, das immer perfekt sein wollte und sich nie einen Fehler erlaubte, hat es heute schwer, Gehör zu finden. Auch das Ich, das einfach von jedem geliebt werden wollte und furchtbar litt, wenn es abgelehnt wurde, hat sich ziemlich beruhigt. Insgesamt habe ich Gelassenheit gelernt und Gelassenheit ist ein wunderbares Mittel gegen Depris. Wenn all diese lauten Ichs nicht mehr so viel Gehör finden sondern anfangen, an mir vorbeizuziehen wie bunte Luftballons, kann ich anderes besser wahrnehmen. Das gelingt nicht immer- ich tappe oft in die alten Fallen, aber ich bemerke es auch und bin mir deshalb nicht mehr böse.

Genug für heute, das Thema ist endlos und sehr spannend, ich könnte die Nacht durchschreiben. Wünsche euch eine gute Nacht und grüße euch herzlich.

Thomas

P.S. @Lea
Liebe Lea, in deiner Einleitung erwähnst du wieder, ich würde mich so wissenschaftlich und philosophisch ausdrücken, wie du das nicht könntest. An anderer Stelle hast du befürchtet, dein Niveau sei mir nicht gut genug obwohl ich nichts dergleichen geschrieben habe. Bei allem Respekt vor deinen Gefühlen, ich habe auch welche. Ich drücke mich so aus, wie ich es gewohnt bin und wie es aus mir herauskommt.
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Captain Kirk
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von Captain Kirk »

Hallo Thomas,
ich wollte Dir kurz mitteilen, dass ich mich freue. Darüber, dass Du nun eine Grenze gesetzt hast. Ich habe mich nämlich schon darüber geärgert, wie Du von Lea zur Projektionsfläche von Neagtivgefühlen gemacht wurdest und Dich nicht klar abgegrenzt hast. Weil Du einfühlsam bist und rücksichtsvoll. Aber ich glaube, es ist wichtig, auch und in erster Linie auf sich selber Rücksicht zu nehmen. Das hast Du ja nun gemacht. Find ich gut.

Gute nacht
c.


Lea, auch ein Gruß an Dich.

c.
tomroerich
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von tomroerich »

Danke, Captain. Es wurde Zeit, das denke ich auch.

Gute Nacht

Thomas
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Acedia
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von Acedia »

ben1
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von ben1 »

O.K., nachdem nun alle wissen, das niemand wegen seiner Schreibweise zu verurteilen ist, könnten wir uns wieder dem Thema widmen.

Spiritualität zu entdecken gehört wahrscheinlich zum gleichzeitig angstbesetztesten, wie faszinierensten Bereich menschlicher Entwicklung. Wie kommt man da hin? Mein Weg war ein sehr meditativer, auch wenn ich gleich mit ein paar Vorurteilen zur Meditation aufräumen möchte. Es geht nicht darum, den richtigen Sitz auszuüben, sich zu 20minütigen Sitzungen zu überwinden - meiner Meinung nach geht es erst mal darum, bequem zu sitzen oder zu liegen und sich seine Gedanken einfach anzusehen. Um die Sistanz herzustellen habe ich die Vorstellung eines blauen Himmels, auf dem die Gedanken, auf Wolken geschrieben, einfach vorbeiziehen. Ich liege also da und dann kommt ein ALltagsproblem - das "schreib" ich dann auf die Wolke und lass sie vorbeiziehen - und dann kommt der nächste Gedanke - und mit dem mache ichs genau so. Es gilt nicht, die Gedanken zu bekämpfen (funktioniert nicht), sondern sie wahrzunehmen, ohne sich damit zu identifizieren. Und nach einiger Zeit funktioniert das auch im Alltag - ich denke immer öfter "Is ja interessant - jetzt kommt wieder der 'Alles ist sinnlos-Gedanke' - mal schaun, wie lange er diesmal bleibt"

