Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

LadyFreeZe
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Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von LadyFreeZe »

Hallo,
wie gerne würde ich mit alten Geschichten, die mich belasten und Aggressionen gegen mich selbst auslösen, einfach abschließen...mir selbst verzeihen...und endlich zu Leben anfangen.
Warum kann ich nicht meine Vergangenheit als nicht änderbar akzeptieren?
Warum leide ich für die Fehler anderer weiter?
Warum war ich nicht stark genug mich gegen diese Fehler zu wehren?
Am liebsten würde ich einfach davon laufen, um diesen Fragen und dieser ständigen Sinnlosigkeit, in meinem Leben, zu entfliehen...am liebsten würde ich noch mal von vorne anfangen und alles anders machen...
Ja, ich weiss, das geht nicht und Davonlaufen ist keine Lösung...
Ich wünsche mir nur so sehnlichst mein Leben geniessen zu können, nicht ständig leiden zu müssen....und mich nicht mehr so alleine gelassen zu fühlen....
Wie geht es euch? Fällt es euch auch so schwer zu leben?
Liebe Grüsse,
Steffi
"Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten.

In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis." (by Woody Allen)
juan
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von juan »

hast du es schoneinmal mit einer psychaotherapie versucht?da kannst du dir einiges von der seele reden und verarbeiten
tomroerich
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von tomroerich »

Liebe Steffi,

wenn du es so sehr möchtest- dir selbst zu verzeihen und die alten Geschichten ad acta zu legen- dann wird das eines Tages auch so sein. Wenn es wirklich dein Wille ist, ist es in dir bereits geschehen und nur die Trägheit von Körper und Seele verhindern, dass sich alles sofort verwandelt.

Mir fällt das Leben heute sehr viel leichter als vor einigen Jahren. Der Druck der Vergangenheit hat deutlich nachgelassen und vor allem habe ich das Gefühl, dass die alten Dinge Macht über mich verloren haben. Aber ich konnte mir vor einigen Jahren auch noch nicht vorstellen, dass das überhaupt möglich ist. So wenig, wie ich mir vorstellen konnte, dass meine Depression jemals aufhören wird. Deine Vergangenheit ist unabänderlich, das ist so, aber deine Einstellung dazu ist es nicht. Es liegt auch an einem selbst, ob man auf die alten Stimmen hört oder nicht und was man der Vergangenheit für eine Bedeutung beimisst.
Aber eine Frage sollte man nicht stellen: Warum man die Vergangenheit nicht verhindern konnte und so verstehe ich deine Frage nach deiner eigenen Stärke. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Problematisches verwickelt werden, um an Stärke erst zu gewinnen. Da hindurch zu gehen ist die einzige Möglichkeit, sich zu entwickeln und ich glaube, darum geht es im Leben.

Herzlicher Gruß

Thomas
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LadyFreeZe
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von LadyFreeZe »

Hallo Juan,
danke für den Tipp, aber ich mache schon seit über einem Jahr eine Psychotherapie...aber manchmal ist einfach der Punkt da, da hilft gar nix mehr.
Steffi
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LadyFreeZe
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von LadyFreeZe »

Lieber Thomas,

vielen Dank für deine Antwort und dein Verständnis. Du gibst mir die Hoffnung, dass mein Leben doch irgendwann besser, erfüllender sein wird.
Aber kennst du das wenn du andere Menschen siehst die zufrieden mit sich und ihrer Umwelt sind, total zuversichtlich in die Zukunft schauen und du dich daneben wie ein Versager fühlst?
Ich fühle mich ständig so...wie jemand der zu dumm ist sein Leben auf die Reihe zu bekommen, was daraus zu machen...
Naja, genug mit dem Selbstmitleid...

Steffi
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tomroerich
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von tomroerich »

Liebe Steffi,

sich neben anderen als Versager fühlen, die, auf den ersten Blick, alles so prima im Griff haben, ja das kenne ich bestens. Aber was für eine Lebensphilosophie haben denn diese Menschen meistens? Sie achten auf ihre gesellschaftliche Stellung, den Wert ihres Autos, die Kleidung ihrer Kinder etc. und wenden den größten Teil ihrer Lebensenergie dafür auf das zu erreichen, was ANDERE ihnen als lebenswert vorleben. Das ist überhaupt keine Lebensphilosophie, es ist Herdentrieb. Ich will nun keine Gesellschaftsschelte betreiben, worauf es mir ankommt ist, dass dieses Sich-richten-nach-anderen eines der größten Übel ist, die wir uns antun. Andere die Maßstäbe dafür setzen zu lassen, was wichtig ist im Leben und was nicht, das ist ein sehr weit verbreitetes Verhalten und es bringt lauter leblose Menschen hervor. Da bin ich lieber krank an mir selbst und somit gezwungen, den Weg zu finden, der mein Weg ist und nicht der Weg von anderen. Und welcher das ist, kann dir nur dein Herz verraten.

Du hast so einen schönen Wahlspruch von Woody Allen und ich schließe daraus, dass dir die Entscheidung schwer fällt, auf was du hören sollst, auf dein Herz oder deinen Kopf. Ich sehe es so, dass das Herz die Stimme deines Selbst ist und sie fordert, dass du dich verwirklichst und das tust, was immer dich deinem persönlichen Weg näher bringt. Und der Kopf, der gefüttert ist mit den Erfahrungen und Eindrücken der "realen" Welt, sagt dann, 'Das geht ja doch nicht, weil....' Diese Rolle steht ihm nicht zu denn so entscheidet der Kopf über den Wert dessen, wovon das Herz spricht. Er macht dir Angst und fordert, dass du immer schön in den eingefahrenen Gleisen bleibst, weil es dort angeblich am sichersten ist. Dass auf diese Weise dein Leben an dir vorbeigeht, interessiert den Kopf nicht.

