ADs - ja oder nein?

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moorhexe
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Registriert: 3. Jul 2003, 16:47

ADs - ja oder nein?

Beitrag von moorhexe »

Hallo, ich bin neu im Thread „Medikamente“ und möchte euch gleich um Antworten auf eine Frage bitten, die mich seit Tagen beschäftigt.

Ich sitze zur Zeit in einem tiefen Loch und mein Therapeut, der kein Freund von Psychopharmaka ist, hat mir ernsthaft geraten, zu einem Facharzt zu gehen und mir ADs verschreiben zu lassen. Ich habe aber Angst vor ADs. Ich habe Angst, dass sie meine Persönlichkeit verändern und ich habe Angst, dass ich zunehme. Ich bin eh schon keine Gerte (im Gegenteil). Jetzt such ich Argumente pro und contra ADs, die ich in meine Entscheidung einfließen lassen kann. Könnt ihr mir aus euren Erfahrungen heraus helfen?

Vielen Dank im voraus

moorhexe
Astarte
Beiträge: 39
Registriert: 26. Apr 2004, 18:14

Re: ADs - ja oder nein?

Beitrag von Astarte »

Liebe Moorhexe,
auch ich stand vor einigen Monaten vor dieser wirklich schwierigen Entscheidung, ADs ja oder nein. Auch meine Therapeitin ist prinzipiell erstmal gegen eine medikamentöse Unterstützung und rät wirklich nur in Ausnahmesituationen dazu und eine solche sah sie bei mir, das gibt einem dann ja schon irgendwie zu denken nicht wahr?
Ich habe mich dann dafür entschieden und mir wurde Cipralex, ein sehr wirksames, etwas nebenwirkungsärmeres SSRI verschrieben. Mit diesem Medikament bin ich sehr gut zurecht gekommen, ich hatte ebenfalls Angst vor einer Veränderung meiner Persönlichkeit und auch davor zuzunehmen. Aber es geht mir wirklich gut damit, ich habe mich nicht verändert, das sagen auch die Menschen in meinem Umfeld, ich fühle mich aber irgendwie leichter, diese bleischwere dunkle Decke, die mich immer zugedeckt hat, die mir manchmal fast die Luft zum atmen genommen hat, ist von mir genommen worden, ich kann wieder rausgehen und das Leben ist wieder mehr, als das bloße Existieren. Zugenommen habe ich glücklicherweise auch nichts. Das Einzige, was mir hin und wieder zu denken gegeben hat, war die Tatsache, dass ich manchmal das Gefühl hatte, dass meine Ängste und Schmerzen noch da sind, dass ich sie nur nicht mehr so spüre, keinen wirklich Zugang mehr zu ihnen habe, deshalb möchte ich jetzt auch versuchen, das Medikament etwas runter zu dosieren.
Am besten wäre es sicherlich, du gehts erstmal ganz unverbindlich zu einem Facharzt, wie es dir dein Therapeut empfohlen hat und lässt dich beraten und dir erklären, wie ADs wirken und was für eine Wirkstoffgruppe für dich in Frage käme, danach kannst du bestimmt besser abwägen, ob du dich dafür entscheiden möchtest oder nicht. Ich wünsche dir den Mut dich beraten zu lassen und dann die Kraft eine richtige Entscheidung zu treffen.
Liebe Grüße,
Sophie
triste
Beiträge: 1061
Registriert: 22. Jun 2003, 16:38

Re: ADs - ja oder nein?

Beitrag von triste »

Liebe moorhexe,

ADs verändern nicht die Persönlichkeit, sondern sie minimieren die Symptome der Depression.
Ich glaube, die meisten haben Angst davor, was sicher auch an der falschen öffentlichen Meinung über Psychopharmaka liegt. bei mir hat es auch einige Monate gebraucht, bis ich bereit war, ein AD zu versuchen.
Allerdings muß man sich im Klaren sein, daß es Nebenwirkungen geben kann.
Inwieweit man bereit ist, diese auszuhalten, hängt sicher von der Schwere der empfundenene Depression ab aber auch von der Haltung, die man ggenüber dem Medikament hat.
Bzgl. Gewichtszunahme: es gibt AD, bei denen man nicht zunimmt, oder weniger. Besprich´das doch mit Deinem Arzt, ob ein solches AD für Dich passt.
Und ganz allgemein gilt: Du kannst es wieder rückgängig machen.
Aber stell´Dich auf einen Zeitraum von ein paar Wochen ein, bis Nebenwirkungen verschwinden und AD wirken, dauert es eine Zeit.

Ein AD ist eine Unterstützung, die es Dir ermöglicht, weiter an Deiner Gesundung zu arbeiten.
(Mir hat es geholfen, auch wenn es lange gedauert hat, bis ich das passende gefunden habe.).

