Depression oder Selbstfindung?

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GH
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Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von GH »

Hallo liebe Forumsteilnehmer,
ich habe schon mal zu diesem Thema gepostet, aber irgendwie ist was falsch gelaufen.
Ich mache mir große Sorgen um meinen Sohn, Mitte 20, der seit dem Abitur (mit Mühe beim zweiten Anlauf bestanden) außer seinen Zivildienst eigentlich nichts gemacht hat, was ihn im Leben weiterbringen könnte. Er hat sich halbherzig mal um einen Ausbildungsplatz mal um einen Studienplatz beworben. Beides ohne Erfolg. Mit uns, seinen Eltern, redet er so gut wie gar nicht über sich, und wir haben angenommen, er redet mit seiner Freundin, nun stellt sich heraus, dass sie auch nicht an ihn herankommt und ist ziemlich verzweifelt und weiß nicht ob sie die Beziehung weiterführen will. Sie hat sich unserer Tochter anvertraut. Sie selbst ist sehr lebensfroh und ehrgeizig. Einem Außenstehenden kommt es vor, als ob er einen riesengroßen Schweinehund hat, den er einfach nicht überwinden kann. Er hat so einen kleinen Nebenjob in einem Klub und geht richtig in diesem auf, ist total beliebt bei allen und immer der Mittelpunkt. Zu Hause hängt er dagegen nur rum, spielt Computer, guckt fern, schläft. Da bei uns in der Familie Depressionen ziemlich viel vorkommen (ich, mein Vater)frage ich mich, ob es sich hier um eine Depression im klinischen Sinn handelt, womöglich eine bipolare Störung, oder ob es sich halt um einen "Selbstfindungsprozess" handelt. Mein Mann, der mit Depressionen nicht viel anfangen kann, meint letzteres und dass ich mir zu viele Sorgen mache. Aber, ich weiß es klingt ziemlich krass, ist der Zug bald abgefahren. Mit 25 einen Ausbildungsplatz zu kreigen ist sowieso schon schwierig, besonders wenn man solche Riesenlücken im Lebenslauf hat. Ich weiß nicht mal wie ich das Thema ansprechen soll. Sobald ich ihn auf seine Situation anspreche, macht er komplett dicht. Seit 2 Jahren halte ich mich sehr zurück aber es tut sich immer noch nichts.
Weiß jemand einen Rat für mich?
BeAk

Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von BeAk »

Liebe Gisela,

für mich höhrt sich das ganze nach Hotel Mama an und das kostenfrei.

Setzt Deinem Sohn mal die Pistole auf die Brust, entwerder er ist krank und begibt sich in ärztliche Behandlung oder er kümmert sich ab sofort um Studium, Ausbildung oder Arbeitsplatz. Erkläre Ihm das Du nicht länger gewillt bist, seine Untätigkeit zu finanzieren, er in absehbarer Zeit selber für sich zu sorgen hat. Sollte er weiterhin meinen, in den Tag hinnein leben zu können, solle er das bitte in seiner eigenen und selbstfinanzierten Wohnung tun.
Setzt ihn dann vor die Türe.
barney

Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von barney »

Hallo Gisela,

ich kann mich Bea nur in vollem Umfang anschliessen. Das Ganze klingt wirklich sehr nach Hotel Mama.

Gruß
Bernd
GH
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Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von GH »

Liebe Bea,
hast Du Kinder? Schon mal vor die Tür gesetzt? Ich merke mein Anliegen ist völlig mißverstanden worden. Erstens wohnt mein Sohn nicht zu Hause, sondern bei seinem Bruder (der genau das Gegenteil ist - fleißig, strebsam - alle diese "wünschenswerte" Eigenschaften - liegt also wohl nicht an der Erziehung). Also kann hier von Hotel Mama keine Rede sein. Zweitens haben wir ihn alle sehr gerne. Ist auch ein sehr liebenswerter Kerl aber irgendwie "lebensfremd". Drittens, meine Mutter hat jahrelang versucht, meine Depressionen mit "Reiß-dich-zusammen" Parolen zu "therapieren". Das gleiche werde ich wohl meinem Sohn nicht antun. Egal, danke für Eure sicher wohl gemeinte, jedoch ziemlich unrealistische "Ratschläge". Wäre besser gewesen ich hätte nicht gefragt. Ich dachte nur vielleicht gibt es jemanden mit ähnlichen Erfahrungen, der diese weitergeben könnte. Übrigens, Bea, ich habe oft hier Beiträge von Dir gelesen, und habe mich gefragt, woher diese Härte kommt. Hast Du einen Haß auf die ganze Welt? Denk darüber nach und "Take it easy".
Gisela
tomroerich
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Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von tomroerich »

