Gefühlsverlust bei Depression?

Antworten
Mondkristall
Beiträge: 3
Registriert: 4. Mai 2005, 11:11

Gefühlsverlust bei Depression?

Beitrag von Mondkristall »

Hallo,
ich bin seit heute ganz neu hier und hätte vorher nie gedacht mich mal an fremde Menschen mit einem Problem wenden zu wollen. Ich habe bisher immer alles ganz gut mit mir selbst vereinbaren können, nur hier komme ich leider gar nicht weiter und bin darum sehr froh, dass ich dieses Forum gefunden habe.

Ich habe seit kurzem eine neue Beziehung. Wir kennen uns noch nicht lang, erst seit ca. 3 Monaten, jedoch war diese Zeit unglaublich intensiv und traumhaft schön, sodass ich selbst kaum glauben konnte, dass mir das wirklich passiert. Doch seit letztem Sonntag ist plötzlich alles anders...
Er sagte mir erst, er fühle sich lustlos, schlapp und schlecht gelaunt. Er könne gerade gar nichts mit sich anfangen und wär jetzt lieber allein. Ich konnte zwar den plötzlichen Stimmungswandel gar nicht nachvollziehen, habe auch sofort nachgefragt, ob es etwas mit mir zu tun hätte, was er aber verneinte und somit bin ich dann allein nach Hause gefahren. Am Abend schrieb er mir eine sms, dass er jetzt schlafen gehen würde weil er sehr sehr müde sei, was wohl die typische Reaktion des Körpers auf Depresseion sei und dass es ihm Leid täte.

Montagmorgen erhielt ich dann eine lange email von ihm in der er mir versuchte zu erklären, dass er im Moment mit seinem ganzen Leben unzufrieden sei, dass er alles in Frage stellen würde - auch uns - und dass er einfach momentan nichts konkretes sagen könne. Er wird Ende des Monats 30, was ihn scheinbar sehr belastet und vor allem, dass er sein Studium immer noch nicht beendet hat und mit 30 noch nichts festes in den Händen hält und einfach nicht weiß, wie seine Zukunft aussehen soll und ob er nicht alles falsch gemacht hat.

Ich habe ihm dann mehrere emails zurück geschickt, da mir immer wieder etwas neues einfiel was ich ihm unbedingt sagen wollte und habe versucht ihm zu erklären, dass er wegen eines gesamthaft unzufriedenen Zustands nicht direkt alles aufgeben müsse, weil das doch auch wieder vorbei geht, dass eine Beiehung, in der sich beide Teile über ihre Gefühle im Klaren sind vieles überstehen kann, dass ich immer für ihn da sein werde, genug Stärke hätte um ihm Halt zu geben und und und....

Als wir dann am Abend telefonierten sagte er mir das schockierend Unerwartete: Er fühlt nichts! Er würde im Moment gar nichts fühlen und könne mir deshalb nicht sagen, ob ich seine Freundin bin die er liebt! Auch seine Freunde wären ihm egal. Wenn er heute wüsste, dass er seine Freunde nie wieder sehen würde, wär ihm das egal.
Ich war absolut entsetzt und weinte bitterlich weil ich es nicht glauben konnte, dass auf die wunderschöne Zeit die wir miteinander hatten in der er mir so viele wundervolle Dinge gesagt und gegeben hat, die - wie er auch jetzt noch beteuert, alle ehrlich gemeint waren - so ein krasser Gegensatz folgen kann. Ich bin sehr verzweifelt und überlege nun ständig was ich tun kann um ihm erstens zu helfen und zweitens die Kraft zu haben das Richtige zu tun. Kann es wirklich sein, dass man auf einmal nicht mehr weiß, ob man einen Menschen liebt oder nicht? Kann man all seine Gefühle verlieren wenn man mit sich und seinem ganzen Zustand unzufrieden ist? Kann es vielleicht sein, dass die Unzufriedenheit und die Bedrückung so groß sind, dass diese negativen Gefühle einfach alle anderen überschatten? Es kann doch nicht sein, dass er mich von heute auf morgen nicht mehr liebt, oder?

Er sagt, er könne ja nicht von mir verlangen auf ihn zu warten bis er aus dem Loch wieder raus ist. Ich kann aber nicht anders, weil ich ihn liebe und weil ich ihm helfen will, weil ich die Hoffnung nicht aufgebe, dass alles gut werden kann, da wir beide wirklich etwas ganz besonderes zwischen uns gespürt haben; das jetzt auszuschmücken wäre viel zu viel und ist auch zu persönlich, aber es war nicht oberflächlich, sondern wirklich tief, intensiv und fühlte sich so richtig an.