Ich habe da immer meinen Vater vor Augen, der sein Leben lang sein Leben bis ins kleinste Detail geplant hat und nur einen einzigen Leitfaden hatte: die Vernunft. Es wäre schön, eine Weltreise zu machen, aber es ist unvernünftig. Und Gefühle sind sowieso unvernünftig, wohin führen sie schon? Das zu studieren, was einen interessiert, ist unvernünftig wenn die Marktchancen nicht gleichzeitig sehr gut sind. Er hat dem Herzen so gut wie keinen Raum gegeben und sein Leben blieb arm. Er ist sehr vernünftig aber auch sehr unglücklich.

Muss aufhören, die Pflicht ruft und da ist es vernünftig, gleich zu springen

Lieber Gruß,

Thomas
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LadyFreeZe
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von LadyFreeZe »

Lieber Thomas,

ich möchte mich nochmals für deine einfühlsamen Antworten bedanken, wenigstens fühl ich mich jetzt nicht mehr so missverstanden und allein gelassen! Danke!

Die Sache mit dem Spruch von Woody Allen kann man 2-deutig sehen. Erstmal so wie du es beschrieben hast, das trifft zum Teil auf mich zu. Aber dann gibt es noch einen zweiten Teil: Mein Kopf sagt mir sehr oft was richtig wäre, er sagt mir dass ich doch schon so viel in meinem Leben erreicht und durchgestanden habe (z.B. die Scheidung meiner Eltern, zwei Selbstmordversuche, die letzten 2 Jahre mit Depressionen,...) und eigentllich zufrieden damit sein könnte, aber mein Herz, meine Seele, gibt mir dann wieder das Gefühl ein Versager zu sein. So wie du die Gesellschaft beschreibst, so sehe ich das auch, nur kann ich mein Gefühl nicht dazu bringen das zu akzeptieren und mein eigenes, unabhängiges Leben zu leben. Mein Kopf sagt mir auch dass ich mein Leben einfach in die Hand nehmen müsste, das tun was ich möchte und wonach mir der Sinn steht, aber mein Gefühl lässt das nicht zu. Mein Herz verbleibt lieber in seiner hilflosen, vielleicht auch einfacheren, Opferrolle.
Verstehst du? Ich kann mein Herz nicht von meinen positiven, für mich richtigen, Gedanken überzeugen und diese Ausleben. Ich bekomme meine Gefühle nicht unter Kontrolle...
(oder sehe ich den Spruch falsch?)
Alles Liebe,
Steffi
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In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis." (by Woody Allen)
Emily
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von Emily »

Liebe Steffi,

du hast in deiner Jugend wohl schon so viele negative Erfahrungen gemacht, dass man sich nicht wundern muss, wenn der Druck der Seele viel, viel stärker ist als das, was dir der Verstand sagt. Die Gefühle lassen sich nicht befehlen, und wenn man traurig, niedergeschlagen und deprimiert ist, dann nutzt es nicht viel, wenn der Verstand einem quasi "befehlen" will, sich doch besser fühlen. Ich denke, eine gute therapeutische Behandlung könnte dir durchaus viel helfen. Wie kommst du mit deinem/r Thera zurecht? Hast du das Gefühl, die Dinge werden wirklich aufgearbeitet, beim Namen genannt? Kommen die wirklichen Probleme auf den Tisch? Werden auch verdeckte Probleme aufgedeckt? Werden sie konsequent besprochen? Werden dir Verhaltensmuster aufgezeigt, wie du damit besser umgehen kannst? Wird dein Selbstbewusstsein konsequent aufgebaut? Wird dein Selbstwertgefühl aufgebaut? Wenn dem nicht so wäre, dann wäre vielleicht ein Therawechsel eine Überlegung wert.

Du hast Schuldgefühle, obwohl dich natürlich überhaupt keine Schuld trifft. Es wäre vielleicht hilfreich, wenn du in der Therapie lernen könntest, die ursprünglichen Probleme bei denen abzugeben, zu denen sie gehören. Die Last, die du trägst, ist eine verschobene Last, glaube ich. Sie liegt auf deinen Schultern wie ein Berg, aber dort gehört sie nicht hin. Selbst diejenigen, zu denen sie gehört, tragen vielleicht keinerlei "Schuld" daran. Vielleicht waren die Umstände wirklich sehr ungünstig damals, vielleicht kamen viele unglückliche Faktoren zusammen, etc. Wer kann das heute schon so genau beurteilen? Du fühlst dich verantwortlich, bist es aber nicht. Diesen Ballast loszulassen, kann schwer sein, aber es wäre sicher wichtig. Und solange das nicht gelungen ist, tauchen dieselben alten Fragen nach dem Warum immer wieder auf.

Du fühlst dich als Versager, schreibst du. In Wirklichkeit bist du gar kein Versager, sondern der seelische Druck ist so groß, dass dir die innere Freiheit einfach fehlt, das zu tun, was du tun willst. Wärest du ein Versager, wenn du an einem 400-m-Lauf teilnehmen wolltest, es aber nicht könntest, weil du ein gebrochenes Bein hättest? Ich kenne dieses Gefühl innerer Lähmung sehr gut. Wenn der Kopf von so vielen schweren Problemen ausgefüllt ist bis zum Bersten, wo sollen denn dann noch Kraft und Energie herkommen, um Leistung bringen zu können?

Versuche doch mal, eine Bilanz zu ziehen: Kommst du vorwärts in deiner Therapie, zumindest in kleinen Schritten? Sind die Fortschritte dauerhaft? Wenn du dir darüber im Klaren wärst, könnte man vielleicht neue Entscheidungen treffen.