Ich habe bestimmt nicht die große Ahnung in Meditation, habe aber erkannt, das man sich zu nichst zwingen sollte - also wenns nur 2 Minuten klappt, ist das auch o.k. - manchmal gehts auch länger, das weis ich vorher auch nicht so genau (is wie beim Sex) - ich schreib übrigens gerne ein bißchen frech (dazu gehört auch mein "tach") weil ich meine, das wir uns selbst zuerst mal ein bißchen weniger ernst nehmen sollten, um einen gelasseneren Umgang mit der Krankheit zu pflegen

Ben

Ben1 schrieb:
> Tach alle zusammen
>
> Ein eigenartiges Thema - aber was solls!
> Ich bin durch die Hölle gegangen in meiner Depression und habe erkannt, das nur ein Weg (für mich) da rausführt, nämlich abschied zu nehmen vom streng rationalistisch-logischen und hin zu mehr "spüren", KOntakt mit meinem eigentlichen Selbst. Ich habe erkannt, das ich jahrelang nur in einer Fassade gelebt habe - und der Sprung zum Selbst wurde durch die große Angst dieser Fassade extrem erschwert - dennoch denke ich, das mich die Depression erst dazu gebracht hat, über mich und mein eigentliches Selbst nachzudenken und mich auf den Weg dahin zu machen.
>
> Ein paar Gedanken dazu
>
> Kinder fragen häufig "Was wäre aus mir geworden, wenn ich andere Eltern gehabt hätte" - diese Frage hat sich der eine oder andere von Euch vielleicht auch schon gestellt - und da stellt sich dann automatisch die Frage, was dieses "Mir" eigentlich ist. Ist das die "Seele", die hinter all den Rollen steckt, die von außen determiniert wurden?
> Bin ich wirklich nur die Summe der Gene meiner Eltern oder ist da noch mehr dahinter?
> Worum gehts überhaupt im Leben? Ich denke, es geht darum, wieder "komplett" zu werden - also sich mit allem, was einen als Person ausmacht zu identifizieren, nicht nur mit den guten, erwünschten Seiten, sondern auch mit den Fehlern. Obwohl ich kein praktizierender Katholik bin, glaube ich an Gott und ich habe in der Bibel viele gute "Lebensanleitungen" gefunden. "Umkehren und wieder werden wie die Kinder" - das wärs doch! Im Augenblick leben, sich nicht um das Morgen kümmern (jedenfalls nicht mit der Panik, die mir meine Fassade immer wieder gemacht hat).
>
> Ich habe erkannt, das sich meine Lebenskrise (die sich auch in Depressionen äußerte) nicht in der Außenwelt klären läßt, auch wenn mir das meine Fassade (die immer alles im Griff haben will) immer wieder vorgegaukelt hat.
>
> Eure Meinung interessiert mich brennend!
ben1
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von ben1 »

Hab den falschen Button betätigt und mich selbst zitiert - machen große Schriftsteller und Wissenschaftler auch

ben
Caroline1
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von Caroline1 »

Hallo Ben

Als stumme Mitleserin in diesem Thread will ich dir sagen: du bist in der Tat auf dem besten Weg, typisch depressive Verhaltensmuster zu vermeiden weiter so!!

Dir eine gute Nacht

Caroline
Captain Kirk
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von Captain Kirk »

Hi Ben,
einen Kommentar kann ich mir nicht verkneifen. Es fiel mir grade auf. Etwas hat sich nicht verändert. Du scheinst es immer noch sehr schwer aushalten zu können, wenn jemand "in deinen" Thread eindringt und etwas außerhalb des Themas schreibt.
Das war früher schon so.
Vielleicht könntest Du das ja auch mal ganz meditativ hinnehmen?

Gruß
c.
ben1
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von ben1 »

Captain, Du hast recht!

