Strukturen einer Depression Teil 2

Chi
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Re: Strukturen einer Depression Teil 2

Beitrag von Chi »

P.S. das mit: dem anderen seine eigenen Phantasien / Bilder / Vorstellungen zu dessen Traum mitzuteilen finde ich ne schöne idee.
Damit drückt man dem anderen ja nichts auf, sondern teilt halt seine eigenen Ideen dazu mit, und kann vielleicht dazu anregen, dass der andere für sich nochmal andere Blickwinkel finden/ausprobieren kann auf die vorher noch kein Licht fiel.

Clara
albert
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Re: Strukturen einer Depression Teil 2

Beitrag von albert »

Hallo Clara,
soweit bin ich einverstanden. Aber es braucht auch das Wissen um den inneren Gehalt der Bilder. Da fängt eine Schwierigkeit schon an. Die Inhalte sind archetypisch, können je nach Zutat variieren. Nimm mal nur das Pferd. Es trägt Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit in sich. Jetzt stell dir mal ein geschmücktes, herausgeputztes Pferd vor, und die Bedeutung ist ziemlich verschoben.
Als erste Anregung zur Arbeit mit den Bildern benutze ich "Handbuch der Traumsymbole" von Klausbernd Vollmer. Im Nachwort sind praktische Hinweise zum persönlichen Umgang mit Träumen enthalten und der Autor empfiehlt das Führen eines Traumtagebuch, eines persönlichen Symbolbuches. Dazu stellt er Fragen für eine erste Annäherung an den Traum und sagt ein paar Worte über die Haltung zum Traum, dass ich als Deuter meiner Träume diese mit Gefühl angehen muss.
Soweit meine Vorstellungen zur Arbeit mit Träumen.
Traumdeutungsthread? Wir sind schon mitten drin.
Herzliche Grüße an alle
Albert
Chi
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Re: Traum"deutungs"thread?

Beitrag von Chi »

Hallo Albert,

also, so abstrakt und theoretisch hatte ich mir das auch gar nicht vorgestellt.
Das mit Büchern zu sowas da kann ich glaub ich auch gar nicht soo viel anfangen - der Autor hat ja keine Ahnung davon WAS ich geträumt habe, und WIE es genau war. Und erst recht nicht wie es mir damit geht!
So allgemeine Aussagen wie "ein Pferd steht für ...", hmmm naja ich weiss ja nicht.

Ich glaub ich hab da eher ne andere herangehensweise. eher so mit in mich hineinhorchen.
Und zu hören was andere in sich hören, wenn sie meine Geschichte in sich nachhallen lassen, find ich auch interessant. kann mir Licht auf dunkle ecken werfen die ich selber noch nicht beleuchtet... Das ist finde ich ganz was anderes selbst als das Pferd in allen seinen Zutaten-variationen so abstrakt zu beleuchten.

Ich hab z.B. auch mal nen Traum gehabt, wo es im Grunde (u.a.) um in gefahr geratenes Kind ging, u.a. durch meine Fahrlässigkeit (?), und da zu hören was andere in vielleicht ähnlichen Träumen geträumt haben, und wie sie ihren Traum für sich interpretieren, könnte mir schon neue Blickwinkel auf meinen Traum werfen denke ich. Ob ich die dann an- oder übernehme oder auch nicht, ist dann allein meine Sache...

