Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

LadyFreeZe
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Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von LadyFreeZe »

Hallo,

ich habe gerade ein paar Tage bei meinem Vater verbracht. Eigentlich wollte ich dort ausspannen und mich erholen. Aber es ist genau das Gegenteil passiert: ich bin noch aufgewühlter und grüble noch mehr!

Vorgestern wurde mir schlagartig klar, dass ich von meinem Vater (er ist momentan der wichtigste Mensch in meinem Leben) nur Anerkennung erhalte, wenn ich etwas besonderes leiste. Letzte Woche, zum Beispiel, als ich meine Führerscheinprüfung bestanden hatte, konnte er mir gar nicht oft genug sagen wie gerne er mich hätte. Doch wenn es mir schlecht geht, sagt er nie so etwas und nimmt mich auch nie in den Arm. Obwohl ich es da am meisten brauchen würde und mich somit ständig nach Zärtlichkeiten sehne.

Das ganze erhöht meinen Leistungsdruck nur noch mehr. So hab ich andauernd das Gefühl perfekt sein zu müssen und den Wunsch besondere Dinge zu vollbringen. Dabei will ich mich doch mit kleinen Dingen zufrieden geben und mein Leben geniessen.

Oder bin ich einfach nicht sensibel genug, um die kleinen Gesten anderer als wertvoll zu betrachten? Warte ich in einer schlechten Phase förmlich darauf, dass mir jemand was Gutes tut, um es dann zu übersehen oder es gar nicht an mich heran zu lassen? Fordere ich das alles heraus?

Wie geht es euch? Kennt ihr so was auch? Oder geht es nur mir so...bin ich es einfach nicht wert...?

Steffi
"Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten.

In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis." (by Woody Allen)
Vanessa
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von Vanessa »

Hallo Steffi!

Ich kenne dieses Gefühl, es geht also nicht nur Dir so...
Dass Du es nicht wert bist stimmt nicht, aber leider ist das sehr schwer zu erkennen und dieses Gefühl das man minderwertig ist loszuwerden... ich habe damit auch schon bestimmt 6 Jahre zu kämpfen und komme davon nicht los das ich das Gefühl habe jeder mag mich nur wenn ich lustig bin und von keinen Problemen erzähle, aber ich denke gerade bei Menschen die einem nahe sind, wie bei Dir Dein Vater oder bei mir mein letzter Freund, hat man Schwierigkeiten es überhaupt zu glauben das sie einen so lieben wie man ist... so ist es zumindest bei mir gewesen.
Ich konnte nicht glauben das mein Freund mich so mochte wie ich war, habe immer gedacht er wäre nur mit mir zusammen weil ich die nächstbeste war die ihm über den Weg gelaufen ist. Er war immer nur wenn ich "gut drauf" war lieb zu mir (das Gefühl hatte ich zumindest, ob es stimmt, weiß ich nicht) und ich wurde deswegen immer trauriger und depressiver und dann fing ich an meine schlechte Laune an ihm auszulassen und dann mochte er mich wirklich nicht mehr, obwohl ich noch versucht habe ihm zu erklären woran es liegt, konnte er nicht mehr mit mir und meinen Problemen umgehen.
Ist es bei Dir vielleicht auch so? Ich weiß es ja nicht, aber evtl verhälst Du Dich so wie ich auch zu den Menschen etwas abweisend wenn Du traurig bist und das schreckt diese Menschen vielleicht ab. Vielleicht traut sich Dein Vater einfach nicht dich darauf anzusprechen oder er weiß gar nicht wie schlecht es Dir wirklich geht und denkt sich Du hast einfach eine Phase wo Du etwas schlecht gelaunt bist, aber das wird sich schon von selbst wieder legen.
Es gibt ja auch Menschen die können mit den Porblemen anderer Menschen nicht umgehen... das ist zwar sehr sehr traurig, aber so ist es leider... und andere Menschen so wie Du anscheinend brauchen sehr sehr viel Aufmerksamkeit... mit Worten, mit Taten... halt in jeglicher Hinsicht...
Daher glaube ich nicht das es daran liegt das Du nicht sensibel genug bist... Du bist wohl im Gegenteil extrem sensibel und brauchst deswegen die ständige Nähe zu den Mneschen die Du liebst und ständig eine Bestätigung von ihnen. Kann das sein?
Wie schon gesagt kenne ich Dich ja nicht weiter, aber vielleicht ist es ein Denkanstoß für Dich woran Deine Gefühle Du seist es nicht wert liegen könnten.
Ich hoffe dass es Dir hilft zu wissen, dass Du nicht die einzige bist der es so geht.

Lieben Gruß,
Vanessa
future
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von future »

