Tagebuch eines Absetzversuchs

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Kriegerin
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Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von Kriegerin »

Hallo bin neu hier, und suche ein wenig Unterstützung und möchte auch meine Erfahrungen mitteilen.

Ich nehme seit 6 Jahren Citalopram 30 mg jeden morgen gegen Depressionen. Jetzt habe ich die Nase voll und will absetzen.... Hier erfahrt ihr wies mir geht und ob ichs schaffe.

07.03. Montag
Erster Tag ohne AD. Mir gehts sehr gut....

08.03.
Den Tag über gehts mir ganz gut. Jedoch am Abend gehen die Entzugserscheinungen los.
Leichte Weinanfälle, Schüttelfrost, mein Körper verspannt sich. Ich will nicht essen und nur schlafen. Habe meinen Freunden bescheid gesagt und auch meinen Chef eingeweiht. Werde sehen, dass ich in den folgenden Tagen nicht alleine bin.

09.03 Mittwoch
Ich wache auf und mir tut alles weh. Will weinen.... will nicht zur arbeit. Doch da muss ich jetzt durch. Ich will endlich frei sein. Zittern, Durchfall.... Rapple mich auf und gehe zur arbeit..... Jetzt bloss nicht alleine sein und nicht hängen lassen.
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Dendrit
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Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von Dendrit »

Sorry, wenn ich mich einschalte: wenn Du schon allein ein AD absetzt, warum machst Du es Deinem Körper - und so auch Dir - so schwer? Rebound-Effekte können sehr schmerzhaft und das allein schon wieder depremierend sein. Ich find's toll, dass Du diesen Schritt allgemein wagen möchtest, aber möchtest Du Märtyrer sein? Langsames Ausschleichen wäre viel sanfter und realer. Liebe doch Deinen Körper und tu ihm Gutes - wird so oft empfohlen, dann gönn ihm das, besonders in dieser schweren Situation.

Gruß, Manuela
Xavro
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Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von Xavro »

Hallo Janini,

ich kann deine Situation sehr gut verstehen. Ich bin auch gerade dabei ein Antidepressivum abzusetzen und habe gewisse Probleme damit.

Im wesentlichen kann ich mich Manulea aber nur anschließen.

Ich würde sogar noch weitergehen und das schlagartige absetzen vo 30 mg auf 0 in deinem Fall als große Dummheit bezeichnen. Ist das mit dem behandelnden Arzt abgesprochen gewesen?

Dein Text hat etwas von einem Selbstmordversuch, quasi als letzter Hilfeschrei nach Aufmerksamkeit und Liebe. Das klingt nicht gerade nach einer erfolgreich behandelten Depression.

Noch einmal: du tust weder dir noch deiner Umwelt mit dieser Vorgehensweise einen Gefallen. Nach dem was du schreibst, sind die Absetzerscheinugnen bei Dir sehr heftig. Das ist gefährlich und gehört unbedingt unter ärztliche Aufsicht.

Du schreibst, dass du das Mittel seit 6 Jahren nimmst. Das bedeutet, dass es bei dir als dauerhafte Phasenprophylaxe eingesetzt wurde. Leider gibt es Fälle, in denen man nicht umhin kommt, das Medikament lebenslang einzunehmen. Hat sich dein Arzt dazu geäußert? Was hält dein Therapeut von der Idee das Medikament abzusetzen?

Gruß
Xavro
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Kriegerin
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Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von Kriegerin »

Ne, ich habe das nicht mit meinem Arzt abgesprochen, weil ich inzwischen nach Spanien ausgewandert bin und hier noch keinen Arzt zu rate gezogen habe. Aber vielleicht habt ihr recht. Dann werde ich jetzt eben mit 20 mg weitermahcen und gucken wie es mir dann geht.
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butterfly33
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Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von butterfly33 »