Hallo Gisela,

ich wundere mich allerdings auch, warum Menschen, die selbst in einem Depressionsforum schreiben und also ja wohl irgendwie davon betroffen sind, genau auf die Ideen verfallen, unter denen sie doch eigentlich als Betroffene selbst zu leiden haben: Kriegt jemand sein Leben nicht auf die Reihe, ist er/sie bequem und sollte die Pistole auf die Brust gesetzt bekommen.

Aber zum eigentlichen Thema. Mein Sohn ist 23. Er hatte die von dir beschriebenen Probleme mit 19-21. Damals war er mit seinem Abitur fertig (superguter Abschluss) und fiel dann innerhalb von Wochen in Grübeleien und tiefe Unzufriedenheit. Ganz wie du es beschreibst, war und ist er schon immer ein verschlossener aber sehr liebenswürdiger Mensch, an den niemand so ohne weiteres herankommt. Weder die Eltern noch die Freundin. Wir konnten nur zuschauen, wie sich seine Stimmung immer mehr verdüsterte und rückblickend würde ich sagen, er hätte auch gar nicht beschreiben können, was ihm fehlte, weil er es selbst nicht wusste.
Ich verstehe seine damalige Gesamtsituation heute so: Im Gegensatz zu seiner Schwester, die jetzt kurz vor ihrem Abi praktisch wöchentlich neue Ideen davon entwickelt, was sie einmal werden will und sich schwärmerisch ausmalt, wie toll alles werden wird, habe ich an meinem Sohn nie wahrgenommen, wozu er beruflich tendiert. Er ist breitbandig begabt, hat aber kein inneres Bild davon, was zu ihm passt oder was er will. Das hat er wohl von seinem Vater.
Jetzt bedenke noch die heutige Berufswelt: Eine unüberschaubare Vielfalt von Möglichkeiten, von denen aber niemand weiß, ob es sie in 5 Jahren noch geben wird, die ungeheueren Ansprüche an Durchsetzungs- und Stehvermögen, die Ellenbogenmentalität.
Ein junger Mensch, der selbst gar nicht recht weiß, was richtig für ihn ist, muss sich da einem riesigen Berg gegenüber sehen und verfällt sehr leicht in Resignation oder bekommt einfach richtig Angst.

Bei D. (meinem Sohn) entwickelte sich tatsächlich eine depressive Erkrankung leichterer Art, die schnell erkannt wurde, weil ich selbst einschlägig erfahren bin und die Anzeichen richtig deuten konnte. Er ging bereitwillig zum Arzt, bekam ein AD, das anschlug und konnte die Krise schnell überwinden. Er studiert heute voller Eifer und macht einen insgesamt ausgeglichenen und lebenslustigen Eindruck, bleibt aber der verschlossene Typ, der er ist. Da muss er eben noch lernen, ist aber auch für das Problem sensibilisiert, d.h. er weiß, dass ihm das nicht gut tut.

Wenn dein Mann von Selbstfindung redet, ist sicherlich was dran insofern, dass da etwas fehlt, was deinem Sohn Mut zur großen Schlacht des Erwachsenseins macht. Nur findet man sich ja nicht durch Abwarten und Passivität. Manchmal braucht es Zeit aber es kann auch stagnieren und nirgendwo hinführen. Man kann so nicht sagen, ob er beahndlungsbedürftig depressiv ist, da müsste er schon mal mit einem Befindlichkeitsprofil herausrücken. Ich denke, ohne dass man mit ihm ins Gespräch kommt, wird es schwer. Bei D. flossen plötzlich die Tränen, weil es ihm so schlecht ging- der Leidensdruck hat ihn geöffnet und der Knoten war durch. Ob vielleicht ein Therapeut helfen könnte?