Hallo Steffi,
nach allem was du geschrieben hast ( ich habe sämtliche Beiträge gelesen, auch die Antworten ) kann ich nur sagen, du bist auf dem Weg der Besserung.
Es heißt nicht umsonst " Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung "
Du hast erkannt das dein Vater dich nur dann richtig wahrnimmt, wenn du etwas gutes geleistet hast. Und nun bist du ihm böse deswegen.
Sei es nicht!
Du hast von seinem Alkoholproblem geschrieben. Warscheinlich steckt er selber voller Schuldgefühle und hat so sehr mit sich selbst zu tun, das er nicht erkennt, wie schlecht es dir geht. Außerdem tun viele Männer sich unheimlich schwer über Gefühle zu reden.
Es mag sich vielleicht hart anhören, aber sei dankbar das er dich überhaupt wahrnimmt. Wäre es nicht noch viel schlimmer, wenn er nicht einmal deine guten Leistungen zu würdigen wüsste?
Zum Thema " Sich selbst lieben " möchte ich dir ein Buch ans Herz legen, das mir sehr geholfen hat. Es heisst ´Ich bin Ich `und ist damals im RoRo- Verlag erschienen.
Es ist zwar schon viele Jahre her das ich es gelesen habe, aber es hat mein Bild von mir selbst sehr zum positiven verändert. Damals war ich fünfzehn und hatte auch einen Selbstmordversuch hinter mir. Nachdem ich das Buch gelesen habe habe ich mir eins geschworen: " Ich werde niemals wieder die Hoffnung verlieren ".
Danach habe ich noch viele Krisen durchgemacht, die auch mit meiner Vergangenheit zu tun haben, doch ich habe es immer wieder geschafft und bin gestärkt hervor gegangen.
Eines mache ich heute noch, immer wenn ich das Gefühl habe nicht mehr weiter zu können, dann schaue ich auf andere denen es noch schlechter geht. Da wird mir dann stets bewusst, wie gut es mir trotzdem noch geht. Das sage und zeige ich auch meinen Kindern, wenn sie mal wieder total unzufrieden sind.
Glaub mir, es hilft wirklich!
Zum Thema " Schuld "
Steffi, du bist nicht Schuld daran auf dieser Welt zu sein. Denk mal darüber nach!
Wurdest Du von Deinen Eltern gefragt, ob du auf diese Welt kommen möchtest. Deine Eltern haben sich entschieden dich auf diese Welt zu bringen und DAFÜR sind sie selbst verantwortlich. Es war ihre Entscheidung, nicht deine.Dabei kommt es nicht darauf an, unter welchen Umständen du gezeugt wurdest. Sie wollten heiraten, nicht du wolltest es. Wie hättest du die Tot- und Fehlgeburt deiner verstorbenen Geschwister verhindern können? Du warst doch noch viel zu klein. Auch bist du nicht Schuld an der Scheidung deiner Eltern! Deine Mutter wäre früher oder später hinter das Verhältnis deines Vaters gekommen und dann hätte sie sich bestimmt auch scheiden lassen. Deine Eltern hatten schon viel länger Probleme, was du ja bestetigt hast. Steffi, du bist jetzt in einem Alter in dem du dir sagen musst: Jeder ist selbst verantwortlich für die Entscheidungen die er/sie trifft.

Das alles hört sich veilleicht recht hartherzig an, aber ich kenne deine Probleme und die damit verbundenen Gefühle nur allzu gut. Ich bin wesentlich älter und habe auch schon einen Sohn der fast in deinem alter ist.Daher kann ich die Gefühle beider Seiten nach empfinden.
Sich selbst ständig die Schuld anderer aufzuladen macht einen kaputt. Du musst dich also unbedingt davon befreien!
Und ausserdem: Was bedeutet denn Schuld?
Schau mal ins Wörterbuch und lies dir die Bedeutung dieses Wortes durch.
Wenn überhaupt, dann haben sich deine Eltern schuldig gemacht. Dir gegenüber hatten sie eine Verpflichtung und nicht umgekehrt!
Liebe Grüsse
future
sewi
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von sewi »

Emily
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von Emily »

Hallo Heike,

deinen Beitrag fand ich sehr gut! Er beleuchtet die Sache mal aus einer anderen Perspektive.

Hallo Steffi,
solche Erkenntnisse sind sehr schmerzlich, aber für eine Heilung manchmal unerlässlich. Vielleicht denkt dein Vater aber auch einfach, dass du ohnehin wissen müsstest, dass er dich liebt. Hast du ihm schon einmal diese Dinge ganz klar gesagt, die du hier aufgeschrieben hast? Manchmal sind die Perspektiven von Eltern und Kindern wirklich total unterschiedlich, und man ist dann überrascht, wenn man die andere Perspektive mal genauer erklärt bekommt. Kennt man die Sicht des anderen genauer, dann ist auch ein Überdenken der eigenen Denk- und Verhaltensweisen (in diesem Falle deines Vaters) wieder wahrscheinlicher geworden.

LG, Emily.
MadMax
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von MadMax »

Hallo Steffi!

Aus Deinem Posting lese ich heraus, dass Du Dich danach sehnst, Anerkennung und Verständnis zu bekommen. Wer möchte das denn auch nicht? Du merkst, dass Du das zumindest teilweise erreichen kannst, wenn Du Besonderes leistest, möglichst perfekt bist. Was natürlich gar nicht sein muss. Jedenfalls sagt einem der Verstand das.
Andere Mitmenschen haben aber einfach nicht unbedingt die Fähigkeit, kleine Gesten anzubringen, die Mitgefühl, Achtung, Anerkennung usw. ausdrücken. Das musst Du gar nicht an Dir fest machen. Viele Menschen und gerade Männer haben mit diesen Gefühlsäußerungen wohl Schwierigkeiten (ich nehme mich da selber gar nicht aus, wobei da auch noch andere Gründe haben mag). Das habe ich in der Firma in Gesprächen mit Männern bzw. Frauen selber schon erlebt. Will damit sagen, dass Du gar nicht diejenige bist, die die Reaktionen anderer steuern kannst (z.B. durch Perfektionismus Deinerseits). Wenn Du Deinen Führerschein bekommen hast (Herzlichen Glückwunsch übrigens!! ), dann kann darauf von anderen Menschen wie Deinem Vater noch relativ rational (im Gegensatz zu emotional) reagiert werden, aber wenn es um Dein inneres Befinden, Deine Gefühle geht, ist zwangsläufig ein engeres, emotionaleres Verhalten des Gegenübers zu Dir erforderlich (wie auch das Einfach-mal-in-den-Arm-nehmen). Und wenn dieser es nicht gelernt hat es zu äußern fühlst Du Dich logischerweise nicht verstanden. Also nochmal: Mach die Reaktionen anderer gegenüber Dir nicht zwangsläufig an Dir fest.

Ich will auch immer perfekt sein und ich habe gemerkt, dass mich das kaputt macht. Ich setze mich viel zu sehr unter Druck. Na gut, die Erkenntniss ist nun vorhanden, die Umsetzung im Alltag ist eine ganz andere Sache. Aber ich glaube, dass ist ein ganz wichtiger Punkt: Nicht perfekt sein wollen, um von anderen etwas zu bekommen.

