Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

bersch0507
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Liebe Antje,

danke für deine Zeilen. Deine Bemerkungen sind für mich SEHR wichtig, weil du kannst die Möglichkeiten meiner Renate, auch aus der Ferne, besser einschätzen. Bei Tomi und Edeltraud habe ich ja schon geschrieben, was ich denke/fühle.

Richtig, Schuldzuweisungen sind Quatsch und schon die Analyse warum kann in die Irre führen.

Das mit der Konzentration auf sich, ist für mich der nächste Schritt. Wie du sehr richtig sagst, es ist ein MUSS. Ich habe damit gezögert, denn ich ahne den Ausgang. Renate wird nicht „zurück finden“, denn sie kann die Augen zulassen und auf die Medikamente vertrauen. Ohne jeden Druck, besser Beharrlichkeit, wird sie da stehen bleiben wo sie ist. „Schuld sind immer die Anderen“ so kenne ich sie. Also bleiben auch ihre 4 persönlichen Probleme (nicht ich, aber darüber kann ich hier nicht schreiben) bestehen, welche ursächlich zur Depression geführt haben. Der Therapeut wird weiter zuhören und die Umgebung wird sie weiter passiv bedauern. Ihrer Mutter geht es sehr schlecht, d.h. sie muß das sicher dieses Jahr auch noch alleine bewältigen. Sie geht den Weg, wie sie ihn schon lange geht. Das ist ihr Recht! Ich lasse los und behindere sie nicht weiter mit dem Wunsch, bis zum „Ende“ der Krankheit nicht alles vorher kaputt gehen zu lassen.

Ich muß mich auf meine positiven Seiten konzentrieren und aktiv meine Zukunft in die Hand nehmen. Natürlich muß ich meine Einschätzung zu unserer Partnerschaft möglichst lange offen lassen. Natürlich werde ich Renate uneingeschränkt unterstützen (z.B. Roman), aber das ist für mich die sachliche Ebene zu meiner Familie und zu einer Kranken. Irgendwann gewinnt der Kopf über die Liebe.

Ganz ehrlich, das ist für mich, vom Verstand her, doch der einfachste Weg: lasse die Depressive einfach in Ruhe, sie ist erwachsen und für sich selbst zuständig. Wenn Sie Hilfe wünscht bin ich da, aber ansonsten: „wer nicht, will hat schon“. Brutal, aber das ist für mich die Folge auch euerer Ratschläge?

Gruß Bernd
bersch0507
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Liebe Emily,

„Wie gut oder schlecht du mit dieser Unklarheit und dem freien Schweben in einem luftleeren Raum leben kannst, wirst du selbst für dich spüren müssen“ dieser Satz ist genau die Beschreibung für meine nächsten Monate. Das mit dem freien Willen der Betroffenen sehe ich auch so. Doch wenn Hilfe negativ empfunden wird, muß man es lassen. Erschwert wir das Partnerschaftsproblem zusätzlich: das ein Mann eine Frau verstehen will und umgekehrt. Das ist doch schon bei „Gesunden“ eine Quelle für Mißverständnisse, oder? Darum bringt es mir viel, das auch Frauen mir bei der Einschätzung helfen!

Heute haben mich euere guten Beiträge "überrollt". Das freut mich. Ich hoffe es rühren sich noch andere Betroffene und Angehörige. Es ist sehr informativ und für die eigene Einschätzung, für das damit Zurechtfinden, hilfreich.

Danke & Gruß Bernd
kleine-lady
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von kleine-lady »

Hi Bernd

>> Ich muß mich auf meine positiven Seiten konzentrieren und aktiv meine Zukunft in die Hand nehmen. Natürlich muß ich meine Einschätzung zu unserer Partnerschaft möglichst lange offen lassen. Natürlich werde ich Renate uneingeschränkt unterstützen (z.B. Roman), aber das ist für mich die sachliche Ebene zu meiner Familie und zu einer Kranken. Irgendwann gewinnt der Kopf über die Liebe.

>> Ganz ehrlich, das ist für mich, vom Verstand her, doch der einfachste Weg:
>> lasse die Depressive einfach in Ruhe, sie ist erwachsen und für sich selbst zuständig. >> Wenn Sie Hilfe wünscht bin ich da, aber ansonsten: „wer nicht, will hat schon“. Brutal, aber das ist für mich die Folge auch euerer Ratschläge?

Das ist nicht brutal sondern die Realität.
Du gehst doch schon langsam auf den Abgrund zu,was bringt es Dir,zu kämpfen,um jemand der gar nicht mehr will ?
Es kann Dir eventuell passieren,das Du selber untergehst u. in eine Depression reinfällst.Was dann?

Du hast ja sicher hier mitgekriegt,das jeder andere Erfahrungen hat machen müssen,genauso hat Deine Frau andere gemacht als Du.
Sie ist so geprägt u. Du wieder anders.
Man soll wenn man depressiv gar keine Entscheidung fällen,wurde mir gesagt,wenn das aber doch jemand tut,muß das doch einen Grund haben,sei es das es ihre Entscheidung ist oder der Rat eines Arztes,das gibts ja auch.
Na wie auch immer,[ sorry ] fang mal an,
an Dich zu denken oder
nimm sie > so < wie sie ist!

Dann warte.......auf was?
Ihre Genesung ? ihre entscheidung ?

Wir haben doch alle eine Uhr die tickt,also wie lange willst Du warten?

Hast Du mal mit Ihrem Arzt/Therapeuten gesprochen ???
Das solltest Du auf jeden Fall machen!
Das muß sie ja nicht wissen.
Aber es wird für Dich sehr hilfreich sein.

in diesem Sinne
> enga

PS: wir hatten ständig mit dem behandelten Arzt gesprochen,als meine Mutter in der Klinik war,das wollte sie immer nicht,o da wurde sie böse,sie war überhaupt eine agressive depressive - wir waren oft so hilflos unserer Mutter gegenüber,ein Glück das wir uns das nicht hatten verbieten lassen,ich werde nie vergessen wie ich ihm erzählte sie wollte vom Balkon springen,da sagte er zu uns [ 3 ]:
Sie hat das Recht sich umzubringen!Es ist ihre Entscheidung.Wenn Sie das will - macht sie es sowieso,und wir könnten das dann gar nicht verhindern.Sie hat das Recht sich umzubringen u. wir müßten das akzeptieren.

Im ersten Moment waren wir geschockt aber: Er hat Recht!
! - " ich bekämpfe meine Krankheit nicht, ich toleriere sie und lasse mich von ihr nicht bestimmen."