Das hat sich bei mir nicht verändert - da sollte ich mal drüber nachdenken ... wahrscheinlich liegt mir das Thema so am Herzen und ich möchte meine "Wahrheit" so gerne weitergeben, weil ich denke, daß da wirklich was dran ist und das viele andere Herangehensweisen von Leuten eher oberflächlich sind (und die sind mir nicht fremd - im Gegenteil - auch ich habe versucht, erst mal alles in der "Realwelt" zu lösen). Oberflächlich meint hier nichts abwertendes, sondern es meint den Versuch, alles rational zu sehen - und da komme ich nicht weiter. Also noch mal mein Einsatz für mehr "Gefühl", für den Kontakt mit dem wahren selbst (den man nur zwischen den Gedanken findet, daher ist Meditation so wichtig) als Weg scheint mir erfolgsversprechend.

Außerdem polarisiere ich gerne! Niemand ist gezwungen, meine Meinung anzunehmen, auch setze ich mich mit kritischen Fragen gerne auseinander. Mein Apell ist nur - wer glaubt, da könne für Ihn/Sie was dabeisein, möge es ausprobieren.

Es ehrt mich ungemein, das Du meine alten Postings noch kennst! ich war doch einige Zeit nicht mehr im Forum.

Und wenns hier in eine ganz andere Richtung laufen sollte (ich habe nicht den Eindruck, das das passiert), werde ich mir das auch ganz gelassen aus der Distanz ansehen ...

Ben
Captain Kirk
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von Captain Kirk »

ben1
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von ben1 »

Was ist Deine Meinung zum Thema, Captain? Auch schon spirituelle Erfahrungen gemacht (klingt so hochtrabend, ich meine keine Nahtoderfahrung oder Telekinese, auch Tebeutelschwingen ist nicht so mein Ding)? Hast Du auch schon eine Erfahrung mit Deinem "Kern", deinem "Selbst" gemacht? Würde mich interessieren.

Ben
ben1
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von ben1 »

Noch was zu Caroline

es geht eben nicht darum, depressive Verhaltensweisen zu vermeiden, sondern ihnen gegenüber eine gewissen Gelassenheit zu entwickeln. Ich bin auch heute noch manchmal traurig oder betrübt, aber es berührt mich nicht mehr, seit ich weis, das ich mehr bin als mein fühlender, leidender Körper. Es ist ungemein befreiend, sich diese Gefühlöe auch aus der Distanz anzusehen. Also ich versuche nicht mit aller Macht, die depressiven Gedanken zu vermeiden - das funktioniert nicht (versuche jetzt mal, nicht an einen blauen Elefanten zu denken - funktioniert nicht, oder), sondern die Gedanken zu betrachten und versuchen, sie zu verstehen - mehr nicht.

Ben
ben1
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von ben1 »

Ist das Thema zu langweilig? Eine bitte an die "stummen Mitleser" - bitte klinkt Euch ein, wenn Euch danch ist

Ben
Noknok
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von Noknok »

Na, wenn Du unbedingt willst...

Also bei mir klingeln immer die Alarmglocken, wenn ich das Thema "Spiritualität" höre. Wie Du sicher auch weißt, gibt es in diesem Bereich viele Geldmacher, Spinner und Wahnsinnige. Von Sekten ganz zu schweigen. Vieles läuft autorität und verbietet den Anhängern eine eigene Meinung. Das, was Dein Medium, Guru, Kartenleger, Gott, etc. sagt, darf nicht hinterfragt werden. Man gibt seine Verantwortung an eine höhere Macht ab, was ja gerade für Depressive oft verlockend ist, aber den eigenen Willen auf fatale Weise raubt, und das, ohne dass man selbst es merkt oder merken will.

Ich finde es besser, nach den eigenen Moralvorstellungen zu leben, auch wenn dies anstrengender ist, man keine vorgekaute Meinung einfach übernehmen kann. Aber einfach ist das Leben eben nicht. Leider.

Sorry, wenn das jetzt äußert negativ, fast schon abfällig ist. Ich will niemanden beleidigen damit, aber dies ist meine Meinung dazu.

