was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

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gelberosen
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was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von gelberosen »

Hallo liebes Forum,

ich steh grad ganz fest auf der Leitung. Ich brauch eure Hilfe. Um folgendes geht es:

In der letzten Therapiestunde habe ich andeutungsweise erzählt, daß mir vor etwa 10 Jahren in einer Zeit ganz großer Umwälzungen und sehr großer Unsicherheit von einer mir damals sehr nahestehenden Person ganz schlimme Dinge angetan wurden. Ich sagte auch, daß mich diese Sache erst recht krank gemacht hat. Die Therapeutin fragte mich, ob ich darüber reden will. Ich wollte noch nicht. Auf ihre Frage, was ich denn dazu brauche könnte, kam bei mir nur irgendwelches allgemeines Durcheinander heraus, mehr nicht. Keine von uns beiden konnte erstmal etwas damit anfangen. Ich hab das Gefühl, sie ahnt eh schon, worum es geht und will mir nur Sicherheit zum Reden verschaffen.

Ich habe auch angedeutet, daß die selbe Sache bei meiner vor kurzem verstorbenen besten Freundin im selben Alter vorgefallen ist. Nun ist bald der Gerichtstermin, bei dem es um das Sorgerecht ihres kleinen Sohnes geht, und da kann es sein, daß ich dazu gefragt werde. Zumindest habe ich vor, dem Jugendamt und dem Gericht über diese Sache schriftlich zu berichten und über einige andere Gewalttaten in ihrer Familie, damit diese auf keinen Fall das Sorgerecht bekommt.

Und auch durch den Druck des medizinischen Dienstes ist die „Geschichte“ präsent. Aber auch durch eine neue Bekanntschaft (Letztere ist eine sehr angenehme Person. Wir haben uns darüber unterhalten, wie wir die Zeit seit der Wende und nach der Wiedervereinigung verbracht haben. Das hat in mir ein starkes Gefühl an diese Zeit wiedererweckt.)

Ja, die „Sache“ ist also seit mehreren Wochen oft vor meinen Augen, und innerlich ständig präsent. Es ist nicht so, daß ich überhaupt nicht damit klarkommen würde. Die (teilweise) Konfrontation damit hat mich um einiges gelassener, erleichtert und stärker (belastbarer und sicherer) gemacht, vor allem hoffnungsvoller. Gestern habe ich sie sogar ein Stück weit mit dem Badewasser weggespült. Vorher war natürlich einiges an Stabilisierung nötig. Was genau, darüber konnte ich erst in der letzten Stunde mit der Therapeutin reden.

Damals vor über 10 Jahren habe ich mal demjenigen eine sehr belastende und intime Sache erzählt, was er dann über einige Jahre schamlos ausgenutzt hat. Deshalb fällt es mir auch heute so schwer, mit der Therapeutin „darüber“ zu reden. Und das will ich schon. Ich will das Geschehene ein Stück weit im Therapieraum lassen um meiner selbst willen und auch um des Kindes wegen, das ich wie einen Sohn liebe. Und auch um die Feiertage und den Jahreswechsel gesünder als in den letzen Jahren zu verbringen.

Also, was könnte ich brauchen?

Daß sie mir zuhört und nicht unterbricht.
Daß ich nur so viel darüber erzählen muß wie ich kann.
Daß sie in dieser Sache auf meiner Seite steht.
Daß sie mir ihre Meinung und ihr Gefühl dazu mitteilt.
Vielleicht brauche ich etwas Trost.
Und sie muß mir vorher versprechen, daß sie es keinesfalls gegen mich verwendet.

Fällt euch noch etwas dazu ein?

Fast schon verzweifelte Grüße
die Besserung
Marte
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Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von Marte »

Liebe Besserung,

eigentlich hast Du doch schon alles geschrieben, was Du von Deiner Therapeutin brauchst !

Schwierig finde ich immer, die Dinge dann wirklich anzusprechen. Das beschreibst Du hier auch als Problem. Ich habe die Idee, mir diese Dinge auf verschiedene Stichwortzettel zu schreiben, meinetwegen fünf Stichworte, die nur für mich verständlich sind und mir vorzunehmen mindestens drei anzusprechen. So, das habe ich mir vorgenommen, aber ich kann es noch nicht, es braucht alles so entsetzlich viel Zeit. Das schmerzt, aber ich habe es für mich akzeptiert.