Ich hoffe, es ist so einigermaßen rübergekommen, was ich sagen wollte. Ist irgendwie nicht einfach, das in Worte zu kleiden.

Viele liebe Grüße!

Mad Max
future
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von future »

Danke Emily,
ich bin froh das ich diese Dinge nicht allein so sehe.

Liebe Steffi,
was ich in Bezug auf deinen Vater geschrieben habe gilt auch für deine Mutter.
Meine Mutter war fast nie da für mich. Es gibt nur wenige Situationen in meiner Kindheit, in denen ich das Gefühl haben durfte eine liebende Mutter zu haben.
Meine Mutter hatte nicht die Kraft für uns Alle ständig da zu sein.Sie hat genauso Kämpfe mit sich und ihrer Umwelt austragen müssen, wie Alle Menschen auf dieser Welt.
Als Kleinkind hätte ich sie gebraucht doch sie konnte nicht für mich da sein. Ein paar Jahre später ist mir schreckliches angetan worden, doch auch da war sie für mich nicht zu sprechen. Erst als ich versuchte mir das Leben zu nehmen fragte sie nach dem Warum, doch da war es zu spät. In meinen kurzen fünfzehn Jahren hatte sich soviel an Schmerz und Leid angestaut, ich hätte nicht gewusst wo ich anfangen sollte.
Irgendwann, ich war ca. 19-20 Jahre, fing ICH an nach dem Warum zu fragen.
Ich fragte mich: Warum sind meine Eltern so wie sie sind? Was hat sie zu diese Menschen gemacht? Warum können sie nicht ehrlich sein? Warum können sie mich nicht lieben?
Nach und nach erinnerte ich mich an all die kleinen und grossen ´Familiegeschichten`, die sie im Lauf der Jahre so erzählt hatten. Z.B. das mein Stiefvater ( meinen richtigen Vater kenne ich nicht ) bei seinen Großeltern gross geworden ist und wie streng sie waren. Oder das meine Mutter ihre richtige Mutter mit elf Jahren schon verloren hatte. Das sie mit fünf Brüdern kein leichtes Leben hatte. Dazu kam noch die damalige Zeit.
Steffi auch wenn es schwer zu verstehen ist, aber jede Zeit hat ihre Opfer!
Ich lernte so manche Reaktion meiner Eltern zu verstehen. Und als ich sie verstanden hatte, konnte ich auch verzeihen.
Ich habe jetzt selbst eine erwachsene Tochter und bin auch schon Großmutter. Ich konnte meine Tochter vierzehn Jahre lang nicht sehen und wusste nie wie es ihr geht. Eine Mutter konnte ich ihr nicht sein, denn sie war zu jung als sie von mir weggerissen wurde. Eine Freundin wäre ich ihr gerne, aber sie gibt mir keine Chance.
Du siehst Steffi, nicht nur die Kinder leiden, auch die Eltern. Als Kind fehlt uns nur der Blick dafür. Wie den auch, haben wir doch als Kinder keine Erfahrung darin.
Ich hatte mir als Kind geschworen nie so zu werden wie meine Eltern, doch den konnte ich nicht halten. Ich habe als Mutter auch viele Fehler gemacht. Doch meine Kinder wissen das ihre Eltern auch nur Menschen sind und Menschen stecken nunmal voller Fehler.
Ich will dein Leiden nicht geringer machen als es ist. Ein Mensch der freiwillig aus dem Leben scheiden will leidet extrem. Ich versuche dir nur andere Wege der Betrachtung zu zeigen.
Bist du sicher das deine Eltern damals Deinetwegen geheiratet haben, und nicht etwa weil die Gesellschaft es so gesehen hat. Eine Frau die schwanger ist muss heiraten!
Eine Mann, der eine Frau geschwängert hat, muss seiner Verpflichtung nach kommen.
Vielleicht war deine Schwester nicht nur das Wunschkind damit deine Eltern über den Tot der anderen hinweg kamen. Vielleicht wollten sie ja auch nicht das du alleine aufwachsen musst!
Kinder sind eifersüchtig!
Mein Sohn war zehneinhalb als er noch eine Schwester dazu bekam. Jahrelang hatte er stets gejammert und als unsere Kleine dann da war, war er beleidigt und eifersüchtig.
Versuche mal die Dinge mit anderen Augen zu sehen, dann können sie dich auch nicht mehr so verletzen. Und dein Herz und dein Kopf haben Zeit zu heilen, und werden den Weg zueinander finden.
Viele liebe Grüsse
Heike
Emily
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von Emily »

Liebe Heike,

ich lese gerade deinen äußerst interessanten Beitrag. Wie ich sehe, hast du auch schon sehr Vieles in deinem Leben durchlebt und durchlitten. Ich hoffe, dass du weiterhin hier schreibst, denn deine Beiträge sind wirklich sehr interessant und anregend für mich.
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende,
lieber Gruß, Emily.
future
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von future »

Liebe Emily,

es freut mich das dir meine Beiträge gefallen und äusserst anregend für dich sind. Ich muss zugeben, ich weiss im Moment nicht wie ich das einordnen soll.

Weisst du, ich habe eigentlich rein zufällig hier rein gefunden, durch eine Zeitschrift. Im grunde genommen wollte ich einfach nur mal diesen Selbsttest machen, um heraus zu finden, ob ich wirklich über den Berg bin.
Ich fand das Diskusionsforum und wurde neugierig.Steffis Beitrag hat mich sofort angesprochen.

Verzeih mir bitte mein Misstrauen, aber ich habe gesehen das du schon über fünfhundert Beiträge geschrieben hast. Andererseits konnte ich kein Thema von dir selbst finden, was ja wohl auch nicht obligatorisch ist, um hier teilzunehmen. Doch wüsste ich dann doch ganz gern in wie fern meine Beiträge anregend sein sollen? Bist du so eine Art Moderatorin?