! - "niemand hat uns versprochen, dass das Leben einfach ist."
Alina1
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von Alina1 »

Lieber Bernd!

Wenn der Therapeut deiner Frau nur zuhört,macht er keine gute Therapie.Es gibt sicherlich kompetente und inkompetente Therapeuten.Ein kompetenter wird sie irgendwann auch fordern,dann kann deine Frau mitarbeiten oder die Therapie abbrechen.
Was eure Beziehung angeht,brauchst du die Hoffnung doch nicht aufzugeben,um trotzdem etwas für dich zu tun.Sich nicht mehr einzumischen und loszulasen,ist mit Sicherheit nicht leicht.Aber du kannst im Moment nichts anderes tun,als für dich selbst zu sorgen.
Ich kann eure Situation nicht beurteilen.Ich weiß nur,dass ich zuviel Nähe überhaupt nicht gut vertrage,wenn`s mir so schlecht geht,und ich um meine emotionale Unabhängigkeit kämpfe.Trotz des Kampfes um Unabhängigkeit muss man sich jedoch nicht unbedingt für immer trennen.

Sorg für dich und pass auf dich auf,

Antje
Caroline1
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von Caroline1 »

Hallo Bernd

Ich hab deine Beiträge hier mitgelesen und möchte mich als Betroffene äussern, deren Beziehung zum Partner in den schwersten Zeiten meiner Depressionen auch sehr arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Viel Vernünftiges ist bereits hier geschrieben worden, besonders den Postings von Emily kann ich mich voll und ganz anschließen.

Von einem sicher gutgemeinten Ratschlag hier möchte ich dich aber ausdrücklich warnen, nämlich den, den Arzt/Therapeuten deiner Frau anzusprechen, OHNE dass sie etwas davon weiß. Ein guter Therapeut wird dir eine solche Bitte auch eh verweigern, denn DEINE FRAU ist sein Patient und er wird schon allein aus Schweigepflichtsgründen sich nicht ohne ihre Präsenz über ihren Fall äussern. Sie ist ja schließlich nicht entmündigt. Gespräche zu dritt sind sicher gut und wichtig, aber wie gesagt, NIE ohne Beisein von deiner Frau.

Mir scheint aber eh, dass du das alles auch bereits weisst oder zumindest fühlst, deine Gedanken, die du hier bisher geschrieben hast, scheinen mir sehr schlüssig und ich möchte dich ermuntern, auf diesem für dich sicher nicht einfachen Weg zu bleiben. Dazu wünsche ich dir die nötige Kraft und Ausdauer.

Alles Gute von

Caroline
bersch0507
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Hallo Antje und Caroline,

danke für euere Beiträge. Zuhören und Reden lassen tut den Betroffenen sicher sehr gut. Wer redet kommt langsam aus sich heraus und der Therapeut kommt der Ursache (wenn überhaupt eine vorhanden sein muß) auf die Spur. Sie zu erkennen und zu verarbeiten ist sicher die Basis für die Vermeidung zukünftiger Depressionen. Um die aktuelle Krankheit zu überwinden braucht der Depressive einen „Werkzeugkasten“.

Als Angehöriger könnte man dem Therapeuten auch schriftlich informieren. Ziel: eigene Analyse/Beurteilung der Gründe, Beschreibung wie der Betroffenen auf den Angehörigen wirkt, persönliche Probleme mit dem Umgang und wie man selbst zum Partner steht. Wenn er es lesen will (!), kann er viel gezielter den Betroffenen „befragen“ und muß nicht dessen „Öffnung passiv abwarten“. Ein direkter Kontakt zwischen Angehörigen und Therapeuten kann NUR mit Zustimmung des Betroffenen erfolgen! Ein „Hintergehen“ wird böse Folgen für alle haben.

Nun zu mir: Renate hat vorgeschlagen, zusammen einen Termin zu machen. Sie will meine Argumente und ihre Gefühle „ordnen“, sie ist einfach verwirrt. Der Therapeut ist einverstanden aber ich warte nun auf ihren Terminwunsch. Es fällt ihr scheinbar schwer sich zum „Ordnen“ aufzuraffen.

Für einen Angehörigen ist es nicht nachfühlbar, das ein Betroffener, wenn es ihm schlecht geht, alleine sein will. „Normal“ ist doch, das man gerade dann eine „Schulter“ braucht. Aber ich glaube es Antje und den anderen Betroffenen, wenn sie das so schreiben. Bei einer Depression gibt es scheinbar das Wort Normal nicht.

Ich habe im Forum ein schönen Satz gelesen: „nicht alle glücklich sind, die glücklich scheinen. habe oft gelacht um nicht zu weinen“. Das kommt mir oft in den Sinn, wenn ich hier „sachlich“ schreibe.

Danke & Gruß Bernd
Alina1
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von Alina1 »

Lieber Bernd

Glaub mir,mein Mann hat sich so oft "die Zähne an mir ausgebissen",als er mir durch seine Nähe helfen wollte.Zur Zeit bemerke ich eine Verbesserung unseres Verhältnisses einfach dadurch,dass ich ihm gezielter meine Gefühle mitteile.Es ist für mich ein vorsichtiges Ausprobieren eines Weges,den ich seit meiner allerfrühesten Kindheit nicht mehr gegangen bin:mich zu öffnen mit dem Risiko,eventuell wieder nicht verstanden zu werden.
Ich bin durch die Therapie dazu ermuntert worden und musste durch eigene Einsicht soweit kommen.Wenn deine Frau schon ein gemeinsames Treffen in Erwägung zieht,kann sie doch eure Beziehung noch nicht abgehakt haben.Wenn sie soweit ist,wird sie sich auch um einen Termin bemühen,denke ich.

Liebe Grüße von Antje
Edeltraud
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von Edeltraud »

Hallo Bernd,

ich habe nochmal all deine Postings durchgelesen und nochmal rausgezogen was mir wichtig erscheint:

"Das Desinteresse an der Fortführung einer Partnerschaft immer nur den Gemütszustand des Betroffenen zuzuschreiben würde seine totale Entmündigung bedeuten. Er will vielleicht einfach nicht mehr. Er ist ja nicht geistig behindert!"

Der Betroffene ist selbst nicht in der Lage zu unterscheiden welche Entscheidung infolge der Depression getroffen wird oder ob er sich auch so entscheiden würde, wenn er gesund wäre.
Viele bereuen ihre Entscheidungen hinterher, welche in der Depression getroffen wurden.
Deshalb raten ja Ärzte und Psychologen keine grundlegenden und kaum revidierbaren und folgenschweren Entscheidungen in der Depression zu treffen. Mit abklingen der Depression sieht alles oftmals ganz anders aus.
Und bei deiner Frau liegt m.E. eine schwere Depression vor: "Ihr fehlt jeglicher Antrieb, auch Selbstmordgedanken"

"Können wir einen Betroffenen verstehen?"
Angehörige können nur begrenzt verstehen, da für sie die Qualen und der Leidensdruck der Erkrankung kaum nachvollziehbar sind.