Vielleicht ist das jetzt nicht sehr hilfreich für Dich, aber mir geht es immer so, wenn ich (vermeintliche) Ähnlichkeiten zu mir sehe, nur das schreiben kann. Dabei kann es durch die individuelle Wahrnehmung aber etwas ganz anderes sein...

Liebe Grüße, ich wünsche Dir ein gutes Gespräch. Marte
jim111
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Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von jim111 »

Guten Abend Besserung!

Würde es dir vielleicht einfacher fallen die Geschichte auf Papier zu bannen und dann deiner Therapeutin in der Form zu geben?
Xavro
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Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von Xavro »

Hallo Besserung,

ich denke, Du brauchst Vertrauen.

Das ist natürlich schwierig, das kann man nicht einfach rüberreichen wie einen Kugelschreiber. Die Therapie soll es Dir ermöglichen wieder Vertrauen zu anderen Menschen und zu Dir selbst zu haben. Die Gelegenheit darüber zu sprechen ist natürlich günstig, aber Du solltest Dich nicht zu etwas zwingen. Es scheint so, als wärst Du noch nicht ganz so weit. In diesem Sinne brauchst Du noch etwas anderes, nämlich Zeit.

Gruß
Xavro
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gelberosen
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Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von gelberosen »

Hallo Marte, Jim, Xavro und auch Xenia (danke für dein mail),

danke erstmal für eure Beiträge. Heute sind mir meine größten Befürchtungen durch den Kopf gegangen:
- Daß es mir nach dem Reden schlechter geht als vorher, und daß wir es nicht mehr abfangen können,
- Daß in der Therapie plötzlich mit dem Aussprechen „alles ganz anders wird“,
- Daß sie anfängt, ich müsse jetzt Medikamente nehmen oder in eine Klinik,
- Daß mir alles zuviel wird: darüber reden, die Feiertage und das Gerichtsverfahren samt der Schreiberei.
Es sind alles ganz unbegründete Befürchtungen und auch ganz normal so momentan.

Hier nun noch einige Ideen, was wichtig für mich sein könnte:

daß ich weinen darf.
Daß ich wütend werden und hassen darf und auch ganz traurig sein und einsam.
Und daß alles nicht gewertet wird.
Vielleicht ist es besser, erstmal die Befürchtungen auszusprechen, dann die Sache beim Namen benennen, aber nicht ins Detail zu gehen.
Sie muß mir vorher versprechen, daß
- Sie mich nicht gleich in eine Klinik schicken wird.
- Daß sie nicht automatisch von Medikamenten spricht.
- Sie die Vorkommnisse von damals und die Folgen heute ernst nimmt.
- Daß jetzt in der Therapie nicht automatisch alles anders werden muß.
Zum Abschluß ein Ritual wäre hilfreich, um die „Geschichte“ nicht so heftig aus dem Therapieraum mitzunehmen. Sie muß dabei aber mitmachen.
Und ich will vorher nochmal mit ihr darüber reden, ob wir über die „Sache“ unbedingt reden müssen, bevor ich den Brief an Jugendamt/Heim/Gericht schreibe, oder ob es vielleicht besser wäre das noch nicht zu tun, weil ich vielleicht mich doch zu sehr aufregen könnte und doppelte Aufregung (in der Therapie und mit dem Sorgerecht) doch zu viel auf einmal wäre.
Und vielleicht krieg ich ja auch eine Wärmflasche für meine schmerzende Hüfte (und auch zum dran festhalten).

Ich dachte zuerst, daß es besser wäre, ihr ein mail zu schicken. Vielleicht wäre auch ein Zettel hilfreich. Morgen habe ich Termin, und mir ist schon ziemlich mulmig. Meine Therapeutin ist übrigens sehr geschult, was Traumatisierungen angeht. Von daher brauche ich mir keine Gedanken zu machen. Sie bremst eher als einen zu überfordern damit. Ist auch gut so. Ich glaube, ich drucke mir den thread aus und nehme ihn eher als Art Hilfe in dem Sinne mit, daß ich etwas einstecken habe, woran ich mich festhalten kann. Das Gespräch wird schon den Verlauf nehmen, wie es für mich stimmt. Auf alle Fälle werde ich euch berichten, wie es war.

Jetzt geh ich mal schlafen, der Tag war gut und ausgefüllt. Und mein Auge will sich ausruhen. Ich hoffe, es wird keine heftige Bindehautentzündung.

