Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Edeltraud
Beiträge: 1495
Registriert: 22. Mai 2003, 16:49

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von Edeltraud »

Hallo Bernd,

könntest du bitte die lange Liste ins Forum stellen.
Ich bin brennend daran interessiert.

Wie ich sehe, seid ihr beide auf bestem Wege.
Schön zu lesen!

Viele Grüße
Edeltraud
bersch0507
Beiträge: 52
Registriert: 12. Jan 2005, 15:31

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Hallo liebe Edeltraud und lieber Simpl.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich monatelang eigentlich mit mir selbst beschäftigt, bzw. es drehte sich viel um meine eigenen unerfüllten Wünsche. Dieser Egoismus hat mich, über das Verstehen der Situation, wieder stabiler gemacht. Das ist sicher eine Voraussetzung, um mich jetzt mehr um meine Frau zu „kümmern“. Wie kommt sie mit ihrer neuen Situation klar, ist sie den Belastungen gewachsen? Hat sie die Depression als Krankheit akzeptiert und hat sie die Interaktion der Vergangenheit durchschaut. Wie kann ich mich vorbereiten, wenn sie es einmal nicht mehr schaffen sollte (u.a. Mutter ist schwer krank), d.h. ein Klinikaufenthalt notwendig wird (Familienlogistik). Wie kann ich sie unterstützen, diese Krankheit zu bewältigen? Jetzt wird es ungleich schwieriger! Die Verschlossenheit und die räumliche Trennung verbaut mir den Zugang. Doch schon jetzt weiß ich ja, das mir da „die Hände gebunden“ bleiben. Mit „Kraft/Gewalt“ geht nichts. Ihr zeigen/sagen, das ich für sie da bin, den Kontakt nicht abreißen lassen und ihr Roman „abnehmen“, mehr ist nicht möglich. Sie scheint mit mir so „sehr zufrieden“ zu sein“. Ich muß mich auf unterschiedliche Entwicklungen irgendwie vorbereiten, damit ich dann nicht selbst wieder in ein Loch falle. Klar, dabei kann mir keiner helfen.

Danke für die guten Wünsche zur Zukunft. Doch ob es eine gemeinsame, „gereinigte“ und damit tiefere gemeinsame Zukunft gibt oder nicht, darüber mache ich mir nicht mehr so viel Gedanken. Ich muß abwarten, will alles dafür tun, aber ob es auch so kommt, da habe ich keine fixierte Erwartungshaltung mehr. „Es nicht im Griff zu haben“, auch eine Eigenschaft, die ich erst erlernen mußte. So gesehen kann man an einer solchen „Katastrophe“ auch etwas wachsen.

Das mit der Liste als Betrag ist vielleicht nicht schlecht, wer es nutzen will, warum nicht. Ich werde aber dann ein neues Fortsetzungsthema machen, das hier ist schon zu umfangreich.

Bis bald und liebe Grüße
Bommel
Beiträge: 6
Registriert: 3. Apr 2005, 23:58

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von Bommel »

Lieber Bernd,
sitze heute erstmals mit meinem Mann (Patient) an Deinen Beiträgen. Habe alles
interessiert gelesen. Zu den Problemen hätte ich 3 Fragen:
1.
Ist Deine Frau wirklich "nur" an einer Depression erkrankt oder gibt es als Auslöser vielleicht ein traumatologisches
Erlebnis? (Geburt des Kindes mit Behinderung z.B.)

2.
Hattest Du vielleicht ebenfalls in Vorzeiten ein traumatologisches Erlebnis, wessen Du Dir gar nicht bewußt bist, das Dich aber so
hat reagieren lassen?

3.
Wenn Ihr ein Gespräch (was ich sehr gut fände) in Erwägung gezogen habt, könntet Ihr Euch vorstellen, dieses mit einem katholischen Priester durchzuführen?
(ich bin nicht katholisch, aber die katholischen Priester dürfen nicht darüber reden, und ich finde sie wesentlich vertrauenswürdiger, als viele Therapeuten).
Außerdem kommt noch ein anderer Hintergrund dazu, der Deine Frau vielleicht doch dazu bewegen könnte, sich auf ein Gespräch einzulassen und sich dabei nicht so reglementiert zu fühlen.
Vielleicht kannst Du Dich ja mal dazu äußern.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man der Umwelt bestimmte Informationen auf alle Fälle besser vorenthält, dass man nur wenig
preisgeben sollte, dass das, was man sagt, wahr sein muss, aber gleichzeitig die Aggressionen, Unverständnisreaktionen und Feindseligkeiten der Umwelt von vornherein umlenken kann.
Viele Grüsse, Bommel
bersch0507
Beiträge: 52
Registriert: 12. Jan 2005, 15:31

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Hallo Bommel,
deine Fragen haben mich etwas überrascht. Leider hast du nicht geschrieben, warum dich das interessiert und du hast auch deine Kennung gesperrt. Darum antworte ich hier im Forum.
1) Wenn du die Beiträge gelesen hast, kannst du sicher nachvollziehen, das meine Frau mehrere gewichtige „Gründe“ hat, an einer schweren Depression zu erkranken. Die geistige Behinderung war bei der Geburt kein Thema (völlig normale Geburt, erste Untersuchungen ohne Befund). Geblieben ist natürlich die Schuldfrage: warum ich. Danach kam Isabelle auf die Welt und es begann die zweite Schuldfrage. Geschwister von behinderten Geschwistern lehnen sich massiv gegen die vordergründige Bevorzugung des Behinderten auf. Sie „hasste“ ihn in ihrem kindlichen Egoismus. Isabelle hat die Benachteiligung als permanenten Vorwurf gegen ihre Mutter gerichtet. Die besondere Situation ist nicht änderbar, egal wieviel Liebe man dem „gesunden“ Kind entgegen bringt. Insbesondere diese beiden nicht lösbaren „Konflikte“ haben meine Frau ausgelaugt. Ich bin damit pragmatischer umgegangen, was man nicht ändern kann muß man akzeptieren und das Beste daraus machen. Eine Mutter hat es deutlich schwieriger als ein Vater, denn sie hat das Kind geboren. Kurzum, die eheliche Belastung mit einem behinderten Kind ist sehr groß und führt nicht selten zur Apathie oder zu einer Scheidung.

2) Ich hatte kein traumatologisches Erlebnis. Wie durch die Situation beschrieben bin ich bei mir und bei ihr natürlich von Burn-Out ausgegangen. Darum habe ich auch die kostspielige Altersteilzeit unterschrieben, um, wenn die Kinder demnächst „aus dem Haus“ sind, mehr Zeit für uns Zwei zu haben.