"Aus den Berichten entnehme ich, dass Betroffene sehr wohl zu wissen glauben, was ihnen gut tut und was nicht. Dazu ermuntern sie ja die Therapeuten."
Betroffene wissen wonach ihnen im Moment ist und ihnen momentan guttut.
Ein Anruf eines lieben Menschen freut den Betroffenen - wäre der Anruf zu einem anderen Zeitpunkt erfolgt, so wäre der Betroffenen mit dem Telefonat evtl. überfordert gewesen und konnte dadurch seine Freude nicht zum Ausdruck bringen. Das hat mit Ablehnung nichts zu tun, sondern mit "wollen, aber nicht können"
Mit dem Abklingen der Krankheit, welche oft stündlich schwankt, sieht manches oft anders aus.

"Wenn der Partner ihnen nicht mehr guttut, dass ist doch ein eindeutiges und ehrliches Zeichen."
In der Krankheit gibt es kaum Agieren, sondern meist nur ein Reagieren.

"Was ist Partnerproblematik - was ist Depression?"
Bei deiner Frau wurde schon vor 3 Jahren eine Depression diagnostiziert.
Aufgrund der langen Zeit der Erkrankung läßt sich das nur sehr schwer auseinanderhalten.

"Oft will der Betroffene die Trennung einfach um sich nicht damit auseinander setzen zu müssen"
Der Betroffene ist oftmals gar nicht in der Lage sich mit etwas auseinander zu setzen.
Zumal der Betroffene auch ständig Prioritäten setzen muss, was ihm momentan am wichtigsten ist und das sind bei deiner Frau die Kinder. Das zeugt von Mutterliebe und Pflichtbewusstsein.

"Hilft es dem Betroffenen wirklich, wenn man jeglichen Konfliktstoff meidet?"
Die Konfliktfähigkeit hängt von der Schwere der Erkrankung ab. Das kann auch von Stunde zu Stunde schwanken. Bei manchen schwankt das so - bei manchen nicht.

"Sie will zur Ruhe kommen - keine Scheidung"
Dann besteht doch Hoffnung für eine gemeinsame Zukunft.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass mit jedem Betroffenen respektvoll umgegangen werden sollte.
Ganz bestimmt kann es auch nicht schaden, dem Betroffenen die Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen.

Ich habe hier ziemlich verallgemeinert - ich kenne ja deine Frau nicht - es ist oftmals sehr verschieden aufgrund Persönlichkeit und Krankheitsbild und Schwere der Erkrankung.
Das von mir geschriebene sind meine persönlichen Erfahrungen!

Viele Grüße
Edeltraud
bersch0507
Beiträge: 52
Registriert: 12. Jan 2005, 15:31

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Hallo Enga,

du hast Recht, man soll sich nicht von Gefühlen treiben lassen, sondern realistisch auch an sich denken. Auch ist einer meiner gravierenden Fehler, „von mich auf Andere zu schließen“. Das hat mir oft Fehleinschätzungen gebracht, vor allem Unverständnis. Jeder ist in seiner Wesensart anders. Die größte Hürde kommt hier zusätzlich: ein Gesunder soll sich in einen seelisch Kranken hineinversetzten.
Selbsthilfegruppen, wie auch dieses Forum, helfen da enorm. Auch wenn man nicht unbedingt grundsätzlich Neues erfährt, man bekommt mit, das Verhaltensweisen nicht unnormal sind und Andere sehr ähnliche Erfahrungen machen. Das gibt etwas Zuversicht und hilft beim Geduldhaben.
Wenn ich dieses Forum nicht gehabt hätte, vermutlich hätte ich mich schon zu Konsequenzen hinreißen lassen. Darum ein großes Dankeschön an Ambi, Antje, Caroline, Edeltraud, Emily, Enga, Simpl und Tom!!!!!!!!!!

Danke & Gruß Bernd
tommi
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von tommi »

Liebe Edeltraud,

deine Beiträge helfen mir und bestätigen mich.
Danke
Tom
bersch0507
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Registriert: 12. Jan 2005, 15:31

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Hallo an euch Alle!

Renate könnte zwar ins Internet, hat dafür aber überhaupt kein Interesse. Damit bleibt ihr der Selbsthilfe-Weg versperrt, mit und über andere Betroffene zu lesen/sprechen.

Ich habe eine konkrete Frage: soll ich meiner Renate diesen Forumsteil zukommen lassen? Komme ich „zu gut weg und sie zu schlecht“. Ist es für sie eine Verletzung, wenn ihre Krankheit in die digitale Welt gebracht wird (Überempfindlichkeit)? Andererseits steht hier m.E. nur Positives und sie merkt, das ihre Probleme von euch Betroffenen richtig beschrieben und interpretiert werden. Sie kann dann mit mir später leichter reden, weil ich ja schon eine „Basisinfo“ habe. Ferner bekommt sie von anderen Angehörigen mit, in welcher Zwickmühle diese, wie ich auch, stecken. Ich denke, für mich wäre es nützlich zu lesen, für sie ist es sicher eine "Bevormundung", wenn ich mit euch über sie „rede“. Ihr braucht nur mit JA (weitergeben) oder NEIN antworten (kein vielleicht).

Danke & Gruß Bernd
Alina1
Beiträge: 418
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von Alina1 »

Hi,Bernd

Du schreibst,dass deine Frau kein Interesse am Internet und an diesem Forum hat.Ich vermute sogar,sie hat im Moment überhaupt kein Interesse an so vielen unterschiedlichen Stellungnahmen.Aufgrund dieser Vermutung,die natürlich vollkommen falsch sein kann,möchte ich dir auf deine Frage mit einem klaren "nein" antworten.

Bernd,merkst du,dass sich deine Gedankenkreise ausschließlich um deine Frau drehen? Wo bleibst DU?