Alles Liebe,
Emily.
tomroerich
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von tomroerich »

Liebe Steffi,

doch ja, dein Problem ist mir nun völlig klar und ich möchte dir folgendes dazu sagen:
Wenn man versucht, sich den Vorgang einer Therapie gründlich klar zu machen, also wie sie denn nun eigentlich wirkt, wird man irgendwann zu dem Punkt kommen an dem man sagen muss, dass das nicht zu erklären ist. Ich meine, keiner von uns kann seine Gefühle wirklich kontrollieren, höchstens unsere Reaktion auf unsere Gefühle können wir kontrollieren und selbst das nicht immer. Es liegt im Wesen der Gefühle, dass sie kommen und gehen, sie geschehen einfach. Siehst du das auch so? Wenn wir ganz ehrlich sind müssen wir einfach zugestehen, dass wir nicht einmal imstande sind, unsere Gedanken zu kontrollieren. Schopenhauer sagte einmal: 'Wie gut wir unsere Gedanken kontrollieren können erkennen wir dann, wenn wir mal versuchen, 5 Minuten lang nicht an ein Pferd zu denken'
Viele Gedanken kommen von selber, auch wenn wir sie nicht wollen, bei den Gefühlen ist das noch mehr der Fall. Und das ist bei allen Menschen so, nicht etwa speziell bei denen, die psych. Probleme haben. Aber diejenigen, die psych. Probleme haben, sehen sich plötzlich gezwungen, über diese Dinge nachzudenken und herauszufinden, wie sie mit dem Chaos ihrer Gefühle und Gedanken umgehen könnten. Die "Nichtkranken" haben lediglich keinen Anlass dazu aber sie sind genau in der gleichen Lage. Nur müssen sie nicht darüber nachdenken, solange sie nicht leiden an ihren Gefühlen. Langer Rede, kurzer Sinn: Es ist ganz normal vor dem Problem zu stehen, wie man sein Herz dazu bringt, wieder "normal" zu schlagen, obwohl man doch glaubt, über die notwendigen Erkenntnisse zu verfügen. Es muss ganz offensichtlich mehr passieren, als etwas zu erkennen.

Wie kann man sein Herz davon überzeugen, dass sich etwas geändert hat, dass es nicht richtig schlägt sondern so, wie es das einmal gelernt hat?
Ich denke, unser Bild von uns selbst und der Welt und somit auch das, was wir über uns selbst fühlen und denken, ist völlig davon bestimmt, an was wir GLAUBEN. Glauben ist etwas ganz anderes als Denken und Erkenntnisse zu haben (ich rede übrigens nicht von Religion, nur damit keine Verwechslung entsteht), Glaube ist die innere Überzeugung davon, wie die Dinge wirklich sind, wie WIR wirklich sind. Diese Überzeugungen gehen auf frühe Entwicklungsphasen zurück und bilden das Fundament von allem, was wir denken und fühlen. Wie kann es leicht sein, das zu ändern? Es gibt verschiedene Wege, diese Überzeugungen zu ändern aber alle sind schwer und steinig. Einer, den wir von unseren Möglichkeiten her am besten gehen können ist, etwas anderes zu TUN als unser Gefühl uns aufzwingen will. Und um zurück zur Therapie zu kommen: Wir müssen das Gelernte umsetzen im täglichen Leben, das ist der weitaus schwierigere Teil der Arbeit.

Beispiele:
- Ich lehne die Bitte eines Freundes ab, der sich schon zu sehr daran gewöhnt hat, dass ich ja immer alles für ihn tue. Ich lehne ab, obwohl mein Gefühl ganz laut JA schreit, sage ich Nein und halte das schlechte Gewissen danach aus. Und erlebe, dass mein Freund mein Freund bleibt. Und wenn nicht, dann soll er hingehen, wo der Pfeffer wächst
- Ich fordere die geliehenen Bücher zurück, anstatt mich dem Gefühl hinzugeben, dass man mich ja doch nur immer ausnutzt.
- Ich drücke meinen Frust aus wenn ich mich verletzt fühle anstatt wieder mal gar nichts zu sagen.
- Ich beschwere mich bei meinem Chef, wenn ich übergangen werde anstatt mich damit zufrieden zu geben, dass ich ja nicht Besseres verdient habe.
u.s.w

Das ist harte Arbeit denn man kämpft dabei ständig gegen sich selbst. Aber du lebst dann deine Erkenntnisse und deine Gefühle werden sich davon sehr beeindruckt zeigen, das schwör ich dir. Du tust, was du für richtig erkannt hast und das schafft neue Überzeugungen in dir. Rückschläge wird es geben und kaum glaubst du, du hast es geschafft, tappst du doch wieder in die alte Falle. Tief durchatmen und weitermachen!

Puh, entschuldige die Länge aber das Thema ist kompliziert. Jetzt reichts mir auch für den Moment, bin gespannt, ob du damit was anfangen konntest.

Lieber Gruß,

Thomas
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von LadyFreeZe »

Liebe Emily, lieber Thomas,

danke (nochmals) für eure einfühlsamen, verständnisvollen Antworten, ihr wisst gar nicht was mir das bedeutet.

Erst mal zu meinem Therapieplatz: Ich weiss, momentan, echt nicht was ich davon halten soll, war jetzt 6 mal bei der Therapeutin und wir sind immer noch bei den Vorgesprächen, obwohl sie weiss dass es mir im Moment extrem schlecht geht. Letzte Woche bekam ich während der Therapie einen Heulkrampf, sie meinte nur: „Wie Sie wissen sind wir noch bei den Vorgesprächen, da kann ich Ihnen nicht sofort helfen. Sie müssen sich noch etwas gedulden.“
GEDULDEN! Wie lange sollen denn diese Vorgesprächen noch dauern? Bis ich total am Ende bin und wieder zusammenbreche? Ist es das was sie will, mich total runterziehen, dass ich wieder bei null anfangen muss?

Heute musste ich mal wieder feststellen, dass ich nicht mal mit dem Gefühl umgehen kann geliebt zu werden. Ich habe das Wochenende bei meinem Vater verbracht. Eigentlich ist das für mich der einzige Ort an dem ich abschalten kann, an dem ich meine Gedanken schweifen lassen kann, an dem ich neue Ideen entwickle. Meist komme ich danach total ausgeruht, erholt und voll mit positiver Energie zurück.
Dieses mal war es anders. Ich wusste nicht was ich mit meinem Vater und meiner Stiefmutter reden sollte. Ich war nicht mal fähig dazu, ihnen mein Leid zu klagen. Die meiste Zeit saß ich nur da und starrte vor mich hin.
Zum Abschied nahm mein Vater mich in den Arm und sagte wie gerne er mich hätte. Ich konnte nichts anderes tun, als zu weinen. Ich weinte nicht weil es mir schlecht geht, sondern weil mir bewusst wurde das mich jemand gerne hat, mich sogar liebt. Habe ich das überhaupt verdient?