3) Gespräche führen, auch mit einem katholischen Priester, ist natürlich „überfällig“. Ein beschreibendes Bild: Die Depression hat uns beide, von uns völlig unbemerkt, bereits vor vielen Jahren zum gemeinsamen Tanz aufgefordert. Wir haben uns an die Hand genommen, nie los gelassen und uns im Takt der Depression gedreht, sehr langsam immer schneller. Ich hatte keine Ahnung was in meiner Frau passiert, sie redet eben nicht (nicht Krankheit sonder nach innen gerichtete Persönlichkeitsstruktur). Ihr ist beim Drehen schwindlig geworden und sie hat jetzt abrupt los gelassen. Ich bin gestürzt und aufgewacht. Sie dreht sich aber immer noch, jetzt alleine, weiter.

Gespräche kann man nur führen, wenn der Kranke es will. Jedes Wort ist sonst nur Nahrung für die depressive Sichtweise. Gespräche mit Dritten sind auch nur dann sinnvoll, wenn der Dritte ein Depri-Profi ist. Die „einfachen“ Ehekrisen“ sind kein Lösungsansatz. Daher kommen Eheberatung, Freunde und Priester eher nicht in Frage. Problematisch sind auch Therapeuten, welche nur die „Zuhörmasche“ und den Rat, tun sie nur das, was ihnen gut tut, drauf haben. Der Kranke fühlt sich dort wohl, aber es ändert sich nichts für ihn. Medikamente UND Therapie der Gründe sind untrennbar verbunden. Erst seit dem ich mich in das Thema sehr tief hineingebissen habe, ahne ich, was in einem Depressiven überhaupt vorgeht und wie paradox das nach Außen wirkt.

Wie du sehr richtig erkannt hast, hat meine Frau, basierend auf meiner unwissentlichen falschen „Gesprächsführung“, die Angst der Reglementierung. Über Briefe und ganz kurze Gespräche habe ich ihr das oben beschriebene Bild wiederholt gezeigt. Natürlich habe ich mich im Gespräch auf die Depression viel besser eingestellt, was sie ja auch zufrieden registriert hat. Wenn Sie die Interaktion der Krankheit auf BEIDE Partner versteht, kann sie ihre absolute Schuldzuweisung zu mindest in Frage stellen. Es ist auch bedeutend einfacher einem die Schuld zu geben, das enthebt einen, sich selbst Gedanken zu machen, selbst aktiv zu werden. Sie muß erkennen, das sie selbst mit sich ins Reine kommen muß. Wenn diese über Jahre hinweg entstandene Kruste Risse bekommt, dann gibt es eine berechtigte Hoffnung.

Ich hoffe, ich habe deine Fragen beantwortet.
Liebe Grüße Bernd
Chiron
Beiträge: 2006
Registriert: 14. Feb 2005, 15:45

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von Chiron »

"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
gaby69
Beiträge: 20
Registriert: 20. Apr 2005, 14:24

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von gaby69 »

Hallo erstmal an alle hier,

ich bin Gaby und lebe mit einem Partner zusammen, der schon sehr lange an einer Psychose erkrankt ist und zeitweise auch an schweren Depressionen leidet.

Ich war hier auf der Suche nach weiteren Informationen (bei "Angehörige - bestehende Beziehungen" habe ich auch schon etwas über mich und uns geschrieben). Ich bin dann hier hängen geblieben, weil vieles mich sehr angesprochen hat und ich ähnliches erlebe.

Mir geht es auch so, wie vielen hier:

Ich habe Schwierigkeiten eindeutig zu erkennen, ob die Äußerungen meines Freundes in dem Moment wirklich so gemeint sind, oder ob es Schutzbehauptungen sind, die eher durch die Erkrankung entstehen. Er kann sehr verletzende Dinge sagen, im ersten Moment merkt man wirklich nicht, dass es eigentlich so nicht sein kann... manchmal entschuldigt er sich, manchmal nicht. Er wird leider auch häufig mir gegenüber aggressiv, aber auch gegenüber Arbeitskollegen, sogar Vorgesetzten (das aber eher in Form von lautem Tonfall bis "brüllen"). Häufig sieht er in Aussagen Dinge, die man so weder gesagt hat, noch ausdrücken wollte... er ist sehr verletzbar, kann aber anderen gegenüber sehr stark "austeilen", wenn die Personen sich dann angegriffen fühlen, ist er meist einfach wirklich erstaunt, kann deren Verletzsein nicht so ganz nachvollziehen, manchmal sagt er auch, er habe das nie so gesagt, obwohl man genau weiss, was er gesagt hat und wie genau er es formuliert hat.

Manchmal sieht er, dass er professionelle Hilfe braucht, nimmt diese auch wahr, aber sobald er sich besser fühlt, stellt er diese wieder ein, weil er der Meinung ist, es wäre ja nichts, er habe ja nichts.

Sehr oft aber sieht er leider nur seine Sicht der Dinge - in seinen Augen sehen andere die Dinge dann falsch und er wundert sich, weshalb er alleine nur die Sache so sieht, weshalb andere seine Sichtweise nicht teilen.

Er sieht leider sehr oft nur sich, sein Problem aber nicht das, was seine Reaktionen in seiner Umwelt hervorrufen könnten oder auch tatsächlich hervorrufen, nur seine Probleme sind Probleme, es zählt nur, was er in diesem Moment tut, nicht, wie das auf andere wirkt oder wie andere darauf reagieren könnten oder tatsächlich auch reagieren. Er selbst sieht das aber nie als "Kurzschlußreaktionen" oder so, sondern sagt stets, seine Reaktionen seien durchdacht... obwohl diese sehr oft nicht nur auf mich als leider wenig durchdacht oder gar geplant wirken....

Immer wieder gelingt es ihm, Dinge so darzustellen, dass nicht er die Probleme hat, sondern andere sich ja so verhalten, dass er dann zwangsläufig dieses Problem haben muss, wie er es sagt... andere sind sozusagen die Auslöser in seinen Augen. Wie gesagt, nicht immer, aber leider sehr oft.

Ich liebe ihn sehr und ihn zu verlassen, das kommt für mich wirklich absolut nicht in Frage, so schwer es manchmal auch für mich ist, das alles so hinzunehmen.

Habe manchmal das Gefühl, egal, was ich tue, ich mache es verkehrt, egal wie ich mich verhalte, es ist falsch... weil manchmal so gar keine Reaktion von ihm kommt, weil er immer wieder in diese "Vehaltensmuster" hineinkommt, wieder beleidigend, ausfallend wird, mir wieder die Schuld gibt, dann folgen evtl. Entschuldigungen, manchmal sieht er auch, dass vieles an ihm liegt... es ist ein ständiges Auf und Ab... so alle 3 bis 4 Wochen wird es besonders extrem... weshalb genau das so ist, was genau diese "Phasen" jeweils auslöst, ... ich weiss es leider nicht. Es ist eben sehr regelmässig so.