Hallo Janine,

wie geht es Dir inzwischen?? hast Du mit einem Arzt gesprochen? Ich habe auch mein Antidepressivum im November abgesetzt, aber ich glaube das war ein ganz anderes Medikament als Du nimmst (remergil). Körperliche Entzugserscheinungen habe ich nicht bekommen. Nur die Depression brach wieder voll auf. Was heißt nur.... Ist schon schwer... Wollte unbedingt alleine klarkommen. Außerdem hab ich mit den tabletten 15 Kilo zugenommen. Das wollte ich auch nicht mehr. Ich weiß noch nciht, ob ich es langfristig schaffen kann ohne Medis. Hab erstmal nen Rehaantrag gestellt. Wäre es nciht für Dich auch besser, Du würdest das Ausschleichen des Medikaments stationär unter ärztlicher Aufsicht machen?? Dann bist Du auch nicht so alleine. Ich habe ohne die Medis auch dauernd das Gefühl, Halt verloren zu haben, jetzt total alleine dazustehen. und ich weiß nciht ob das reine Kopfsache ist, dass mir die Tablette Halt gegeben hat, oder ob es die Depression ist, dass ich mich so haltlos fühle.

Liebe grüße, Susanne
Nico Niedermeier
Moderator
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Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von Nico Niedermeier »

Abgesehen davon hören sich die geschilderten Symptome viel viel eher nach einer heftigen Angstreaktion als nach einem Absetzphänomen an........
Gruß
Dr. Niedermeier
N00b
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Registriert: 23. Feb 2005, 13:33

Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von N00b »

Herr Niedermeier,

könnten Sie mal eine Liste von Symptomen posten die auf Absetzsymptome/Entugssymptome deuten ?
Mo
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Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von Mo »

Hallo Janine,

Wer verschreibt Dir denn das Citalopram, wenn Du in Spanien noch keinen Arzt zu Rate gezogen hast? Der Arzt der das Rezept ausstellt sollte doch auch als Ansprechpartner da sein!

Gruß
Simone
Die Stimmen in meinem Kopf versichern mir, daß ich vollkommen normal bin!
Dendrit
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Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von Dendrit »

Hallo N00b,

bin zwar nicht der Doc, habe aber einen Link:

Entzugssymptome der modernen Antidpressiva (PDF) http://www.saez.ch/pdf/2001/2001-03/2001-03-1390.PDF


@ Janine,

ich habe einen so komisch geformten Dispenser, dass es schon mal passieren kann, dass sich "dünne" Tabletten im Eck hängen bleiben. Das ist mir mit Phenytoin (Zentropil) manchmal passiert - natürlich nur morgens, wenn die Augen noch nicht richtig offen sind. Letzte Woche beim Arzt: mir war speiübel, zitterte, Konzentrationsschwierigkeiten. Mein erster Gedanke: hast Du die Medi's morgens vergessen, warum aber keine vermehrte Absencenhäufigkeit? Schaute daheim nach: 2 mg Reboxetin lagen im Eck. Tagesdispenser raus, nahm sie nach und was entdeckte ich entsetzt: den Tag zuvor ist mir das selbe passiert. Jetzt sind die Augen natürlich schön offen, ob auch wirklich alle in der Hand liegen. Da kann ich nur sagen: ich hätte echt bammel, in so einem großen Schritt die Medi's abzusetzen (gut, darf ich sowie so nicht, aber trotzdem). Sollte ich von Reboxetin wegmüssen: stationär oder ganz langsam ambulant. Seidentuch/Window-Color malen kann man da vergessen: außer das zittrige Ergebnis stellt ein eigenes Kunstgebiet dar!

Gruß, Manuela
Hannes_Wien
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Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von Hannes_Wien »

@ Dr. Niedermeier

Wie kommen sie zu der Ansicht, dass es sich bei den geschilderten Symptomen um Angstreaktionen handelt?

Die von Janine beschriebenen Symptome gehören eindeutig zu den Entzugserscheinungen der SSRI AD.

Prof. Dr. David Taylor (Chefpharmakologe im Maudsley Hospital, London) hat diese im Rahmen eines Forschungsprojekts sehr gut beschrieben.

Ein Link zu David Taylor:

http://www.adfd.de/forum/viewtopic.php?p=4734#4734

Und ein Link zu ABSETZSYMPTOME von Dr. David Healy MD FRCPsych (Direktor des North Wales Department of Psychological Medicine):

http://www.adfd.de/forum/viewtopic.php?p=4742#4742

Noch Fragen ?