Liebe Xenia,
du kriegst noch ein mail von mir. Die nächsten Tage werde ich nicht so viel am PC sein können, das Auge tut einfach weh, und ich bin auch etwas unterwegs und habe auch sonst viel zu tun.

Grüße an euch alle
die Besserung
gelberosen
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Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von gelberosen »

Hallo ihr,

nun ging es in der letzten Therapiestunde doch noch nicht um dieses heiße Eisen. Wir haben darüber geredet, wie in den letzten 3 Jahren Weihnachten und der Jahreswechsel nur ein einziger Streß, ein einziger Alptraum für mich war und daß ich dafür in diesem Jahr körperlich erstaunlich gesund bin. Keine schweren Infekte, keine Kotzerei, kein Krankenhaus, kein großer Beziehungsstreß. Nur ne Bindehautentzündung und ne verkühlte oder verdrehte Hüfte und die Nachwehen der Beschäftigung mit solchen Geschichten. Irgendwas habe ich überhaupt nicht richtig kapiert, nämlich daß ich in den letzen Monaten erstaunlich viel getan habe dafür und so „nebenbei“ auch noch den Tod meiner besten Freundin zu verkraften hatte, mich in einem Sorgerechtsstreit befinde und mich noch mit dieser uralten Geschichte auseinanderzusetzen hatte. Außerdem ist meine finanzielle Situation ab Anfang Januar ungewiß (ALG II und noch keinen Bescheid). Dann hatten wir ein ziemliches Mißverständnis. Und wir haben herzhaft darüber gelacht, zum ersten mal übrigens, und es hat sehr gut getan.

Wahrscheinlich habe ich mit dem Jahreswechsel genug zu tun und mit den finanziellen und Sorgerechtsgeschichte. Wahrscheinlich ist es wohl erstmal an der Zeit zu registrieren, was ich in den letzten Monaten fertig gebracht habe. So manch anderer wäre wohl jetzt schwerkrank, und mir geht es Stück für Stück besser seit Genehmigung der Therapie (und das ist erst etwas über 3 Monate her). Ja ich bin’s, die sich nochmal auf die Socken gemacht hat nach der richtigen Therapie nach den vielen Fehlversuchen und Retraumatisierungen durch die Therapie. Ich bin es, die durch die ganzen Krisen hindurchgeht. Ich bin es, die die Selbsthilfegruppe gegründet hat, die sich selber Methoden erarbeitet hat. Und ich bin es, die sich dahin gebracht hat, daß sie an einem Tag (nicht an jedem) wieder in der Lage ist, mehrere belastende Dinge zu tun. Ich bin es, die wieder mit den Behörden redet und dort mit fast fast 10 Leuten zu tun hat, die wieder mehr unter die Leute geht usw... Das muß erstmal so einigermaßen in meinen Dickschädel rein.

Außerdem haben wir uns noch darüber unterhalten, wie die früheren Therapien nur heftige Ambivalenzen noch verschärft haben und was da wohl hilft. Also schon bewegende Sachen genug.

Ja, lieber Xavro,
stimmt, die häßlichsten Ereignisse meines Lebens anzusprechen braucht wohl noch etwas Zeit. Und auch meine Stärke beim Gerichtsverfahren hängt nicht zwangsläufig davon ab, ob ich bis dahin mit meiner Therapeutin über das geredet habe, was mir dieser Mensch angetan hat, sondern eher davon, wie ich mein Leben im Griff habe und ob ich mit dieser Geschichte wenigstens so halbwegs abgeschlossen habe. Also davon, wieviel Zufriedenheit ich meinem Leben bis dahin geben kann.

Liebe Marte, Jim und Xenia,
sicher könnte ich ihr die Geschichte auch aufschreiben, ich habe ihre email und könnte ihr es schicken. Aber ich glaube, daß das bei mir keinen Effekt hätte. Ich glaube, mir würde das Mitteilen erst etwas bringen, wenn ich es relativ leicht über die Lippen bringe, und wenn ich dann auch die heftigen Gefühle, die damit verbunden sind mitteilen kann. Schwierig ist es dann immer noch.