Paartherapie lehnt er kategorische ab ("ich habe nichts" "ich kann da mit Dir hingehen, aber Du wirst schon sehen, dass die mir dann bestätigen werden, dass ich nichts habe" "ich sage dann, was ich denke und Du wirst sehen, dass die es genauso sehen") usw. Psychologische Hlfe nimmt er wie gesagt nur so lange in Anspruch, wie es ihm in seinen Augen schlecht geht, dann geht er nicht mehr hin, weil er meint, er habe ja nichts und er wüsste nicht, was er dort noch erzählen solle.

Soziale Kontakte hat er schon aber leider nur sehr wenige und die, die ihm am Wichtigsten sind, das sind auch Menschen, die psychisch nicht so gefestigt sind, bzw. die selbst psychisch erkrankt sind. Zu seiner Mutter hat er guten Kontakt, aber sie ist ein sehr, sehr ernster Mensch, macht sich viele Gedanken, was wohl wird und kommt, man sieht sie so gut wie nie lachen, sie macht ihm auch kaum Mut, sondern äußerst eher ihre Bedenken, ihre Gedanken, sagt immer wieder, was wohl kommen wird, wie das wohl weitergeht etc.

Hobbies hat er so gut wie keine mehr - vieles von dem, was ihn interessiert hat, interessiert ihn nun angeblich nicht mehr; häufig verkriecht er sich in seine Arbeit (er hat aber auch schon etliche Arbeitsstellen verloren wegen diffuser Ängste, aus denen er die Arbeit dann "hingeworfen" hat) und schiebt es dann darauf, dass er für hobbies keine Zeit hätte... obwohl ich manchmal ehrlich sagen muss, dass er schon ein Hobby wahrnehmen könnte, er müsste dann halt nur eine andere Zeiteinteilung an einem Tag mal treffen. Aber vielleicht sagt sich das auch nur so einfach...

Die eigene Hilflosigkeit macht mich so betroffen, ich würde gerne helfen, aber oft kann man das nicht. Gespräche sind leider sehr oft gar nicht möglich, er sieht in Gesprächen eine Art "sich-rechtfertigen-müssen" oder "Verhör". Seine Angriffe und Vorwürfe sind stellenweise sehr verletzend, manche Verhaltensweisen machen es wirklich schwer zu glauben, dass er mich liebt... diese Gefühlskälte, die Distanz, dieses Gefühle-nicht-zeigen-können... seine "Sturheit", professionelle Hilfe wenn überhaupt nur phasenweise anzunehmen... dieses Dinge-so-drehen-dass-andere-Schuld-sind...

ich weiss manchmal einfach nicht weiter... war auch schon selbst bei Psychologen, die haben aber alle gesagt, ich bräuchte keine psychologische Hilfe, oder es sässe die falsche Person vor ihnen oder es wäre eine Paarproblematik, das müsste er halt mal mitkommen....

Wo nehmt Ihr denn, wenn ich fragen darf (Ihr müsst nicht antworten, wenn die Frage(n) zu direkt sein sollte), den Mut her, wo tankt ihr Kraft, woher nehmt Ihr die Energie, nicht aufzugeben, was habt Ihr ausprobiert, was hat Euch beiden geholfen, wie geht Ihr mit diesen Situationen um, wenn Ihr angegriffen oder verletzt werdet, was macht man in Situationen, in denen der Partner seine Krankheit leugnet, was tut ihr, wenn Gespräche abgelehnt werden, ihr diese aber für notwendig anseht, alleine, um die eigenen Gedanken mal mitzuteilen... usw.

Vielen herzlichen Dank schon mal für die Antworten!

LG
Gaby
bersch0507
Beiträge: 52
Registriert: 12. Jan 2005, 15:31

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Liebe Chiron,
dein Beitrag hat mich überrascht. Ich danke dir für deine Unterstützung und deinen Zuspruch. Da sie kein Internet nutzen will habe ich ihr 4 Themen in Word umgewandelt und ausgedruckt. Nur, ich vermute ihre Reaktion schon zu kennen: alles schön und gut, aber sie wird meine Bemühungen nicht als echt einstufen. Sie sitzt fest in ihrem Scheckenhaus und ihre negative Welt ist „in Ordnung“: es gibt keinen Anlaß die eigene Sichtweise zu hinterfragen, die Schuldzuordnung ist klar. Das ist nun mal ihre „autistische“ Art mit Konflikten umzugehen. Ich habe ihr bereis viele Infos per Papier und verbal gegeben: Interaktion der Krankheit bei beiden Partnern und die Fehler von uns beiden im belasteten Ehealltag. Sie empfindet jedes Wort als Bedrängung, sie will ihre Ruhe. Sie will ihre nie kommunizierte aber bereits fest betonierte Entscheidung nicht in Frage stellen. Das meint sie natürlich nicht böse und will auch keine Scheidung.
Ich habe ihr vor einigen Tagen gesagt, das ich nicht mehr kann und die Trennung (nicht Scheidung) will. Da ich weiß, das sie (unbegründete) panische Existenzangst hat, habe ich mich zum Thema Unterhalt und Zugewinn schlau gemacht (ich brauche dir ja nicht zu erzählen was das für eine Arbeit ist). Ich habe ihr die Sachlage dokumentiert, mit den Vor- und Nachteilen einzelner Regelungen. Die formelle Scheidung ist z.Z. kein Thema, ich will aber eine finanzielle Trennungsvereinbarung. Klingt alles etwas kühl oder gar berechnend, aber das ist eine Notwendigkeit nach 22 Ehejahren im Zugewinn. Was wollte ich damit erreichen: ihr die Angst vor einer Existenzkrise nehmen und keinen der üblichen schei.... Finanzkriege aufkeimen zu lassen. Wenn erst einmal die Anwälte das Sagen haben, dann sprechen die Ehepartner überhaut nicht mehr miteinander. Ich wollte ihr auch hier zeigen, das ich absolut, trotz der tiefen Enttäuschung, mit ihr absolut fair umgehen werde. Das hat sie mir auch scheinbar abgenommen und ich habe ihr vorgeschlagen uns auf „neutralen Boden“ zu treffen
Am letzten Samstag waren wir seit 9 Monaten zu ersten mal alleine zum Essen beim Griechen. Gespräche über uns hat sie immer abgelehnt. Der Abend ist, den Umständen entsprechend, in einer sehr angenehmen Stimmung zu ende gegangen. Kein Gespräch über unsere Partnerprobleme, nur das Finanzielle (Angst nehmen) und über die Kinder! Ich habe vermutlich etwas Vertrauen bei ihr zurückgewonnen. Vor ein paar Monaten wäre ich noch euphorisch heimgefahren um dann nach einigen Tagen wieder abzustürzen.
Lange Rede kurzer Sinn: ich will das alles nicht, fühle mich sehr unwohl dabei, aber mein Verstand sagt mir, das ich es nicht laufen lassen kann. Die Depression hat die eigentlichen Eheprobleme gefördert und verschärft. Unser Versagen liegt in Kommunikation, besser im fehlen einer beiderseitigen Kommunikation. Laut und leise, offen und verschlossen, extrovertiertes und autistisches Problemverhalten, das kann nicht gut gehen. Drei Monate Verzweiflung, drei Monate verstehen lernen und drei Monate Klärungsversuche mit ihr sind hinter mir. Ich muß mit mir selbst ins reine kommen, die finanziellen Themen „erledigen“ (damit einen „Krieg“ verhindern, der würde uns endgültig trennen) und einen inneren Frieden mit meiner Frau schließen. Alles andere ist offen, wobei die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft deutlich sinkt. Das mag in diesen Zeile alles abgeklärt klingen, aber glaube mir, in mir schaut das ganz anders aus!
Für euch beide alles Gute. Wenn man erst einmal etwas begriffen und als Fehlentwicklung akzeptiert hat, kann man es auch lösen. Eigentlich sind es oft nur, ausgenommen die Krankheit natürlich, Banalitäten, die sich zu einem Monster anhäufen (viele Mücken --> Elefant).
Liebe Grüße Bernd
tommi
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von tommi »