Ja, ich habe schon die Hölle durchgemacht und habe auch schon darüber nachgedacht alles auf zuschreiben. Ich würde es ´Todessucht und Lebensmut`nennen.

LG
Heike
Emily
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von Emily »

Hallo Heike,

nein, ich bin keine Moderatorin -*lach*. Ganz im Gegenteil: Ich bin selbst jahrelang von schweren Depr. betroffen gewesen, habe es heute überstanden. Ich kam vor über einem halben Jahr auch schreibend in dieses Forum, vorher hatte ich schon lange mitgelesen. Seitdem habe ich natürlich schon einiges geschrieben.

Und dass mich deine Geschichte interessiert (hat), liegt u.a. einfach daran, dass wir evtl. in einem ähnlichen Alter sein könnten, beide offensichtlich schon so einiges hinter uns gebracht haben. Unsere Lebensgeschichten sind völlig unterschiedlich, aber deshalb interessieren mich ja andere Geschichten und Lebenserfahrungen eben auch so. Meine eigene kenne ich ja zur Genüge -*g*.

Einen eigenen Thread habe ich bisher nicht aufgemacht, weil ich mich gleich am Anfang in dem Angehörigen-Thread "Ich liebe meinen Mann" sehr angesprochen gefühlt habe. Dort habe ich dann viele Dinge von meiner Geschichte aufgeschrieben. Falls es dich interessieren sollte, kannst du es in den älteren Teilen des Threads (ab Dez. 02) nachlesen. Es ist in der Tat nicht obligatorisch, hier durch einen eigenen Thread teilzunehmen.

Deine Beiträge fand ich insofern anregend, als in ihnen viele interessante Lebenserfahrungen anklangen. Mich interessieren einfach Menschen und ihre Geschichten. Andere Leute interessieren sich für Technik oder Raumfahrt, bei mir steht das Interesse an Menschen eben an vorderster Stelle.

Insofern wollte ich dir einfach nur sagen, dass ich deine Beiträge eben gut und anregend fand. Vielleicht ist das letztere ein blödes Wort, auf jeden Fall lösen die hier gelesenen Erfahrungen anderer in mir sehr häufig auch neue Denkprozesse und gedankliche Veränderungen aus. Ganz gewiss wollte ich dir damit nicht zunahe treten.

Lieben Sonntagsgruß,
Emily.
future
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von future »

Hallo Emily,

ich danke für deine Antwort. Sie scheint mir offen und ehrlich.

Ich weiß nicht, ob wir in einem ähnlichen Alter sind. Ich bin mittlerweile 43 Jahre.
Eigentlich wollte ich ja Steffi einiges zu ihren Problemen schreiben, weil sich ihre Kindheit und Jugend mit meiner ein wenig ähneln.
Ja, ich habe eine Menge durch gemacht. Zur Zeit steht uns eine erneute Krise ins Haus. Ich weiß nicht, ob das jemals ein Ende finden wird. Es scheint mir ein unendlicher Kampf zu sein. Dabei sehne ich mich so sehr nach Harmonie und Frieden.
Damit du mich ein bischen besser verstehst gebe ich ein paar Daten meiner Lebensgeschichte preis:
Ich wurde unehelich geboren; meinen Vater durfte ich nie kennenlernen. Die ersten vier Lebensjahre verbrachte ich im Kinderheim. Meine Mutter heiratet und holt uns zu sich. Wir sind insgesamt fünf Kinder. Zwei von meinem Stiefvater und uns drei ( ältere )uneheliche. Meine ältere Schwester wird von meiner Tante adoptiert.
Mit fünfeinhalb eingeschult. Mit sieben missbraucht; mit acht das erstemal von Zuhause weggelaufen. Dann ein Lichtblick:
Verwandte lernen mich kennen lieben. Die nächsten sechs Jahre verbrachte ich bei Ihnen Sommer- wie Winterferien. Mit meinen Eltern habe ich nie Urlaub gemacht. Dann die ganz große Hoffnung: Sie wollen mich adoptieren, obwohl ein eigenes Baby da ist.
Die große Enttäuschung: Meine Mutter lässt es nicht zu.
Mit vierzehn werde ich vergewaltigt. Meine Mutter findet uns am nächsten Tag und sagt kein Wort.
Mit fünfzehn einhalb dann das erstemal verliebt. Ein Widerspruch? Kann ein Mädchen, das missbraucht und vergewaltigt wurde sich noch in einen Mann verlieben?
Ja, das geht. Ich fühlte mich das allererstemal in meinem Leben geborgen. Und wieder wollte meine Mutter es nicht zulassen. Sie wollte nicht das ich glücklich werde. Mein Freund war schon neunzehn und sie drohte ihn anzuzeigen wegen Verführung Minderjähriger. Der Grund war einfach nur der. Er war ein Türke. Als ich kein Ausweg mehr sah, versuchte ich mir das Leben zu nehmen. Warum sollte ich nicht geliebt werden und meine Liebe zeigen dürfen? Das Leben hatte so keinen Sinn mehr für mich.
Mit siebzehn Heirat ins Ausland. Glaubte es wäre die grosse Liebe, doch später erkannte ich das es nur eine Flucht von Zuhause war. Wir waren beide viel zu jung und egoistisch. Danach war ich ein halbes Jahr in Deutschland, doch die Sehnsucht nach meinen Freunden trieb mich zurück. Mit 21 dann erneut geheiratet: Diesmal war es eigene Dummheit. Wir bekamen eine Tochter. Schon bald fingen die Probleme an. Er ist Muslim und glaubte über alles und jeden erhaben zu sein. So sehr, das er mich verriet. Ich versuchte es noch über ein Jahr, aber es war sinnlos. Dann fing die Hetzjagt gegen mich an mit dem Resultat, das ich meine Tochter verlor. Als ich sie dann wieder für eine Weile bei mir hatte, ( er benötigte meine Hilfe ), zwang er mich zwischen meinen zwei Kindern zu wählen. Ich hatte aus einer neuen Beziehung einen Sohn geboren. Er forderte mich auf meinen Sohn zu verlassen und zu ihm und unsere Tochter zurück zu kehren. Hätte ich meinen Sohn in ein Heim stecken sollen!?
Es war das schlimmste was man einer Mutter antun konnte. Ich fiel in ein tiefes Loch und mir ist ganz klar das Dasein meines Sohnes mir das Leben gerettet hat. Ich musste leben, ob ich wollte oder nicht.
Wir waren sieben Jahre alleine und was solche Situationen häufig mit sich bringen, ich hatte natürlich auch Schulden. Mit 31 machte ich dann nochmal eine Umschulung. Während dieser Zeit ging ich meine jetzige Beziehung ein. Nach beenden der Umschulung zogen wir zu Ihm, 360 km von der Heimat entfernt.Das ist jetzt zehn Jahre her. Seit acht Jahren arbeite ich auf drei Schichten, habe nebenbei noch eine kleine Tochter bekommen. Ich habe es geschafft meine Schulden zu bezahlen und mein Leben in den Griff zu bekommen, aber ich trage die Probleme meines Lebensgefährten mit. Auch er war schon zweimal verheiratet, hat Kinder aus diesen Ehen, und seine zweite Frau ( meine eigene Schwester ) hat ihm ernorm hohe Schulden hinterlassen.
Nein, wir haben sie nicht betrogen!
Wir sind erst zwei Jahre nach deren Trennung zusammen gekommen, nachdem sie ihn schon ein halbes Jahr mit ihrem jetzigen Ehemann betrogen hatte.
Meine Mutter hat mal zu mir gesagt: Ich wünschte ich hätte Dich, statt deine Nachgeburt weggeworfen.
Manchmal wünsche ich mir das auch.
LG
Heike
Emily
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von Emily »

