Seltsamer Blick

[tomriddle]

Hallo,

ich nehme seit ungefähr einen halben Jahr Citalopram 20mg, da eine (leichte) depressive Erkrankung bei mir festgestellt wurde. Disthymie, tellenbach'sche Ausprägung. Keine endogene Depression, sondern eine neurotische, aber das nennt man heute wohl nicht mehr so (Neurose). Wie auch immer. Mit dem Medikament geht es mir etwas besser, mehr Antrieb, bessere Grundstimmung.

Was unverändert geblieben ist, ist die Wahrnehmung meines Umfeldes und umgekehrt. Mir ist aufgefallen, dass ich häufig einen seltsam emotionslosen, kalten, starrenden Gesichtsausdruck habe. Das ist offenbar mein Standard-Gesichtsausdruck. Wenn ich lache, d.h. Gesichtsmuskeln anspanne o.ä. ist das nicht. Ich merke nun schon seit langem, dass mein Umfeld darauf irritiert reagiert. Ich weiß, dass das schon ziemlich beknackt klingt, aber es belastet mich. Ich fixiere niemanden oder sehe jemanden absichtlich böse an. Ich kriege es anscheinend nicht hin, einen normal-freundlichen entspannten Ausdruck "hinzubekommen" wie es eine alltägliche Standardsituation erwarten lässt. Ich habe das auch schon in der Thearpie geäußert, aber mein Arzt weiß nicht so recht, was er dazu sagen soll. Kennt das jemand? Es ist nicht im Zusammenhang mit den Medikamenten zusehen, möglicherweise aber in Zusammenhang mit der Erkrankung.

[Faustus]

Hi Tom,


ich denke dass der emotionslose Blick eine direkte Folge der Depression ist. Ich habe dafuer auch einmal in einem Fachbuch ueber Depressionen einen Fachbegriff gelesen, ihn aber vergessen - irgendwas wie "Gestenverarmung" oder so. Bei mir selbst habe ich das im Peak meiner Depression auch beobachtet, einhergehend mit einer monotonen, leisen Stimme.

Ich wuensche Dir auf jeden Fall, dass Deine Gesten bald wiederkommen, sprich dass sich Deine Depression bessert !

Alles Gute,


Faustus

[Xavro]

Hallo Tom,

diese "emotionale Erstarrung" sollte sich im Laufe der Behandlung legen, wenn du wieder "zurück ins Leben" kommst.

Gerade diese Geschichten mit der Wahrnehmung von sich selbst und der wie man glaubt das andere einen sehen, sind aber typische Aspekte einer Depression, bei denen ich der Meinung bin, das eine begleitende Psychotherapie unverzichtbar ist.

Das dein Arzt mit dieser Ausprägung der Depression nicht vertraut ist, stimmt mich bedenklich. Ist das kein Facharzt?

Gruß
Xavro

[tomriddle]

Doch, ich bin ich Therapie bei einem "Psychiater" - also einem Arzt. Bislang war ich viermal dort, und er will jetzt eine Therapie beantragen.

Ich nehme derzeit 20mg Citalopram, was meinen Antrieb steigert aber meine Stimmung etwas, aber nicht wesentlich aufhellt. Das Medikament hatte mir ein anderer Arzt (Psychiater+Neurologe) verschrieben, der jedoch keinen Therapieplatz mehr frei hatte. Daher bin ich zu dem jetzigen Arzt gewechselt.

Vielleicht ist das Citalopram auch zu niedrig dosiert?

Tom

[Anjafelix]

Hallo Tom
ich nehme selbst nun 40mg Citalopram und habe mit 10mg angefangen es kann da schon sein das es bei dir noch zuwenig dosiert ist.Ich komme nun gut zurecht und auch meine Stimmung ist nicht mehr so kippend das ich zeitweise unvermittelt in Tränenausbreche und dies mich in ein Loch katapultiert.
wünsch dir weiterhin alles gute
Anja

[juan]

Ein negatives Selbstbild gehört leider auch zum Krakheitsbild der Depression.Daher bildet man sich auch mitunter ein das man auf Aussenstehende komisch,unsympatisch oder nicht liebenswürdig genug wirkt.

[tomriddle]

OK, den Einwand kann ich nachvollziehen aber nicht bestätigen. Ich bin wirklich nicht über alle Maßen selbstkritisch, zumindest nicht so, dass ich mir das einbilden würde. Es ist ja nicht so dass mich alle seltsam ansehen würden oder so. Aber viele tun das, kneifen die Augen zusammen oder schauen irritiert, ich glaube weil ich von der Mimik einfach total untypisch reagiere. Das Gesicht als Spiegel der Seele oder so ähnlich. Vielleicht sollte man eine höhere Dosis mal beim Arzt ansprechen. Werde mal nachfragen. Sonst gerate ich noch sozial ins Abseits. Auf der Arbeit weiß nämlich keiner was von meiner Erkrankung, Krankheit oder meinem Knacks.