Viele Grüße von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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GH
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Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von GH »

Lieber Thomas,

vielen Dank, dass jemand endlich kapiert hat, wo mein Problem liegt und einen vernünftigen Beitrag dazu schreibt.
Ich sehe es genau so wie Du. Da dieser Zustand bei meinem Sohn sehr lange anhält, habe ich große Zweifel, ob er selber da raus findet. Da er weder mich noch sonstwer überhaupt an sich ranlässt, ist es schwer, ihm Ratschläge bezüglich Therapie oÄ zu geben. Ich hätte da sogar einen ganz tollen Therapeut, mit dem er sich meiner Meinung nach auch verstehen würde (es ist der Psychiater, der mir meine Medikamente immer verschrieben hat - ich habe meine Gesprächstherapie bei einer Kollegin von ihm gemacht). Nun fürchte ich leider, dass mein Sohn die Einstellung meines Mannes (nur bekloppte gehen zum Psychiater so in etwa - er fängt erst jetzt langsam an zu kapieren, dass es sich bei mir um eine Krankheit und nicht um eine "Charakterschwäche" handelt) übernommen hat. Ich glaube auch, er hätte Angst, dass seine Freunde davon erfahren würden. Was eigentlich quatsch ist, denn die Freundin seines besten Freundes ist schon zweimal stationär behandelt worden. Aber sie ist eben eine Frau. Mein Sohn spielt gerne der "starke Mann" - ich weiß aber dass er innerlich noch ein ängstliches Kind ist. Ich glaube auch, dass eine Therapie ihm gut tun würde, da er mal zu einer Gruppentherapie wegen Wiedererlangen des Führerscheins machen mußte (Trunkenheit im Straßenverkehr)und irgendwie dabei kurzzeitig "aufblühte". Ich bin ziemlich am Ende meines Lateins, ich habe ihm sogar angeboten, dass wir ihm eine Ausbildung in dem von ihm angestrebten Bereich bezahlen würden, wenn er keine reguläre Ausbildungsplatz findet. Das habe ich nur getan, damit er aus diesem Loch herauskommt und eine Perspektive hat. Mein Angebot hat er nebenbei zur Kenntnis genommen und sich nicht weiter dazu geäußert. Jetzt zieht seine heißgeliebte Freundin zum Studieren in eine andere Stadt. Ich hoffe, dass dies ihn nicht noch weiter runterzieht. Vielleicht ist dann der Leidensdruck so groß, dass er etwas unternimmt. Ich habe ehrlich gesagt Angst, dass es dadurch nur noch schlimmer wird. Im Moment hoffe ich sehr, dass seine ältere Schwester vielleicht ein bißchen Zugang zu ihm finden kann. Ich mache mir wirklich sehr große Sorgen.
Danke nochmal für deine Unterstützung
Gisela
DewaChe

Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von DewaChe »

Hallo Gisela,

oh, ich kann deinenSohn bestens verstehn. Zur info, meine Tochter 21, Sohn 24,

Ist schon krass, ihr/du ermöglichst ihm einen goldenen Käfig und macht und tut alles für ihn und gleichzeitig hälst du ihn für nicht überlebensfähig bzw. depressiv.
Sagenhaft, wie eltern ihre eigenen Probs kompensieren.
Wenn ich das so lese, dein Sohn hat ja gar keine Möglichkeit sich zu erfahren, auszuprobieren und auch mal ne Pleite zu erfahren... da sind ja die besorgten Eltern, die alles richten.
Und eben willst du auch wiedr alles richten weil dein Sohn nicht in das Konzept passt...

Sorry, lerne mal ihn loszulassen, er ist ein eigenständiger Mensch und das sind sogar schon Babys von Geburt an!!!

In meinen Augen beschwerst du dich über eine mißratene Zucht - und das liegt an dem Gärtner, Eltern....

Versuche mit Gesprächen - ich denke das funzt nicht mehr... in einer Familientherapie da mal Knoten zu lösen....

Lass deinen Sohn los aber lass ihn nicht fallen, das ist so das Zwischending.

Gina
GH
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Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von GH »

Liebe Gina
vielleicht hast Du recht, Vielleicht auch nicht. Wer weiß.
BeAk

Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von BeAk »

Liebe Gisela,

ich bin Mutter eines 17 jährigen Sohnes und einer 20 jährigen Tochter.