Ja, wir sind wohl schon drin

Liebe Grüsse,
Clara
albert
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Re: Strukturen einer Depression Teil 2

Beitrag von albert »

Hallo Clara,
manchmal schadet es nicht, auch in die Theorie zu gehen. Aber ich darf die Praxis nicht aus dem Auge verlieren. Aus solchen Vorschlägen, wie sie Vollmer in seinem Buch schreibt, kann ich das ziehen, wofür ich einen persönlichen Bedarf habe. Ich selber führe kein Traumbuch, aber einem anderen kann das vielleicht helfen. Ich benutze das Buch mehr als ein Nachschlagewerk und als Quelle von Anregungen, aber ich darf das nicht wörtlich nehmen.
Natürlich gibt es auch Bücher über Träume, die ich für solche Zwecke nicht gebrauchen kann.
Die Traumbilder kommen oft nicht wie im Buch, sondern in einer ganz individuellen Ausprägung. Das macht ihren Reiz aus und zugleich ihre Schwierigkeit. Für mich war das oft eine schwere Aufgabe, z. B. die Bearbeitung meines Falltraumes. Ich denke, dass hier im Forum eine Gelegenheit ist, zu den Träumen Fragen zu stellen. Da sind dem Fragesteller manche Dinge unklar, dem Träumenden noch mehr. Aber Fragen aus anderer Sicht können für den Träumer neue Blickwinkel eröffnen und ihm helfen, Lösungen für Probleme zu finden. Soviel zur Theorie, aber jetzt darf hier noch Platz für weitere Träume sein.
Zu dem in Gefahr geratenen Kind und der Fahrlässigkeit kann ich natürlich fragen, ob es in der Vergangenheit ein Erlebnis gab oder gibt es einen Bezug zur Gegenwart. War/ist das ein Kind aus deiner Familie oder aus der Nachbarschaft oder sonst unbekannt?
Und zur Fahrlässigkeit kann ich fragen, ob du im Beruf oder in der Familie eine Verantwortung für andere Menschen trägst oder übernommen hast? Freiwillig oder auferlegt?
Fühlst du dich überfordert? Welche Gefühle verbindest du mit dieser Situation?
Solche konkreten Fragen können dunkle Ecken erhellen. Welchen Wert du diesen Fragen beimisst, muss ich dir überlassen. Ich habe auch erlebt, dass ich erst mit einer zweiten und dritten Reihe von Fragen an den springenden Punkt beim Träumenden gestoßen bin; dann fiel bei ihm der Groschen.
Herzliche Grüße
Albert
tomroerich
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Re: Strukturen einer Depression Teil 2

Beitrag von tomroerich »

Hallo Clara und Albert,

ich bin wirklich dafür, hier auch mal Träume zu erzählen, denn einen Nutzen hat es allemal: Das Aufschreiben/Erzählen alleine schon bringt oft erstaunliche Klarheiten.

Beispiel: Ich träumte einmal von einem hohen Monument, auf dessen oberster Plattform lauter Tote bestattet waren. Die lagen dort aber in Haltungen, als seien sie mitten aus dem Leben heraus, in der Bewegung "eingefroren", gestorben. Was mir zuerst völlig rätselhaft erschien, wurde sonnenklar als ich den Traum erzählte. Ich benutzte dabei nämlich die Formulierung "in erstarrter Haltung" und wusste plötzlich, es geht um meine erstarrten Haltungen. Und dass das Grab auf dem Friedhof stand, wo meine Mutter liegt, dass es überhaupt ein Monument ist....ist eine andere Sache.

Und das ist eigentlich, wovor ich warnen wollte: Es ist ein großer Gewinn, selbst diese Erkenntnis zu haben und ein bisschen so, als begegneten sich zwei Welten. Ich habe großen Respekt vor Träumen und sehe so etwas wie die Äußerung einer verborgenen Realität darin, die besser über uns Bescheid weiß, als wir selber. Und ich wollte eigentlich nur ausdrücken, dass ich für einen vorsichtigen und respektvollen Umgang damit plädiere. Aber das muss auch jeder für sich selbst fühlen.

Schönen Sonntag, ihr Träumer

Thomas
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betina
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Re: Weiss nicht ...