LG
Noknok
tomroerich
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von tomroerich »

Hi Noknok,

ich kann deine Skepsis gegenüber Spiritualität verstehen aber deine Kritik richtet sich doch eher gegen Institutionen. Ich finde, das muss man sehr gut trennen. Ich halte nicht viel von der Kirche aber sehr viel von den Gedanken des Christentums und auch anderer Religionen.

Man gibt seine Verantwortung an eine höhere Macht ab, was ja gerade für Depressive oft verlockend ist, aber den eigenen Willen auf fatale Weise raubt, und das, ohne dass man selbst es merkt oder merken will.

Wie Recht du hast! Ich verlor eine Freundin auf genau diese Weise. Sie war in eine Sekte hineingeraten und schließlich so gehirngewaschen, dass sie 2 Jahre lang von Klinik zu Klinik gereicht wurde und sich schließlich das Leben nahm. Die Lenkungskräfte religiöser Gedankenträger sind einfach enorm und wehe, da verstrickt sich einer rein. Es gibt kaum eine schwierigere Therapieaufgabe als so jemanden wieder zu entstricken.

Aber wie gesagt, das ist Mensch, der hier wirkt, nicht die Spiritualität.

Gruß von

Thomas
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tomroerich
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von tomroerich »

Liebe Maria,

das hast du sehr gut gesagt, mir geht es oft ähnlich mit dem Thema. Was ich auch sage, wie sehr ich mich bemühe, meine Gedanken auszudrücken, das Ergebnis ist doch niemals so, wie ich es gerne wollte. Si tacuisses, philosophus mansisses.

Lieben Gruß

Thomas
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Nachttaube
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von Nachttaube »

es ist ein sehr schönes und sehr schwieriges Thema.
Ich selber habe keinen Zugang zu einer Glaubensrichtung. Wurde zwar christlich getauft, das Christentum stößt mich aber ab. Andere Religionen kenne ich zu wenig.
Spiritualität hat für mich noch eine weitere Komponente. Nämlich das mit sich eins sein. Ob nun körperliche Beschwerden oder seelische, ob nun schwere Zeiten oder Gute, bei sich zu sein, sich nicht in den Weg zu stehen und sich selber nicht zu verraten. Eine andere Meinung versuchen zu verstehen, obwohl es nicht die eigene Meinung ist.
Außerdem bedeutet es für mich nicht nach dem Sinn des Lebens zu fragen, sondern nach dem Ursprung des Lebens. Urknall? Für mich keine Befriedigende Theorie. Gott mit Rauschelbart und Jesus als Mertyrer? Nicht wirklich oder? Aber der Zusammenhalt unserer wahrnehmbaren Welt ist zu komplex, dass auch ich der Versuchung nicht widerstehen kann, hier einen Sinn sehen zu wollen. Sei es nun (heute oder morgen) wissenschaftlich erklärbar oder nicht.
Aber noch mal zu sich selbst. Sich selber wahrnehmen, auf sich selber hören, sein eigenes Ich erkennen? Muss das wirklich erst durch Leid geschehen? Es gibt sicherlich viele Menschen, die die Veranlagung zur Selbstbeobachung zur Abgrenzung und zur inneren Sicherheit ohne Leid erfahren konnten. Es ist sicherlich schmerzhaft (aber dennoch bemerkenswert), wenn Menschen über die Depri dazu kommen. Bemerkenswert darum, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Depri, der die Krankheit noch nicht überwunden hat, mit freien Willen Spirituell werden kann. Die Spirituelle Seite sollte kommen, wenn die Krankheit weitesgehens überwunden ist. Denn - auch ich habe die Angst vor Sekten und Wunderheiler- die freimachende Spiritualität zu entdecken, oder einfach einer Seelenlüge zu verfallen ist in der Depri ziemlich groß.
das für´s erste
Nachttaube
Caroline1
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von Caroline1 »

