Mein Freund will nicht zum Arzt gehen - was kann ich tun?

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Jocelyn
Beiträge: 2
Registriert: 18. Apr 2005, 22:14

Mein Freund will nicht zum Arzt gehen - was kann ich tun?

Beitrag von Jocelyn »

Mein Freund ist laut der Aussage seines Hausarztes manisch-depressiv und sollte einen Psychotherapeuten aufsuchen. Nachdem ich ihn tagelang gedrängelt habe, hat er die angegebene Nummer des Psychotherapeuten gewählt, die sein Hausarzt ihm gegeben hatte. Leider hat sich nur der Anrufbeantworter gemeldet und er hat sich überwinden können, darum zu bitten, zurückgerufen zu werden.
Seit eineinhalb Monaten wartet er jetzt auf den Rückruf, doch niemand hat sich bei ihm gemeldet. Nun geht er davon aus, dass der Arzt ihn nicht behandeln wolle und bezieht diese Ablehnung auch auf die anderen Psychotherapeuten, deren Adressen ich im Internet gesucht habe. Ich würde ihm gerne helfen, doch je deutlicher meine versteckten Anspielungen oder meine direkten Aufforderungen werden, desto mehr weigert er sich, einen Arzt anzurufen.
eine kurze Zusammenfassung unserer Situation:
Seit fast sechs Monaten bin ich mit meinem Freund zusammen. Er ist laktoseintolerant, allergisch auf die verschiedensten Lebensmittel und hat Heuschnupfen. Sein Hausarzt sagte, bei so vielen Krankheiten bleibe es nicht aus, dass auch der Kopf darunter leide und nach einem Gespräch stellte er die Diagnose manisch-depressiv. Ich kann nicht beurteilen, ob diese Diagnose so stimmt, aber meiner Meinung leidet er auf jeden Fall unter Depressionen. Er hat Phasen, in denen er nur auf dem Bett oder Sofa liegt und weint. Wenn ich ihn dann besuche, lege ich mich zu ihm und rollt sich in meinen Armen zusammen wie ein kleines Kind. Manchmal sitzt er irgendwo, sieht fern oder schaut aus dem Fenster und sagt, er wolle sich losreißen und etwas "vernünftiges“ tun, doch er könne es nicht. Ich beschreibe nicht in allen Einzelheiten, wie sein Verhalten genau aussieht, da ich mir schon ziemlich sicher bin, dass er an Depressionen leidet.
Mich selbst würde ich als durchaus verständnisvoll bezeichnen, ich weiß, dass er sich nicht absichtlich so verhält, sondern dass es eine Krankheit ist und wir sind auch glaube ich noch nicht lange genug zusammen, damit die Euphorie des Wir-Schaffen-Das-Schon“ schon verflogen wäre. Aber ich weiß auch, dass es unmöglich ist, ohne professionelle Hilfe eine Heilung zu finden, egal wie oft ich mir anhöre, wie schlecht es ihm geht und warum und sage, hm, schau mal...
Vermuten würde ich, dass in den depressiven Phasen sein geringes Selbstwertgefühl ihn denken lässt, er wolle den Arzt doch nicht „belästigen“ und er in den nicht-depressiven Phasen meint er, keinen Arzt zu brauchen. Ich schreibe in dieses Forum um zu erfahren, ob es überhaupt irgendetwas bringt, wenn ich ihn ständig auffordere, einen Arzt anzurufen oder ob er sich bevormundet fühlen würde, wenn ich dort anrufe. Ich würde ich gerne wissen, was ich tun kann, damit er Heilung findet, was meiner Meinung nach nur durch einen Arzt möglich ist.
jutschi
Beiträge: 10
Registriert: 26. Okt 2004, 01:48

Re: Mein Freund will nicht zum Arzt gehen - was kann ich tun?

Beitrag von jutschi »

Liebe Joceyn,
Wenn dein Freund ernsthaft unter dieser Krankheit leidet ist es Notwendig das er zu einem Arzt geht! Ein Hausarzt ist kein Psychologe, doch wie verhält es sich bei ihm genau? Hast du den Eindruck das er außer Depressionen noch andere Phasen durchläuft in denen er schneller spricht - verschwenderisch mit Geld um geht und trotzdem sehr weit von sich entfernt ist? Ich würde dir Raten dich zu Informieren über diese Krankheit und ihn nicht unter Druck zu setzen. Das Positive ist das er es schon immerhin versucht hat einen Arzt aufzusuchen. Wie geht es dir mit seinen Schwankungen? Schaffe dir Freiräume in denen du für dich Abstand gewinnst. Kraft sammelst. Ich kann mir vorstellen das er sich schwer helfen lässt.Wie gehst du emotional mit dieser Situation um? Letztendlich ist es wichtig das er sich heilen will von sich aus. Ich wünsche dir viel Geduld und alles Liebe Sandra
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Mein Freund will nicht zum Arzt gehen - was kann ich tun?