LG,
Antje
kleine-lady
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von kleine-lady »

Lieber Bernd

glaube mir,das A und O ist die Verbindung zu Ihrem Therapeuten,auch wenn sie es nicht will,bestehe darauf.
Wir hatten uns zu 3 um unsere Mutter gekümmert,ohne die Gespräche mit ihrem behandelnden Arzt wären wir alle drei kaputt gegangen,Der hatte uns mit gutem/gesundem Rat zur Seite gestanden.
Durch die Gespräche konnten wir unsere Mutter dann auch besser verstehen,mit ihr umgehn u.s.w.
Sie war sehr anstrengend,das schlimmste sind ihre Emotionalen Wechsel gewesen.Heute lieb,hat sich was sagen lassen u. morgen genau das gegenteil,das zehrte an unsren Nerven,und das über 3 Jahre lang.
Keine von uns dreien konnte sagen:Ich mach Schluss,wir mußten durchhalten und haben durchgehalten.
Aber wie gesagt,ohne den Kontakt des behandelnden Arztes wären wir alle 3 durchgedreht.
Wie viele Tränen hatten wir geweint,wenn sie mal wieder so böse war,ojeoje,es war schon schlimm!
Sie hatte halt auch den Schlaganfall,war linksseitig gelähmt,saß im Rollstuhl,und dazu die Depressionen,
Geistig war sie fit wie ein Turnschuh.
Das sie im Rollstuhl saß war das schlimmste für sie.
Pflegefall - wir drei Schwestern hatten uns abgewechselt,sie zu pflegen,und was mußten wir da oft einstecken.........

Nun,wie schon erwähnt,wenn Du zu Deiner Frau halten willst,schliess Dich nicht aus,mach Termine mit Ihrem Arzt/Therapeuten, dann wird zumindest einiges leichter für Dich u. dann hoffe ich für Euch beide.

Nach zwei Operationen Feb.+April 2004 bin ich in eine Depression reingefallen,
(reich an Erfahrung als Angehörige)
hatte mich geweigert in die Klinik zu gehn wo ich jedes Jahr zur gleichen Zeit (3J.lang)meine Mutter hingefahren hatte,
hab zum Glück eine wunderbare Psychaterin gefunden in der Stadt,
habe sofort meinen Mann gebeten mitzukommen,dadurch war er von Anfang an dabei u. so hatten wir beide null Probleme,er hilft u. unterstützt mich wo er nur kann.

Deshalb rate ich jedem,nehmt den Partner/in mit zu den Gesprächen,es ist ein besseres Verstehen,annehmen,damit umgehn,für beide,
glaubt es mir.....man kann alles verstehn wenns einem erklärt wird,ist doch logisch,und der Therapeut/Arzt als ausenstehender kann das sowieso........

Lieber Bernd,begleite Deine Frau,wenn sies Dir wert ist,
oder trenne Dich,das wäre das beste für Dich dann......

hilfreichen Gruss - enga
! - " ich bekämpfe meine Krankheit nicht, ich toleriere sie und lasse mich von ihr nicht bestimmen."


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bersch0507
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Hallo Antje,

das täuscht. Ich versuche hier zu lernen, für mich selbst bin ich auf einem stabileren Weg. Da nutze ich mich als "Kopfmensch" und grabe in meinem Werkzeukasten um Positives zu finden. Fahre zum Beispiel vermutlich nähste Woche in eine Wohnung in der CH, 2000 Meter, Sonne, auf die Kaffeeterasse sitzen und ein Krimihörbuch "lesen". Mir tut nur weh, das sie natürlich nicht mit will und ich das Positive alleine nutzen soll. Sie findet es "gut", denn sie will, das es mir gut geht. Also, danke für deinen Hinweis, aber es geht für mich schon wieder aufwärts.
Gruß Bernd
kleine-lady
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von kleine-lady »

Hi Bernd

um Himmels willen,lass Sie wenn sie nix lesen will,sie ist dann dazu gar nicht fähig/bereit,in der Lage ,Du zwingst sie dann etwas zu tun,was sie gar nicht will,
wenns ihr mal besser geht,sie dann Interesse hat,dann kannst Dus ihr immer noch zeigen,
aber im Moment würde sie das überfordern......
hilfreichen Gruss enga
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bersch0507
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Liebe Enga,

es klingt vielleicht blöd, aber wenn ich sehe, wie es anderen, z.B. dir, so ergeht, dann schrumpfen meine Probleme realistisch zusammen. Auch das ist ein positiver Punkt in Foren, das Selbstmitleid wird deutlich gebremst! Meine Geduld (nicht meine Stärke) „wächst“.
An dieser Stelle will ich was los werden: euere Schicksale als Betroffene oder Angehörige sind teilweise sehr schwierig/hart und ich wünsche euch allen die oft beschriebene Geduld und die Kraft es zu verarbeiten und den richtigen Weg zu gehen. Das meine ich nicht als Höflichkeitsphrase!

Das mit den Gesprächen zu Dritt sehe ich auch so. Der hat meine Frau aus einem anderen, neutraleren Blickwinkel wahrgenommen, seine Ausführungen werden sicher sehr hilfreich/lehrreich für mich sein. Nur es ist auch richtig, das sie den Zeitpunkt bestimmen soll. Nach Überwindung der „Sprachlosigkeit“ steht natürlich auch die Eheberatung an (wie oben schon beschrieben).

An alle:
danke für euere klare Einschätzung zum Thema „Beiträge weitergeben“ . Da war mein Bauchgefühl doch richtig. Nachdem (!) man sich „schlau“ gemacht hat, sollte man ruhig eher seinem Bauch als dem logischen Kopf vertrauen. Das jedenfalls habe ich in den letzten Wochen gelernt!

Danke & Gruß Bernd

Habe einen guten Link für Partner Betroffener gefunden (nichts Neues, aber ein guter Überblick):
http://www.denkepositiv.com/depressionen_partner.html
und ein „Gedicht“ einer Betroffenen, was ihren „Zustand“ verständlich auf den Punkt bringt:
In der Depression:
lebe ich ohne Sinn und Bewußtsein.
Ich sehe, ohne wahrzunehmen.
Ich fühle ohne Empfindung und Gefühl.
Ich schmecke ohne Genuß.
Ich rieche ohne Empfindung.
Ich denke ohne Geist und Sinn und Phantasie und Kombinationsfähigkeit.
Ich lache ohne Freude.
Ich weine ohne Schmerzensstachel.
Ich bewege mich ohne motorische Harmonie und Ausdrucksvermögen.
Ich kenne weder Hoffnung noch Maß noch Ziel.
Schlaf und Tod sind mir das Erstrebenswerteste.
Ich freue mich nicht, ich begeistere mich nicht, ich liebe nicht, ich trauere nicht.
Ich male nicht, ich spreche nicht, ich dichte nicht, ich singe nicht, ich tanze nicht,
und wenn ich es dennoch tue, dann ohne Ausdruck und Phantasie und ohne dabei zu sein,
ohne Leben.
tommi
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von tommi »

Lieber Bernd,

ich bin auch der Meinung, dass zum jetzigen Zeitpunkt es nicht ratsam ist, deiner Frau das Forum anzubieten.