Liebe Gaby,

du tust sehr viel, um deinem Mann zu gefallen. Aber alle Äußerungen gegen deine Person sind nicht an dich gerichtet. Du bist also nicht der Grund, warum es ihm so schlecht geht.
Du machst auch keine Fehler, du versuchst die Krankheit zu verstehen, versuchst alle Register zu ziehen, dich zurückzunehmen usw.. Sei wie du bist und verbiege dich nicht. Im Entefekt kannst du ihm nicht helfen, das muss er schon selbst machen. Er muss zum Arzt, sich Hilfe holen, er muss an sich arbeiten, dass es ihm besser geht. Du kannst ihn nur damit unterstützen, dass du für ihn da bist.

Ihr habt ein schwerwiegendes Komunikationsproblem, jeder fühlt sich angegriffen. Die Schärfe aus den Gesprächen herauszunehmen ist schwierig, aber machbar. Versuche verbale Angriffe seinerseits nicht persönlich zu nehmen und reagiere nicht mit Gegenangriffe.
Es ist äußerst wichtig, dass man viel miteinander redet, damit beiderseitiges Verstehen sich entwickeln kann. Lass dich nicht entmutigen, wenn er im Moment nicht gesprächsbereit ist, weil er nicht kann, sondern versuche es in einer guten Phase immer wieder. Die Gepräche müssen ohne Vorwürfe und ohne Druckausüben stattfinden. Auch ist es von Nöten, dieses zu tun, wenn man Zeit hat, also nicht zwischen Tür und Angel.

Das Zusammenleben mit einem depressiven Partner ist nicht einfach. Ich suche mir in den Tiefphasen meiner Frau meine Freiheiten, treibe Sport und pflege soziale Kontakte (entweder zu zweit oder eben alleine). Ein Quell meiner Energie sind natürlich meine Kinder, mit denen ich viel Freude habe.

Mitlerweile haben wir die Phasen durch das Reden und durch Absprachen gut im Griff. Auch hat uns eine Eheberatung sehr weitergeholfen. Bis hierher war es aber ein weiter Weg und ohne die Einsicht meiner Frau auch nicht zu schaffen. Erst als ich ihr sagte, dass ich ihr nicht mehr helfen kann und ich selbst die Situation nicht mehr aushalte, hat sie sich Hilfe von Außen geholt.

Ich wünsche dir viel Geduld, es geht nichts von Heute auf Morgen.
Gruß
Tom
tommi
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von tommi »

Lieber Bernd,

ich finde deine Vorgehensweise gut. Die vermeintliche Schlammschlacht im Keim ersticken und somit Vertrauen aufbauen.

Vielleicht wird es für dich einfacher, wenn du dich innerlich und auch äußerlich von deiner Frau löst. Es ist ein Schlussstrich und gleichzeitig die Möglichkeit eure Beziehung sich wieder neu entwickeln zu lassen. Du kannst die eingefahrene Situation nicht ändern (und du hast es wahrlich versucht), also kannst du die Sache jetzt besser auf dich zukommen lassen, als immer irgendwie zu agieren. Durch den freundschaftlichen Umgang mit deiner Frau kannst du weiterhin das in dich gesetzte Vertrauen aufbauen. Denn ich bin schon der Meinung, dass es ein Vertrauensbeweiß ist, wenn sie deine Vorschläge akzeptiert. Du schlägst die Tür nicht zu, sondern öffnsest eine neue.

Ich wünsche dir so sehr, dass deine Wünsche in Erfüllung gehen und deine Gefühlswelt sich beruhigt um daraus wieder Kraft und vor allem Geduld zu schöpfen.

Gruß
Tom
Chiron
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von Chiron »

"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
gaby69
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von gaby69 »

Lieber Tom,

ganz lieben Dank für Deine wirklich herzlichen Zeilen.

Es tut gut zu hören, dass ich doch nicht so viel falsch mache, wie ich dachte.

Du sagst, alle Äußerungen gegen meine Person seien nicht gegen mich gerichtet. Ich glaube Dir natürlich gerne, aber es fällt mir manchmal sehr schwer, zu glauben, dass er wirklich nicht mich meint...

Das mit den sozialen Kontakten pflegen ist manchmal nicht so einfach, weil mein Freund dann immer haarklein wissen möchte, wo ich war, wie es war, was genau ich gemacht habe usw. Das kann sehr anstrengend sein, weil ich mich manchmal nicht ganz dagegen wehren kann, mich kontrolliert zu fühlen bzw. zu denken, er glaubt mir nicht, wenn ich sage, wo ich war...

Du sprachst davon, dass Du mit Deiner Frau Absprachen getroffen hast, die Euch sehr helfen. Darf ich Dich fragen, was für Absprachen das sind bzw. in welchen Gebieten Ihr diese trefft? Wie handhabt Ihr es, wenn Absprachen einmal nicht eingehalten werden (können)?

Lieben Dank schon heute für eine Antwort.

