ich würd so gerne weinen...

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ns
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ich würd so gerne weinen...

Beitrag von ns »

ich denke das meine deppression sehr viel damit zu tun hat das ich nicht um meine oma getrauert habe. ich kann mich nicht daran errinnern damals mit jemanden gesprochen zu haben oder auch nur das bedüfnis gehabt zu haben das ich trauern müsste. es ist als wäre die zeit nach dem ich es erfahren habe ausgelöscht bis auf die trauerfeier. es kommt mir so vor als währe nach der trauerfeier alles ganz normal weiter gegangen oder das ich danach auch wieder die zeit verdrängt habe.

das ist nun 12 jahre her!

jetzt wünschte ich mir das ich weinen könnte und meine reation verstehen könnte. ich meine ich war doch erst 11. es kann mir doch nicht egal gewesen sein so das ich gleich wieder zur tagesordnung übergegangen bin. habe ich wirklich nur ein einzigesmal geweint (in der kappelle bei der trauerfeier)???

kann ich deswegen auch nicht um mam trauern, weil ich es damals nicht gelernt habe?

ich würde so gerne weinen! um sie! um mich! doch wenn mir aus "versehen" dann doch mal die tränen kommen fällt eine wand zwischen mich und meine gefühle und der augenblick der tränen ist schon wieder vorbei.
monalisa
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Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von monalisa »

...ich habe sehr lange nicht mehr weinen können. Ich kann mich nur erinnern, dass ich als Kind sehr viel geweint habe. Vielleicht hatte ich dann als "Erwachsene" keine Tränen mehr. Jedenfalls habe ich mir das manchmal so erklärt. Ich emfand mich als abgestumpft, egal, was für eine Situation war: weinen konnte ich nicht mehr, bis ich vor ca. 2 Jahren in eine Psycho-Klinik ging. Es hat Wochen gedauert...ich dachte am Anfang...mein Gott, wieso heulen die hier alle eigentlich rum ? Nach 8 Wochen fiel mir in der Caféteria - ohne ersichtlichen Grund - eine Träne aus dem Auge. Auf einmal spürte ich eine Traurigkeit, die mich völlig übermannte. Ich ging sofort auf mein Zimmer - ich wollte nicht, dass das einer sieht. Da saß ich...und noch eine Träne quälte sich aus meinem Auge...dann habe ich die ganze Nacht geweint. Ich wusste gar nicht so richtig, warum. Ich weinte und weinte und immer wenn ich dachte: So, jetzt ist´s gut...fing es wieder von neuem an. Das ging die ganze Nacht und die nächsten Tage auch. (Seit diesem Tag kann ich wieder weinen) Und ich bin irgendwie froh darüber.
Am Anfang war es ziehmlich unkontrolliert. Das war mir manchmal unangenehm. Wo ich saß und stand überfiel es mich...
Als mein Opa starb, war ich ungefähr 9 oder 10 Jahre alt. Ich konnte damals auch nicht weinen. Es war eine ganz komische Geschichte. Es war noch zur Zeit der DDR..und wir (die Familie)...(!?) mussten Genehmigungen einholen, um überhaupt an Opas Beerdigung da sein zu können. Ich erinnere mich....es war Winter...viel Schnee...meine Eltern stritten sich bis zum Abwinken...keiner meiner Eltern war ansprechbar...mein Vater (es war sein Vater, der gestorben war) war völlig durch den Wind, hochgradig agressiv..meine Mutter war hilflos...
Dann die Trauerfeier..in einem Eiskalten Raum...spärlich "geschmückt"...als der Pfarrer kam und fragte, ob wir ihn nochmal sehen wollten....Keiner war darauf vorbereitet....Mein Vater sagte irgendwie: Ja. Da standen wir vor dem Sarg....er wurde geöffnet...und mein Opa (den ich sehr liebte) lag da...mit offenen Augen..offenen Mund...die Hände völlig verkrampft...als hätte man ihn so, wie er gestorben war, in den Sarg geschmissen. Entschuldigung für diese Ausdrucksweise...aber ich sah das damals als Kind so und ich empfinde es heute genauso.
Was dann geschah weiß ich nicht mehr. Mein Vater ist nach der Trauerfeier verschwunden um sich zu besaufen und ich bin stundenlang irgendwo im Wald umhergelaufen..Ich weiß nicht wie lange, ich weiß nicht - wo ich war und ich weiß auch nicht mehr wie ich zurückkam. Als ich wieder da war, hatte ich das Gefühl ich wäre auch gestorben. Ich habe nichts mehr gefühlt. Es hat sich auch niemand um mich gekümmert. Alles drehte sich um meinen Vater, weil wir alle Angst hatten, er würde völlig durchknallen.....
Das ist so viele Jahre her..und dennoch ist es immer noch da.