Ich war gestern Abend noch mal bei ihm um mit ihm zu reden. Er hat mich zwar in den Arm genommen und wir haben viel geredet, aber er kam mir vor wie ein anderer Mensch. Aus seinen Augen war jeglicher Glanz gewichen, jedwede Regung aus seinem Gesicht. Er sah wie zerschlagen aus. Allerdings hätte es gut getan, dass ich da gewesen wäre und dass er reden konnte. Er sagte auch, dass er trotzdem an mich denkt und dass er mich bzw. die Gefühle zu mir sucht...

Ich bin dankbar für Reaktionen und Ratschläge und warte nun erst einmal ab...

Hope
Tine
Beiträge: 214
Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Re: Gefühlsverlust bei Depression?

Beitrag von Tine »

Hallo Hope,

wenn du dich hier im Forum ein bisschen umliest und auch im Archiv blätterst, wirst du auf viele Geschichten treffen, die deiner sehr gleichen. Vielleicht findest du darin ein wenig Trost und auch Anregungen, wie du dich verhalten könntest. Bedenken muss man dabei, dass natürlich jede Geschichte anders sein kann.
Hatte denn dein Freund schon öfter Depressionen? Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann hat er den Begriff selber gebraucht? War oder ist er in Behandlung?
Du schreibst, dass du ihn liebst und dass du für ihn da sein willst. Das ist sehr schön und er ist dir sicher auch dankbar dafür.
Du wirst viel Kraft und viel Geduld brauchen, um die Situation zu überstehen, denn eine solche Phase kann lange dauern und du wirst in dieser Zeit wenig an Wärme und Nähe von ihm bekommen.
Was er selbst beschreibt, ist ganz typisch für das Krankheitsbild Depression. Nach deiner Beschreibung gehe ich davon aus, dass er es sich nicht einfach anders überlegt hat und keine Lust mehr auf Beziehung hat. Dann würde er sich nicht die Mühe machen, emails zu schreiben und sich noch lange zu unterhalten. Du musst dir klar machen, dass es wirklich nichts mit dir zu tun hat. Seine Worte der Zuneigung an dich waren als er sie sprach nicht gelogen. Doch im Moment kann er nicht mehr nachempfinden, was ihn zu dieser Zeit bewegte. Ich habe selber einen erkrankten Freund und habe mich wirklich intensiv mit dem Thema befasst. Vom Verstand her kann ich mir viele Zusammenhänge erklären, vor allem auch, weil viele Betroffene hier im Forum dabei geholfen haben. (Noch einmal Dank an alle) Richtig nachempfinden können wir Angehörige die Vorgänge wohl nicht. Gott sei Dank muss man sagen, denn es muss die Hölle sein, in einer solchen Phase zu stecken und die Welt plötzlich nicht mehr zu verstehen und zu spüren.
Lange Rede kurzer Sinn.
Informiere dich über die Krankheit, damit du zumindest eine Vorstellung davon hast. Hier im Forum findest du vor allem im Archiv viel Hilfe.
Mache dir klar, dass die Krankheit eine eigene Logik hat. Wir können vieles nicht wirklich nachempfinden.
Falls dein Freund wirklich erkrankt ist, nach seiner und deiner Beschreibung ist davon auszugehen, darfst du seine Zurückweisungen nicht auf dich beziehen. Er weist zwar natürlich dich zurück, aber nicht um dich zu kränken oder weil er dich generell nicht will.
Zeige und sage ihm, dass du für ihn da bist, wenn er dich braucht. Vermeide es, ihn unter Druck zu setzen. Erzwinge keine Gespräche, die er nicht führen kann. Vor allem keine Beziehungsgespräche.
Erwarte nichts von ihm, was er nicht geben kann. Er kann dich im Moment nicht trösten und wärmen.

Es ist eine sehr schwere Situation. Du schreibst, dass er völlig verändert ist. Das ist eine Erfahrung, die ich auch immer wieder mache. Die Stimme meines Freundes wird anders, die Bewegung und ich habe oft das Gefühl, einen Eisschrank zu öffnen. Er strahlt eine unglaubliche Kälte aus, nicht durch Aggression, sondern wirklich durch eine auch körperliche Erstarrung.
Ich wünsche dir viel Kraft.
Tine
Sternenhimmel
Beiträge: 75
Registriert: 29. Nov 2004, 23:33

Re: Gefühlsverlust bei Depression?

Beitrag von Sternenhimmel »

Hallo Hope!