Hallo Ben

Meine Bemerkung an dich war eigentlich nur ironisch gedacht.....(ich hoffte, das hätt ich deutlich gemacht, *grr*). Natürlich geht es nicht darum, depressive Verhaltensweisen zu VERMEIDEN. Was mir an deiner kleiner Zwischenbemerkung gefiel, war halt dass der Grundton eben NICHT der typisch depressive war, nach dem Motto "entschuldigt bitte alle, ich Idiot kann nicht mal korrekt die Buttons klicken". Es passierte dir etwas (für sich genommen ja wirklich nur ne winzige Kleinigkeit, aber ich finde, das Beispiel illustriert halt so schön, wie verschieden man sich verhalten kann), und darauf hab ich reagiert. Nicht dass ich aus ner Mücke jetzt einen Elefanten machen will, aber ich wollte das nur klar stellen, da du mich direkt angesprochen hast. Ansonsten tu ich mich zur Zeit schwer, meine Gedanken in Bezug auf Spiritualität in Worte zu fassen. Irgendwo ganz tief in mir sträuben sich auch instinktiv die Haare, wenn ich Spiritus lese, aber da geht es wirklich um die Institutionen, und nicht um Religion an sich. Soviel hab ich bereits erkannt. Und wie gesagt, viel mehr kann ich jetzt nicht dazu sagen, das liegt aber vor allem daran, dass mein Kopf zur Zeit nicht freigeschaltet ist auf dieses Thema, da sich viele andere da rumtummeln zur Zeit.

Ich wünsch dir eine gute Nacht

Caroline
ben1
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Re: Spitritualität und Depression

Beitrag von ben1 »

@ Caroline

Ist klar - und freut mich! Was sträubt sich da in Dir beim Thema Spiritualität? Das da was sein könnte, was man nicht so im Griff hat? Angst davor? Schau Dir das bitte einfach mal aus der Distanz an - und Du wirst viel über Deine Fassade lernen!

Natürlich wird mit dem Modebegriff Spiritualität viel Geld gemacht - das ist sehr Schade! Spiritualität hat für mich nichts damit zu tun, sich anderen Meinungen/Religionen/Sekten zu unterwerfen oder komplette Weltbilder zu übernehmen (wenn das auch oft der bequemere Weg ist), sondern zu entdecken, das da mehr ist als die "Fassade", die ich jahrelang so mühevoll aufgebaut habe. Da gibts noch etwas dahinter - und da gehts mir wie Thomas - nicht "hirnentleert" fanatisch zu einer Religion "zurückkehren", sondern die verschiedenen Ansätze der Religion einfach mal ansehen und das richtige für Sich rausholen. Religion ist nichts anderes als das Vehikel, das uns von a nach b bringt - mehr nicht! Und da sind schon ganz gute Gedanken in allen Weltreligionen vorhanden. Ich verrate noch kurz ein Geheimnis für alle, die meinen, in Ihrer Religion das Aleingültige gefunden zu haben - im Prinzip sprechen alle Religionen vom Selben! Nenn es, wie Du willst, die einen sagen Gott, die anderen (Gruß an alle Physiker) Potentialität - der Name tut nichts zur Sache, nenn es, wie Du willst. Für mich wars schwieri, mich von meinen kindlichen Gottesvorstellungen zu lösen - man muß Gott manchmal erst verlieren, bevor man ihn findet.

Schweigen ist auch o.k., denn man kommt bei diesem Thema schnell an die Grenze des Kommunizierbaren. Dennoch finde ich es einfach wichtig (und die vielen Klicks auf diesen Beitrag beweisen es), das sich der Suchende (auch ich) in einer Gemeinschaft weis, das er/sie weis - "mein Gott (da haben wir ihn schon wieder) andere Suchen auch in der Richtung" - das gibt Kraft!

Was mich unheimlich bei der Suche unterstützt hat war z.B. das Buch "Der springende Punkt" von Anthony de Mello (der ist schon lange tot und ich auch nicht mit ihm Verwandt, um den Vorwurf der Geschäftemacherei im Vorfeld zu ersticken) - kann ich nur empfehlen. Ich würde mich auch über Buchvorschläge Eurerseits freuen

Ben
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