Und wie gesagt, bei meiner Therapeutin bin ich mit solchen Sachen sehr gut aufgehoben. Sie ist da sehr geschult und auch gut drin. Ich glaube, sie hat schon erraten, was ungefähr los war. So wie sie einen selbst durch ganz schlimme Krisen begleitet, deren die Wichtigkeit betonend, mit soviel Ruhe, Sicherheit und Wärme, und wie sie einem dabei den Willen läßt. Den nächsten Termin habe ich Anfang Januar. Bis dahin werde ich einiges zu schreiben haben. Ich verarbeite sehr viel schreibend: Ich schreibe Träume auf, Geschichten, manchmal Gedichte. Und mein Schreiben für das Jugendamt wartet auch noch. Und für eine Achtsamkeitsgruppe hab ich mich angemeldet.

Das schönste ist, daß ich langsam wieder mein Leben zurück bekomme (oder erobere ich es mir zurück?) Die ganzen letzten Jahre hatte ich mehr das Gefühl, daß ich nur noch überlebe. Und ich habe nicht einmal gewußt warum. Gut, manchmal bin ich auch ganz stinkig, weil ich mich selber da raus rappel muß und Gesundheit nicht geschenkt bekomme (ist auch verständlich nach dem was ich alles durch habe). Aber es geht nun mal nicht anders.

So, nun ist aber Schluß. Ich hab noch viel vor heute.
Meldet euch doch nochmal. Ich mag keine Monologe halten.
Liebe Grüße
die Besserung
gelberosen
Beiträge: 560
Registriert: 26. Jul 2003, 08:20

Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von gelberosen »

Hallo ihr alle, die ihr mir beigestanden seid,

ich hab’s gestern getan, ich hab ihr einfach erzählt, was sich damals vor über 10 Jahren abgespielt hat.

In der vorletzten Therapiestunde war ich so außer mir, und ich war fast nicht mehr zu erreichen. Eigentlich haben wir nur darüber geredet, was ich früher mal gerne gemacht habe. Das war sowas von schwer, daß ich ausgerastet bin und fast nicht mehr zu bremsen war. So hab ich mich noch nie erlebt. Anschließend hab ich gemerkt, wie sehr damals die ganzen Sachen, die ich so gerne gemacht habe und das Trauma zusammen hingen. Und das ist bis heute nicht aufgelöst. Mir ging‘s dann so schlecht, daß ich 3 Tage fast nicht aus dem Bett gekommen bin. Anschließend, nachdem ich das ganze so halbwegs verdaut hatte, habe ich einen Entschluß gefaßt:

NIE WIEDER WERDE ICH EINEM MENSCHEN ODER EINER SACHE SO VIEL MACHT ÜBER MICH EINRÄUMEN!!!!

Dann hab ich in der letzen Woche 2mal mit den Frauen vom Krisentelefon des Frauennotrufs geredet, und das hat sehr geholfen. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die bei solchen Traumatisierungen sich am besten auskennen, besser als die Telefonseelsorge und nicht darin ausgebildete Helfende. (Wäre vielleicht ein Tip an die Moderatoren, die Frauennotrufe mit in die Liste der Krisentelefone aufzunehmen) Und weil die ganze Sache in der Nachwendezeit gewesen ist, hat es mir geholfen, erstmal zumindest ansatzweise mit einer Frau aus den neuen Bundesländern zu reden.

Die ganze Woche habe ich gebangt, wie ich wohl mit der Therapeutin reden soll, aber je näher der Termin kam, umso ruhiger und zuversichtlicher wurde ich. Ich habe gemerkt, daß das ganze für mich sehr stark tabubehaftet ist, und zwar nicht wegen der Sache von damals an sich, sondern weil sie sich damals in den neuen Ländern abgespielt hat unmittelbar in der Nachwendezeit.

Gestern war nun also Termin, und das Thema lag schon in der Luft. Und ohne allzugroße Umschweife ging es zum Thema: Erstmal ging es um meine Befürchtungen. Und die größte war tatsächlich, daß sie es verkehrt versteht, weil sie die damalige Zeit und die Not nicht versteht. Und dann wie man sich solche Sachen in dem Alter noch gefallen lassen kann. Sie meinte nur, daß es immer schlimmer wird, wenn ich nicht rede, daß ich mich nur furchtbar schäme und daß sich vieles nur in meinem Kopf abspielt.