Vor ca. einem halben Jahr ist meine Oma gestorben und ich hatte totale Angst auf die Beerdigung zu gehen. (Ich war, seit Opas Tod nie wieder auf einer Beerdigung) Aber ich ging hin. Und ich habe geweint um Oma. Und es war gut so. Niemand hat außer mir geweint.
Wenn die Tränen kommen - dann kommen sie...und wenn nicht, dann ist eben nicht die Zeit oder das Gefühl oder die Offenheit oder was weiß ich..
Ich weiß nur, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, macht die Seele sich von selber Luft. Man kann es nicht erzwingen. Jahrelang habe ich auch gesagt...es sieht so aus, als wäre ich völlig emotionslos, gefühlskalt.....aber dem ist nicht so gewesen. Es war ein Schutz. Ich weiß nicht wofür - aber so war es eben.
Quäle Dich nicht. Wenn die richtige Zeit ist, dann wirst Du weinen können. Und wenn nicht, dann ist das auch in Ordnung. Erforsche Deine Gefühle. Warum willst Du weinen ? Das Weinen hat anschließend das Gefühl der Erschöpfung und dann eine Erleichterung. Aber "weg" ist alles nicht. Nur das Gefühl hat sich geändert.
Was heißt...kann ich deswegen nicht um "Mam" trauern ?? Das verstehe ich nicht.
Ich bezweifle auch, dass man "trauern" erlernen kann. Kann man "Glück" erlernen ? Das wohl....aber muß man trauern lernen ?...
Man muß lernen mit Tiefschlägen zu leben..das weiß ich (wenn ich es auch nicht beherrsche)...
Verzweifle nicht, die Tränen kommen von ganz alleine....

Gabriele
ns
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Registriert: 18. Apr 2003, 07:22

Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von ns »

vielen vielen dank für deine antwort...

das du es geschafft hast wieder zu weinen gibt mir hoffnung ! ich weiß nicht was du vor 2 jahren in der klinik erlebt hast das du es konntest, aber ich wünsche mir so sehr das es mir auch eines tages pasiert.

zur erklärung warum ich auch um mam trauern möchte:

als ich 19 war habe ich erfahren das meine mam krebs hatund sie hat ihn nicht überlebt. sie war fast die ganze zeit zu hause und hatt mir und meiner schwester nicht gezeigt wie schlächt es ihr wirklich ging. der einzige der es wusste war mein dad. das letzte mal das ich sie gesehen habe war in der weihnachtszeit (2001)und sie stand in der küche und hat kekse gebachen. als ich mich verabschiedete sagte ich "ich habe dich lieb und wir sehen uns" darüber bin ich sooooooo froh. 2-3 tage später bekam ich morgens einen anruf das ich hach hause kommen möchte weil mam im sterben liegt. ich kam nicht mehr rechtzeitig...

einen tag später habe ich dann diesen text geschrieben:

Muss man eigentlich traurig sein?