Liebe Heike,

dein Posting hat mich sehr berührt. Für deinen Mut und deine Offenheit verdienst du ganz viel Respekt. Deine Erlebnisse würden in der Tat ein Buch füllen. Wie hast du es geschafft, mit alledem immer wieder fertigzuwerden?
Es muss sehr schwer für dich gewesen sein, das alles durchzustehen. Umso bewunderswerter finde ich es, dass du die Schwierigkeiten immer wieder aufs Neue angepackt hast. Woher hast du die Kraft dazu genommen?
Im Moment fehlen mir die Worte, um viel zu deinem Posting schreiben zu können.
Vielleicht wäre es eine Überlegung wert, doch einen eigenen Thread für dich anzufangen. So könnte man evtl. besser auf deinen Beitrag antworten.

Liebe Grüße, und willkommen im Forum!
Emily.
LadyFreeZe
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von LadyFreeZe »

Liebe Heike, liebe Emily, liebe Vanessa, lieber MadMax und all die anderen,

erstmal vielen Dank für eure Antworten! Es tut sehr gut so verstanden zu werden...
Leider war ich erst heute dazu fähig mir alles in Ruhe durchzulesen. Die letzten Tage waren das reinste Chaos, am liebsten wäre ich das ganze Wochenende im Bett geblieben. Mit meiner Therapie komme ich auch nicht weiter, alles erscheint so hoffnungslos. Wie gerne würde ich meine Sachen packen und von allem davonlaufen - am besten in eine Klinik. Da wüsste ich wenigstens, dass mir nichts passiert oder viel mehr dass ich mir nichts antue, denn der Druck ist momentan wieder sehr, sehr gross.

Was die Sache mit meinen Eltern betrifft: Ich glaube, sie werden niemals verstehen was wirklich in mir vorgeht oder wie es mir geht. Dafür müssten sie mich erst ein mal erst nehmen und das tun beide nicht im geringsten.

Mich erst nehmen...das tut wohl niemand in meinem näheren Umfeld. Klar, wie soll man einen essgestörten, depressiven Menschen, der nichts auf die Reihe bekommt auch ernst nehmen?

Naja, wenn ich mir das recht überlege, sollte es viel mehr heissen: Wie soll man jemanden erst nehmen und lieben, der sich selbst nicht liebt und ernst nimmt?

Aber ist es nicht die verdammte (entschuldigt!) Pflicht meiner Eltern mich zu lieben und mich so zu nehmen wie ich bin? Wie soll das ein Kind lernen, wenn es die Eltern schon falsch vormachen? Jetzt ist es zu spät, jetzt bin ich erwachsen (sollte ich zumindest sein). Meine Stiefmutter meinte einmal, als ich ihr mein Leid klagte: "Mach dich selbst zur Frau, dafür brauchst du deine Mutter nicht!" Sie hatte wohl recht...ich muss selbst lernen mich zu lieben. Wenn das nur nicht so schwer wäre...mir fehlt die Kraft...

Liebe Heike, auch mich hat deine Geschichte tief berührt. Es ist bewunderswert wie du das alles durchgestanden hast! Ich wünsche dir jedenfalls weiterhin ganz viel Mut und Kraft!!!
Eine Frage hätte ich noch: Weisst du zufällig wer der Autor des Buches "Ich bin Ich" ist. Konnte es leider nirgendwo auftreiben!

Liebe Grüsse,
Steffi
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future
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von future »

Liebe Steffi,

es tut mir leid, aber leider weiß ich nicht mehr wie der Autor heißt. Das Buch habe ich auch nicht mehr, es ist zu lange her.