Thomas, ich verstehe sehr gut was du meinst und kann auch sehr viel damit anfangen. Danke! (so wird mir vieles wieder bewusst)
Allerdings stellst du die Frage wie man sein Herz davon überzeugen kann WIEDER so zu schlagen wie es, es gelernt hat. Dummerweise hat mein Herz nie gelernt „richtig“ zu schlagen, es lebte schon immer mit dem Gefühl wertlos, ungeliebt, einsam und unverstanden zu sein. (du musst wissen: ich bin erst 20 und die Wurzeln meiner Depression stecken wohl schon in meiner frühen Kindheit).

Ich hatte (bis vor ca. 4 Wochen) eine, für mich ziemlich lange, Phase in der mir es gut ging, wo ich das Gefühl hatte es geht voran, ich bin stärker geworden, ja sogar mit der Depression gewachsen. In dieser Zeit habe ich genau die Beispiele durchgezogen die du aufführst.
Jetzt bin ich wohl „in die alte Falle“ getappt und weiss nicht wie ich da wieder rauskomme. Ich bin soweit, dass alles an mir total vorbei geht, bin nicht mal mehr fähig mich zu wehren, es ist mir alles so egal...

Lieber Thomas, du schreibst davon man solle seine Erkenntnisse leben um somit seine Gefühle zu „beeindrucken“. Ich glaube, du siehst das richtig. Im Prinzip bin ich zu 100% deiner Meinung, nur kann ich nicht GLAUBEN, dass es wirklich an mir liegt, wenn ich das Gegenteil zu dem tue, was mir meine Gefühle aufzwingen wollen. Für mich ist das dann, oft, nur ein (glücklicher) Zufall, wenn der Mensch nicht sauer ist wenn ich ihm/ihr sage was ich denke oder mich weigere etwas zu tun, was ich nicht will.
Auch in diesem Fall WEISS ich dass es nicht so ist, ich WEISS dass ich was geändert habe, aber ich FÜHLE es wieder nicht...
Es macht mich kaputt meine Gefühle ständig vom Gegenteil überzeugen zu müssen.

Liebe Grüsse,
Steffi

P.S.: Entschuldigt, dass ich so wirres Zeug schreibe!
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tomroerich
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von tomroerich »

Liebe Steffi,

ich will dir jetzt einfach, so gerafft wie möglich, meine eigene Krankengeschichte erzählen. Denn das alles ist langwierig und nicht von heute auf morgen zu ändern.

Ich wurde 1994 zum ersten Mal krank und zwar gleich so, dass ich für 13 Wochen in der Klinik landete. Ich will nicht sagen, aus heiterem Himmel, denn heute weiß ich, dass bereits 2 Jahre davor Veränderungen bei mir einsetzten, die ich heute als depressive Symptome kenne. Aber doch auch aus heiterem Himmel, es war einfach ein unglaublicher Schock, der meine Welt völlig auf den Kopf stellte. Ich hätte nicht einmal im Traum geahnt, dass einem so etwas passieren kann. Schon damals wurde ziemlich schnell klar, dass ich meine Kindheit verdrängt hatte, eindeutige Träume und Phantasien zeigten mir das sehr klar.
Ich war dann fast 3 Jahre lang sehr krank, konnte nur zeitweise arbeiten. Meine analytische Therapie dauerte 4 Jahre, bis Ende 1999 und selbst da hatte ich noch nicht das Gefühl, es "geschafft" zu haben. Viele Probleme wollten einfach nicht weichen, mein Selbstbild veränderte sich nur zögernd und, wie ich meinte, nicht wirklich durchgreifend. Ich war ebenso verzweifelt und zweifelnd, ob ich diesen alten Mist je loswerden und mich selbst annehmen könnte. Aber wenn ich heute diese lange Strecke überblicke, kann ich sehr wohl feststellen, dass es Fortschritte gab, aber auch immer mal wieder Rückschritte. Die langsame Heilung ist ein INNERER Prozess und von außen nicht zu beobachten, er findet im Grunde außerhalb deines bewussten Denkens und Fühlens statt. Du änderst dich so unmerklich, dass du meinst, nichts passiert. Aber heute kann ich sagen, mit mir ist ein kleines Wunder passiert. Ich hätte es nie für möglich gehalten, in wie vielen Punkten mein Leben anders verläuft als vor 10 Jahren. Und das ganz zentrale, einfache Rezept: Sich selbst lieben (natürlich ist das nicht einfach).

Geduld, Geduld und Geduld braucht man dazu. Nachsicht mit sich selbst vor allem, wenn man immer noch die gleichen Fehler macht, obwohl einem doch alles klar zu sein scheint. Ärgere dich nach Möglichkeit nicht darüber, hier geht es nicht um eine Matheaufgabe sondern darum, eines der schwersten Aufgaben zu bewältigen, die es gibt: Sich selbst zu ändern. Diese Aufgabe ist so schwierig, dass man sie nur unter dem Druck von Krankheit und Leid zuwege bringen kann, freiwilig macht das niemand. Du bist jung und hast sehr viel Zeit und alles, was du heute bist, bist du GEWORDEN, du hast dich nicht selbst gemacht. Und da ist klar, dass du ebensowenig wie alle anderen verstehst, wie du funktionierst. Aber du wirst es langsam herausfinden und besitzt dann eine Art von Wissen, das nur die haben, die diesen Weg gehen mussten. Niemand kann es dir abnehmen, leider. Du spürst es ja auch schon wenn du sagst, dass du gewachsen bist an deiner Depr.
Du musst dir Zeit geben, viel Zeit.