Toll finde ich, dess deine Frau dir angeboten hat, dich mit zum Therapeuten zu nehmen. Das sah gestern garnicht danach aus.
Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sieht, dass du dich (für sie endlich?) mit ihrer Krankheit auseinander setzt und deswegen dir das Angebot gemacht hat. Das lässt doch wieder Hoffnung aufkeimen und ist ein für euch schon ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Ich hoffe für dich, dass dir dieses Gespräch viel bringen wird und eure Komunikation dadurch wieder neu belebt wird.

Gruß
Tom
bersch0507
Beiträge: 52
Registriert: 12. Jan 2005, 15:31

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Dein Beitrag aus „Meine eigenen Ratschläge befolge ich nicht“

Hallo Tom!

Es macht mich sehr traurig, wenn verständnisvolle Partner aus diesem Strudel scheinbar kaum herauskommen. Du spendest Allen im Forum Trost und munterst sie zur Geduld auf. Du bist scheinbar auch einer der ganz wenigen Männer mit Erfahrung, die überhaupt im Forum sind. Da ja laut Statistik mehr Frauen als Männer erkranken, müsste es doch hier mehr männliche Angehörige geben. Nun es liegt sicher auch daran, das sich Männer nicht in dieser Form mitteilen wollen/können.

Wenn ich deine Beiträge lese, dann hast du schon „alles“ durchgemacht und kennst die „perfekten“ Verhaltensregeln. Deine Ratschläge sind einfühlsam und logisch. Verständnis und Geduld scheinen aber die Situation nicht zu verbessern. Verhindern sie „nur“ die Eskalation? Du bist dauernd in der Verantwortung und musst dich der Situation permanent unterordnen. Kann man das wirklich über einen längeren Zeitraum durchhalten.

Wenn man einen körperlich kranken Menschen dauerhaft pflegt oder einem geistig Behinderten zur Seite steht, dann ist das sehr belastend und brennt einen aus. Aus eigener Erfahrung kenne ich auch die „Machtmittel“ der Behinderten/Kranken auf ihre Umgebung. Fast immer sind deren „Launen“ (auch aus der eigene Unzufriedenheit) eine noch größere Belastung für die Angehörigen, als die Behinderung/Krankheit selbst. Sie loten permanent ihre Grenzen (wie Kinder) aus, vor allem, wenn wir „grenzenloses“ Verständnis haben.

Warum ich das anführe: wir als Angehörige müssen auch an uns denken und nicht in der Hilfe zerfließen. In den Beiträgen ist immer von der Krankheit und dem Umgang damit die Rede. Das ist zuerst auch richtig so. Der Betroffene als Mensch „verschwindet“ hinter der Krankheit, d.h. die Persönlichkeit, der Charakter wird nicht hinterfragt. Die Möglichkeiten von Partnerproblem und die Charakterformen (ohne Krankheit) sind sehr vielfältig. Aus manchen Beschreibungen „sagt mein Bauch“: der/die Angehörige wird doch „ausgenutzt“?

Auf den Punkt gebracht: wir Partner von Betroffenen habe zwei schwer „lösbaren“ Aufgaben.
- Wir müssen uns natürlich in eine sehr schwierig Krankensituation hineinfühlen, „Unlogisches“ akzeptieren, Verständnis und Geduld aufbringen, die Verantwortung für das „Richtige“ tragen und permanent schwierige Regeln beachten. Der Betroffene hat berechtigt einen gewissen Freibrief für sein Verhalten und das spürt er auch!
- Welche Charaktereigenschaften treten hervor ? Wie geht der Betroffene mit dem Freibrief, mit seiner „Macht“ um. Ist er in der Lage, Recht und Unrecht zu unterscheiden? Welche Verantwortung für sein Verhalten hat er? Sollen wir an der Partnerschaft fest halten?

Der erste Teil, d.h. die Krankheit selbst, ist hier in den Foren super beschrieben und die Regeln sind klar. Was den noch schwierigeren 2. Teil betrifft, gibt es vielleicht über die Foren keine Hilfe: einen Charakter kann man nicht wie eine Krankheit beschreiben und/oder überhaupt Ratschläge geben. Da muß jeder einsam seine Einschätzung finden. Natürlich muß ich hier noch anführen, das wir auch sehr selbstkritisch in den Spiegel schauen müssen (nicht alles auf die Krankheit und den Betroffenen schieben!)

Ganz einfach ausgedrückt: was in der Partnerschaft Charakter, was ist die wesensverändernde Krankheit. Für mich, in meiner Situation, ist das noch lange nicht „gelöst“. Liebe und etwas „Haß“, Mitleid und etwas Wut, alles kommt in meiner Seele vor. Für mich steht das Positive im Vordergrund, aber ich merke, das ich mich auf das Negative vorbereite.

Lieber Tom, hast du auch eine solche Diskrepanz oder wie hat es sich bei dir, in deinem ungeschminkten Bauch, „entwickelt“?

Es gibt sicher nichts Schöneres, wenn man seinen Partner liebt, an der Herausforderung wächst und auch später mit einer guten (eh selten) Beziehung belohnt wird. Das und die Kraft dazu, das wünsche ich dir! Deine Frau hat Glück, hoffentlich kann sie es „erfahren“.

Gruß Bernd
bersch0507
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Hallo Tom,

dann habe ich mich bei diesem Punkt falsch ausgedrückt. Es geht vordergründig wirklich NICHT um Bösartigkeiten. Es ist nicht Kontraproduktiv, sich kritisch mit etwas auseinander zu setzten, auch wenn das Thema noch so emotional besetzt ist. Es kann mir keiner sagen, das Angehörige nicht auch „negative“ Gedanken haben. Dann sollte man das aussprechen, damit man erkennt, das es normal ist, diese Facette auch zu haben, nicht nur Samaritertum.