Das mag hart klingen was ich geschrieben habe, so muß Du es ja nicht rüberbringen, aber mach ihm klar, das er für sich verantworlich ist und sich bewegen muß. Am besten geht das mit Einstellung der finaziellen Unterstützung, wenn er sich nicht bewegt.
BeAk

Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von BeAk »

Lieber Thomas,

was hat das leben nicht auf die Reihe kriegen mit Depression zu tun?

Ich denke, bisher habe ich mein Leben ganz gut bewältigt und mit meiner Krankheit bin ich bis jetzt auch fertig geworden, auch mit Hilfe des Forums.

Ich tue was ich kann und genau darum geht es. Die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen und nicht in einer Ecke zu sitzen und zu warten das sich was ändert.
GH
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Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von GH »

Ich wollte auf die diversen Mailings antworten aber jedesmal klingt es, als ob ich mich für irgendetwas rechtfertigen muss. Ich mag einiges falsch gemacht haben aber sicherlich nicht alles. Ich bin keine Mutterklucke, auch gebe ich mir große Mühe "loszulassen". Unsere Kinder haben sehr viel Freiheit gehabt und wir haben sie nicht übermäßig verwöhnt. Ich betrachte meinen SOhn nicht als mißlungen oder so sondern als eventuell einen Mensch mit Problemen. Ich habe ehrlich gesagt auch keine Lust mehr diesen Thread weiterzuführen, weil es mich überhaupt nicht weiter bringt.
Ich werde mir jedoch die Beiträge alle nochmal durch den Kopf gehen lassen. Und Tee trinken und abwarten.
tomroerich
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Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von tomroerich »

Liebe Gisela,

du erkennst an den ganz unterschiedlichen Reaktionen hier bestimmt auch deine eigenen Gedanken. Wahrscheinlich hast du dir auch schon überlegt, ob Druck weiterhelfen würde, wie es Bea und Gina empfehlen. Es könnte ja auch so sein, wenn das Problem aus einer bestimmten Ecke kommt, nämlich dass iht tatsächlich zu behütend wart. Aber das kannst nur du wissen und beurteilen und daneben gibt es eben auch andere Möglichkeiten, wo der Hund begraben liegt. Die große Sorge der Depressions-Behandler heute sind die Jugendlichen. Hier gibt es ganz eindeutig besorgniserregende Zuwächse an Erkrankungen und das liegt bestimmt nicht daran, dass alle Eltern ihre Kinder zu sehr verhätscheln. In meinem Umfeld kenne ich gleich mehrere Fälle von teilweise massiven Episoden bei Jugendlichen. Ich kann da auch nicht Ginas Meinung teilen, dass es sich um ein Versagen der Eltern handelt. Die gesellschaftl. Veränderungen sind so schnell und durchgreifend in den letzten Jahrzehnten, dass man schon davon sprechen muss, eine feindselige Gesellschaft vor sich zu haben. Dass dies auch auf die Eltern abfärbt und z.B. Konsum vor Erziehung gestellt wird, ist ein Teil dieser Veränderungen. Weißt du noch, wie sensibel du warst, als du in diesem Alter warst? Ich weiß es noch von mir und der Hippie-Zeit, in der ich diese Jahre verbrachte. Die Aussicht auf Love and Peace und eine bessere Welt ließ uns damals Kraft finden, rebellisch zu sein und nicht depressiv. Ob das gesellschaftlich relevant oder vernünftig war, ist ja hier nicht die Frage sondern nur, was man als Jugendlicher für Antworten finden kann. Die heutige Zeit ist erheblich schwieriger in mancher Hinsicht, vor allem ist sie sehr kalt und sinnentleert und wenn man nicht nur das neueste Handy im Kopf hat sondern mehr, fühlt man sich schnell wie ein Alien.

Na ja, das am Rande. Bei deinem Sohn müsste eben die Auseinandersetzung mit seinem Frust beginnen. Es ist, glaube ich, eher selten, dass die Eltern als Gesprächspartner dafür akzeptiert werden. Die Verbindung ist zu eng. Aber wenn du ihm vermitteln kannst, dass ihr es akzeptiert, dass er nicht mit euch reden möchte (das halte ich für sehr wichtig, damit er sich ernst genommen fühlt), du aber dringenden Handlungsbedarf siehst (den wird er auch sehen), dann könnte ihm ein Thera vielleicht doch schmackhaft gemacht werden. Ich meine, das A und O bei solchen Gesprächen ist völlige Sachlichkeit, auch wenns schwer fällt. Kein "Ich mach mir solche Sorgen" oder ähnlich belastende Elternsätze können die nötige Atmosphäre schaffen. Man ist ab der Pubertät nur noch Berater der Kinder, Erziehung ist vorbei. Eine sachliche aber warme Anteilnahme wird die größten Chancen haben, etwas zu bewirken.