Es fühlt sich sehr schlecht an, wenn man die Liebe anderer nicht mehr spüren kann. Kaum etwas anderes entwertet einen so sehr und erzeugt diese völlige Einsamkeit. Dann wird es wirklich kalt im Leben. Das ist bestimmt einer der schwierigsten Aspekte der Depr. und war auch für mich kaum auszuhalten. Aber dieses Erlebnis hat mir eben auch gezeigt, wie unendlich wichtig Liebe für uns ist, vorher war mir das nicht so klar. Diese und andere Erkenntnisse verdanke ich der Depr., denn wie so oft können wir etwas ja nur dann schätzen, wenn es nicht mehr da ist.

Für mich ist das dann, oft, nur ein (glücklicher) Zufall, wenn der Mensch nicht sauer ist wenn ich ihm/ihr sage was ich denke oder mich weigere etwas zu tun, was ich nicht will.

Ja, das kommt wohl daher, weil du doch noch sehr abhängig bist von dem Urteil anderer. Es sollte wohl so sein, dass du eine verärgerte Reaktion gelassen in Kauf nehmen kannst und dich nicht selbst an die Leine legst, um das zu verhindern. Der Ärger oder die Verstimmung des anderen ist ja immer auch dessen Angelegenheit, seine Reaktion, für die er verantwortlich ist. Du wirst es eher so empfinden, dass DU das "gemacht" hast. Es stimmt, das ist Zufall, jedenfalls solange du den anderen nicht gut kennst. Bis du die negativen Gefühle der anderen in Kauf nehmen kannst und deren Vermeidung nicht länger höher einstufst als deine eigenen, ist noch ein Stück Weg zu gehen. Wenn du, was ich genial finde, bereits angefangen hast zu üben, ist das schon sehr sehr viel. Und fordere auch nicht zu schnell und zu viel von dir! Die Wende kommt dann, wenn du anfängst, dich selbst zu lieben, im Moment tust du sozusagen nur so, während du übst. Wenn du dich selbst liebst, wird sich alles verändern, einfach alles. Dann ist die Welt eine ganz andere geworden, obwohl sie doch die gleiche ist, die sie schon immer war. Und was dir jetzt so schwer fällt, kommt einfach aus deinem Herzen und deiner inneren Überzeugung ohne Mühe. Einfach, weil du spürst, ich muss nichts tun, was ich nicht will oder was mir schadet und ich bin nicht der Schuhabtreter der anderen. Wenn du dich selbst lieben kannst, gewinnst du deine Würde zurück.

Was weißt du über deine Kindheit und magst du hier davon erzählen?

Ich grüße dich herzlich!

Thomas

Alles überwindet der Mensch; aber nur, wenn die Überwindung für ihn eine Notwendigkeit ist- alles vermag er, wenn er muss.
Ludwig Feuerbach
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Emily
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von Emily »

@ Thomas:

Toller Beitrag. Danke.

Emily.
LadyFreeZe
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von LadyFreeZe »

Lieber Thomas,

heute ist erste Tag, seit langem, an dem ich voller Zuversicht und Tatendrang aufgewacht bin. Sogar meine Therapeutin war überrascht, als ich ihr mit einem Lächeln entgegen gekommen bin. Auch hatte ich heute, zum ersten Mal, das Gefühl, dass die Therapie was bringt, denn sie hat mir eine „richtige“ Aufgabe gegeben: Ich soll mir überlegen, in welchen Situationen meine negativen Gedanken aufkommen.
Leider weiss ich nicht woher diese Besserung plötzlich kommt, aber ich glaube deine Postings sind nicht gerade unschuldig! Vielen Dank! :o)

Meine Kindheit...na ja, ich glaube meine Eltern haben damals nur geheiratet, weil meine Mutter mit mir schwanger war. Das glaube ich zumindest. Ich traue mich aber nicht meine Eltern danach zu fragen, weil ich Angst davor habe was wäre wenn ich mich täuschen würde. (Würde das was ändern?) Ich glaube auch nicht, dass meine Eltern jemals die Wahrheit sagen würden.
Als ich 2 Jahre alt war hatte meine Mutter eine Totgeburt, als ich 4 war, eine Fehlgeburt. Für beide gab/gebe ich mir die Schuld, genauso für die Heirat meiner Eltern. Später kam dann meine Schwester zur Welt (damals war ich 6). Ich war wohl, unterbewusst, immer sehr eifersüchtig auf sie, weil sie das totale Wunschkind ist.
Irgendwann, zu dieser Zeit (vielleicht auch schon früher, weiss das nicht so genau), fing mein Vater an ziemlich viel Alkohol zu trinken. Wenn er nicht betrunken war, hat er mich nur angeschrien und wenn er betrunken war, hat er mir Versprechen gegeben die er nie gehalten hat. Als ich 10 oder 11 war, beschloss er damit aufzuhören und ist in eine Selbsthilfegruppe gegangen. Heute ist er zwar nicht 100%ig trocken, aber ich glaube, er ist so was wie ein Alkoholiker die kontrolliert trinken kann.
Meiner Mutter ging es damals sehr schlecht, sie hat lange Zeit Beruhigungsmittel genommen, allerdings nie eine Therapie gemacht (was wohl nötig gewesen wäre).
Meine Eltern fingen an, immer öfter zu streiten. Wie oft saß ich nachts im Bett, wenn sie sich mal wieder angeschrien haben, und habe geweint? Wie oft hatte ich das Gefühl an all dem Schuld zu sein? Es hat niemanden interessiert.
Mit 16 habe ich in einem Reiseführer meines Vaters geblättert. Da fiel mir eine Karte, von meiner jetzigen Stiefmutter, in die Hand. Die habe ich, natürlich, dumm wie ich war, meiner Mutter gezeigt. Daraufhin hat sie meinen Vater sofort rausgeworfen.
Über 2 Jahre habe ich zu meiner Mutter gehalten, gedacht mein Vater wäre an der Scheidung schuld, nur noch das Nötigste mit ihm geredet und ihn ein Stück weit sogar gehasst.
Irgendwann kam der Punkt, da muss es bei mir „Klick“ gemacht haben, wohl weil ich meine erste „richtige“ Beziehung hatte und kapiert habe was alles dazu gehört. Ich wollte meinen Vater besuchen und seine Freundin kennenlernen. Sie entpuppte sich, als liebe, verständnisvolle Frau, und entsprach überhaupt nicht dem was meine Mutter immer behauptet hatte. Da wurde mir klar, dass sie (meine Mutter) genauso an der gescheiterten Ehe schuld war, wie mein Vater.
Ich habe zwar nie etwas zu ihr gesagt, aber ich glaube, meine Mutter hat gespürt, dass ich über die Sache anders denke. Ich fing an mich ständig mit ihr zu streiten. Dadurch entstand bei mir eine gewisse Unzufriedenheit, die sich auch auf meine Beziehung ausgewirkt hat. Mein Freund machte, von einem Tag auf den anderen, mit mir Schluss und hatte innerhalb weniger Tage eine „Neue“.
Das alles machte mich so fertig, dass ich versucht habe mir das Leben zu nehmen. Zum Glück, fand mein Vater mich und brachte mich ins Krankenhaus.
Das war vor ca. einem Jahr. Mittlerweile habe ich einen Klinikaufenthalt hinter mir und mache momentan (wie du schon weisst) eine Psychotherapie.