Wenn ich das mit dem „Freibrief“ so beschreibe, dann glaube mir, ich weiß von was ich rede. Wie du ja weißt, habe ich einen erwachsenen, geistig behinderten Sohn. Roman hat auch Epilepsie, was nichts mit seiner geistigen Behinderung zu tun hat. Aus einigen unterschiedlichen Selbsthilfegruppen, aus vielen Gesprächen mit betroffenen Eltern und Geschwistern, aus 12 Jahre Vorstandsarbeit in einer großen Lebenshilfe, kenne ich viele Fassetten aus dem Zusammenleben von Betroffenen und Angehörigen. Es ist eine Tatsache, das Behinderte/Kranke dazu neigen, ihre Umgebung „auszunutzen“. Sie kennen die Macht des Mitleids und die Möglichkeiten der Erpressungsformen. Das tun sie aber nicht immer aus Böswilligkeit oder wegen einem „schlechten“ Charakter. Sie fühlen sich natürlich zu recht benachteiligt, sind mit ihrem Leben natürlich unzufrieden. Bei geistig Behinderten ist leichter zu erkennen, wenn sie sich wie Kinder verhalten: Ausnutzung der Freiheitsgrenzen bis zum Anschlag. Ein ganz natürliches Bestreben!

Was ich sagen will: wie weit soll unser „grenzenloses“ Verständnis gehen? Vielleicht ein Beispiel: willst du in einem sehr großen Raum, in einer grenzenlosen Halle leben oder geben dir nahe Wände auch Geborgenheit. Ist es nicht für die Betroffenen hilfreicher, wenn wir ihnen Grenzen im Partnerverhalten „aufzeigen“ und sie nicht ohne Anker im „unendlichen“ Dunkel der Krankheit und des Selbstmitleids grenzenlos eigentlich alleine lassen. Wollen die Betroffenen wirklich „grenzenloses“ Verständnis? Weigern sie sich wirklich, auch an die „führende Hand“ genommen zu werden? Ist der Partner nur zum „Hinterherlaufen“ da?

Wenn wir die Betroffenen mit unserer Hilfe/Verständnis überschütten, ihnen möglichst viel abnehmen, kann das nicht auch kontraproduktiv sein? Ist nicht das niedrige Selbstwertgefühl eine zentrales Hindernis, die Krankheit zu überwinden. Mit zu viel Hilfe bis zum „Verhätscheln“ machen wir sie doch unselbständiger, sie spüren die Abhängigkeit, wir zeigen ihnen, das wir stärker sind. In diesem Forum lese ich zu wenig über diese Problematik. Wie wird die Hilfe zur Selbsthilfe beschrieben. Wir, die noch zu wenig eigene Erfahrungen gemacht haben, brauchen da Hilfe: wo wird Hilfe negativ oder auch nur negativ empfunden?

Sicher, diese Überlegungen können für Kranke/Behinderte noch so richtig sein, aber, wie bei Depressionen scheinbar so oft, HIER eigentlich sinnlos. Was sagen die selbstkritischen Betroffenen (NUR die können es wissen!) dazu, vor allem, welche die Krankheit schon hinter sich gelassen haben?????????

Das für dich Partnerschaftsprobleme etc. völlig ausgeschlossen sind, finde ich toll für dich. Dann kannst du dich voll auf deine Hilfe konzentrieren. Viel Kraft für die nächsten Tage und etwas Sonne (auch wenn es draußen nicht so aussieht)

Gruß Bernd
bersch0507
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Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Hallo Leute,

ich bin erst kurz in diesem und in anderen Depressions-Foren und habe einige hundert Berichte gelesen. Auch habe ich mich per Mails mit einigen direkt ausgetauscht. Das hat sehr viele Stunden „gekostet“ und ging oft bis spät in die Nacht. Die Zeit hat sich mehr als nur gelohnt. Ich bin aber jetzt an einem Punkt angekommen, wo sich zu vieles wiederholt und sich die Erkenntnisse daraus in meinem Kopf nur noch drehen. Ich kann auch scheinbar nichts Neues mehr beitragen. Darum werde ich jetzt wieder aussteigen und euch nur noch gelegentlich besuchen. Über die Stichwortsuche werde ich mir dann ganz gezielt die Beiträge suchen, die zu einem Punkt, der mich beschäftigt oder den ich nicht begreife, passen. Wenn ich mehr Erfahrungen gesammelt habe, werde ich „zurückkehren“ und den Neuen etwas zurückgeben.

Ich danke euch für die Beiträge zu meinen Fragen und ich danke vor allem den Betroffenen, die den Mut haben, im Internet so offen zu schreiben.

Was ist mir aufgefallen:
- Unter den Beteiligten gibt es wenig Männer. Vielleicht können/wollen sie sich nicht über diesen Weg austauschen.
- Hier „tummeln“ sich auch Typen, wie man sie aus ganz anderen Themenforen kennt. Der Sprachgebrauch, der Umgang mit Anderen und der Zeitaufwand (wer hat schon an einem Arbeitstag so viel Zeit so viel zu schreiben) der aufgewendet wird, ist ein Zeichen, das in diesen Foren auch der normale Internetdurchschnitt zu Hause ist. Das ist auch gut so!
- Was mich allerdings stört, ist der Umgang mit Kritikern, Querdenkern und Leuten, die nicht in das scheinbar geforderte Durchschnittsbild passen. Entweder werden ihnen Kälte, Bosheit, Unsachlichkeit oder Matschogehabe unterstellt oder auf ihre „Einwände“ wird nicht wirklich eingegangen. Sicher, sie zeichnen sich auch oft durch fehlende Sachlichkeit aus (wie man in den Wald rein ruft...). Auch werden manche Anstöße mit einer gewissen Überheblichkeit der Wissenden etwas „platt gebügelt“.

Was nehme ich mit:
- Die Angehörigen haben oft die selben Probleme wie ich. Das ist ein wichtiger Trost, denn dann ist das eigene Schicksal nichts Besonderes.
- Es geht vielen Angehörigen, viel mehr noch den Betroffenen, schlechter als mir. Ich meine, der Leidensdruck ist wirklich „nach oben offen“. Dann schäme ich mich, das ich bisher mich mit meinem Selbstmitleid zu sehr in mein Zentrum gestellt, mich zu wichtig genommen habe. Jetzt ist mehr Platz für Verständnis und Geduld.
- Das WICHTIGSTE: ich habe sehr, sehr viel von den Aussagen der Betroffenen gelernt. Ich glaube (!) jetzt viel besser verstanden zu haben, warum Betroffene für uns so seltsam, oft verletzend „reagieren“. Das ist wirklich eine ganz andere Welt, mit eigenen Verhaltes- und Gefühlsmustern. Wirklich schwer zu verstehen und von einem Arzt oder aus einem Buch hätte ich das nicht so angenommen. Danke!

Ich wünsche uns die notwendige Kraft, die Gelassenheit die nicht änderbaren Dinge auch hinzunehmen und die Ausdauer die Krankheit mit unseren Partnern zu überwinden.