Es tut mir leid das Du dich so elend fühlst. Weißt Du, immer wenn ich mich so fühlte oder manchmal auch heute noch down bin, dann habe ich mich ausgeheult. Ich habe mir mein Leid mit meinen Tränen ausgewaschen bis mein Kopf leer war. Danach hatte ich wieder Platz. Es ging mir deswegen nicht umbedingt besser, aber ich konnte mich dann auf andere Dinge konzentrieren und mich ablenken. Mit allem was MIR gefiel.
Hast Du keine Interessen, gibt es keine Hobbys denen du nach gehst?
In Deinem Alter geht man aus, in die Disco tanzen oder vielleicht bist Du eher ein Naturfreund.
Du mußt jetzt einfach mal an dich denken. Mach dich hübsch, denn mit einem hübschen Äußeren wirkt man ganz anders auf die Menschen. Achte darauf wie sie dich anschauen. Macht dir vielleicht jemand ein Kompliment? Ein Lächeln; vielleicht auch ein Augenzwinkern. Sauge diese gut gemeinten Gesten in dich auf, denn das hebt Dein Selbstwertgefühl. Höre Musik die dir gefällt oder gehe ins Grüne, leg dich unter einen Baum, schliess die Augen und hör der Welt zu. Und dann lass dich fallen. Alles wird von dir geschwemmt. Nicht für immer, aber für ein paar Minuten oder eine halbe Stunde. Je nachdem wie lange du es aushälst. Wenn du dann wieder aufstehst wirst du die Kraft spüren.
Wie wäre es mal mit Urlaub ganz allein. Fort von deinen Eltern und ihren Problemen. Du hast doch einen Führerschein, bist also Mobil. Nutze Deine Möglichkeiten und lass dich vom Leben ablenken. Wenn du dann wiederkommst, hast du etwas Abstand zu den Dingen gewonnen und kannst sie gelassener angehen. Gerade heutzutage gibt es doch so Vieles was man tun kann.
Steffi, deine Eltern werden sich für Dich nicht mehr ändern, dafür sind sie zu alt und eingefahren. Aber Du, Du kannst noch etwas ändern. Du kannst jetzt selbst dafür sorgen das es Dir gutgeht. Gehe Deinen Interessen nach und mach das was Dir Spaß macht. Es wird Dir Kraft geben und Dein Selbstbewusstsein stärken.

Liebe Grüße
Heike
LadyFreeZe
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von LadyFreeZe »

Liebe Heike,

schade, dass du den Autor nicht mehr weisst! Aber trotzdem vielen Dank, vielleicht finde ich das Buch ja noch irgendwo! (ich versuche jetzt einfach mal optimistisch zu denken)

Eigentlich weiss ich sehr genau, dass ich mir was Gutes tun sollte, wenn es mir so schlecht geht. Aber was tut mir gut? Was macht mir Spass? Was gefällt mir?

Ich hab schon so viel ausprobiert, aber das Richtige war noch nicht dabei! Ich geb, wohl viel zu schnell auf und hab zu wenig Geduld. Irgendwie erwarte ich immer gleich viel zu viel von mir, alles muss perfekt sein. Dieser Leistungsdruck macht mich total fertig!

Das mit der Disco ist auch so ne Sache. Früher bin ich super gerne mit meinen Freunden tanzen gegangen...heute geht mir das nur noch auf die Nerven. Alles ist irgendwie so oberflächlich! Jede will die Hübscheste sein, am besten aussehen und den tollsten Kerl abbekommen. Da bleib ich doch lieber zu Hause...

Aber was wirklich eine gute Idee ist, ist das mit dem Urlaub. Ich glaube, das werde ich am Wochenende machen! Einfach ins Auto setzen und irgendwo hinfahren, so wie ich gerade Lust habe. Vielleicht tut mir das wirklich gut...

Danke!!!
Steffi
"Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten.

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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von future »

Hallo Steffi,

ich hoffe du befolgst meinen Rat und fährst auch wirklich mal fort. Selbst wenn du am Wochenende plötzlich keine Lust mehr verspürst, vielleicht, weil wieder etwas vorgefallen ist, dann zwing dich dazu. Du wirst sehen es tut dir gut.

Leistungsdruck und Perfection- eine Krankheit der heutigen Gesellschaft.

Hast du dich schonmal gefragt woher der Leistungsdruck kommt?
Sind es die Erwartungen der Menschen um dich, oder sind es vielleicht deine eigenen Erwartungen unter denen du leidest?
In beiden Fällen kann man lernen Abstriche zu machen.
Bei mir war ich selber Schuld. Ich bildete mir ein stets 300 % geben zu müssen.
- eine gute Arbeiterin
- eine gute Arbeitskollegin
- eine gute Mutter
- eine gute Partnerin
- eine gute Hausfrau
- eine gute Seelsorgerin
- ect., ect.
Ich konnte einfach nie nein sagen! Und ich bildete mir mittlerweile ein, das ohne mich alles zusammenbricht!
Als ich es physisch nicht mehr schaffte, beantragte ich eine Kur. Ich gewann Abstand und Ruhe. Als ich zurückkam mußte ich feststellen das die Firma noch stand und ganz gut ohne mich zurechtgekommen ist. Meine Arbeitskollegen hatten sich lediglich wegen der Wochenenden beschwert, aber das juckte mich nicht sehr.
Daheim war es zwar nicht so gut gelaufen, aber na ja, meine Jungens hatten halt öfters Pizza bestellt, statt sich etwas zu kochen. Unsere Tochter hatte ich bei mir auf der Kur.
Der Prozess, sich gegen den Druck zu wehren, dauerte ca. ein Jahr. Es kam dann nochmal eine Schulteroperation dazu, die mich zur Ruhe Zwang. Jetzt bin ich geheilt.
Auf der Arbeit klärte ich was bei mir möglich sei und was nicht. Daheim sagte ich ganz klipp und klar das ich keine Superfrau bin und es auch nicht sein wolle. Ich habe sie vor die Wahl gestellt.
Mit mir selber klärte ich meine eigenen Erwartungen. Ich schraubte sie runter.
Jetzt habe ich Kraftreserven die ich anzapfen kann, wenn mal Not am Mann ist.
Steffi, all das geht nicht von heute auf morgen, aber wenn du dir dein Ziel steckst und immer geradeaus schaust, kannst auch du es schaffen. Die Geduld stellt sich mit der Zeit von selbst ein.