Und dann hab ich einfach angefangen zu erzählen von damals und wie ich die ganze Sache heute so sehe. Es war gar nicht so schlimm wie ich es mir vorgestellt habe. Ich bin nicht vor Scham im Boden versunken und auch nicht im Gefühl ertrunken. Ich bin nicht mit unqualifizierten Fragen bombardiert worden, nicht ausgehorcht oder abgewertet. Und sie hat mich nicht gleich überfallen damit, daß ich doch in eine Klinik gehen soll oder Medikamente nehmen. Statt dessen gab ein dickes Lob, daß ich noch in keiner Therapiestunde so bei mir gewesen wäre. Es ging dann noch darum, wie ich mich mit der ganzen Sache so fühle (Trauer, Wut hauptsächlich) und was ich denn meine, wie es mir so gehen wird, wenn ich denn jetzt gehe. Ich meinte nur, daß mir wohl jetzt die Knie zittern werden, daß sich das aber bald geben wird. Doch dazu kam es nicht mehr. Auf der Straße traf ich noch eine Bekannte, die zur selben Therapeutin geht und wir haben uns über die Selbsthilfegruppe unterhalten. Dann bin ich noch in einen der hiesigen Frauenräume gegangen und es war erstmal gut... Wenn man anfängt von ganz schlimmen Dingen zu erzählen, ist man wohl doch schon ein ganzes Stück stabiler.

Nächstes mal werde ich wohl weiter erzählen, weil ich den Eindruck habe, daß sie die Ost-West-Thematik dabei noch nicht so richtig begriffen hat. Aber da ist sie lernfähig, das spüre ich. Ist halt gesellschaftlich noch nie richtig betrachtet worden, das ganze Kriminalitäts- und Korruptionspotanzial in diesem Riesenumbruch damals.

Und ich werde wohl auch darüber erzählen, wie ich es von mehreren Seiten abbekommen habe: von der Person damals, von Kollegen, der Politik, dem Wohnungsamt, der Fahrgemeinschaft usw... Es war einfach alles viel zu viel damals.

Ach so, das Tabu nochmal: Es war damals ein Tabubruch, hierher zu ziehen und die Geschichte auf diese Weise zu beenden. Ich wurde sofort sehr depressiv. Leider konnte mir damals keiner helfen. Ich spürte nur, daß ich mit keinem meiner damaligen Helfer darüber reden konnte. Sie kannten sich überhaupt nicht damit aus, und ich war auch schon zu krank dafür zu wechseln. So wurden die Beschwerden auch nach jeder Therapie schlimmer. Aber eigentlich sagt meine Krankheit sehr viel darüber aus, wie schwach und brutal derjenige war, der mir diese schlimmen Dinge angetan hat, wie unfähig meine damaligen Helfer waren, wie wenig vertraut mit Traumatisierungen und wieviel Angst sie hatten vor Ostdeutschen, also vor dem Fremden in sich selber und damit auch vor ihnen. Tabubruch mit anschließender Abwertung (und so erlebe ich heute meine damaligen Behandlungen) führt zwangsläufig zu Krankheit. Ist nur gut für den Geldbeutel der Kranken. Tabubruch mit Reden und wiederherstellen der Würde dagegen führt in Gesundheit. Wenn ich es auch noch nicht so recht glauben kann, daß von so vielen Jahren Depression mal nicht mehr allzuviel übrig bleiben muß. 10 Jahre Therapie, über 10 Jahre Hilfsangebote verschiedener Art, und nichts half, sondern es wurde jedesmal nur schlimmer. Kein Wunder, daß ich fast schon nicht mehr therapierbar war, so viele Hindernisse die Therapie heute sehr schwer machen.

Heute verarbeite ich mehrere Dinge nebenher:
Schlimme Dinge in meinem Leben
Fehltherapien und falsche Hilfsangebote (und auch die richtigen Hilfsangebote zum falschen Zeitpunkt)
Coming out als Lesbe
Den Tod meiner besten Freundin
Verpaßte berufliche Chancen und das Verhalten von Behörden und Politik
Das muß einem erstmal jemand nachmachen.

So, ich hoffe, ich war verständlich genug, auch für die Moderatoren (von denen ja zumindest einer zum Forumstreffen gesagt hat, daß er am meisten aus dem Forum lernt).

Ich werde weiter berichten, denn mir hilft das Schreiben. Und weil ich so viele schlechte Therapieerfahrungen habe, ist es mir auch wichtig, darüber hier so ausführlich zu schreiben. Ich würde mich freuen, wenn es auch nur einer Person außer mir hilft, indem meine Schreiberei einen langen Leidensweg abkürzen oder sogar ersparen kann.