Ich habe Deinen Beitrag gelesen, und dachte, ich muss Dir jetzt unbedingt mal antworten.
Wenn ich Deine Zeilen so lese, merkt man, dass Dir sehr viel an Ihm liegt und Du Dir unendlich große Sorgen um Ihn machst. Ob er Dich liebt oder nicht, dass kann ich Dir nicht beantworten. Schlichtweg nur er.
So wie Du von Außen seine Gefühlswelt beschreibst, hört sich das schon ziemlich danach an, dass er in einer Kriese steckt. Ich kann leider nur versuchen, michin die Gefühlswelt Deines Freundes hineinzuversetzen. Versuchen zu erklären, wie ich es erlebt habe. Vielleicht hilft Dir das ein Stück weiter, Deinen Freund zu verstehen. (?)
Die Gefühlslosigkeit, die er vermutlich empfindet, ist ziemlich schockierend für beide Seiten. Es macht auch irgendwie hilflos. Ich kann Dir nur aus eigener Erfahrung sagen, ja, es gibt diese Gefühlslosigkeit. Absolute Leere im Kopf! Und für die Betroffenen einfach ein unerträglicher Zustand. Man kann es eigentlich nicht wirklich in Worte fassen.
Und Du möchtest Ihm so gerne helfen! Das merkt man ganz stark! Da durchzukommen, durch diese Hilfslosigkeit momentan keine Gefühle zu haben, muss er leider selber. Du kannst Ihn da leider nur unterstützen. Aber ich glaube, Du hast da schon einen guten Ansatz gewählt. Für Ihn da sein! Manchmal hat es mir einfach nur ein Stück weit den Schmerz genommen, wenn ich wußte, neben mir sitzt ein Mensch, für den ich wichtig bin. Manchmal muss man gar nicht reden. Mein Tipp ist: Spreche Ihn konkret darauf an, was Du, gerade in DIESEM Moment, für Ihn tun kannst. Keinen Druck auf Ihn ausüben; aber vielleicht ein Stück mehr Initiative von Dir als Angehörige aus, als sonst zwischen Euch üblich ist. (ich habe auch das Gefühl, dass Du das schon tust!!) Schlichtweg, hat man als Betroffener häufig dann keine Kraft zu agieren. Reagieren fällt dann häufig einfacher. (Ist nur meine Erfahrung!)
Ich drücke Dir ganz ganz fest die Daumen, dass Ihr gemeinsam die Kriese überwinden könnt. Und wenn Du den Eindruck hast, es geht überhaupt nicht mehr, schlag Ihm vor sich Hilfe zu holen. Ihn evtl. darin auch zu unterstützen, wenn er möchte, zum Arzt zu gehen und sich professionelle Hilfe zu holen.

Toi, toi, toi!!

Liebe Grüße

Daniela
Mondkristall
Beiträge: 3
Registriert: 4. Mai 2005, 11:11

Re: Gefühlsverlust bei Depression?

Beitrag von Mondkristall »

Hallo Tine,

vielen lieben Dank für Deine Antwort.
Ja, er hat den Begriff Depression selbst zur Beschreibung seines Zustands benutzt - auch wenn er gestern z. B. meinte, dass er keine Ahnung hätte, was im Moment mit ihm los sei - und er hat wohl auch früher schon solche Situationen erlebt. Er hat seiner Ex-Freundin, zu der er noch ein gutes freundschaftliches Verhältnis hat, am Sonntag kurz davon erzählt als sie anrief und sie sagte ihm auf den Kopf zu, dass sie ihn in der Hinsicht nicht ernst nehmen könne, weil er früher auch schon öfter "so drauf war" und nach ein paar Tagen meistens wieder da stand und meinte, es ginge ihm super gut!

Ich weiß es nicht, denn ich habe ihn vorher noch nicht annähernd so erlebt. Wie gesagt, wir kennen uns erst sehr kurze Zeit, auch wenn sich von Anfang an eine ungewöhnliche Vertrautheit zwischen uns zeigte. Er war immer gut gelaunt, lustig, motiviert und hat MIR sehr viel geholfen mit meinen Problemen und mir sehr viel Halt und Stärke vermittelt. Diese Veränderung kommt für mich daher jetzt natürlich doppelt so heftig daher, weil ich nie daran gedacht habe, dass es auch Kehrseiten geben kann, vor allem nicht von solcher Art.

Ich bin daher auch so hilflos, weil ich noch keine Erfahrungen mit einem depressiven Menschen gemacht habe. Er ist übrigens (noch) nicht in Behandlung. Er sagt von sich selbst, er wäre eigentlich ein optimistisch denkender Mensch. Er würde im Moment bloß einfach komplett zu machen.