Dir alles Gute!
Virginia
triste
Beiträge: 1061
Registriert: 22. Jun 2003, 16:38

Re: ADs - ja oder nein?

Beitrag von triste »

P.S.
Wenn Du Angst vor Nebenwirkungen hast, kann ich Dir nur raten, mit ganz kleinen Dosen anzufangen. (Selbst die kleinste Dosis eines Medikaments kann man noch teilen oder vierteln!) Und nicht alles glauben, was der Arzt diesbezüglich sagt. Ich mußte erst schmerzvoll lernen, auf mein inneres Befinden zu achten, statt auf die Meinung des Arztes zu hören, und habe tatsächlich bei minimalsten Dosisveränderungen noch Wirkung gespürt, über die die Ärzte nur lachten ("In dieser Dosis können sie unmöglich noch etwas spüren").

Also vertrau´Deinem eigenen Empfinden!
Jeder reagiert anders auf Medikamente!
C.
Beiträge: 412
Registriert: 4. Jun 2003, 22:28

Re: ADs - ja oder nein?

Beitrag von C. »

liebe moorhexe,

du findest im forum alle möglichen unterschiedlichen berichte über AD's... und genauso unterschiedlich können eben auch die reaktionen der verschiedenen menschen auf unterschiedliche AD's sein.
die persönlichkeit verändern sie nicht. zunehmen ist allerdings eine der häufigeren NW - allerdings ist auch dies von mensch zu mensch und von medikament zu medikament unterschiedlich. es gibt medikamente von denen gesagt wird dass man eher nicht davon zunimmt.
angst ist m.E. etwas, was man nicht einfach ignorieren sollte. sie kann einen z.b. auch zu vorsichtigem umgang mit etwas veranlassen. aber angst sollte einen auch nicht davon abhalten, überhaupt etwas zu versuchen.

Sophie's rat, dich von einem [guten!] facharzt beraten zu lassen finde ich gut. die haben (jedenfalls theoretisch) grosses wissen um die wirkungen von psychopharmaka. ich hoffe du hast / findest einen facharzt, der sich diese zeit für dich nimmt und dich auch mit deinen bedenken ernst nimmt und zusammen mit dir nach einem passenden AD sucht.
bei jedem medi sind die pros die erwünschten wirkungen, die contras die unerwünschten / Neben-Wirkungen. von dem, was im beipackzettel an NW steht tritt ganz bestimmt nicht alles ein! aber einiges könnte eintreten. ob bzw wie ein bestimmtes medi bei dir wirkt, wirst du letztendlich wohl selber ausprobieren müssen, das kann niemand 100%ig vorhersagen. es gibt wahrscheinlichkeiten, voraussagen wie welches medi in den allermeisten fällen wirkt, aber zu jeder regel gibt es eben auch ausnahmen.
wenn du dich bei deinem facharzt gut aufgehoben fühlst, und er/sie dich dabei für dich auch in kurzen zeitabständen ansprechpartner sein kann (also auch wenn du nach ein paar tagen schon fragen oder gar starke NW hast, er/sie ansprechbar ist und dich ernst nimmt - und du nicht ein paar wochen "ausprobieren" sollst ohne zwischenzeitliche möglichkeit ihn/sie anzusprechen), dann probiere doch aus, wie es bei dir wirkt. vielleicht wirst du auch verschiedene medikamente ausprobieren müssen, bis eines so wirkt wie es sollte. es dauert in der regel so 2-4 wochen bis die wirkung eintritt und die nebenwirkungen (so du welche hast) nachlassen. oft macht es sinn, ein AD langsam einzuschleichen (also mit geringer dosis zu beginnen und nach und nach zur "normalen" dosis zu steigern), auf diese weise lassen sich oft starke NW vermeiden und der körper kann sich langsam an den stoff und dessen wirkung gewöhnen.
die reaktionen einzelner menschen auf verschiedene medikamente und auch auf verschiedene dosierungen sind unterschiedlich. bei manchen wirken z.b. schon recht geringe dosierungen und bei höheren wären die NW nicht tragbar, andere menschen brauchen höhere dosierungen. wozu du gehörst kannst nur du herausfinden (am besten mit hilfe eines guten facharztes).

meine erfahrung ist, dass NW auch sehr heftig sein können - allerdings kommt dies selten vor. (leider sagt die wahrscheinlichkeit nur etwas darüber aus, bei wie vielen von meinetwegen 1000 menschen es vorkommt, und nicht, ob es bei einem selbst vorkommt oder nicht... hier hilft wohl nur ausprobieren.) ich denke wenn die NW zu stark sind, sollte man nicht wochenlang weiterversuchen und "durchhalten", sondern dieses medi dann gleich lassen. wenn nach ein paar tagen die NW schon weniger oder erträglicher werden, ist dies denke ich ein gutes zeichen und weiternehmen/durchhalten ist erfolgversprechend.