Beitrag von betina »

Hallo Faustus, ich schreibe jetzt direkt auf Deinen Beitrag vom 8.5.03 (einige Antworten sind ja schon danach gekommen). Ich habe immer Schwierigkeiten mich irgendwie richtig einzuordnen. Jetzt komme ich mit meiner Antwort schon wieder zu spät? Aber na ja, ich hoffe Du ließt ihn.

ja, ich kann nachvollziehen, daß es Dir bei dem schönen Sonnenschein schlechter geht. Bei mir ist es auch immer so, daß, wenn die Sonne scheint, ich sehr, sehr depressiv bin. Bei schlechtem Wetter kann ich mich in meine Ecke zurückziehen, brauche keine Ausrede und niemand schlägt mir vor, ich könne doch spazierengehen, radfahren, im Garten in der Sonne liegen usw.

Danach ist mir einfach nicht. Aber da ich mich nicht so gehenlassen möchte, so tue ich es eben. Bei schlechtem Wetter hat man eine Entschuldigung. Auch möchte ich meinem Mann nicht immer so zeigen, daß ich gar nicht interessiert bin. Oft bin ich froh, wenn ich nicht angesprochen werde, nicht so zeigen, wie es mir geht, kostet viel Kraft.

Ja,. es tut gut. Ich rede ähnlich so (mit den Wänden),. Ich spreche sehr oft mit mir selber, da kann ich alles los werden, so ähnlich wie hier im Forum. Ich vermisse auch ein wenig das alte Forum, dort fand man besser seine Ansprechpartner.

Dein Traum ist ja sehr erschreckend, aber Du hast versucht, Dich damit auseinanderzusetzen.

Das Kind, für das kein Platz da war, daß eine Maschine sein mußte. Ich empfinde oft ähnlich. Ich mußte immer funktionieren, für meine Eltern – vor allem für meinen Vater – war es selbstverständlich, daß seine Tochter immer die "Beste" war. Und ich versuchte, immer alles zu geben. Ich bekam aber dafür keine Streicheleinheiten. In späteren Jahren war ich immer die starke Tochter, die für alle eine Lösung wußte. Nachdem mich meinen Vater und zuletzt übe 5 Jahre meine Mutter gepflegt habe, bin ich nicht mehr die starke Tochter. Oft weine ich (um meine verlorene Kindheit??). Ich wünschte, eine Mutter wäre da, die mich liebevoll in den Arm nimmt, mich tröstet und mir meine Tränen abwischt. Aber dann verfolgen mich automatisch die Augen meiner todkranken Mutter, die in den letzten Monaten und vor allem Wochen nicht mehr essen konnte, nicht mehr sprechen konnte, mir nicht sagen konnte, ob sie Schmerzen hatte und ob sie wußte, ob sie mein mir war, ob sie mich überhaupt erkannte. Ich sehe nachts immer diese traurigen Augen.

So, jetzt habe ich nicht mit mir und den Wänden gesprochen, sondern mit Dir und allen übrigen die dieses lesen. Dir weiterhin viel Kraft und weniger Traurigkeit, was man aber nicht erzwingen kann. Tschüß betina
albert
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Re: Strukturen einer Depression Teil 2

Beitrag von albert »