Beitrag von tommi »

Liebe Jocelyn,

du hast es schon richtig erkannt, dass es wichtig ist diese Krankheit zu behandeln. Es tut mir leid, dass der Psychotherapeut nicht zurückgerufen hat. Ich kann deinen Freund verstehen, dass es ihm eine unwahrscheinliche Überwindung gekostet hat und er durch diesen "Rückschlag" schon aufgegeben hat.
Ich glaube nicht, dass du ihn dadurch bevormundest, sondern ermutigen willst. Hast du ihn schon mal gefragt, ob du vielleicht anrufen sollst? Oder ob du bei ihm bist wenn er einen Termin vereinbart? Habt ihr schon den Arzt informiert, dass der Rückruf nicht erfolgt ist? Vielleicht kann er sich hier auch einklinken.

Ich wünsche dir viel Kraft und finde es schön, dass du so zu ihm hälst.

Gruß
Tom
Jocelyn
Beiträge: 2
Registriert: 18. Apr 2005, 22:14

Re: Mein Freund will nicht zum Arzt gehen - was kann ich tun?

Beitrag von Jocelyn »

Danke für eure Antworten,
selbst anrufen ist leider ein Problem, da er mir die Telefonnummer nicht zeigen will und ich hab den Arzt auch weder im Telefonbuch noch im Internet gefunden. So langsam geht ihm das glaub ich aber auch auf den Wecker, wenn ich ihn ständig versuche, an den Arzt zu erinnern...
zu Sandra: Ja, sinnloses Geldausgeben ist mir auch schon aufgefallen und ich habe mir manchmal schon gewünscht, dass es kein ebay gäbe. Da fang ich auch schon an "falsch" zu werden, denn wenn er mir dann ganz euphorisch berichtet, schau mal, ich habe mir einen neuen Flachbildschirm gekauft, fällt es mir schwer zu sagen, aber du hast doch da schon einen sehr schönen auf dem Schreibtisch stehen. Ich möchte nicht hingehen und seine gute Laune dann zerstören, indem ich ihm sage, dass ich es total blöd finde, wenn er sich ständig was bei e-bay kauft.
Du hast gefragt, wie ich mit seiner Situation umgehe; nun, ich verhalte mich schon anders und sage ihm selten, wenn ich gerne was unternehmen würde oder mit seinen Entscheidungen nicht einverstanden bin, sondern schaffe es durch geschicktes Überreden, ihn trotzdem zu etwas zu bewegen.
Aber dennnoch fange ich nicht an, unter seiner Situation mit zu leiden, da ich ein Pferd habe und wenn ich dann mal genervt bin oder schlechte Laune habe, gehe ich reiten und dann hab ich wieder neue "Kraft" gesammelt um ihm so beistehen zu können, wie ich es für hilfreich halte.
Jocelyn
jutschi
Beiträge: 10
Registriert: 26. Okt 2004, 01:48

Re: Mein Freund will nicht zum Arzt gehen - was kann ich tun?

Beitrag von jutschi »

Liebe Jocelyn,
Ich finde es schön das du ein Pferd hast!
Tiere sind auch für mich etwas sehr wertvolles, das mit den Einkäufen hat mein Freund der Unter einer Bipolaren- Störung leidet auch. Er verdient beruflich eine Menge Geld und schafft es in den Phasen wo er Hypomanisch ist sehr viel davon zu verschleudern. Es erfordert wirklich viel Geduld und Verständnis. Ich kann mir vorstellen das dein Freund Angst hat einen Arzt auf zu suchen und sich massiv unter Druck setzt. Ich weiß auch das ich damals gegen eine Mauer von Abwehr versucht habe an meinen Freund Hilfe heran zu tragen. Doch es gibt zwischen Phasen- in denen sind sie bei sich und da gilt es anzusetzten. Diese Fenster zur Seele hat auch mein Freund genutzt. Es gibt nicht den Rat wie du ihm zu einen Arzt bewegen kannst aber es gibt immer einen Weg.Ich habe mir geholfen und dadurch das ich von mir gelernt habe konnte ich meinen Freund ein treue Weg- Begleiterin sein. Alles Liebe Sandra
Cizzer
Beiträge: 95
Registriert: 14. Apr 2005, 16:28

Re: Mein Freund will nicht zum Arzt gehen - was kann ich tun?

Beitrag von Cizzer »

Jocelyn,

ich bin selbst krank und bei mir hat psychotherapie nicht geholfen. meine partnerin (ärztin) wollte, dass ich um psychiater gehe, was ich anfangs nicht wollte.

dann hab ich irgendwann auf der website des "bündnis gegen depression" einen selbsttest durchgeführt und gemerkt, dass es dringend notwendig ist etwas zu unternehmen. mir hat geholfen, dass mir die shrink erklärt hat, dass es sich um eine stoffwechselerkrankung handelt und nicht um eine charkterschwäche. ich nehme jetzt seit 5 monaten ein ad und ich lebe wieder.

ich glaube, dein freund muss erst den leidensdruck verspüren etwas zu unternehmen. meinme partnerin hat klar gesagt, wenn ich mich nicht behandeln lasse, beendet sie die beziehung. man muss depris auch grenzen aufzeigen.

viel erfolg und kraft

cizzer
cizzer = ex-sadman
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