Herzliche Grüße

Thomas

P.S. Las eben dein letztes Posting.
Ich denke auch, das ist die beste Sichtweise, deinen Sohn als Menschen mit Problemen zu sehen. Ich habe an meinen Kindern erlebt, dass es viel zu kurz gedacht ist, sie als Produkt von Erziehung und äußeren Umständen zu sehen. Sie sind jemand aus sich selbst heraus und woher das kommt, wissen wir nicht. Ob es in den Erbanlagen steckt oder ob sie eine fertige Seele mitbringen, weiß niemand zu sagen. Nur sagt mir das eigene Gefühl gegenüber den Kindern, dass sie jemand sind und schon immer waren. Insofern sind sie meine Gäste.
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GH
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Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von GH »

Lieber Thomas,

ich danke dir für deinen sachlichen und hilfreichen Beitrag.

Gisela
tomroerich
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Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von tomroerich »

Liebe Bea,

ich denke schon, dass Depr. dazu führen können, dass man sein Leben nicht auf die Reihe bekommt. Es kann aber auch sein, dass man Depr. bekommt, weil man sein Leben nicht auf die Reihe bekommt. Das hat schon was miteinander zu tun oder besser, es kann.

Du erlebst das möglicherweise anders, weil die Ursache deiner Depr. vielleicht woanders liegen. Jedenfalls klingst du entschlossen und stark. Es ist natürlich richtig, dass Passivität und sich der Depr. zu ergeben zu nichts führen und ungünstig sind. Aber es kann Phasen geben, in denen nichts anderes geht und Tritte in den Allerwertesten alles verschlimmern würden.

Ich sehe auch im "Meistern des Lebens" nicht nur, dem äußeren Rahmen zu genügen, obwohl das für die Stabilität wichtig ist. Zu einem erfüllten Leben gehört aber auch, sich zu entwickeln und das Leben so zu gestalten, dass es zu einem passt. Ersteres ist für Depris oft gar nicht das Problem aber mit dem zweiten haben sie meist große Probleme.

Gruß von

Thomas
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BeAk

Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von BeAk »

Lieber Thomas,

stimme Dir in allem zu. Mit das Leben auf die Reihe kriegen, meinte ich auch den Zustand vor und nach einer depressiven Episode. Das der Depressive in einer akuten Episode nur eingeschränkt handlungsfähig ist, habe ich zur genüge am eigenen Leib erfahren. Wenn man sich dann aber der Lähmung ergibt und nichts mehr tut, vielleicht sich noch nicht einmal in ärztliche Behandlung begibt, wird es bestimmt nicht besser. Also muß man sich bewegen.

"Das Leben Meistern", hast Du sehr gut beschrieben. Genau diese Gestaltung des eigenen Leben verweigert z.Z. Giselas Sohn, vielleicht auch weil er es nicht muß, er existiert auch so.
GH
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Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von GH »

Liebe Bea,
ich glaube insofern hast Du recht. "Er existiert auch so". Die absolute Notwendigkeit, etwas zu ändern fehlt. Er jobbt so nebenbei und das reicht fürs Nötige. Miete muss er nicht bezahlen. Es ist eine blöde Situation, ich weiß. Aber dieser Junge ist dermassen lieb und charmant - es ist wirklich sehr, sehr schwer, wütend oder sauer auf ihn zu sein. Das sagen alle. Damals in der Schule auch die Lehrer. Mein Mann hat neulich einige (hoffentlich)klärenden Worte mit ihm gesprochen. Wurde auch Zeit, dass er auch endlich mal was sagt. Jetzt bleibt es abwarten, ob und wie er reagiert.
Danke für Eure Hilfe.
Gisela
BeAk

Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von BeAk »

Liebe Gisela,

Du liebst Deinen Sohn und das ist gut so.
Birgit49
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Registriert: 22. Jun 2005, 17:19

Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von Birgit49 »

hallo Gisela,

ich habe heute einen Artikel gefunden, der Dich vielleicht interessiert:

(mp) - Jeder fünfte Jugendliche leidet unter schweren seelischen Problemen. Doch nur die Hälfte der Betroffenen wird psychotherapeutisch behandelt. Neben einem Mangel an Therapieplätzen verhindern Zuständigkeitsprobleme eine rechtzeitige Behandlung. "Besonders schwer trifft es Jugendliche ab 14 Jahren. Für die Kinder- und Jugendpsychiatrie sind sie zu alt und für die Erwachsenenpsychiatrie noch zu jung", erklärt Silvia Uhle, stellvertretende Leitende Psychologin der Christoph-Dornier-Klinik in Münster.