also, moorhexe, ich würde sagen such dir nen guten arzt, probiere aus (aber probiere das selbe nicht zu lange wenn's nix ausser NW bringt). es kann dir erleichterung bringen im tiefen loch. vielen hier im forum haben AD's sehr geholfen. lass dich nicht von der angst bestimmen, aber nimm dich selbst ernst in deinen empfindungen. (ein arzt der dich auch ernst nimmt sollte eigentlich voraussetzung sein.) ist vielleicht gar nicht so einfach, die eigene "leidensfähigkeit" selbst richtig einzuschätzen, auch ärzte tun sich hiermit manchmal schwer. falls du zu den menschen gehörst, die sehr lange schweigend immer noch mehr ertragen (können?) und sich immer sagen "ich muss weiter durchhalten" und höchstens mal ganz verhalten ansprechen dass sie sich nicht so wohl fühlen, dann vergiss nicht: die medis sollen helfen! tun sie das nicht, oder sind die unerwünschten wirkungen sehr beeinträchtigend, dann lass dieses medi. - und überlege dir, ob du vielleicht ein anderes ausprobieren möchtest.

liebe grüsse,
clara
moorhexe
Beiträge: 39
Registriert: 3. Jul 2003, 16:47

Re: ADs - ja oder nein?

Beitrag von moorhexe »

Liebe Sophie, Virginia und Clara,

ich danke euch für eure Antworten auf meine Frage. Das Fazit, das ich daraus ziehen müsste, ist zweifellos: versuche es. Aber…

Zum einen möchte ich, dass es mir besser geht, zum anderen sagt mir etwas, dass ich es nicht verdient habe. Und dieses zweite Argument ist stärker als das erste. Ich komme nicht dagegen an.

Ich bin zudem am Ende meiner Kraft, und der Besuch bei einem Facharzt ist eine absolute Horror-Vorstellung. Ich habe vor keinem Arzt soviel Angst wie vor einem Psychiater. Den Gang dorthin, das packe ich nicht.

Ich würde es vielleicht mit ADs versuchen, aber der Weg zu ihnen ist schier unüberwindlich. Das ist mir klar geworden, nachdem ich mir nach euren Postings die ganze Situation vorgestellt habe. Mein Therapeut hat mir zwar gesagt, dass er mit dem Facharzt reden würde, aber den Gang dorthin kann er mir nicht abnehmen. Angst frisst moorhexe auf…

Was tun?

Liebe Grüße an euch alle

moorhexe
Bellasus
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Registriert: 10. Jun 2004, 21:41

Re: ADs - ja oder nein?

Beitrag von Bellasus »

Liebe Moorhexe,

ich war vor 3 Wochen auch das erste Mal im Leben bei einer Psychiaterin - von den Ärzten in der Klinik mal abgesehen.

Und ich traf auf eine sehr warmherzige, gut zuhörende, gezielt nachfragende und sympathische Frau. Die Praxis hatte nichts von einer normalen Arztpraxis, hätte auch ein Steuerberater-Büro sein können...

Und ich habe jetzt eine zweite Notfall-Anlaufstelle, wenn meine Therapeutin im Urlaub ist.

Deine Angst ist nachvollziehbar. Aber wenn du dich beim ersten nicht gut fühlst, geh zu einer/m anderen!

Viele Grüße
Annette




www.depressionsliga.de

- Betroffene für Betroffene -
Astarte
Beiträge: 39
Registriert: 26. Apr 2004, 18:14

Re: ADs - ja oder nein?

Beitrag von Astarte »

Liebe Moorhexe,
deine Ängste sind verständlich, aber lass nicht zu, dass sie dir den Weg versperren, der dir helfen könnte.
Du bist bereits in Therapie, das bedeutet ja auch, dass die Situation über deine Gefühle zu sprechen nicht ganz neu für dich ist, auch würde sich dein Therapeut schon mit einem Arzt in Verbindung setzen, was ich sehr lieb finde, der Arzt würde also schonmal ein bißchen wissen, worum es geht.
Außerdem kennen Psychiater die Ängste ihrer Patienten, es wird wohl kaum Menschen geben, die da selbstsicher hinkommen und über sich berichten können, ich hatte genauso Angst und die meisten anderen hier sicherlich auch.
Ich wünsche dir dir Kraft, dass du den Schritt wagst dir die Hilfe zu suchen, die du brauchst, das bist du wert!!!
Liebe Grüße,
Sophie
lucy
Beiträge: 145
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: ADs - ja oder nein?