Ich habe am 14.12. meine ma verloren.
Sie hatte Lungenkrebs! Die Diagnose kann vor 2 Jahren.
Ich war damals wie geschockt. Habe mit dem rauchen aufgehört für 5 Wochen bis mein damaliger freund mir sagte „es waren zwar 4 schöne Jahre,
aber ich habe mich neu verliebt und zwar in einen anderen Mann“
Meine ma hat länger gelebt, als es die Ärzte damals
vorhergesagt haben und sie konnte fast bis zum Schluss alles alleine machen!
Sie hat so friedlich ausgesehen, so als wenn sie schliefe.
Ich bin so froh das sie kaum leiden musste.
Natürlich habe ich geweint aber nur kurz.
Jetzt geht mein leben schon wieder weiter.
Na ja das was man halt so Leben nennt.
Ich habe wohl in den letzten 2 Jahren schon abschied
genommen und ich bin nun glücklich das sie es geschafft hat,
das sie keine schmerzen mehr hat und das sich nicht im Krankenhaus gestorben ist.
Sie hatte immer Angst das sie irgendwo liegt und nichts mehr mitbekommt.
Ich finde es nur schade das ich sie nicht noch mal gesehen habe bevor sie starb.
Mein Vater hat mich zwar noch angerufen aber ich war zu langsam.
Ich kam 10 min. zu spät. Sie war noch ganz warm.
Ich habe mich an ihr Bett gesetzt und ihr all das was ich ihr noch sagen wollte gesagt, und über ihr Gesicht gestreichelt. Ihr einen Abschiedskuß gegeben und habe mich dann und die Telefonirerei und um meine Familie gekümmert.
Ihr dürft aber nicht glauben das es mir egal iss!!!
ICH LIEBE MEINE MA!
Auch wenn sie nicht mehr da ist.
Nur soll ich traurig sein, weil sie an einen besseren Ort ist,
wo sie keine schmerzen mehr hat?????


mitlerweile wünschte ich mir traurig zu sein, doch weis ich nicht wie ich an meine gefühle rankomme...

nochmal vielen vielen dank für deine lieben worte

me
monalisa
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Registriert: 22. Mär 2003, 09:00

Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von monalisa »

Hei Tina,
das tut mir leid für Dich, dass Deine Mom gestorben ist. Aber ich denke gleichzeitig, wie Du auch schon gesagt hast, sie ist friedlich gestorben und zuhause. Das finde ich sehr wichtig und gut. Das Du quasi 10 minuten zu spät warst und in dem entscheidenen Augenblick nicht da warst - ist schlichtweg Schicksal. Du hast geschrieben..das Du zu langsam warst...
Da höre ich raus, dass Du Dir ein bißchen Schuld gibst. Von wegen: wäre ich nur schneller gewesen...
Es kommt so, wie es kommen musste. Du hast sie ja noch zuhause gesehen und Dich von ihr verabschiedet - in gewohnter Umgebung. Dieses Glück hat auch nicht jeder. So, wie es sich anhört, hast Du alles getan, was Du tuen konntest und hattest die Möglichkeit sie zu sehen. Ich denke, Du hast alles "richtig" gemacht - es gab keinen anderen Weg. Lass´ Dir Zeit, denn ich denke, es ist für niemanden einfach, einen geliebten Menschen zu verlieren. Ein Trost ist, dass sie nicht hat leiden müssen.
Denn DAS ist das schlimmste - finde ich.
Es wird dauern...Und nicht umsonst sagt man: 1 (ganzes/langes) Trauerjahr wird es dauern...um zu begreifen...um damit zurecht-zu-kommen....um irgendwann den Schmerz nicht mehr so doll zu fühlen und um wieder am Leben teil-haben-zu-können. (Das soll jetzt nicht unbedingt heißen, das es genau 1 Jahr dauert) Aber aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen...so viele Erinnerungen werden einen tagtäglich anspringen...Im Frühjahr (da war doch immer das und das....) im Sommer...da haben wir dies und jenes getan....im Herbst war das..und im Winter hat sie doch immer Plätzchen gebacken und die Wohnung so schön gemacht.....usw....
Aber mit der Zeit wird es besser werden. (Blöder Spruch - aber er bewahrheitet sich...)
Mache Dir keine Gedanken, wie man trauern sollte....lass es einfach geschehen, wie Dir danach ist...und alles wird gut werden. Zwinge Dich zu nichts. Trauere - wie Du es kannst und wie Du es für richtig hälst. Richte Dich bloß nicht nach irgendwelchen "Normen", die sagen - wie,was zu sein hat.
Viel Kraft wünsche ich Dir...

Gabriele
monalisa
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Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von monalisa »

..Nachtrag...
entschuldige, ich habe da gerade etwas falsch verstanden...Deine Mom ist nicht letzte Weihnachten gestorben...sondern schon zuvor....