LG
Gaby
bersch0507
Beiträge: 52
Registriert: 12. Jan 2005, 15:31

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Hallo Chiron und Tom,
danke für euere Zeilen. Ihr habt auch den letzten möglichen Lösungsansatz richtig umschrieben! Wenn es zu verfahren ist, sollte man mit der Reparatur der Einzelteile aufhören, einen fairen Schlußstrich ziehen und damit die Vergangenheit ganz tief „vergraben“. Manchmal macht ein „so geht es nicht weiter“ dem Betroffenen klar, das es jetzt nur ein entweder oder gibt (Einreichung Scheidung bei Chiron). Wie Tom auch richtig beschreibt, es ist die Chance für einen Neuanfang. Wichtig ist aber unbedingt, das der Neuanfang nicht aus z.B. finanziellen Überlegungen erfolgt. Wie es Chiron jetzt erlebt, die Mückenschwärme erkennen und die Vergangenheit akzeptieren, dann platzt der Elefant. Einer der beiden Partner muß diesen Weg vorbereiten können, das kann vom Typ her nicht jeder, auch wenn es noch so einfach klingt. Ich wünsche uns allen die Vernunft das wirklich Schwere vom Leichten unterscheiden zu können und sich nicht immer selbst so wichtig zu nehmen. Liebe Grüße und einen weiter sonnigen Tag, Bernd
tommi
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Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von tommi »

Liebe Gaby,

es ist schwierig, die Äußerungen nicht auf sich zu beziehen, das sehe ich auch so.
Es ist auch schwierig oder fast unmöglich Beziehungsprobleme und Depression abzugrenzen. Dieses geht nur, wenn miteinander gesprochen wird.
Das Denken deines Freundes ist ein verzweifelter Kampf gegen sich. Sein Selbstwertgefühl ist am Boden. Die Grundsuche findet erst bei anderen statt, weil das Denken irreal ist. Wenn sich die anderen ändern, geht es mir besser. Ein Trugschluss. Die Äußerungen sind so meistens gegen den Betroffenen selbst gerichtet und bei meiner Frau z.B. ein Hilfeschrei.

Bevor ihr Absprachen treffen könnt, müsst ihr erst einen Weg finden, zusammen zu sprechen.

Die Absprache geht dahin, dass meine Frau mir sagt, was sie im Moment der Tiefphase wünscht- Ruhe, Ablenkung, Reden, im Arm genommen werden. Sie möchte meinerseits, dass ich ihr sage, wenn ich mich dabei schlecht oder überfordert fühle. Es klappt nicht immer, das ist uns auch bewußt, aber immer öfter .

Gruß
Tom
gaby69
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Registriert: 20. Apr 2005, 14:24

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von gaby69 »

Lieber Tom,

bitte entschuldige, dass ich erst heute Zeit finde, zu antworten, aber auf der Arbeit ist leider zur Zeit "die Hölle los"....

Ich gebe Dir völlig recht, dass es sehr wichtig ist, miteinander zu sprechen. Leider habe ich aber noch keine Möglichkeit gefunden, die Abwehrhaltung, die mein Partner sehr häufig einem Gespräch gegenüber hat, irgendwie in etwas Positives umzuwandeln.

Das mit den Gesprächen ist, so denke ich, eines der Hauptprobleme bei uns. Mein Partner kann in so einer Situation leider auch nicht kommunizieren, dass er lieber seine Ruhe möchte oder jetzt nicht antworten kann oder möchte. Er wird direkt aggressiv, laut und greift einem verbal an, so als würde man ihm Böses wollen. Da genügt leider schon die simple Frage, ob ihn etwas bedrückt (z. B. wenn er wieder mal sehr nervös ist oder ich an sonst etwas merke, dass er Sorgen hat bzw. es ihm nicht so gut geht).

Mit diesen verbalen Angriffen habe ich wirklich manchmal größte Probleme, weil es, wie Du richtig sagst, eigentlich nicht möglich ist, zuzuordnen, ob es jetzt von den Depressionen kommt oder wirklich Beziehungsprobleme sind... wobei ich eher denke, es hat mit den Depressionen zu tun, weil er dann immer ganz bestimmte Verhaltensmuster "abspult", die er sonst nicht "an sich hat".

Er versucht z. B. mich dann extrem zu piesaken, indem er mir dauernd die Nase zuhält (er sagt das wäre gesund) oder mir die Ohren reibt und behauptet, dass diese eine äußerst gesunde Behandlungsmethode eines Nobelpreisträgers sei... überhaupt hat er in diesen "Phasen" sehr oft solche "Anwandlungen", angebliche "medizinische Anwendungen" auszuführen, was aber wie gesagt nur aus Ohren-knickeh, Nase-zuhalten,ruckartigen Armbewegungen bei mir ausführen usw. besteht. Wenn ich dann sage, dass ich das nicht wünsche, weil es mir wehtut oder mich stört, muss ich es oft etliche Male wiederholen, bis er es dann sein lässt, wobei er anscheinend nicht ganz verstehen kann, dass mir das unangenehm ist, er wiederholt dann nur, sein Hausarzt habe ihm das empfohlen und es sei gesund.

Sind Dir solche Verhaltensweisen von Betroffenen auch bekannt? Wie geht man damit um, bzw. wie kann man das "verhindern"?

Hat sonst jemand Erfahrung mit solchen Verhaltensweisen? Ich bin für jeden Tipp dankbar, denn ich weiss manchmal wirklich nicht, was ich da machen soll.

Liebe Grüße
Gaby
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von tommi »

Liebe Gaby,

vielleicht eröffnest du ein neues Thema, damit die Beiträge besser gefunden werden und dieser hier nicht so voll .

Nein, damit habe ich keinerlei Erfahrung, würde es aber mit mir nicht machen lassen .
Es ist schon ein wenig merkwürdig und geht meines Erachtens ins Handgreifliche, da solltest du aufpassen.

Die Gespräche in einer Tiefphase zu führen, bringen nichts, da er wirklich damit überfordert ist. Warte den Moment ab, wenn du meinst, er ist wieder zu erreichen. Wenn die Angriffe, wie du meinst, auf die Krankheit zurückzuführen ist, versuche sie zu ignorieren und sie tatsächlich nicht auf dich zu beziehen.

Ich wünsche dir viel Kraft und Geduld
Gruß
Tom
gaby69
Beiträge: 20
Registriert: 20. Apr 2005, 14:24

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von gaby69 »

Lieber Tom,

danke für Deine Antwort!

Nun, ich habe Deine gute Idee in die Tat umgesetzt und ein neues Thema eröffnet.

Das mit den Gesprächen ist sicher richtig, aber es ist halt sehr sehr schwer, wenn man das Gefühl hat, es müsste etwas aus der Welt geschafft werden, aber man erreicht sein Gegenüber nicht...

Ignorieren, da magst Du recht haben, aber das geht leider nicht immer....