[Sentis]

Hallo Tom!

Da ich schon seit Jahrzehnten AD nehmen muss, kenne ich meine Mimik schon sehr genau. Immer wenn ich zu wenig AD im Blutspiegel habe, dann bin ich auch nicht fröhlich und kontaktfreudig. Dann kommt die starre Mimik, die großen Augen und der unfreundliche Blick – so sagt mir dies meine Familie.

Dies behebe ich dann durch täglich mindestens eine Stunde intensive körperliche Betätigung (120 bis 135 Puls). Ist längeres Schlechtwetter, dann nehme ich vorrübergehend etwas mehr der AD. Und immer viel trinken, dies hilft der Leber beim Abbau der Verstoffwechselungs-Schlacken (Metabolisierung).

Dies hat schon vielen unserer "AD-Selbsthilfegruppe" geholfen. Versuch es einmal, es hilft sicher auch dir.

Alle Gute wünscht dir, Gery (Sentis)

[tomriddle]

Hallo Sentis,

ich muss jobbedingt meistens sitzen, werde aber versuchen mich mehr zu bewegen. Allerdings habe ich mir wegen des vielen Sitzens schon tägliche Rückenübungen auferlegt, was auch ganz gut ist. Zudem ist es bei dem jetzigen Wetter tatsächlich nicht so leicht draußen 'rum zu sprinten. Im Sommer ist das schon einfacher. Du nimmst dann etwas mehr deines Antidepressivums, sagst Du. Das traue ich mich nicht ohne mit dem Arzt zu sprechen, weil ich ja auch nicht weiß, was Du nimmst. Ich habe morgen einen Termin und werde ihn mal fragen. Danke und alles Gute!

Tom

[Sentis]

Hallo Tom,
du musst ja nicht sprinten, es reicht rasches "Nordic-Walking", dann wird durch den Einsatz der Stöcke der gesamte Rücken und der Schultergürtel auch gleich mittrainiert.

Welches AD du verordnet bekommst ist für die Verstoffwechselung vollkommen egal, denn jedes AD produziert mehr oder weniger (durch die Metabolisierung) Abbauprodukte. Deshalb einerseits viel trinken, damit gehen diese "Schlacken" rascher über die Nieren weg.

Andererseits schrieb der berühmte Depri-Forscher Dr. Birkmayer in einem seiner Bücher: Beim Stoffwechsel eines Depressiven entsteht mehr Ammoniak, als bei Nicht-Depressiven. Dieses wird – nach seiner Meinung - am raschesten abgebaut, wenn man viel körperliche Bewegungen macht (z.B. Nordic-Walking" im Winter). Je mehr man sich körperlich anstrengst, desto weniger AD benötigt man.

Konnte ich dir damit weiter helfen? – Liebe Grüße, Gery.

[tomriddle]

Hallo Gery,

ich nehme ab heute 30mg Citalopram, mal sehen, was das bringt. Nordic Walkig, hab ich schon von gehört und es auch mal ausprobiert. Was mich bislang davon abgehalten hat, sind die meines Erachtens teils unverschämt teuren "Stöcke". Neulich hab ich mir im Wald ein paar geschnitzt, so auf 1,25m Länge, das ging ganz gut, ist aber nichts Richtiges. Wenn, dann würde ich das zusammen mit meiner Frau machen und dann sind gleich 150 Euro weg. Ich überlegs mir mal. Was nimmst Du denn für ein Antidepressivum und wieviel?

Tom

[Sentis]

Lieber Tom, ich mache "Nordic-Walking" schon seit 5 Jahren. Aber nicht mit dem Modestecken, sondern mit meinen alten Schistecken. Solche kosten jetzt im Ausverkauf höchstens € 20. Überigens gibt es in der kommenden Woche bei EDUSCHO ein Sonderangebot für original Nordic-Walking-Stecken um € 35.

Egal welche Art von Depri du hast und egal welche Mittel dein Arzt speziell für dich am besten findet: Wenn du dich körperlich forderst, dann brauchst du weniger AD. Ich habe soeben mit meiner Neurologin gesprochen und die erklärt dies damit: Musekelleistung fördert die Produktion von Adrenalin, erzeugt die Glückshormone Endorphine und baut das überschüssige Ammoniak ab.

Daher besser mehr körperliche Betätigung als mehr AD. Einen schönen Abend wünscht dir Gery.