Er meinte zu mir, wenn er sich selbst nicht mag, wie kann er dann mich mögen? Wenn er mit sich selbst auf keinen Nenner kommt, wie kann er dann mit mir auf den gleichen kommen?
Er könne im Moment die Anforderungen an eine Beziehung, die er an sich selbst stellt nicht erfüllen und dass er, da er erst einmal alles ordnen muß, neue Erkenntnisse braucht und sich ausschließlich um die Dinge kümmern muß, die er nun mal tun muß (Uni, Arbeit), daher zur Zeit auch keine Freundin brauchen kann.

Das klingt alles sehr hart für mich und ich bin wahnsinnig verletzt, habe das Gefühl, dass mit einem Mal mein komplettes Glaubens- und Vertrauensgerüst zusammen gestürzt ist.
Auf der anderen Seite tut es mir auch sehr sehr weh ihn so sehen zu müssen, denn weil ich so viel für ihn empfinde möchte ich natürlich, dass es ihm gut geht und dass er glücklich ist.

Er sagt, er würde all diese Dinge aber auch nur mir erzählen und ich müsse ja auch für ihn da sein, weil er sonst keinen hätte. Er möchte auch Zeit mit mir verbringen, er könne mir nur keine Liebesbeweise darbringen.
Ich hoffe, dass ich die nötige Kraft dafür habe meinen Schmerz zu verarbeiten und für ihn auf die richtige Art und Weise da sein zu können. Ich werde ihn nicht zu Gesprächen zwingen, ich sagte ihm, wenn er das Bedürfnis hat zu sprechen, wenn er merkt, dass es ihm besonders schlecht geht oder auch irgendwie besser, egal was, dann kann er jederzeit zu mir kommen. Ich sagte ihm, dass er ruhig daran denken soll, dass es da jemanden git, der ihn sehr lieb hat und der immer an seiner Seite steht, ... er ist nicht allein.

Ich habe mir schon Informationen auf dieser Internetseite ausgedruckt und werde mich in Ruhe damit auseinandersetzen.
Ich wünsche mir von Herzen, dass er bald den Weg aus seiner erdrückenden Finsternis findet und dass er seine Gefühle für mich wieder entdecken kann. Ich werde alles tun was in meiner Macht steht um ihn dabei zu unterstützen, habe aber auch ein bisschen Angst vielleicht einen Fehler zu machen weil ich mich nicht 100%ig in ihn hinein versetzen kann. Dennoch werde ich kämpfen, denn er ist es mir mehr als wert!

Liebe Grüße
Hope
Mondkristall
Beiträge: 3
Registriert: 4. Mai 2005, 11:11

Re: Gefühlsverlust bei Depression?

Beitrag von Mondkristall »

Hallo Daniela,

vielen Dank für Deine Antwort!
Tatsächlich kommt es mir so vor, als müsse ich gerade doppelt stark für uns beide sein, als hätte er völlig zu leben verlernt, wie ein hilfloses Kind und das ist neu für mich, da er vorher immer der Stärkere zu sein schien, da er MIR bei meinen Problemen geholfen hat und mir einen großen Teil meiner Sorgen und Ängste abgenommen hat. Ich konnte mich immer bei ihm anlehnen, jetzt stehe ich plötzlich allein da und muß aufpassen, dass ich nicht zusammenbereche.

Ich möchte keinen Druck auf ihn ausüben, ich möchte möglichst nichts falsch machen und die Situation noch verschlimmern. Ich werde deshalb auch versuchen mich ein bisschen mehr um mich selbst zu kümmern, denn ich muß auch meinen Schmerz, die Enttäuschung der plötzlichen Zurückweisung verarbeiten und irgendwo meine Kraft wieder herholen. Deshalb denke ich auch, dass es erst einmal am besten ist ein bisschen abzuwarten und ihn kommen zu lassen wenn er will, oder? Ich habe ihm ja mehrmals gesagt, dass ich da bin, dass er jederzeit zu mir kommen kann wenn er das Bedürfnis hat, dass er sich meiner Liebe sicher sein kann und ich ihn unterstützen werde wo immer ich kann.

Ich kann immer noch sehr schwer begreifen, dass die so starken Gefühle, wie er sie mir gegenüber geäußert und gezeigt hat, einfach weg sein sollen. Es ist so verletzend wenn man neben dem Menschen sitzt, der einen ein paar Tage zuvor noch angelächelt, gestreichelt, geküsst und liebevoll in den Arm genommen hat und der einem jetzt sagt, dass er nichts mehr fühlt! Mir hat es fast den Atem genommen, aber wenigstens weiß ich jetzt was mit ihm los ist und ich kann irgendwie versuchen mich auf die kommende Zeit einzustellen.