Eine Frage habe ich noch, lieber Thomas, wie sieht für dich ein Mensch aus der sich selbst liebt? Merkt ein anderer ihm das an? Oder merkt der Mensch das, wenn überhaupt, nur selbst?

Liebe Grüsse,
Steffi
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von tomroerich »

Liebe Steffi,

vielen Dank, dass du so offen und vertrauensvoll deine Geschichte erzählt hast! Es ist wieder eine Geschichte, in der die Schuld die Hauptrolle spielt und in der ein Kind sich genötigt sieht, Verantwortung zu tragen, weil die Eltern es nicht können. Eine Geschichte, in der die eigene Existenz als Schuld verstanden wird. Niemand darf sich wundern, wenn das einen Menschen spaltet und die Akzeptanz des eigenen Ich damit unmöglich gemacht wird. Du weißt vom Kopf heute bestimmt sehr gut, dass du keine Verantwortung hattest und dein Wahlspruch ist für mich noch klarer geworden. Ich wünsche dir sehr, dass deine Therapeutin das Herz und das Wissen hat, dir das zu vermitteln.
Auch in meiner Geschichte gibt es übrigens tote Geschwister, die mir vorausgingen und ich bin als Ersatz dafür "gedacht".

Zu deiner Frage....
Ich muss da zunächst etwas klarstellen, was ich für sehr wichtig halte. Sich selbst zu lieben heißt nicht, Egoist zu sein, im Gegenteil. Egoisten lieben nicht das, was sie sind, sondern das, was sie haben. Und je mehr das ist und umso mehr sie das anderen abgejagt haben, um sich von denen zu unterscheiden, desto besser scheinen sie sich zu fühlen (ich bezweifle das). Ein Egoist lebt auf Pump, er rafft in der Annahme, dass ihn das aufwerten würde und bleibt dadurch immer abhängig von den Maßstäben anderer. Er IST also nichts, er HAT nur was. Und was jeden Egoisten auszeichnet: Er weiß über sich selbst so gut wie nichts.

Menschen, die sich selbst lieben, finden sich selbst so wichtig wie die anderen auch. Sie lieben nicht nur sich, sondern auch andere und überhaupt alles, was lebendig ist. Sie wollen nicht abgrenzen, sondern verbinden. Sie legen keinen Wert darauf, sich auf Kosten anderer aufzuwerten weil sie sich selbst genug sind. Sie akzeptieren das, was sie sind und betrachten es als Geschenk, das man in Ehren halten muss und noch mehr, das man zur Geltung und zum Blühen bringen muss. Die Begabungen und Chancen, die sie in sich wahrnehmen, wollen sie in der Welt verwirklichen. Sie wissen zu jeder Zeit, wie wertvoll sie sind, aber ohne sich dadurch über andere erheben zu wollen, sie SIND einfach nur.

Man könnte das endlos fortsetzen aber entscheidend finde ich, dass die Liebe zu sich selbst immer auch die Liebe für den "Rest" einschließt. Du bist ebenso gut und wertvoll wie ich und alle anderen. Wenn wir anders darüber denken, legen wir Maßstäbe an, die wir selbst erfunden haben.

Gute Nacht und liebe Grüße

Thomas
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von wolkenreise »

Liebe Steffi, Thomas, Emily ...

ein wunderbarer und wertvoller Thread trotz dem Schlimmen und Schweren, dass Ihr berichtet. Danke dafür.

Ich kann Thomas´ Erfahrungen aus meiner eigenen Geschichte bestätigen: Heilung braucht Zeit. Das ist manchmal kaum auszuhalten, wenn es einem dreckig geht und sich scheinbar nichts tut. Lange Durststrecken. Da tut es gut sich mitzuteilen, wie Du, Steffi, es hier im Forum tust. Und offenbar ist ja auch schon etwas in Bewegung gekommen.

"Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt."

Diesen Schritt (und vielleicht auch manch anderen) bist Du inzwischen gegangen. Ich wünsche Dir für die weitere Reise Mut, Kraft und gute Gefährten.

Zu Deinem letzten Beitrag: erstmal Danke für Deine Offenheit. Du hast Dir viel Schuld angenommen. Für die Heirat Deiner Eltern und für den Tod Deiner beiden Geschwister. Diese Schuld (wenn es denn überhaupt eine Schuld gibt) muss dorthin zurück, wohin sie gehört - in der Zeit, die Deine Seele braucht.