Gruß Bernd
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von tommi »

Lieber Bernd,

ich wünsche dir in der Zwischenzeit alles Liebe und ich hoffe, dass du mit deiner Renate wieder zusammen kommst.
Deine Beiträge haben auch meinen Horizont erweitert.
Gruß
Tom
Edeltraud
Beiträge: 1495
Registriert: 22. Mai 2003, 16:49

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von Edeltraud »

Hallo Bernd,

mit dem "Ausnutzen" der Krankheit (fällt unter den Begriff: sekundärer Krankheitsgewinn) sprichst du ein sehr interessantes Thema an. Interessant dazu auch der Bericht auf der Startseite/für Betroffene/Innenansichten/Alles eine Frage der Perspektive.
Ergänzend möchte ich hinzufügen, dass es durchaus auch einen sekundären Krankheitsgewinn der Angehörigen/Behörden gibt.

Viele Grüße
Edeltraud
bersch0507
Beiträge: 52
Registriert: 12. Jan 2005, 15:31

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von bersch0507 »

Hallo Edeltraud,

danke für deinen Hinweis. Da war ich mit meinem Gefühl ja nicht ganz falsch gelegen. Beim VERSTEHEN lernt man bei dieser Krankheit eben nicht aus.
http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1105804650

Eine Facette ist mir „in den Kopf gekommen“: Die Schuldzuschreibung für die Krankheit an den Partner könnte darunter auch gesehen werden. Die Befreiung von der Selbstverantwortung, sich mit den ursächlichen Gründen der eigenen seelischen Belastung (unbewältigte Trauer, Schicksalsschlag...) selbst auseinander zu setzen, kann dazu führen, anderen die Schuld zu geben. Man „befreit“ sich von der Notwendigkeit, von der Selbstverantwortung, seine eigenen Probleme (was nicht einfach ist) selbst aufzunehmen und zu verarbeiten. Ich habe oft gelesen, das die Depression auch eine „Schutzwirkung“ für die Seele ist, wenn der Druck zu groß wird, sprich die Ursachen nicht verarbeitet werden.

Also wieder ein Punkt, das wir Betroffenen nicht alles persönlich nehmen dürfen. Wir müssen Verständnis haben, das der Betroffene so ausweicht. Für den Therapeuten ist es aber dann sehr wichtig, das er die eigentlichen Belastungen erkennt und dem Betroffenen bei der Aufarbeitung hilft. Das heißt natürlich nicht, das wir keine Mitschuld am Ablauf der Krankheit haben. Wir sind zwar seltener die Ursache, aber unser falsches Verhalten (aus Unwissenheit!!!) treibt den Partner immer tiefer in die Depression.

Danke & Gruß Bernd
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von tommi »

Lieber Bernd,

da sprichst du was ganz wichtiges Thema an.
Als ich noch keine Kenntnisse darüber hatte, dass meine Frau Depressionen hatte, sind viele Streitgespräche eskaliert. Schuldzuweisungen waren an der Tagesordnung. Sie waren für mich unverständlich und ungerechtfertigt, so dass es ganz normal war, dass ich mich angegriffen gefühlt habe.

Ich überlegte mir auch nach der Diagnose und das Belesen hier im Forum, inwieweit ich Schuld an der Depression war. Ich kam zu dem Entschluss, dass ich durch die Unwissenheit keine Fehler begangen habe, sondern ganz normal und menschlich reagiert habe. Dass ich durch mein angekratztes Ego Äußerungen und Handlungen getätigt habe, die meiner Frau nicht gut taten, ist mir im nachhinein natürlich bewußt. Aber woher sollte ich es wissen, sie ahnte damals selbst noch nicht, was mit ihr los ist.

Es ist bei allen Dingen so, dass man vom heutigen Erfahrungsschatz früher evtl. andere Entscheidungen getroffen hätte.

Für mich ist es nun vielmehr wichtiger, mit dem Wissen in die Zukunft zu gehen, und zu versuchen, diese Fehleinschätzungen nicht wieder zu begehen.

Mit den Schuldzuweisungen ist es wie mit den Schuldgefühen der Betroffenen- beide sind nicht nötig.
Gruß
Tom

Wichtig für mich war dann
Motte777
Beiträge: 0
Registriert: 19. Nov 2004, 16:35

Re: Hilfe für Angehörige (Ehepartner)

Beitrag von Motte777 »

Hallo Bernd,

ich habe Deine Beiträge mit Interesse gelesen und bin dabei auf einige Aussagen gestoßen, die ich gerne kommentieren möchte.

Zu meiner Person: Mein Freund leidet seit 5 Jahren unter Depressionen und macht seit nun 2 Monaten wieder eine sehr schwere Phse durch. Ich habe ihn seit Beginn dieser Phase nicht mehr gesehen und halte den Kontakt über sms und e-mail aufrecht.

Du schriebst:
Wie geht der Betroffene mit dem Freibrief, mit seiner „Macht“ um.

Mein Freund hat während dieser Depression keine Macht. Weder über sich selbst noch über andere. Er versucht lediglich jeden Tag auf´s neue irgendwie zu überstehen und tastet sich sehr langsam durch das Dunkel, dass ihn umgibt.
Auch hat er keine "Macht" über mich. Es ist allein meine Entscheidung, ihm in dieser Zeit beizustehen. Im Gegenteil, er fühlt sich schuldig und meiner Hilfe unwürdig.
Er kämpft um Macht. Um Macht über sich und um die Fähigkeit,wieder der Mensch zu sein, der er vor der Depression war.

Ist er in der Lage, Recht und Unrecht zu unterscheiden?
Was Recht und Unrecht ist, ist für einen depressiven Menschen glaube ich sehr verschwommen und verzerrt. Er selbst sieht sich im Moment als so erbärmlich und so klein an, dass er meint, mir Unrecht anzutun, indem wir in Kontakt bleiben.
Er möchte sich selbst bestrafen für das, was er mir meint anzutun. Das sehe ich dagegen ganz anders. Ausschlaggebend ist nur, dass er zur Zeit dieser Ansicht ist und dass sich seine Meinung sehr wahrscheinlich ändern wird, wenn es ihm wieder besser geht. Das ist Teil der Depression.

Welche Verantwortung für sein Verhalten hat er?
Meinem Freund in dieser Situation irgendeine Art von Verantwortung aufbürden zu wollen, scheint mir im Moment unmöglich. Es geht ihm viel zu schlecht und er kämpft einen viel zu harten Kampf, um den ich ihn wirklich nicht beneide.
Ich bin in dieser Situation die "Glückliche", der es gut geht und die bei all dem einen "klaren Verstand" bewahren kann. Ich bin in der glücklichen Lage, Hoffnung empfinden zu können und positiv denken zu können. Da erwarte ich von meinem Freund kein "verantwortungsvolles" Verhalten mir gegenüber. Und trotzdem kann ich sagen, dass sich mein Freund die größte Mühe gibt, mit mir verantwortungsvoll umzugehen.