Meine Hoffnung werde ich nicht aufgeben, die ist alles was ich im Moment noch habe…

Liebe Grüße
Hope
Tine
Beiträge: 214
Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Re: Gefühlsverlust bei Depression?

Beitrag von Tine »

Hallo Hope,

du schreibst, dass du sehr verletzt über die Zurückweisung deines Freundes bist. Das kann ich schon gut nachempfinden. Aber versuche bitte, dieses Gefühl nicht so sehr aufkommen zu lassen. Es ist sehr schwer, ich weiß, aber du solltest seine Verhaltensweisen nicht auf deine Person beziehen, sonst wirst du es schwer haben, die Situation zu meistern. Du schreibst auch, dass du nicht verstehst, dass seine starken Gefühle für dich weg sein sollen. Das sind sie vermutlich auch nicht, aber er hat keinen Zugang dazu. Es ist wohl wie ein Zustand der Gefühlstaubheit. Er weiß zwar, dass da Gefühle waren und auch sind, aber er fühlt sie nicht. Dafür kann er aber nichts, der Weg ist ihm versperrt.
Du solltest versuchen, es als Symptom einer Krankheit zu verstehen, gegen das er nichts tun kann. Wenn du das schaffst, bist du auch nicht mehr so verletzt. Auch dann ist die Situation immer noch schwer genug, weil du den Menschen, den du liebst, vermisst. Stattdessen sitzt neben dir ein anderer.
Als sehr positiv bewerte ich, dass er überhaupt in den Phasen mit dir zusammen sein will. Sicher ist es schwer, mit ihm in solchen Situationen umzugehen. Aber es ist schon von Vorteil, dass er sich nicht ganz verschließt und dich völlig außen vorlässt.
Wichtig ist auch, dass du erkannt hast, dass du dich um dich selbst kümmern musst. Das solltest du auch ohne schlechtes Gewissen tun. Denn nur wenn du stark bist, kannst du ihm helfen.
Dass du Angst hast, etwas Falsches zu tun, ist verständlich. SChließlich bewegst du dich auf fremden Gebiet. In einem früheren Thread von mir haben mir Betroffene versichert, dass es müßig ist, sich die Frage nach falsch und richtig zu stellen. Was heute richtig sei, könne morgen falsch sein. Ich verfahre mittlerweile so, dass ich nach meinem Gefühl und meinem Bedürfnis reagiere. Die Erkrankung ist im Grund so unlogisch, dass man keine konkreten Verhaltensweisen ersinnen kann. Alle Tipps können nur allgemeiner Art sein. Die speziellen Situationen muss man immer neu entscheiden.
Liebe Grüße
Tine
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Gefühlsverlust bei Depression?

Beitrag von tommi »

Liebe Hope,

ich finde es sehr gut, wie du mit der Situation schon umgehst. Ich schließe mich den Worten von Tine voll an, du kannst nichts falsch machen, weil es kein Richtig oder Falsch gibt.

Alles was du schon geschrieben hast ist richtig. Nicht drängen, für ihn da sein, Hilfe anbieten, zuhören usw. Da dein Freund dich mit einbezieht und mit dir redet, hast du einen großen Vorteil. Du hast die Chance, seine Gefühle zu erfahren und ihm deine mitzuteilen. Das Miteinanderreden ist ungemein wichtig. Nur so kann man verstehen lernen - in beide Richtungen. Du wirst es aber nicht schaffen, dich 100 %ig in ihn hineizuversetzen, wie du es geschrieben hast. Du wirst es auch nicht schaffen, ihn 100 %ig zu verstehen. Diese Krankheit ist so vielschichtig und es werden immer Situationen kommen, die du nicht verstehen wirst, dich kränken und du nicht nachvollziehen kannst. Aber durch die tiefgründigen Gespräche kannst du lernen 90 % heranzukommen und mit der Krankheit deines Freundes umzugehen. Wenn das erreicht wird, kann das Leben mit einem Depressiven total innig werden. Die Beziehung wird eben viel mehr über die Gefühlsebene geführt und wird nie oberflächlich sein .
Auch wirst du es nicht schaffen, ihn zu heilen, dazu braucht er professionelle Hilfe. Deswegen solltest du ihn dazu bewegen, sie sich zu suchen.

Glaube ihm das, was er vor der Tiefphase zu dir gesagt hat, das ist der Mensch, der wirklich ist. Was du jetzt siehst sind die Demonen der Krankheit. Mit dir schafft er das.

Habe Gedud. Geduld mit ihm, aber auch mit dir .

Gruß
Tom


Schweigen ist Gold, Reden ist Platin
Antworten