Hannes
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Tim_Pfeiffer
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Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von Tim_Pfeiffer »

Lieber Hannes_Wien,
was es denn nun genau ist, kann vermutlich keiner der Beteiligten via Internet mit Sicherheit sagen. Manchmal frage ich mich auch, ob es nicht auch eine "Glaubensfrage" ist, ob man denn nun die geschilderten Symptome als "Absetzeffekte", "Entzugserscheinungen", "Reboundeffekte" oder oder oder bezeichnet. Ich denke, dass es am wichtigsten ist, DASS bei Absetzen unangenehme Effekte und Symptome auftreten können - das Label ist (wie so oft) meines Erachtens nicht so wichtig. Wir sollten v.a. daran denken, den anderen Usern keine Angst zu machen.

Vielleicht noch ein kurzer Hinweis zu den Links: Natürlich handelt es sich um hochkarätige Leute (wobei ich bezweifle, dass allzu viele Leute hier etwas mit den englischen Abkürzungen für akademische Titel anfangen können.... - ich muss auch immer wieder überlegen) - dennoch rankt sich z.B. um Herrn Healy seit Monaten eine "heisse" Debatte, die noch nicht beendet ist und die wir nicht verkürzt hier fortführen sollten...

Viele Grüße
Tim Pfeiffer
N00b
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Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von N00b »

Das kann ja nicht erst gemeint sein oder ?

Man wird schon gerne wissen ob man einen Rückfall erleidet oder ob es sich schlicht um Entzug handelt. Das hat nix mit Glauben zu tun.

Oder gegen sie bei Benzos genau so vor ? Erschreckend.
MissMarple

Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von MissMarple »

@ Hannes Wien,

endlich wieder jemand vom Antidepressiva Forum, ich habe mich schon lange gefragt, wo ihr nur bleibt.

Schöne Grüße an Oliver und CloneX, die mich lange mit ihren postings furchtbar genervt haben, bis sie endlich aus diesem Forum verschwanden.

Birgit
Tim_Pfeiffer
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Re: Tagebuch eines Absetzversuchs

Beitrag von Tim_Pfeiffer »

Hallo Noob,
zunächst vorab: Ich weiß jetzt nicht, wie Sie auf den Entzug von Benzodiazepinen kommen aber natürlich werden diese Substanzen nach längerfristiger Gabe langsam ausgeschlichen.
Auch habe ich keinerlei Empfehlungen i.S. von "ist eigentlich egal" zum Vorgehen ausgesprochen und verstehe daher Ihre Reaktion nicht ganz.
Noch einmal ein Wort zu den Absetzeffekten: Wir wissen, dass Antidepressiva oftmals zu früh (nämlich unmittelbar nach Abklingen der depressiven Symptomatik) abgesetzt werden. Dies erfolgt oft auch ohne Absprache mit dem Behandler. In solchen Fällen ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die depressive Episode insgesamt noch nicht zu Ende war und nach Absetzen der Medikation wieder aufflammt. Aufgrund der interindividuellen Unterschiede bei der Dauer der aktuellen depressiven Episode gibt es allerdings keine Sicherheit, ob mögliche Symptome bei Absetzen eben diese erneute Verschlechterung der depressiven Symptomatik darstellen oder kurzfristige Absetzeffekte sind (die nach einiger Zeit wieder vergehen).
Ich stimmte Ihnen zu, dass natürlich ein Unterschied in der notwendigen Intervention dahingehend besteht, dass man einer depressiven Symptomatik vorzugsweise mit einer antidepressiven Medikation entgegenwirkt, wohingegen bei Absetzeffekten ein vorsichtiges "Herausgehen" aus der Medikation angezeigt sein kann.
Im Alltag sollte es so sein, dass Patient und Behandler gemeinsam den Entschluss fassen, die Medikation zu einem bestimmten Zeitpunkt versuchsweise zu reduzieren oder ganz abzusetzen. Aus der gemeinsamen Beobachtung, dem Zeitverlauf und der Vorgeschichte lassen sich dann gemeinsam die nächsten -angemessenen- Handlungsschritte ableiten.

Viele Grüße
Tim Pfeiffer
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