Hast Du schon mal von Familienaufstellungen gehört? Deine Familiengeschichte klingt für mich sehr danach, dass es in Eurem Familiensystem ganz schöne Verstrickungen gibt, die bei Dir am wirken sind. Familienaufstellungen wären vielleicht eine Möglichkeit, da ran zu kommen und die Verstrickungen zu lösen und zu verwandeln in das was sie ursprünglich sind: in Liebe

Und das führt gleich zum nächsten. Auch wenn Du die Frage an Thomas gerichtet hast, möchte ich sie gerne aufgreifen. Woran merkt man, dass ein Mensch sich selbst liebt? Nach meiner Erfahrung haben solche Menschen eine ganz besondere Ausstrahlung. Wenn Du in ihre Augen schaust, spürst Du es. Es ist einfach angenehm und wohltuend, solchen Menschen zu begegnen und mit ihnen zusammen zu sein. Oder was meinst Du, Thomas?

Mir fällt da noch was ein, und zwar zum Zwist zwischen Deinem Kopf und Deinen Gefühlen. Das hört sich nach einer richtigen Feindschaft zwischen den beiden an. Der Kopf will voranpreschen, der Bauch kann oder will dem nicht folgen. Das wäre ein Punkt, wo Du vielleicht ansetzen könntest (ohne Deiner Therapeutin vorgreifen zu wollen). Die beiden (Kopf und Bauch) sollten erstmal wieder miteinander ins Gespräch kommen. Sie sollten sich gegenseitig zuhören, was der jeweils andere zu sagen hat. Vielleicht entwickeln dann Kopf und Bauch mehr Verständnis füreinander und sind sich nicht mehr so feindlich gesinnt. Vielleicht freunden sich die beiden mit der Zeit ja sogar an und gehen schließlich gemeinsam durch ein wunderbares Leben . Das passt auch sehr schön zum Titel Deines Threads, sehe ich gerade: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben. Genau das ist es.

Alles Liebe und Gute wünscht Dir

Dirk
LadyFreeZe
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von LadyFreeZe »

Ja, nun sitze ich hier und heule, verdunkle mein Zimmer, weil ich das schöne Wetter nicht ertrage und hasse mich selbst.
Wie kann ich nur so dumm und naiv sein und denken meine Mutter hätte heute mal Zeit für mich? Wie kann ich das erwarten, gerade heute, wo sie doch die letzten 20 Jahre nicht für mich da war? Warum bin ich so blöd und denken etwas hätte sich geändert? Wie kann ich nur??

Ich bin ein schlechter Mensch. Ja wohl, das bin ich! Ich bin so undankbar. Meine Mutter hat sogar für meine Schwester und mich vorgekocht, so dass wir das Essen nur noch warm machen müssen und ich schreie sie deswegen auch noch an...ja, ich bin undankbar.
Aber ich will kein Essen, ich wünsche mir dass jemand für mich da ist, mit mir redet, mal mit mir was unternimmt. Ist das zu viel verlangt?
Ja, das ist es, ich habe das nicht verdient, ich bin schlecht. Da hat sie (meine Mutter) schon recht. Ich habe schließlich ihr ganzes Leben zerstört...und dabei habe ich es nicht mal verdient zu leben...
Wie soll ich das nur jemals gut machen?

Ich habe es noch nicht mal verdient von Euch allen eine Antwort zu erwarten bzw. überhaupt eine zu bekommen. Ich zerstöre ja doch alles wieder...

Steffi
"Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten.

In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis." (by Woody Allen)
tomroerich
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von tomroerich »

Liebe Steffi,

mal ganz konkret: Was wirfst du dir denn vor? Irgendetwas wurde doch da von den Füßen auf den Kopf gestellt! Ich meine, du beurteilst doch deine Rolle, die du als Kind einnehmen musstest, jetzt mit den Maßstäben der Erwachsenen. Aber als Kind warst du Schutzbefohlene. Es ist doch genau anders herum, nämlich so, dass man an dir etwas falsch gemacht hat und du es nun herumdrehst, als seist du die Schuldige. Nicht aus freien Stücken drehst du das herum aber aus einem inneren Zwang heraus. Dein Thread heißt: Selbst verzeihen- anfangen zu leben. Müsste er nicht heißen: Den anderen verzeihen- anfangen zu leben? Aber bis dahin ist es noch ein ganzes Stück, nimm dir deine Zeit und vertraue darauf, dass sich alles ändern kann.
Also, worin fühlst du dich schuldig, oder an wem?

Versuch doch auch, dein Grübeln zu unterbrechen, ich habe das Gefühl, heute hat es dich so richtig im Griff und überschwemmt. Kannst du dich vielleicht auf andere Gedanken bringen? Auch das ist aktive Gegenwehr.

Falls ich heute nichts mehr von dir höre, verabschiede ich mich für die nächsten 2 Wochen, ich fahre morgen in Urlaub. Und wenn ich zurückkomme, hoffe ich hier von dir zu lesen. Bis dann!

Herzliche Grüße...

Thomas
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von LadyFreeZe »

Hallo, lieber Thomas,

ja, heute hat die Depression mich voll im Griff. Ich kann mich überhaupt nicht dagegen wehren Bisher habe ich noch nichts anderes getan, als ferngeschaut, mich selbst gehasst und überlegt warum ich heute morgen überhaupt aufgewacht bin.

Ständig habe ich das Gefühl daran schuld zu sein, dass meine Mutter in ihrem bisherigem Leben so viel leiden musste. Ich hasse mich dafür, dass ich sie heute morgen, eigentlich grundlos, angeschrien habe und das nur weil über Nacht wieder so viel Wut und Hass in mir hochkam. Es tat so weh mir von ihr sagen lassen zu müssen, dass ich mich nie ändern werde, dass ich immer dieser gehässige, egoistische Mensch bleiben werde.

Ja, ich bin voll Hass...voll mit Hass auf andere, die mir meine Kindheit zerstört haben, die nie für mich da waren...aber noch viel mehr Hass und Wut trage ich gegen mich selbst in mir...weil ich es damals nicht geschafft habe mich dagegen zu wehren und es heute immer noch schaffe.