Und noch etwas: ....du würdest so gerne traurig sein......
Für mich ist klar: Du bist es doch. Alleine die Tatsache, dass Du an Sie denkst und an Traurigkeit denkst...ist doch Trauer und Traurigkeit.....
(Es wird besser werden....)
MissMarple

Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von MissMarple »

Liebe me,

sind nur Tränen Ausdruck der Trauer? Ich glaube nicht. Nach dem Lesen Deines postings bin ich fest der Meinung, dass Du um Deine Mutter trauerst. Du bist traurig, weil sie nicht mehr körperlich bei Dir sein kann, aber auf der anderen Seite, ist sie doch immer bei Dir, in dem Du an sie denkst.

Meine Eltern leben beide nicht mehr, meine Mutter starb im Dezember 1996, mein Vater im Januar 2001. Sie waren beide sicherlich viel älter als Deine Mutter. Der Verlust meiner Eltern traf mich auch jedesmal hart. Zu ihren Lebzeiten, vor allem in den letzten Jahren hatte ich alles für sie getan, was mir möglich war und ein kleines bißchen mehr. Da ich mir in dieser Hinsicht nichts vorwerfen mußte, hatte ich kein "schlechtes" Gewissen und konnte loslassen. Es ist mir sicher nicht leicht gefallen, das Loslassen.

Als meine Mutter starb, konnte ich auch nicht bei ihr sein. Sie starb aber da, wo sie zuhause war, wo sie sich immer wohl gefühlt hat, mein Vater und eine Frau des Sozialdienstes waren bei ihr, sie war also nicht alleine. Nachdem wir die Nachricht erhalten hatten, sind wir natürlich sofort von Berlin in die Nähe von Lüneburg gefahren. Eigentlich wollte ich meine Mutter nicht mehr sehen. Heute bin ich froh, dass ich sie doch noch sehen konnte. Sie sah so friedlich aus, wie ein junges Mädchen, ihre Gesichtszüge waren ganz glatt. Da wußte ich, sie ohne Schmerzen und mit sich selbst im reinen gegangen. Und da konnte ich loslassen.
Bei meinem Vater war es anders, er lebte nach einem schweren Schlaganfall in einem Pflegeheim hier in Berlin. Mein Sohn und ich kamen zu unserem täglichen Besuch zu ihm. Er hatte zu diesem Zeitpunkt eine kleine Erkältung. Es war als hätte er auf uns gewartet, keine 15 Minuten später mein Vater an einer Lungenembolie. Wenn ich ganz ehrlich bin, für meinen Vater war es sicher gut in seiner Todesstunde seine Tochter und seinen Enkel bei sich zu haben. Doch ich, ich hätte auf diese Erfahrung verzichten können. Man ist so machtlos, man kann nicht helfen. Ich habe versucht mit meinen Vater zu atmen etc., es nutzte alles nicht. Aber auch er starb friedlich ohne Schmerzen und auch ihn konnte ich loslasssen

Heute denke ich voller Liebe an meine Eltern, sie leben mit mir weiter, sie sind nur körperlich nicht mehr anwesend.

Die ist meine "Geschichte", vielleicht hilft sie Dir ein bißchen.

Liebe Grüße

Birgit
ns
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Registriert: 18. Apr 2003, 07:22

Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von ns »

@gabriele

wie kommst darauf das ich tina heiße?

das du dich vertan hast mit dem jahr ist überhaupt nicht schlimm

ich gebe mir keine schuld mehr das ich nicht früh genug bei meiner mam gewesen bin,
das einzige was ich mir wünsche ist das ich ein paar mal weinen kann.

Ich möchte ganz egoistisch weinen können, weil ich meine mam und meine oma verloren habe.

@birgit

du fragtest ob nur tränen ausdruck von trauer währen.
ich denke es ist ein teil davon genauso wie das schmerzhafte gefühl etwas verloren zu haben.

du sagst du konntest deine eltern loslassen…
wie fühlt sich das an dieses loslassen?
kannst du das in worte fassen?



manchmal frage ich mich warum um alles in die welt ich immer wieder diese mauer herunter lasse wenn dieses gefühl von schmerz aufkeimt… wieso ich immer alles ins lächerliche ziehen muss damit ich die tränen unterdrücken kann… es ist wie ein zwang… das leben muss ja weiter gehen… was ist nur mit mir passiert das ich schon als so kleines kind diese mauer um mich herum geschlossen habe? meine oma war doch mein ein und alles… ich hätte doch weinen müssen… ich hätte doch den schmerz des verlassen werdens fühlen müssen… ich kann mich nicht erinnern dieses gefühl gehabt zu haben! Weder bei ihr noch bei mam…


ich verstehe mich nicht!!!
monalisa
Beiträge: 200
Registriert: 22. Mär 2003, 09:00

Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von monalisa »

Hallo me
entschuldige bitte, mein Kommentar war wirklich für DICH bestimmt. Ich habe mich mit dem Namen vertan, weil ich vorher so viel hier rum gelesen habe.