Beitrag von lucy »

Hi Moorhexe,
für mich war es auch extrem schwer die ambulante Psychiatrie bei mir um die Ecke aufzusuchen. Ich fühlte mich so, als ob es mir jeder ansehen würde. Ich versuchte mich extrem locker zu benehmen. Alles Quatsch, denn wenn der Stoffwechsel in Deinem Hirn nicht mehr funktioniert, dann kannst Du da auch nichts für. Die anderen Patienten im Warteraum sahen eigentlich auch ganz normal aus. Der Psychiater konnte mein Leiden gut verstehen und mir endlich ein gut wirkendes AD verschreiben. Dieser Gang zum Psychiater hat mir mein Leben zurückgegeben. Also, wenn man es so betrachtet, dann ist der Gang im Rückblick bisher der nützlichste in meinem Leben gewesen.
Wenn Du Dich alleine nicht traust, dann mach ne Doppelstunde mit Deiner Therapeutin ab und lasse Dich von ihr oder einer anderen Vertrauensperson begleiten. Wenn es Dir wirklich so mies geht, dann nutze die Chance einen Facharzt aufzusuchen. Das Du es nicht verdienst (so schreibst Du weiter oben) dass kann ich nicht verstehen. Was meinst Du damit?
LG Lucy
moorhexe
Beiträge: 39
Registriert: 3. Jul 2003, 16:47

Re: ADs - ja oder nein?

Beitrag von moorhexe »

Ihr Lieben,

ihr habt mich wirklich fast überzeugt. Aber ich habe es in der Therapie heute nicht fertig gebracht, meinen Therapeuten noch einmal darauf anzusprechen. Ich bin noch immer fix und fertig.

Und ich frage mich, ob die ADs nicht eigentlich bei einer Therapie auch hinderlich sein können. Warum sind so viele Therapeuten dagegen? Unterdrückt man damit nicht Gefühle, die eigentlich angesprochen werden wollen? Ihr seht, ich bin immer noch am Schwanken, Aber das Leben, nein das ist das falsche Wort, das Existieren, ist so wie es ist beinahe unerträglich.

Liebe Grüße
Eure
moorhexe


PS: Lucy, ich meine mit dem "nicht verdient haben", dass ich es nicht wert bin, dass es mir besser geht. Sorry.
lucy
Beiträge: 145
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: ADs - ja oder nein?

Beitrag von lucy »

Hi Moorhexe,

warum so viel Psychologen Medikamenteneinnahme nicht gut heißen. Eine sehr interessante Frage, die ich mir im nachhinein auch gestellt habe. Ich hatte über 10 Jahre lang immer wieder mal Therapie bei meinem Therapeuten. --bin immer noch sauer---- er hat mir nie von der Wirksamkeit unterschiedlicher Depressiva erzählt, weil sein Fachgebiet ist ja die Gesprächs- Gestalt und sonstwas Therapie. Im nachhinein hat er mich ja auch gut nachsoszialisiert, trotzdem hätte ich gewußt, dass mir mein jetziges Medikament so gut hilft, dann hätte ich mir das schon gleich verschreiben lassen. Ein Psychologe wird ausßerdem arbeitslos, wenn man jede Depression mit nem Medikament heilen kann. Meine Meinung dazu ist wirklich etwas krass. Ich denke, dass man gewissen Probleme noch gut mit Hilfe eines Therapeuten in den Griff kriegen kann. Jedoch massive Probleme, wie eine mittelschwere - schwere Depression, sind nicht mehr mit blöden Analysesitzungen zu heilen. Da braucht man Hilfe, weil man organisch krank ist. Man spricht von einer Stoffwechselerkrankung. Du siehst, liebe Moorhexe, über dieses Thema könnte ich stundenlang diskutieren. Laß Dich nicht fertigmachen. Gehe am besten in eine Fachklinik (Ambulanz), die kennen sich am besten mit der Wirksamkeit von Medikamenten aus. Meine Hausärztin könnte ich immer noch wegen ihrer Inkompetenz an die Wand klatschen. Die blöde Kuh konnte mir noch nicht mal erklären, das ich ein AD ausschleichen muß, bevor ich ein neues einnehme. Blöde Zicke, und dann bringt sie noch so Sprüche wie: Suchen sie sich doch Freunde und das im schwersten Zustand meiner Depression. So als ob ein Herzinfaktpatient sich Freunde suchen muß, damit der Herzanfall geheilt wird.
Ich bleibe dabei, eine Depression ist u.a. eine organische Stoffwechselerkrankung die mit Medikamenteinnahme in den Griff zu kriegen ist. Eine gleichzeitig Therapie ist anzuraten, da in dieser neue Verhaltensweisen erprobt und Konflikte geklärt werden können.
Alles Liebe Dir
Lucy
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