Liebe Grüße an euch
die Besserung
Michaela
Beiträge: 435
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Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von Michaela »

Wow, liebe Besserung, ich gratuliere Dir, wie viel Kraft Du inzwischen wieder "getankt" hast!

Es ist schön, zu lesen, wie Du Dein Leben schon wieder in den Griff bekommen hast. Es entsteht bei mir das Gefühl, daß es ein "Zurück" für Dich in diese schlimmste Zeit nicht mehr geben kann, weil Du angefangen hast, Dein(!) Leben zu leben.

Ein kleiner Tipp: Du schreibst: Nie wieder werden Menschen (...) so viel Macht über Dich haben.

Das glaube ich Dir gerne. Nur ... sei bitte nicht enttäuscht, wenn dann und wann ein "altes Muster" wieder auftaucht. Nach meinen Erfahrungen können damit "Tiefphasen" wieder ausgelöst werden. Nehme es so an, als das, was es ist ... eine Chance, Dich weiterzuentwickeln; daraus zu lernen und Deinen Weg weiterhin nach vorne zu gehen, so, wie Du es jetzt bereits super schaffst.

Ich wünsche Dir alles Gute weiterhin!

Ganz liebe Grüße von
Michaela
Sarah
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@ Michaela

Beitrag von Sarah »

....ich muss leider löschen, s.u.....
Sarah
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@ Michaela

Beitrag von Sarah »