Liebe Grüße Gaby
bersch0507
Beiträge: 52
Registriert: 12. Jan 2005, 15:31

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Ich bin jetzt ein halbes Jahr im Forum, habe von hunderten Schicksalen erfahren, sehr, sehr viel Stunden mit dem Lesen verbracht und dadurch unheimlich viel in mich aufgenommen. Bei den Umschreibungen der Depression ist erstaunlich viel gleich, bei der Maske, bei dem Erscheinungsbild des Kranken nach Außen gibt es enorme Unterschiede. Ich habe das am Anfang nicht so richtig verstanden, denn ich habe keine vergleichbare Maske gefunden, der mir das Verhalten meiner Frau erklärt.
Bei den meisten Beiträgen der Angehörigen enden diese ohne das man erfährt, wie es langfristig ausgegangen ist. Ich habe darum in den alten Archivteilen gesucht und per Mail nachgefragt, wie der Status heute ist.
Ich bin Allen sehr dankbar, die mir zu meiner Geschichte geschrieben, denen die mich kritisiert und denen die mich bestätigt haben. Ohne euere Hilfe, ich wüsste wirklich nicht, ob ich das so überstanden hätte. Das wollte ich euch noch sagen, da meine Geschichte mit diesem Beitrag zu Ende geht.
Das Ergebnis ist die Scheidung! Alle Bemühungen waren letztlich völlig umsonst. Meine Frau sieht mich weiterhin als ihren Peiniger an und ihre Depression nutz ihren Charakter zum Überleben. Seit Jahren steckt sie darin fest und sie will aus diesem Schneckenhaus nicht raus.
In keinem der vielen Beiträge im Forum gibt es einen Menschen, der 100% schweigt. Das meine ich auch so absolut, kein einziges Wort verbal, per Brief oder SMS für unsere Ehe, für einen Lösungsansatz der Krise. Es gibt auch keinen Beitrag, wo der Kranke seine Depression, besseres Wissens, so konsequent ignoriert wie meine Frau. Sie hat Beiträge aus dem Forum von mir bekommen, das Buch „Wenn der Mensch den du liebst depressiv ist“ gelesen und ist seit einem Jahr bei einem Psychiater. Sie kennt die Manipulationsfähigkeit der Krankheit, sie kennt die Interaktion in der Partnerschaft, aber sie stellt ihr düsteres Weltbild nicht einmal in Frage. Ihre Empfindungen sind Wahrheit, aus basta! Kein Mensch in ihrer Umgebung stellt irgendeine Veränderung fest, sie funktioniert perfekt. Damit kann sie die Schuldfrage zur eigenen Sicherheit perfekt verkaufen: wie kann man nur so eine liebe Frau so peinigen, was ist das für ein Schießkerl. Das schützt sie auch davor, etwas gegen ihre Depression machen zu müssen, es funktioniert. Sie täuscht alle, den Psychiater, die Nervenärztin, Bekannte und Freunde.
Ich habe ihr bis zu meinem Geburtstag ein Ultimatum gestellt: sie sollte in die Klinik oder ich reiche die Scheidung ein. Es war von meiner Seite alles vorbereitet, damit es keinerlei sachliches, logistisches Problem in ihrer Abwesen gibt. Sie hat mir im letzten Moment mitgeteilt, das sie die Trennung will und mir angedroht, wenn ich sie weiter angreife, sie einen Anwalt einschaltet.
Hätte ich diesen Beitrag im Forum vor einem Jahr gelesen, dann hätte ich ganz sicher gedacht: nun da wird schon was dran sein, der Typ macht auf verständnisvoll und in Wirklichkeit peinigt er seine Frau. Alles andere wäre für mich unlogisch und die Schulfrage ist eindeutig. Ich bin sicher kein Engel, ich bin sicher nicht perfekt aber ihre Unterstellungen treffen mich sehr tief, denn sie sind exakt das Gegenteil von meinen Charaktereigenschaften. Es hat sogar eine Zeit gegeben, da habe ich mich schon selbst bezichtig, eine Charakterlump zu sein. Aus den Beiträgen der Angehörigen habe ich erfahren, das auch sie mit Vorwürfen konfrontiert werden, die wirklich nicht nachvollziehbar sind. Es ist mir mittlerweile egal, ob mir jemand glaubt, ich alleine weiß wie ich zu meiner Frau gestanden habe und was ich getan oder nicht getan habe.
Ja, was ist mein Fazit: die paradoxe Machte der Depression kann man als Angehöriger erlernen (viel lesen im Forum, obiges Buch). Wie sich die Depressiven empfinden kann man nur erahnen. Das ist die Seite der Krankheit. Was wir sehen ist aber die Maske des Charakters. Die Wesensart bestimmt das Auftreten. Die einen werden aggressiv, explodieren, sind laut und manchmal handgreiflich. Die anderen implodieren, igeln sich ein und haben eine „perfektes“ Auftreten. Was ist Charakter, was ist die Krankheit, das ist wohl das absolut schwerste für uns Angehörigen.
Das zweite Fazit als Angehöriger: haltet euch nicht zu lange und zu tief mit der Depression auf, lauft ihr nicht zu lange hinterher. Sie kann einen hineinziehen. Denkt unbedingt an euch! Wichtiger als die Dinge richtig zu tun, ist es die richtigen Dinge zu tun!
Wie geht es mir jetzt: ich bin erstaunlich ruhig geworden. Natürlich bin ich verbittert, aber mehr über mich selbst, denn ich habe meine Frau und meine Ehe eigentlich für was besonderes gehalten. Ich weiß, das ich viel mehr als Andere getan habe, diese Krankheit zu begreifen. Ich weiß, das ich alles mit meinen beschränkten Mitteln versucht habe (oft nicht immer richtig und zu emotional, aber immer mit der richtigen Motivation). War nun alles umsonst? Nein! Ich habe unheimlich viel über mich selbst gelernt, über die Macht der Gefühle, über meine „zugedeckten“ Fähigkeiten, über meine Schwächen und Stärken und natürlich über eine seltsame, eigentlich sehr heimtückische Krankheit. Es klingt seltsam überheblich, aber wenn man mit sich im reinen ist, dann kann man besser die Vergangenheit als gegeben ansehen und sich auf das Jetzt und die kurzfristige Zukunft konzentrieren. Wenn ich mich in der harten Zeit nur mit der Depression meiner Frau beschäftigt hätte, stünde ich jetzt nackt da. Darum denkt an euch, denn es gibt immer ein danach!