Ich wünsche dir eine erfolgreiche Woche und ein erholsames Wochenende.
LG
Heike
future
Beiträge: 31
Registriert: 20. Jun 2003, 14:57

Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von future »

MadMax
Beiträge: 383
Registriert: 1. Jun 2003, 14:05

Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von MadMax »

Liebe Steffi, liebe Heike!

Die Schilderungen in euren heutigen Postings treffen voll und ganz auf mein Befinden zu.

>Eigentlich weiss ich sehr genau, dass ich mir was Gutes tun sollte, wenn es mir so schlecht geht.

Die elendige Sache zwischen Kopf und Gefühl........

>Aber was tut mir gut? Was macht mir Spass? Was gefällt mir?

Wenn ich das noch wüsste! Selbst sich damit zu beschäftigen und sich darüber klar zu werden, ist viel zu anstrengend. Noch. Zwischendurch flammen auch Augenblicke mit längst vergessener Begeisterung für irgendetwas auf. Warum sollte es nicht gelingen (wenn auch in einem langwierigen Prozess) diese Augenblicke auszubauen und mehr davon zu bekommen? Ich glaube, auch tief in Dir, Steffi, liegt noch irgendwo Begeisterung verborgen. Und sie kann wieder aufleuchten! Ich hätte auch nicht gedacht, dass es sowas bei mir noch gäbe.

>Ich geb, wohl viel zu schnell auf und hab zu wenig Geduld. Irgendwie erwarte ich immer gleich viel zu viel von mir, alles muss perfekt sein. Dieser Leistungsdruck macht mich total fertig!

Du sprichst mir aus der Seele! Und dann kommt es leider vor, dass dieser über Jahre aufgebaute Druck einfach zu viel wird, ins Gegenteil umschlägt und in eine totale Leistungsverweigerung mündet. Bestes Beispiel die elendige Lernerei, aber auch diese Phasen wenn man nur noch stumpf zu Hause rum sitzt und zu rein gar nichts mehr fähig ist.

Mein Thera hat mir auch den Tipp gegeben mich zu zwingen raus zu gehen, etwas zu unternehmen. Ist leider meistens schwieriger als man denkt. Aber es ist was dran! Und was den Urlaub betrifft – und wenn es nur ein paar Tage oder Stunden sind – kann ich Dir, Heike, nur zustimmen. Es hilft unglaublich auf andere Gedanken zu kommen, einfach mal wieder frei aufatmen zu können.
Also, tu das am Wochenende, Steffi! Denk nicht viel über das Wenn und Aber nach, tu es!
Ich wünsche Dir, dass Du das schaffst!

Viele liebe Grüße!

Mad Max
Data

Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von Data »

Liebe Heike,

ich vermute mal, es war dieses Buch, welches du damals gelesen hast:



Du findest es bei Amazon hier:

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... 70-5595750


Oder war es dieses Buch?



http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... 84-0469623


Ich hoffe, ich konnte dir helfen.

Liebe Grüße

Data
LadyFreeZe
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von LadyFreeZe »

Hallo, liebe Heike, lieber MadMax,

es tut immer wieder gut eure Postings zu lesen, so weiss ich wenigstens, dass ich nicht ganz allein mit meinen Sorgen und Problemen bin.

Ich habe sehr lange über die Sache mit dem Perfektionismus nachgedacht, und bin zu dem Schluss gekommen, das ich einen sehr grossen Teil dazu selbst beitrage bzw. beigetragen habe. Ich muss einen perfekten Schulabschluss haben, ich muss meine Ausbildung mit sehr gut abschliessen und ich muss nächstes Jahr noch ein tolles Abitur anhängen. Ich muss perfekt aussehen und ich muss es allen recht. Die Frage ist nur: Will ich das überhaupt? Oder tu ich das nur, weil ich glaube dass das alle von mir erwarten? Eigentlich könnte es mir doch egal sein, was die anderen denken oder sagen. Sie sollten mich doch so lieben wie ich bin und nicht deswegen, weil ich so tolle Leistungen erbringe. Ja, das WEISS ich...aber ich FÜHLE es nicht - mein ewiger Konflikt zwischen Kopf und Herz, dem ich gerne nachgebe, weil mir so oft die Kraft fehlt...

Da bewundere ich meine Stiefschwester. Die kellnert schon seit Jahren, eigentlich ohne Zukunftsaussichten, aber sie ist glücklich und ihr gehts gut damit. Ja, vielleicht auch nicht 100% das "Richtige", aber zählt es nicht nur einfach nur, dass sie glücklich und zufrieden ist? Zumindest fü den Moment.

Andererseits ist diese Bewunderung, meinerseits, fast schon wieder ein Fehler. Dadurch passe ich mich anderen an, will so sein wie sie...dabei will ich doch einfach nur ich selbst sein, und herausfinden was für mich richtig ist...oder!?

Alles Liebe,
Steffi

Entschuldigt, dass ich so wirres Zeug schreibe!
"Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten.

In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis." (by Woody Allen)
Captain Kirk
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von Captain Kirk »

ein Buchtip:
"Weiblicher Narzissmus. Der Hunger nach Anerkennung" von Bärbel Wardetzki.

Gruß
c.
MadMax
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Registriert: 1. Jun 2003, 14:05

Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von MadMax »

Hallo Steffi!

Die Sache mit dem Perfektionismus. Mir war wohl bewusst, dass ich schon sehr lange (immer?) einen Hang dazu hatte. Nur fiel mir das früher auch nicht schwer. Die meisten Dinge, die Leistung verlangten, waren kein Problem. In der Therapie schilderte ich zunächst diesen auf den ersten Blick krassen Gegensatz zwischen früher und heute. Damals der Perfektionismus, heute oftmals totale Leistungsverweigerung, kein Ansporn mehr, keine Herausforderung, die gemeistert werden will, pures Desinteresse. Erst vor wenigen Monaten ist dies für mich durch meinen Therapeuten in logischen Zusammenhang gerückt. Ist über Jahre von einer Sache zu viel vorhanden, läuft das Fass irgendwann über und das, was zu lange zum Leben dazugehörte, wird nun rigoros notabgeschaltet, um den aufgebauten Überschuss in einer sehr drastischen Art und Weise auszugleichen.
Ich habe auch lange nicht verstanden und verstehen wollen, dass mir schon sehr früh jede Menge Vernunft und Genauigkeit eingeimpft worden ist. Die Wegbereiter des Perfektionismus.
Oh, wie ich dieses Wort mittlerweile hasse! Perfektionismus, pah! Konnte ich früher sogar in gewisser Weise stolz darauf sein, so ist es heute nur noch eine einzige Qual.