Hallo Thomas und die anderen,
das Erzählen des Traumes ist schon ein Stück Arbeit an sich, auch das Aufschreiben. Der Traum wird damit vor dem Vergessen bewahrt. Nach meinem Falltraum habe ich mich einen ganzen Tag nur mit diesem Thema beschäftigt, warum? und was kann ich tun? In jenem Traum hatte ich einen Abgrund zu überqueren, hatte den Halt verloren und war in die Tiefe gestürzt, sah mich unten bewegungslos liegen.
Da habe ich eine Wiederholung angesteuert, die sollte natürlich besser werden. Es war nur der eine Schritt nach vorne zu tun, dorthin wo es keinen Halt gibt und ich konnte im Traum schweben. Die Sorgen um meine Krisensituation waren natürlich noch da, aber sie waren nach dem Flugtraum erträglich geworden. Ich tat noch eines mehr und schrieb das Ganze nieder, habe es also literarisch verarbeitet. Es wurde eine richtige Arbeit daran geleistet. Mein Lehrer, dem ich das zum Lesen gab, meinte zu mir, da könne man sehen, wie der Alltag, also das bewusste Erleben und die nichtalltägliche Wirklichkeit, also das Träumen, ineinander übergeben. Der Falltraum war für mich ein Warnsignal zu meiner Überforderung im Alltag, dass ich dabei war, den Bogen zu überspannen. Dieser eine Satz auf S. 94 bei Vollmer: "Es hilft sehr, wenn man versucht, Fallträume in Flugträume zu verwandeln." war ein Fingerzeig, so kannst du es versuchen. Und ich habe mich tatsächlich auffangen, mich retten können.
Ein "vorsichtiger und respektvoller Umgang" mit Träumen ist ein treffender Ausdruck. Ich möchte es mal so sagen: jenen Traum habe ich bitter nötig gehabt, ich kann das nicht untertreiben.
Ich wünsche euch schöne Träume, heute am Sonntag und auch werktags.
Herzliche Grüße
Albert
albert
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Re: Danke und ...

Beitrag von albert »

Hallo Dys,
beim Durchlesen des ganzen Threads sehe ich gerade, dass von dir diese Fragen nach den Kindern und der Fahrlässigkeit stammen. Ich habe weiter unten im Thread ein paar Fragen dazu gestellt, in einer Antwort an Clara. Im Unterbewusstsein waren die Fragen hängengeblieben, ich wusste nur nicht mehr, wer sie gestellt hatte.
Bitte nicht böse sein.
Ich wünsche dir schöne und bessere Träume und sende
Herzliche Grüße
Albert
leo
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Re: Strukturen einer Depression Teil 2

Beitrag von leo »

Das Posting von Thomas an Bolek: That is it! Lotta continua. Liebe Grüße an Susan.
Leo
susan
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Re: Strukturen einer Depression Teil 2

Beitrag von susan »

Hallo Leo

ich freu' mich riesig, das du hier schreibst!!

Wie ist es dir ergangen in der letzten Zeit?

Ganz lieber Gruß
Susan


Faustus
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Hallo und danke ...

Beitrag von Faustus »

Hallo allerseits !



Bin aus einem furchtbaren Wochenende zurueck, hatte den Mega-Absturz - war dem S..... noch nie so nahe und renne rum wie ein Zombie. Habe das Gefuehl, dass mich alle hassen. Alles wurde durch einen winzigen Anlass ins Rollen gebracht ... typisch Depression halt, diese hysterischen Ueberreaktionen. Sollen doch alle denken, ich bin Irre. Ich hoer ja schon auf ...

Muss mich erstmal sammeln - schreibe spaeter mehr ...


Faustus
Faustus
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Re: Weiss nicht ...

Beitrag von Faustus »

Liebe Betina !


Hab vielen Dank fuer Dein ergreifendes Posting ! Du hast wirklich eine schlimme Zeit hinter Dir, und dass jemand seine Eltern bis zum Ende pflegt, ist in der heutigen Zeit leider nicht selbstverstaendlich ...

Vielleicht waren die traurigen Augen Deiner Mutter ja auch dankbar, weil Du Dich komplett um sie gekuemmert hast, anstatt sie in ein Pflegeheim zu geben. Ich weiss, wie Depression die Wahrheit verfaelscht - diese traurigen Augen sind keine Anklage, im Gegenteil: Du hast alles mehr als richtig gemacht ! Ich wuesste nicht, ob ich die Kraft dazu haette.

Selbstgespraeche fuehre ich den ganzen Tag (natuerlich nur wenn ich allein bin), war schon in meiner Kindheit so, dass ich all meine Frust in flammenden Reden den Waenden anvertraute, weil ich das Gefuehl hatte dass mir sonst keiner zuhoert oder ich fuer Kritik bestraft werde.