(ich hoffe es hat Dich nicht verletzt)
Wie blöd von mir......
Ciao
Gabriele
ns
Beiträge: 18
Registriert: 18. Apr 2003, 07:22

Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von ns »

hay gabriele

das ist überhaubt nicht schlimm

es hatte mich halt nur so gewundert

me

ps: mit diesem posting von dir beginnt mein tag mit einem lieben lächeln danke !
MissMarple

Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von MissMarple »

Hallo me,

Du hast mich gefragt, ob ich Dir das Loslassen erklären kann. Ich will es versuchen.

Vorausschicken muss ich, dass ich vom Alter her, leicht Deine Mutter sein könnte, ich habe selber einen Sohn von 26 Jahren. Manchmal vergesse ich das.

Loslassen bedeutet u. a.nicht klammern. Deine Mam mußte auch loslassen, nämlich Dich, als Du von zu Hause weggegangen bist und es ist ihr bestimmt nicht leicht gefallen. Sie hat es aber doch getan, vielleicht auch deshalb, weil sie wußte, wenn sie Dich jetzt gehen lässt, kommst Du immer wieder gern nach Hause, zu ihr.
Und genau so erging es mir mit meiner Mutter, ich habe sie losgelassen, ich mußte sie ziehen lassen, ihr "Zuhause" ist aber in meinem Innersten. Viel geweint habe ich gleich nach dem Tod meiner Mutter auch nicht, ich mußte ja"stark" sein, es gab ja soviel zu regeln und da war noch die Sorge um meinen Vater, wie nahm er den Tod seiner Frau auf, nach fast 49 glücklichen Ehejahren. Nach aussen hielt ich immer die Fassade der "starken", gefassten Tochter aufrecht. Ich war es aber auch anders nicht gewohnt.
Und doch, hauptsächlich, wenn ich allein war, war ich manchmal so sauer auf meine Mutter, dass sie es gewagt hat, mich alleine zu lassen(!!!!!!!!)und dann flossen meine Tränen. Vor mir selber riss meine Fassade , in diesen Momenten brauchte ich sie nicht, ich brauchte nicht stark sein, ich konnte ganz schwach sein.

Gestatte Du Dir auch einmal schwach zu sein, sei auch einmal wütend auf Deine Mutter, dass sie es gewagt hat, Dich alleine zu lassen, vielleicht kommen sie dann, die Tränen.

Liebe Grüße

Birgit
ns
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Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von ns »

du schriebst: "Nach aussen hielt ich immer die Fassade der "starken", gefassten Tochter aufrecht. Ich war es aber auch anders nicht gewohnt."

wie ich dir nachempfinden kann...

nicht umhaun lasen, zeigen das das leben weiter geht, jemand muss ja telefonieren um den anderen bescheit zu geben...

das problem ist nur das ich mir selber immer wieder sage das ich weiter machen muss. mein leben ist nicht zu ende. doch stehe ich mir mit dem wunsch trauern zu können immer im weg. ich habe nicht das gefühl ich kann weiter "leben" (existiren ja, aber nicht leben) ohne getrauert zu haben, andererseits darf ich aber nicht trauern weil ich ja weiter machen muss.

ich weis nicht wie ich da rauskommen kann...

liebe grüße me
MissMarple

Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von MissMarple »

Liebe me,

wenn ich auch nach aussen hin viel geschauspielert habe, zu mir selbst war ich immer ehrlich.

Vor mir selbst konnte ich schwach sein, konnte um meine Mutter trauern, konnte sauer sein auf sie, die es gewagt hatte, m i c h alleine zu lassen. Ich war in diesem Moment der "ärmste und verlorendste" Mensch der ganzen Welt. Mein Selbstmitleid war grenzenlos. Und die Tränen flossen.