Liebe Grüße an alle Leser
Bernd
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von tommi »

Lieber Bernd,

ich gratuliere dir zum Geburtstag.
Auch wenn dieser Tag das Ende deiner Ehe bedeutet.
Ich denke, du hast alles gegeben. Hast dich informiert, hast versucht dich hinein zu denken, hast vieles ausprobiert und bist trotzdem gescheitert. Die Hoffnung, die du noch vor ein paar Monaten hattest sind verschwunden und letztendlich musstest du die Konsequenzen ziehen. Es nutzt auch nichts, sich zu Fragen was man alles in der Vergangenheit Falsch gemacht hat. Das Thema müsste eigentlich schon abgehandelt worden sein.
Man sieht, Depressionen sind nicht gleich Depressionen. Wenn sich der Partner weigert sich zu öffnen, läuft jeder vor eine Mauer und holt sich nur Beulen. Da ist deine Frau wohl auch sehr extrem, weil sie überhaupt nicht sah und sieht, welche Anstrengungen du auf dich genommen hast, um eure Beziehung zu retten. Deswegen schreibe ich auch häufig, dass ohne die Mithilfe meiner Frau wir nie soweit gekommen wären.

Ich finde du solltest nicht über dich verbittert sein - klar enttäuscht, weil du letztendlich gescheitert bist, aber zum Scheitern einer Ehe gehören immer zwei.

Ich finde es toll, dass du trotz der Enttäuschung, die positiven Dinge wärend dieser Zeit mit dir nimmst. Du hast so viele Erfahrungen sammeln können, deine Grenzen kennengelehrnt, deinen Horizont erweitert und was noch viel wichtiger ist - dich mehr kennengelernt. Das kann dir keiner mehr nehmen und ist bestimmt für die Zukunft sehr wichtig.

Ich habe deine Beiträge hier im Forum immer geschätzt, weil sie oft in eine andere Richtung ziehlten und somit zur Gedankenerweiterung beigetragen haben. Ich hoffe, dass du dem Forum deswegen auch erhalten bleibst.

Deinen letzten Satz kann ich nur unterstreichen. Wir müssen viel mehr auf uns achten und zusehen, dass wir unsere Grenzen nicht überschreiten. Was für sich tun! Es darf sich nicht alles um die Krankheit des Partners drehen, sondern es ist wichtig sein eigenes Leben nicht zu vergessen. Wie man es schafft sich in Kriesenzeiten selbst abzulenken, muss jeder selbst herausfinden.

An eine Beziehung festhalten, die einen selbst krank macht, ist nicht der richtige Weg und Selbstbertrug.

Ich wünsche dir alles liebe.

Gruß
Tom
BeAk

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von BeAk »

Liebe Bernd,

Deine Posts hier im Forum waren die ersten die ich hier las, sie haben mir tiefen Einblick in der Krankheit aus Sicht eines anderen Angehöhrigen gegeben und mich ermutigt auch hier zu schreiben.
Es tut mir unendlich leid, das Du mit all Deinen Bemühungen keinen Erfolg hattest und Dir nur noch die Scheidung bleibt. Das ist ein sehr harter Weg, den Du da noch vor Dir hast. Und, lieber Bernd unter Umständen auch noch nicht das Ende der Fahnenstange. Viele Ängehöhrige erkranken selbst, wenn sich die stessige Situation mit dem Erkrankten beruhigt hat. Ich bin gerage selber dabei die Seiten zu wechseln, schreibe also aus Erfahrung.
Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute für die Zukunft. Paß auf Dich auf
fish
Beiträge: 423
Registriert: 19. Jul 2004, 03:12

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von fish »

Hallo Bernd,
du hast alles gegeben. Das ehrt dich, du musst dir nichts vorwerfen, machst ja uch nicht.
Noch besser ist, dass du was für dich getan hast und nicht ausschließlich um die Depression gekreist bist. Ich hoffe für dich, dass die Scheidung in halbwegs annehmbaren Rahmen über die Bühne geht und scheue dich nicht, Mediation in Anspruch zu nehmen. Bei einem verstockten Partner oder wenn es strittige Dinge gibt, dringend anzuraten.

Hallo Tom,
deine Beiträge schätze ich sehr. Du bist ein sehr einfühlsamer Mann.

Kleine Anmerkung um Schluss, du schreibst vom "Ablenken". Ich weiß nicht wie du es genau gemeint hast, ich möchte noch mal betonen, dass sich Ablenken für den Angehörigen eines Depressiven gelegentlich zu wenig sein kann. So habe ich es jedenfalls erfahren. Der Angehörige muss wirklich auch einen eigenen Sinn fürs Leben haben oder spätestens dann entwickeln.

Ablenken ist, ich geh mal ins Kino, um den Scheiß zu vergessen. Wenn das so verstanden oder impliziert ist bei dem Appell "Tu dir was gutes" dann ist das eher Vermeidungsstrategie. Sicher besser als gar nichts, aber was wirklich Eigenes zu sein und haben ist besser. Denn es gibt ein Leben außerhalb und nach der Depression.

Liebe Grüße

die Wanda

Jetzt nur noch gelegentlich mitlesend, schalte mich auch gleich wider raus.
Wollt das halt an weiter mitlesende Angehörige loswerden, weil ich das wirklich für elementar halte. Ratschläge wie dieser an Angehörige sind im Grunde richtig, aber sie sind oft zu abstrakt und sollten mit Leben gefüllt werden. Sonst missversteht man sie zu rasch.

Als alter Konstruktivist ist mir klar, dass jeder seinen eigenen Film im Kopf hat und weise Sätze wie "was für sich tun" immer so interpretiert, wie sein Erleben/sein Wesen halt ist. Leider neigen wir alle viel zu viel zu Vermeidungsstrategien, weil das Leben geneug bietet und wählen den anderen Weg seltener. Weil er mühsamer ist.

Ich habe diesen Satz am Anfang auch falsch verstanden, und fand ihn doof. Denn was soll es mir helfen, dachte ich, wenn ich zum Frisör gehe, ins Kino renne, mich mit Freunden treffe, wenn das Elend über mich oder mich und meinen Partner immer in meinem Kopf sitzt. Und den Kopf nehme ich leider überall mit hin. Ich habe gebraucht, um zu verstehen, dass es tiefer gehen muss: Man darf das Gefühl für die eigene Person und Wesenheit nicht verlieren, seine Träume auch. Dann kann man auch knapsen, wenn einem danach ist und grade nicht ins Kino rennen, bei dem kranken Partner bleiben, gerne auch. Man ist dennoch immer bei sich. Nur dann kann man, - wenn man will, vorausgesetzt - dem Partner (sofern er auch will) eien Stütze sien. Einer muss konsant auf sicherem Land stehen (das kann der Frisör nur für eine Stunde bieten), wenn der andere strudelt. Auf das kommt es in meiner Sicht an.

Alles andere ist Konsum- und Erlebnisterror.
wobei man das Wort Terror in diesem Zusammenhang sehr vorsichtig verwenden müsste nowadays...
bersch0507
Beiträge: 52
Registriert: 12. Jan 2005, 15:31

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Hallo Tom, Beatrix und Wanda!