Sorry, Michaela, dass ich das lösche hat nichts mit Dir zu tun......
Michaela
Beiträge: 435
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Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von Michaela »

~~~~~~~~ Liebe Sarah ~~~~~~~~~

ja, ich bin die Michaela, die aus zwei Gründen nicht mehr hier her wollte.

Es hat sich sehr viel getan in dieser Zeit. Mit diesen Gründen kann ich inzwischen ganz gut umgehen, weil ich sie nicht mehr persönlich nehme ... hab´ gelernt

Es tut mir aber leid, daß es Dir so schlecht geht, liebe Sarah ... möchte Dir am liebsten viel von meinen positiven Gefühlen abgeben.



"Es ist sinnlos, sich das zu überlegen, man bekommts doch nicht..... man muss lernen es sich selbst zu geben....."

Das ist sooo wahr, was Du da sagst ... *Gänsehautkrieg*

Der/die TherapeutIn kann nur helfen, zu reflektieren ... besonders schön, wenn er/sie einfühlsam versucht, gewisse Defizite nachzunähren, aber immer mit dem Ziel, den Klienten damit in sein eigenes, selbstbestimmendes Leben zu stubsen ... indem er es schafft, sich seine Bedürfnisse selbst zu erfüllen.



"....ich frage mich immer, wie es mein Thera fertig bringt, dass ich die Praxis so verlassen kann, dass ich aufrecht stehe.... "

Was gibt er Dir, liebe Sarah, was Du Dir selbst nicht geben kannst? ... Wenn Du magst ... es gibt bestimmt tief in Dir drin eine Antwort ...


"und hinterher dann der Zusammenbruch kommt...."

Kannst Du Dir den erklären?


"....und man wieder in der ausweglosen "Scheiße" (sorry das Wort) zu Hause steckt, im Teufelskreis ohne Ausweg...."

Was möchtest Du ändern, Sarah? Wie würde Dein Leben das Du gerne lebst aussehen, im Unterschied zu dem, das Du tatsächlich lebst?



"aber ein "Trost" wie denn diese "Sch...." auszuhalten wäre, gibts nicht...."

Ach .. liebe Sarah ... das kann ich sooo gut nachfühlen. Diese unmenschlichen Tiefs kenne ich zu gut. Noch vor ca. 3 Monaten bin ich in eines reingerutscht, wo ich mir dachte, da gibt´s keinen Weg mehr raus. Das heißt eher, ich fühlte so ... gewußt habe ich, daß es nicht das erste ist und nicht das letzte sein wird.

Eine Freundin nahm mir das Versprechen ab, meinen Therapeuten anzurufen, der mich nicht mehr therapieren wollte, weil ich mich nicht öffnen konnte. Dieses Gespräch und was sonst noch seither folgte ist ein Wendepunkt in meinem Leben.

Seither lerne ich mit jedem Tag mehr, das, was Du oben geschrieben hast, in mein Leben zu integrieren. Ich habe die Verantwortung über mich wieder übernommen ... daß heißt u. a., daß ich Schmerz zulasse, hinschaue, daraus lerne und sich dieser nicht zu einer erdrückenden, unüberwindbaren Mauer aufbauscht.


"Ich glaube da ist Ehrlichkeit des Therapeuten besser...."

Was müßte er Dir sagen, damit er in Deinen Augen ehrlich ist? Und was meint er dazu, wenn Du ihm das sagst?

Tut mir leid, Sarah, daß ich mit so vielen Fragen komme ... aber ich habe gelernt, ehrlich zu sein - zu mir selbst und zu anderen ... bitte aber nicht mit unfehlbar verwechseln *g*

Alles Liebe Dir, Sahra, ich schick´ Dir eine Menge positiver Gedanken ... schnapp so viel davon, wie Du gerade vertragen kannst, okay?

Hey, Du, es war so schön, von Dir zu lesen

Liebe Grüße, Michaela
Michaela
Beiträge: 435
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von Michaela »

C.
Beiträge: 412
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Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von C. »

hallo Besserung,

ich freue mich sehr, von dir so viel positives zu hören. ein riesiger guter schritt, dass du der therapeutin davon erzählen konntest, darüber reden konntest!!
es gibt mir mut und hoffnung, von dir zu lesen, dass du (auch trotz dieser ganzen fehlbehandlungen und verschlimmerungen über so lange zeit vorher!) jetzt in 'guten händen' bist bei deiner therapeutin, und schritte weiter gehen kannst. danke!



>nicht vor Scham im Boden versunken und auch nicht im Gefühl ertrunken. Ich bin nicht mit unqualifizierten Fragen bombardiert worden, nicht ausgehorcht oder abgewertet. Und sie hat mich nicht gleich überfallen damit, daß ich doch in eine Klinik gehen soll oder Medikamente nehmen. Statt dessen gab ein dickes Lob ...

das freut mich ganz besonders
ich kann viele der ängste, die du vorher diesbezüglich hattest, gut nachvollziehen, und kenne sie auch selber. weiss auch, was für verheerende folgen 'fehlbehandlungen' und auch 'ausgequetscht und abgewertet' haben können, leider. echt sehr schade, dass so viele professionelle helfer so wenig vertraut mit traumatisierungen sind, und so unfähig und leider oft auch zusätzlich schädigend, in solchen situationen.
bin froh dass du jetzt so gute hilfe hast.
und ich find's echt klasse, wie gut das jetzt bei dir lief, mit dem erzählen, und dem vertrauen, und ich find auch dass du ein ganz dickes lob verdient hast.

ich wünsch dir auch weiter ganz viel kraft, um weiter deinen weg zu gehen.

liebe grüße,
Clara
Sarah
Beiträge: 496
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

@Michaela

Beitrag von Sarah »

.........sorry, muss leider löschen.....
gelberosen
Beiträge: 560
Registriert: 26. Jul 2003, 08:20

Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von gelberosen »

Hallo Michaela,

danke für so viel Lob. Gar nicht so leicht, das anzunehmen. Nach so langer Zeit Verdrängung und nicht wirklich klar kommen wünsche ich mir oft, daß die Bewältigung so viel schneller geht. Aber auch die kleinen Fortschritte kann ich sehen und „auf meine Kappe schreiben“.

Sicher, die alten Muster sind sehr stark. Aber ich fange jetzt endlich an, aufzuarbeiten. Ist zwar wahnsinnig anstrengend, aber sehr hilfreich. Auch wenn ich nicht perfekt darin bin, aber wer ist das schon. Ich merke, daß ich anfange, mir mein Leben damit zurück zu erobern, ganz langsam zwar, aber immerhin. Und so selbstverständlich finde ich das nicht mehr.


Hallo Clara,

danke auch für dein Lob. Hast du denn auch so viele Fehlbehandlungen erlebt? Mir sagte mal jemand, daß komplexe Traumatisierungen sehr schwer zu erkennen sind. Aber hätten meine früheren „Helfer“ nicht viel eher ihre Grenzen erkennen müssen? Auch ist das Thema „Trauma“ noch nicht so lange in die „Therapeutenszene“ eingezogen. Mensch, aber Frauentherapiezentren arbeiten damit schon seit 20 Jahren oder länger. Da kommt bei mir die berechtigte Frage auf, was sind traumatisierte Frauen den Behandlern überhaupt wert? Ich krieg da einfach nur Wut, große Wut. Und ich bin traurig über so viele verlorene Jahre.

Und wieso mache ich dir Mut? Hast du niemanden, der sich damit auskennt und dir wirklich helfen kann?


Liebe Grüße an euch beide
die Besserung
C.
Beiträge: 412
Registriert: 4. Jun 2003, 22:28

Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von C. »

Hallo Besserung,

bin nicht so oft hier, daher auch erst jetzt eine antwort.
ja, ich habe auch einiges in der richtung erlebt.
und ja, es ist wohl erst in letzter zeit bei etwas mehr fachleuten 'angekommen', das thema, hab ich auch den eindruck. (oh mensch, wenn ich daran denke, was hätte anders laufen können wenn ich schon vor 7 jahren gleich an geeignete fachleute geraten wäre ... )
der schmerz über die verlorenen jahre und ja nicht nur die jahre sondern auch noch einiges andere, der ist schon sehr schwer zu tragen. und meine situation dadurch auch noch schwieriger geworden.
nun versuche ich, mich dadurch trotzdem nicht davon abbringen zu lassen, weiter nach besser helfender hilfe zu gucken. ach, es ist schon haarsträubend wie manche 'professionellen helfer' drauf sind.
deine geschichte, und dass du trotz so vieler unguter erfahrung dann später noch diese therapeutin gefunden hast wo du gut aufgehoben bist, und dort auch einen ort gefunden hast, wo du dich "sicher" an die geschichten heranwagen kannst, das macht mir halt mut und hoffnung. auch dass du trotz schwieriger lebenssituation (war ja 'nicht ohne' was für dich so alles war, seit dem ich von dir hier im forum lese) stabilisierung finden konntest und dich nun an das trauma (die traumata?) heranwagen kannst. ich wünsche dir dabei ganz viel kraft, mut und sicherheit. und vertrauen und bei-dir-sein.

liebe grüße,
Clara
gelberosen
Beiträge: 560
Registriert: 26. Jul 2003, 08:20

Re: was könnte ich von der Therapeutin brauchen?

Beitrag von gelberosen »

Hallo Clara,

und auch ich hab in den letzten Tagen mehr im Forum gelesen als geschrieben. Es war ganz einfach anstrengend. Auch meine Hausärztin und meine Psychiaterin wollten wissen, was los ist. Da gings mir erstmal nicht so gut. Dazu noch der heftige Schneefall und Probleme mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hier... Noch Selbsthilfe- , Achtsamkeits- und Märchengruppe... War ganz schön viel. Ich halte halt doch nicht so viel aus.

In der Therapiestunde lief es nicht so gut. Meine Therapeutin meinte, ich wäre überhaupt nicht bei mir, ich meinte doch. Dann saß ich in Tränen aufgelöst dort und hab nicht mehr viel verstanden, war nur noch tieftraurig.

Ja, es waren Traumata, und die ersten Traumasymptome hatte ich schon vor 17 Jahren, als mein Vater starb. Hätte ich doch damals schon die entsprechende Hilfe gehabt mit Anfang 20. Vor über 10 Jahren habe ich Therapie angefangen, ambulant und Klinik. Leider wurde zu viel aufgerissen und vergessen, mich wieder „zusammenzuflicken“. Das lerne ich erst jetzt. Es ist ein Wunder, daß da überhaupt noch was geht. Manchmal sind das einfach nur Kämpfe, ein andermal liege ich flach und verbringe einen ganzen Tag nur schlafend.

Ich bin wohl deshalb so traurig, weil die Dinge passiert sind, weil ich so lange so viel Lebensqualität und Gesundheit eingebüßt habe und wohl noch viel mehr, weil ich jetzt immer noch so viel kämpfen muß und meine Zukunftsaussichten wohl doch nicht so rosig sind (da spielt ja auch das Arbeitsamt nochmal eine Rolle mit).

Kraft und Mut braucht man gar nicht so viel, eher einen sicheren Rahmen. Und eine Portion Vertrauen. Das schwierigste daran ist, mit den Folgen umzugehen. Gerade deshalb muß der Rahmen stimmen.

Liebe Clara,

ich wünsche dir alles Glück der Welt bei deiner Suche. Weißt du denn, wo du gezielt suchen kannst? Oder soll ich dir ein paar Tricks verraten?

Lieben Gruß
die Besserung
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