Danach ging es mir "besser" und die Starke zu sein, fiel mir wieder leichter.

Liebe Grüße


Birgit
janah
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Registriert: 2. Jun 2003, 15:35

Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von janah »

Hallo me!

Auch ich stand mal an einem Grab und konnte nicht weinen, obwohl der wichtigste Mensch in meinem Leben dort hineingelassen wurde. Dabei schämte ich mich furchtbar vor den Anwesenden und auch vor mir selbst (ich tat dann so, als ob ich weinen würde - ich war schon mit 10 keine schlechte Schauspielerin).

Es dauerte etwa 4 Jahre bis ich darüber ehrlich weinen konnte - bei mir sind die Hintergründe und Ursachen komplett andere als bei Dir, aber ich weiss ganz sicher, dass auch bei Dir der Zeitpunkt kommt, wahrscheinlich dann ausgelöst durch etwas völlig anderes, in dem der Knoten platzt. Und dann wirst Du weinen wie ein kleines Kind und wahrscheinlich auch mehrere Stunden oder Tage. Aber da steht noch etwas dazwischen, und was auch immer das ist, das gilt es zu finden (vielleicht warst Du im Gegensatz zu Birgit nicht immer ganz ehrlich zu DIR selbst...? keine Kritik! nur eine von vielen Möglichkeiten!). Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Tränen das einzige sind, was da unterdrückt wird bei Dir.

Bei mir ist es so, dass ich jetzt zwar regelmäßig Tage mit Weinen füllen kann (glaub mir, sooo toll ist das auch nicht), aber garantiert nicht mehr aus Trauer! Damit will ich Dir sagen, dass Tränen und Trauer nicht zwingend parallel auftreten müssen, und Du setzt Dich da zusätzlich unter Druck, denn für mich scheint es so, als hättest Du fast ein schlechtes Gewissen, weil Du das konkrete Bild, das Du vom Trauern hast, nicht erfüllst. Aber Trauer ist halt ein Gefühl, Gefühle lassen sich nicht in ein Schema pressen, und auf mich machst Du alles andere als einen nicht-trauernden Eindruck.

Vielleicht hattest Du zu dem damaligen Zeitpunkt einfach nicht die Ruhe und die Zeit, ausreichend zu trauern. Aber Du tust es jetzt und dann kann irgendwann der Zeitpunkt kommen an dem auch Du "loslassen" kannst, und dann kann man auch endlich wieder zu leben anfangen.

Ich hoffe, ich hab nichts Falsches gesagt, und Dir vielleicht etwas helfen können.

Machs gut!
Janah
wolkenreise
Beiträge: 28
Registriert: 25. Mai 2003, 10:54

Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von wolkenreise »

Liebe Me,

viele Postings gingen ja schon in die Richtung: Tränen und Trauer sind zwar Geschwister, aber nicht unbedingt Zwillinge, um das mal so auszudrücken. Schau mal, was sich hinter Deinem Wunsch Weinen zu können verbirgt. Eine Anregung dazu: wie würdest Du ganz spontan die folgenden Sätze vervollständigen?

Solange ich nicht weinen kann, ...
Wenn meine Tränen fließen, dann ...
Trauer bedeutet für mich ...
Verlust bedeutet für mich ...
Trauern ohne Tränen ist für mich wie ...
Ich beneide Menschen, die weinen können, weil ...
Für meine Eltern bedeuten Tränen ...

Du kannst Dir natürlich noch weitere Sätze überlegen. So kommst Du vielleicht dem auf die Spur, was es mit den Tränen für Dich auf sich hat. Meine eigene Geschichte zum "nicht weinen können" erzähle ich ein andernmal, dazu ist es jetzt schon zu spät.

Ganz liebe Grüße

Dirk
ns
Beiträge: 18
Registriert: 18. Apr 2003, 07:22

Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von ns »

Solange ich nicht weinen kann, ...

kann ich mein leben welches ich führen möchte nicht beginnen weil ich mit meiner trauer noch nicht am ende bin!

Wenn meine Tränen fließen, dann ...

muss ich einmal tief luftholen und durchartmen. dann geht das leben weiter!