Danke für euer Lob. Leider ist die Theorie, das begreifen/verstehen der Krankheit und daraus das eigene Verhalten zu „steuern“ (unsere Ratschläge wie, es nicht persönlich nehmen, die eigenen Emotionen im Griff behalten, rücksichtsvolles Verhalten....) leider leichter geschrieben als in der Realität durchzuhalten. Ratschläge selbst umzusetzen ist viel schwerer als sie zu erteilen. Wir sollten aber nie verzweifeln, wenn wir nicht perfekt sind. Wir können auch nur im Rahmen unserer Möglichkeiten handeln aber die Motive zählen. Wir sollten stolz sein, das wir es versuchen.
Auch bei uns Angehörigen ist unsere Maske, unser Auftreten nach Außen, nicht immer identisch mit dem Gewollten. Ein lauter wird nicht auf einmal leise und umgekehrt. Was sich bei keinem ändert sind die grundsätzlichen Charaktereigenschaften, wie Ehrlichkeit, Offenheit, Fähig zur Selbstkritik, Geradlinigkeit, oder Zuverlässigkeit und die negativen Gegenstücke dazu. Dann gibt es die „variablen“ Eigenschaften die einem beim Anderen oft ärgern. Wir sollten aber nicht versuchen den Partner zu verändern. Man muss ihn respektieren wie er ist, mit all seinen „kleinen“ Fehlern. Man muss akzeptieren, das wir alle unterschiedliche sind, in unseren aktuellen Möglichkeiten, Kapazitäten und Fähigkeiten. Unseren Partnern stört ja auch einiges an uns, das ist doch normal. Klar das ist banal, aber denken wir oft genug daran? Für Angehörige ist es ein Muss, zu lernen, das wollen und können zwei Paar sind. Jeder kann nur das, was ihm seine momentanen inneren Möglichkeiten zulassen. Mir war das früher in der Tragweite nicht bekannt. Du Tom handelt so, denn deine Frau kann eben manchmal nicht anders, du reagierst auch nicht immer perfekt. Nur der gegenseitige Respekt, die Achtung vor den individuellen Möglichkeiten, hält deine Ehe zusammen.

Ja Tom, das ich im Moment verbittert bin und mich über mich selbst ärgere, ist so in Ordnung. Man muss negative Gefühle zulassen, denn sie sind unvermeidbar; sie etwas austoben lassen, sich selbst eingestehen sich nicht immer selbst im Griff zu haben und man nicht immer vom Kopf steuerbar ist. Dann kommt ein Punkt wo ich von meiner „Jammerei“ genug habe. Wenn man nicht sofort gegen die negativen Gefühle angeht verlieren sie an Luft. Das habe ich aus einigen Beiträgen von Betroffenen gelernt, wirklich etwas geübt und heute funktioniert das brauchbar.

Das mit dem danach „ins Loch fallen“, liebe Beatrix, ist auch normal. Schlecht ist vielleicht, das du zu viel negatives über diese Krankheit weist und schon in dich hineinhorchst, ob es Anzeichen gibt, sprich ob du schon die Seite gewechselt hast. Diese Krankheit ist wie ein Strudel, hat eine seltsame Anziehungskraft, insbesondere wenn das Selbstwertgefühl Dellen bekommt. Ich habe diese Phase auch durchlaufen. Du kennst doch die scheinheilige Kraft der Depression, Wissen ist Macht, lasse dich nicht von ihr „verarschen“. Denke an dich und versuche dich selbst aufzubauen. Sei stolz auf das was du geleistet hast, du überstanden hast. Mir hat ungemein geholfen, das ich mich wieder gemocht habe, stolz auf meine positiven Eigenschaften und Fähigkeiten (u.a. in der Arbeit) wurde, denn ich habe mir neue Ziele gesetzt und erreicht. Bleibe im Forum und schreibe weiter wie es dir geht!

Was du detailliert zum Thema „an sich denken“ schreibst, liebe Wanda, ist natürlich absolut richtig. Die Kürze der Beiträge verführt jeden von uns auch mit „Schlagworten“ zu arbeiten. Der Tom wird dir in den Ausführungen sicher nicht widersprechen und es ist gut, es für neue Teilnehmer im Forum genauer zu umschreiben. Beide Dinge sind Wichtig, Ablenkung und die Persönlichkeit aufbauen. Ich selbst habe die Ablenkung genutzt um die negativen Gefühle wegzuräumen. Das kann man die von dir beschriebenen Dinge angehen. Auf die Zerstörung der eigenen Persönlichkeit muss man sehr achten, Träume und Ziele nicht aus den Augen verlieren und sein Selbstbewusstsein nicht mit Konsum betäuben. Man muss also BEIDES beachten.
Liebe Grüße
Bernd
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von tommi »

Liebe Wanda,

siehst du, darum vermisse ich deine Beiträge.
Ich schließe mich deinen Worten an, habe es auch so gemeint. Auch kann man Bernds Worten nichts mehr hinzufügen.

Grenzen ziehen ist eine ganz wichtige Sache.
Ich glaube, auch hier sind Unterschiede von Depression zu Depression und von Mensch zu Mensch zu sehen.
Wenn ich z.B. zum Gegenstand der Anfeindungen benutzt werde, und jede Disskussion ins nichts führt, schütze ich mich, indem ich diese so gut wie es geht zu ignorieren und mich Dingen zu widmen, die mir Spaß machen. Ich weiß, dass ich sie in Ruhe lassen muss. Natürlich ist das auch ein Verdrängungsmechanismus, aber ich weiß, dass irgendwann die Gedankenspirale meiner Frau durchbrochen und ein vernünftiges Gespräch zu stande kommen wird.

Wenn ich allerdings das Gefühl hätte, dass ich an meine Grenze gestoßen bin oder sie übeschritten habe, reicht diese Art von "Ablenken" nicht mehr aus und ich muss Kosequenzen ziehen. In so einer Lage war ich Gott sei Dank noch nie.

Ich danke dir für die Ergänzung und wünsche dir gute Erholung vom Forum .

Gruß
Tom
BeAk

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von BeAk »

Lieber Bernd,

Du irrst, leider. Ich kenne Das Loch nach großeren Ansträngungen. Habe zuletzt Mai 2003, nach bestandener Jägerprüfung, drin gesteckt. Meine jetzige Situaton hat nichts damit zutun.
Ich habe Wünsche und Ziele für die Zukunft, halte mich für stark und doch ändert das nichts an meiner Situation. Ich kann sie nicht willendlich beeinflussen, nur daran arbeiten das sie vorüber geht.

Deshalb, nochmal, Paß auf Dich auf.
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