Wünsche dir einen schönen, erholsamen Urlaub!

Steffi

(Und damit wären wir wieder am Anfang...Entschuldige!)
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von tomroerich »

Hallo Dirk,

ja es stimmt, was du sagst. Menschen, die lieben können, vor allem auch sich selbst, strahlen etwas Besonderes aus. Andere fühlen sich instinktiv zu ihnen hingezogen, auch wenn sie gar nicht wissen, woher diese Ausstrahlung kommt. Da kommts halt warm her.

Ich dachte übrigens auch an Familienaufstellung, als ich Steffis Geschichte las, obwohl ich selbst noch nie eine gemacht habe. Aber wahre Wunderdinge höre ich manchmal. Die toten Geschwister lassen einen recht schnell auf diese Idee kommen. Was sagst du Steffi, schon mal davon gehört? Aber zu viel auf einmal ist auch nicht das Wahre, frage lieber den Therapeuten.

So, ich verabschiede mich mal und düse nach Kreta, mal sehen, was die Crétins so machen . Bis die Tage dann

Herzliche Grüße

Thomas
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tomroerich
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von tomroerich »

Liebe Steffi,

du bist viel besser dran, wenn du deine Wut spürst denn dann bist du auch näher an deinen ursprünglichen Gefühlen.

Bei mir war es auch so, dass meine Mutter mir ständig zeigte, dass ich ein Riesenproblem für sie bin und ihrem Glück im Wege. Aber meine Wut verwandelte sie in Angst, indem sie mich einfach in ein dunkles Zimmer schloss, wenn ich wütend war. Ich habe furchtbar lange gebraucht, bevor ich wieder wütend sein konnte.

Mit Hilfe deiner Therapie sollte es gelingen, Ordnung in deine vielen widersprüchlichen Gefühle zu bringen, anscheinend bist du auf dich ja ebenso böse wie auf deine Eltern. Da war wohl kaum ein klares Gefühl in deiner Kindheit, an das du dich hättest halten können?

Bis in 14 Tagen, ich hoffe, du bist dann noch hier.

Thomas
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von christoph6667 »

da frage ich mich :
kann ich mich während der depression selbst lieben? geht das überhaupt???
wolkenreise
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von wolkenreise »

Liebe Steffi,

bei Deinen Worten fällt mir ein Satz ein, den ich die Tage in einer Kirche gelesen habe:

Der Mensch sieht, was vor Augen ist,
aber der Herr schaut ins Herz.
Wenn man Dich vordergründig anschaut, erscheint es vielleicht so, wie Du es beschreibst und wie Du es empfindest: Du bist schlecht, unwürdig, wütend, zerstörerisch und voller Hass. Aber ich glaube nicht, dass das der Kern Deines Wesens ist. Wenn man die Seele in Deinem Inneren mal von dem ganzen Schmodder und Dreck drumherum befreit, dann tritt glaube ich ein kleiner Diamant zutage, ein liebenswerter Mensch wie andere Menschen auch. Kannst Du das annehmen? Dass auch Du liebenswert bist?

Du schreibst, Du hast das Leben Deiner Mutter zerstört. Wie das? Was ist passiert, das Deine Mutter nicht verwinden kann und an dem sie bis heute leidet? Was hast Du getan, das es dahin gekommen ist? Und welchen Anteil hat Deine Mutter daran? Du musst natürlich nur auf diese Fragen antworten, wenn Du möchtest.

Und noch ein Wort zu Dir, Barbara. Ob man sich in einer Depression überhaupt selbst lieben kann? Stelle ich mir schwierig vor. Ich kenne es von mir so, dass ich mich in depressiven Phasen selbst nicht gut leiden kann. Aber das zeigt vielleicht einen möglichen Weg der Heilung auf. Je mehr man sich selbst liebt, um so mehr schreitet die seelische Gesundung voran und die Depression läßt nach.

Liebe Steffi, lass mal wieder von Dir hören. Bis dahin viele liebe Grüße

Dirk
sewi
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von sewi »

LadyFreeZe
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Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von LadyFreeZe »

Hallo Sewi,

ich weiss, ehrlich gesagt, überhaupt nicht was ich von deinem Posting halten soll!
Erstmal glaube ich nicht, dass das hier für Thomas (und all die anderen) nur ein Zeitvertreib ist. Falls es doch so sein sollte, dann tun sie sich immerhin gegenseitig was Gutes und ich glaube, das ist das Einzige was wirklich zählt!

Was die Sache mit der Therapeutin betrifft: Hättest du meine Postings richtig gelesen, hättest du sicherlich gemerkt dass ich momentan nicht mit meiner Therapeutin reden, weil ich noch bei den Vorgesprächen bin!

Mir selbst helfen...wenn das so einfach wäre, dann würde es dieses Forum überhaupt nicht geben, dann hätten alle Psychotherapeuten, Psychiater, Ärzte,... schon lange dicht gemacht, dann wären alle Menschen glücklich und gesund!
Und ich bin jetzt einfach mal so abgebrüht zu sagen, dass bei dir das wohl etwas Neid "mitschwingt", weil du, meiner Meinung nach, wohl nicht fähig bist Hilfe von anderen anzunehmen!
Entschuldigt wenn das zu hart rüber kam!

Steffi
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Data

Re: Selbst verzeihen - Anfangen zu Leben

Beitrag von Data »

Sewi,

ich weiß immer noch nicht, was du hier willst oder suchst, aber ein Gewinn für dieses Forum warst und bist du in meinen Augen jedenfalls nicht. Ich finde dich nach allem, was ich bisher von dir hier gelesen habe, einfach total ätzend. Ich kann nur hoffen, daß sich keiner von dir verletzen oder herunterziehen läßt. Deine lebensfeindliche, zynische und egoistische Art deiner Selbstdarstellung hier im Forum geht mir echt auf die Eier.

Ende der Durchsage.

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