Auch bei mir sollte der perfekte Schulabschluss her. Aber zu der Zeit hat sich mein Körper das erste Mal gegen diesen Zwang zur Wehr gesetzt (hab mich aber doch ganz gut durchs Abi gemogelt So wie ich mich eigentlich immer überall nur noch durchmogel). Nicht, dass mir das damals schon bewusst gewesen wäre. Das kam erst als die Welt zusammenbrach und ich mein Studium schmiss. Dass ich Hilfe benötigte, wurde erst klar, als sich die Sache zu wiederholen drohte und auch die Ausbildung am seidenen Faden hing.

Schön und gut, dass die Sache soweit schlüssig ist, aber Du hast vollkommen recht, Steffi: Der Kopf hat's kapiert und weiss, dass da dringend eine Änderung des Verhaltens stattfinden sollte. Aber es ist einfach nicht so ohne weiteres durchführbar. Die Befehle, die der Kopf aussendet, können nicht umgesetzt werden. Dem stehen die tief verfestigten Verhaltensmuster des Körpers, des Herzens und des Gefühls entgegen.
Immerhin, ist dies nicht schon ein riesig grosser Schritt, diese Erkenntnis zu haben? In langer, mühevoller Arbeit werde ich mich ändern können. Solange der Glaube daran nicht verschwindet.


Zum Schluss noch so ein Gedanke, der mir durch den Kopf geht, den ich aber noch nicht ganz zu fassen bekomme. Ich versuch's mal zu formulieren:
Die Anpassung an andere: deswegen, um durch das vermeintliche So-Sein-Wie-Sie Anerkennung zu erlangen??? Wenn Anerkennung auf andere Weise nicht stattfindet, dann vielleicht durch das Abkupfern der Perfektheit anderer oder das, was wir im Verhalten und dem Leben dieser Menschen sehen??? Drum sich diese als Vorbild nehmen und sich im eigenen Verhalten ihnen anpassen, ihnen nacheifern wollen???


Viele liebe Grüße,

Mad Max
future
Beiträge: 31
Registriert: 20. Jun 2003, 14:57

Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von future »

Narzismus- krankhafte Verliebtheit in sich selbst.

Lieber c.

Danke für den Hinweis, aber ich glaube kaum das du die Wurzel des Übels erkannt hast.
Was ist dein Problem, weshalb bist Du hier?

LG
Heike
future
Beiträge: 31
Registriert: 20. Jun 2003, 14:57

Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von future »

Hallo Commander,
danke für deine Mühe. Ja, es ist das Buch von Judith Jannberg.
Nochmals vielen Dank.
LG
Heike
future
Beiträge: 31
Registriert: 20. Jun 2003, 14:57

Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben (Teil II)

Beitrag von future »

Anerkennung:
Ich arbeite jetzt seit acht Jahren in meiner Firma, habe mit vielen Leuten zu tun.
In den acht Jahren habe ich es noch nicht einmal erlebt das ein Arbeitskollege den anderen gelobt hat. Was ich ständig erlebe ist: "Eh, Du Blödel, was hast`n da wieder für ein Mist verzapft." Der so Beschimpfte kann Leistungen erbracht haben wie er will, Anerkennung ist keine vorhanden. Aber das allertraurigste daran ist, jedenfalls in meinen Augen, sie lassen es sich gefallen.
Als ich hier angefangen habe dachte ich:" Mein Gott, was sind das für Menschen."
Ich bin hier nicht geboren und aufgewachsen, sondern ´nur`zugezogen, kannte diesen Menschenschlag also noch nicht so gut.
Da gibt es kein ´Guten Morgen``bei Schichtbeginn, oder ´Auf Wiedersehen`am Ende. Die Leute gehen gaaanz langsam in die Firma und stehen zehn bis fünfzehn Minuten am Feierabend an der Stechuhr.
Vor kurzem war ein Kollege total perplex, weil ich: " Danke, Du bist ein Schatz", zu ihm gesagt hatte. Er hatte mich ungefragt bei meiner Arbeit unterstützt und ich dankte ihm ganz spontan mit diesen Worten. So oder ähnlich erlebe ich es immer wieder. Anderen helfen, außer innerhalb der eigenen Gruppe, ist nicht selbstverständlich. " Das ist nicht meine Aufgabe", " Dafür werde ich nicht bezahlt" und andere Kommentare sind sehr verbreitet. Und bevor man eine besondere Leistung lobt, beißt man sich lieber die Zunge ab.
Das ist aber nicht nur auf Arbeiterebene so, das geht bis in die Chefetage.
Ich habe erlebt, wie ein Kollege von mir in an Händen und Füßen gefesselt, den Mund mit Klebeband zugeklebt, in eine große Bohrmaschine gesetzt wurde und die Leute gingen Heim. Es war Samstags. Sie hatten dem armen Kerl lediglich einenSchraubenzieher in den Mund gesteckt, womit er versuchen sollte sich zu befreien.

Leistungen sollen überall erbracht werden.
Im Kindergarten geht es an, dann in der Schule und nebenbei natürlich auch im Elternhaus. Im Beruf geht es weiter und der Druck wächst. Die Erwartungen werden immer höher geschraubt und wenn man ihnen nicht gewachsen ist, ist man " OUT ".

Der Druck, die Unzufriedenheit wird mit nach Hause getragen und an die Schwächsten weitergegeben.

Muß das so sein? Darf das so weitergehen?
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