Zudem sind die psychischen Probleme Jugendlicher für Eltern, Lehrer und Hausärzte schwierig festzustellen. Viele Verhaltensweise werden auf die Pubertät bezogen. Statt dessen kann sich beispielsweise hinter Schüchternheit oder einem sich zurückziehenden Verhalten nicht nur eine pubertäre Phase verbergen, sondern soziale Ängste. Je früher eine psychische Erkrankung erkannt und behandelt wird, um so besser sind die Heilungschancen. Daher empfiehlt es sich für Erziehungsberechtigte und Betreuer, das scheinbar pubertäre Verhalten Jugendlicher kritisch zu hinterfragen. (www.c-d-k.de)

Liebe Grüße

Birgit
Die Fähigkeit das Wort “Nein“ auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit.
(Nicolas Sebastién Chamfort)
tomroerich
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Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von tomroerich »

Hallo Gisela und Miss Marple,

einen solchen Fall erlebe ich gerade in meiner Umgebung. Der 17-Jährige wurde über lange Zeit in der Schule gemobbt, vertraute sich aber niemandem an. Auch die Lehrer schauten weg, anders kann man es nicht nennen, wenn man von den näheren Umständen gehört hat.
Schließlich ging er nicht mehr in die Schule und schloss sich regelmäßig in sein Zimmer ein. Schließlich erfolgte ein Klinikaufenthalt, während dem er mit einem ganz ungeeigneten Medikament behandelt wurde, das bekannt dafür ist, Herzprobleme zu verursachen. Und das, obwohl den Ärzten bekannt war, dass auch die Mutter eine Herzschwäche hat. Als sich im EKG zeigte, dass das Medi abgesetzt werden musste, wurde es auf eine völlig unverträgliche Art entzogen, so dass der Junge in eine schwere Krise stürzte. Der Hammer dazu noch war, dass man dem Jungen erklärte, dass seine Mutter darauf bestanden habe, dass man das Medi absetze. Kein Wort von mediz. Problemen.

Man entschloss sich außerdem (naheliegend) zu einem Schulwechsel. Auf die Frage hin, wie man dem Jungen das erleichtern könne, kam von ärztlicher Seite der überaus konstruktive Vorschlag, sein Arzt würde mit in die Klasse gehen und ihn als neuen Klassenkamerden vorstellen, der gerade aus der Klapse (wörtl. Zitat) käme und deshalb besondere Rücksicht benötige.

Ich habe nicht den Eindruck, auch wenn man von einem Einzelfall nicht auf das Ganze schließen sollte, dass unser Gesundheitssystem auf die hohe Anzahl depressiver Jugendlicher vorbereitet ist.

Grüße von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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GH
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Re: Depression oder Selbstfindung?

Beitrag von GH »

Liebe Leute,
danke für eure Antworten.
Ich habe jedoch beschlossen, im Moment einfach abzuwarten, da ich sowieso nicht wüßte, wie ich das Thema ansprechen sollte.
Mein Sohn ist ziemlich intelligent und gut informiert. Ich hoffe, dass er dann selber darauf kommt, wenn er wirklich depressiv sein sollte. Ist ja ein bißchen wie mit Alkoholikern denke ich. Nun ist erstmal die Freundin weggefahren, und vielleicht hat er ein bißchen mehr Zeit sich über alles Gedanken zu machen.
Wir sind eine ziemlich ungewöhnliche Familie mit ungewöhnlichen Lebensgeschichten und es kann sein, dass dies eine Rolle spielt - Identitätsprobleme usw. Ich glaube, dass was Thomas sagte - von wegen den eigenen Weg finden, glücklich zu werden - ist sehr zutreffend.
Grüße
Gisela
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