Trauer bedeutet für mich ...

den schmerz etwas verloren zu haben zu fühlen und diesem gefühl freien lauf lassen zu können bis die tränen den schmerz besämpftigt haben.

Verlust bedeutet für mich ...

die bestätigung das ich alleine bin!

Trauern ohne Tränen ist für mich wie ...

ein hafen (die trauer)den ich nicht verlassen kann, ohne schiff (die tränen)!

Ich beneide Menschen, die weinen können, weil ...

ich es nicht kann! ich stehe mir selber im weg zu meinen tränen.

Für meine Eltern bedeuten Tränen ...

öhmmmmm... tja... dazu fällt mir spontan nichts ein ausser das ich meine eltern so gut wie nie weinen gesehen habe.

Für fragen die ich mir selber ausdenke ist es wirklich schon zu spät

ich hoffe du kannst gut schlafen und danke für deine fragen !!!

liebe grüße me
wolkenreise
Beiträge: 28
Registriert: 25. Mai 2003, 10:54

Re: ich würd so gerne weinen...

Beitrag von wolkenreise »

Hallo Du,

was ich aus Deinen Worten lese, kenne ich aus eigener Erfahrung. Du hast das Gefühl, da ist innerlich ein Knoten, eine Blockade. Du steckst in der Trauer fest, nichts bewegt sich. Es ist starr, chronisch, und dieser Zustand ist schwer auszuhalten. Passt das in etwa auf Deine Empfindungen?

Ich spüre Deine tiefe Sehnsucht, dass sich diese Blockade lösen möge und es zum fließen kommt. Endlich loslassen, in Bewegung kommen, es rauslassen, damit das Leben in Fluss kommt. Lösung - Erleichterung - dann kehren Frieden ein und innere Ruhe.

Wie gesagt, ich habe diese Blockade lange Zeit selber erlebt und darunter gelitten, kann also Deine Gefühle gut nachempfinden. Ich hatte damals in meiner Therapie ein Bild dazu gemalt. Ein großer Stausee voller Tränen und davor eine mächtige Staumauer, die die Tränen am Fließen hinderte. Das war ein etwas beängstigendes Bild, denn was passiert, wenn die Staumauer bricht und die ungebändigten Fluten herabstürzen?

Die Blockade löste sich bei mir stückweise. Es war nicht so, dass die Staumauer zerbrechen musste. Sie löste sich auf, ganz weich und warm, und zwar durch Liebe. Und dann floß es wie von selbst, ich musste nichts mehr dafür tun. Aber jeder denke ich findet seinen eigenen Weg zu seinen Tränen. Ich weiß auch nicht, ob es bei mir schon alles war, oder ob noch viele Tränen der Traurigkeit in mir sind, die sich erst noch lösen müssen. Das wird die Zeit zeigen, aber ich kann jetzt geduldig darauf warten, denn die ersten Tränen sind geflossen.

Noch ein Anstoß für Dich: Die Tränen sind für Dich das Schiff, um den Hafen der Trauer zu verlassen. Vielleicht gibt es noch andere Schiffe, die Dich aus diesem Hafen herausführen? Vielleicht das Schiff der Wut und Aggression? Wieviel Wut ist in Dir und kannst Du sie leben? Ich will damit nicht sagen, dass Du jetzt Deinen Aggressionen freien Lauf lassen sollst, aber vielleicht gibt es noch andere Schiffe für Dich. Dann bist Du nicht mehr so auf das Weinen-wollen fixiert und der Blick weitet sich, andere Möglichkeiten tun sich auf. Also, begebe Dich doch mal auf Schiffssuche .

Das mit den Tränen ist ja so eine verdrehte Sache. Es ist genauso, wie wenn Du zwanghaft versuchst einzuschlafen. Das geht nicht. Erst wenn Du loslässt und den Schlaf kommen lässt, dann kann es gelingen. Der Schlaf lässt sich nicht jagen und genauso ist es mit den Tränen. Begebe Dich auf den Weg, und irgendwann, ohne dass Du es gezielt versuchst, wird es geschehen.

Alles Liebe

Dirk

P.S.: Ich habe meine Eltern auch fast nie weinen sehen. Ohne dieses Vorbild ist es schwerer, weinen zu können, aber man kann es (wieder) lernen.
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