Du schriebst:
"Es ist eine Tatsache, das Behinderte/Kranke dazu neigen, ihre Umgebung „auszunutzen“. Sie kennen die Macht des Mitleids und die Möglichkeiten der Erpressungsformen. Das tun sie aber nicht immer aus Böswilligkeit oder wegen einem „schlechten“ Charakter. Sie fühlen sich natürlich zu recht benachteiligt, sind mit ihrem Leben natürlich unzufrieden."

Das letzte was meinem Freund in den Sinn käme wäre, seine Umgebung "auszunutzen" oder gar zu erpressen.
Im Gegenteil: Die Schuldgefühle, weil er meint mir zur Last zu fallen und mir Kummer zu bereiten, sind enorm.
Ja, er fühlt sich sicher benachteiligt und ist mehr als unzufrieden, doch gibt er dafür allein sich selbst die Schuld.

Wie weit soll unser "grenzenloses" Verständnis gehen?
Nun, Du schreibst es selbst: Grenzenlos! Was nicht bedeutet, dass ich mich selbst aufgebe oder vernachlässige. Ich habe grenzenloses Verständnis weil diese Krankheit für meinen Freund "grenzenlos" schwer zu ertragen ist und er "grenzenlose" Qualen leidet.
Ich weiß, ich kann ihm bei diesem Kampf nicht helfen. Das ist schon schwer genug zu ertragen. Was ich aber kann, dass ist "grenzenloses Verständnis" haben.

Du schriebst:
"Ist es nicht für die Betroffenen hilfreicher, wenn wir ihnen Grenzen im Partnerverhalten „aufzeigen“ und sie nicht ohne Anker im „unendlichen“ Dunkel der Krankheit und des Selbstmitleids eigentlich alleine lassen?"
Sicher ist es wichtig, dem depressiven Partner mitzuteilen, wenn man unter einer gewissen Verhaltensweise sehr leidet. Das habe auch ich getan und mein Freund hat auch mir Verständnis entgegenbringen können. Wichtig ist, denke ich, dass man seine Gefühle nicht als Kritik anbringt.
Was das "im Dunkel alleine lassen" betrifft, so habe auch ich meinem Freund zu Anfang gesagt, dass ich ihn nicht in seinen Tiefen allein sitzen lassen werde und ihm hinaushelfen möchte. Seine Antwort darauf war:"Das ist unendlich lieb gemeint, aber da kann mir niemand heraushelfen. Ich muß den Weg ganz allein finden, sonst werde ich nie wieder auf eigenen Beinen stehen können und werde immer auf fremde Hilfe angewiesen sein. Meine Depression ist eine Krankheit der Seele und muß von innen heraus geheilt werde."

Du fragst:
"Weigern sie sich wirklich, auch an die „führende Hand“ genommen zu werden? Ist der Partner nur zum „Hinterherlaufen“ da?"

Vielleicht ist es ein bischen so wie mit Blinden. Blinde mögen es nicht, wenn man sie, um sie zu führen, am Arm anfasst. Sie selbst wollen den Arm des Helfenden greifen.
Ich kann und möchte meinen Freund nicht "an die Hand nehmen", aber ich möchte ihm zur Seite stehen und wenn er "zugreifen" möchte, dann bin ich da.
Ich laufe ihm nicht hinterher. Ich denke, ich gehe neben ihm, in gewissem Abstand.Lasse es mir auch gutgehen und gebe acht auf mich, aber ich gehe neben ihm.


Wollen die Betroffenen wirklich „grenzenloses“ Verständnis?
Mein Freund "erwartet" von mir kein grenzenloses Verständnis, aber er weiß es sehr zu schätzen, dass ich ihm Verständnis entgegenbringe.
Für ihn wäre es nur allzu verständlich, wenn ich mich von ihm distanzieren würde und er kann es nicht verstehen, es macht für ihn keinen Sinn, dass ich nachwievor Verständnis habe und an ihn denke. Ich bin dabei sehr vorsichtig, wie oft ich mein Verständnis und meine Gedanken an ihn zum Ausdruck bringe, weil er schnell mit Schuldgefühlen und Unverständnis meinem Verständnis gegenüber reagiert(puh, kompliziert). Das hängt immer von seinem jeweiligen Zustand ab.

Du schriebst:
"Ist nicht das niedrige Selbstwertgefühl eine zentrales Hindernis, die Krankheit zu überwinden."
Das niedrige Selbstwertgefühl ist ein Symptom/ein Teil dieser Krankheit.Das ist so, als würde man bei einem Schnupfen sagen:" Ist nicht die laufende Nase ein Hinderniss, die Krankheit zu überwinden".

Du schriebst:
"Mit zu viel Hilfe bis zum „Verhätscheln“ machen wir sie doch unselbständiger, sie spüren die Abhängigkeit, wir zeigen ihnen, das wir stärker sind."
Bei meinem Freund zumindest ist es mir gar nicht möglich, ihn zu "verhätscheln", auch wenn ich das zu Anfang gern getan hätte.
Ich denke, was ich meinem Freund zur Zeit gutes tun kann ist, ihm die Zeit und den Freiraum zu geben, sich auf seine Krankheit und vor allem auf die Genesung zu konzentrieren, damit er bald wieder stark sein kann und sein Leben in den Griff bekommt.
Auch denke ich manchmal, dass er unendlich stärker ist als ich, wenn ich überlege, gegen welche "Übermacht" er nun schon so lange,so verzweifelt und so tapfer kämpft.
Du fragts:
"Was sagen die selbstkritischen Betroffenen (NUR die können es wissen!) dazu, vor allem, welche die Krankheit schon hinter sich gelassen haben?????????"
Nun, ich kann hier nur kurz meinen Freund zitieren, der mir einmal sagte:" Ich kann jeden verstehen und würde jedem verzeihen, der sich von mir in dieser schweren Zeit distanziert, denn ich habe erfahren, was für ein Scheusal ich während der Depression bin."


Tja, das ist jetzt etwas länger geworden und ich kann natürlich auch nur von meine ganz persönlichen Erfahrungen berichten und meine Einstellung zu den verschiedenen Themen weitergeben.
Ich würde mich freuen, auch andere Meinungen zu den von Bernd gestellten Fragen hier lesen zu können.

Viele Grüße,
Tina
Antworten