Hast Du in Deinem Umfeld Leute, die Dich verstehen und auch mal zuhoeren ? Ich glaube, das ist verdammt wichtig. Bei mir ists schwierig, ich kenne nur Arbeitskollegen, und wenn ich denen mein Herz ausschuette, fuehle ich mich schnell wieder minderwertig, weil ich nicht "meinen Mann stehe" ...


Alles Liebe !!!


Faustus
Faustus
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Absturz

Beitrag von Faustus »

Naja, ich schreibs einfach mal runter.

Letzten Samstag telefonierte ich mit meiner Ex-Partnerin, mit der ich mich nachwievor gut verstehe. Sie hat einen neuen Freund, und gluecklich berichtet sie mir ueber ihn. Ich freue mich mit ihr und pflichte bei, dass eine Partnerschaft unheimlich gut gegen Depressionen ist, was ich in meiner Zeit mit ihr erleben durfte. Daraufhin kontert sie, fuer sie waere unsere Partnerschaft ein einziger Albtraum gewesen.

Den ganzen Tag lag ich dann nur auf dem Bett, weinte, starrte an die Decke - war ich nicht mehr fuer sie als ein Albtraum ? Bin ich so schlimm ? Ist es nicht besser, nie wieder einen Partner zu haben um diese vor mich zu schuetzen ? Waere es nicht besser, ueberhaupt nicht mehr da zu sein ? Typische depressive Gedanken.

Gegen Abend beschliesse ich, etwas dagegen zu unternehmen. In den 10 km entfernten groesseren Ort zu fahren, ein Kollege den ich anrufe will mitkommen. Ich fahr also mit dem Bus rein, immer noch total unten. Mein Kollege laesst mich warten, sagt dann er muesste unbedingt noch was im Fernsehen sehen. Schliesslich verabreden wir uns in einer Diskothek. Bis dahin ziehe ich allein durch die Kneipen, denke nur dass alle mich hassen muessen. So'n komischer Typ, zieht allein umher, mit traenengeroeteten Augen ...

Ich treffe auf ein Paerchen, Kollegen. Wir haben zwei schoene Stunden miteinander - sie heitern mich echt auf. Dann gehen sie, ineinander verschlungen, ihren Weg. Ich in diese Diskothek - von meinem Bekannten keine Spur, er ist vor dem Fernseher versackt. Ich kenne keinen. Stelle mich in eine Ecke. Um mich herum Ausgelassenheit. Ich starre nur Loecher in die Luft. Schliesslich will ich gehen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes durch den Wald die 10 km zurueck nach Hause. Kaufe noch eine Flasche Bier als Proviant. Der Tuersteher sieht das - offenbar ist es verboten die Flaschen rauszunehmen, er entreisst sie mir und gibt mir einen Stoss in den Ruecken, dass ich verschwinden soll.

Das brachte das Fass zum Ueberlaufen.

Ich weiss nur noch, wie ich den Ort noch nicht hinter mich gelassen hatte als ich anfing hysterisch zu zittern, zu weinen. Ich habe immer gedacht, ich koennte sowieso nicht schreien, aber nun hoere ich den lauten Schrei "Ich will sterben !!!", der offenbar von mir ausgeht. Zum Glueck kann keiner Deutsch, obwohl, im naechsten Moment ist mir das egal. "I want to die !!!". Ich weine wie ein kleines Kind, die Traenen ueberfluten mein Gesicht. Und ich naehere mich dem Wald. Denke an Suizid. Nein. Das kann ich nicht. Ich werde gebraucht. Das Projekt ... und meine Freunde. Ausserdem ist Muttertag, nein das kann ich jetzt nicht machen. Hysterisch rumheulend gehe ich im Wald zwei Stunden lang dem Mond hinterher, bis ich zuhause angekommen bin. Und mich tierisch schaeme. Warum war der Tuersteher so grob zu mir, haette er nicht einfach sagen koennen dass es verboten sei ? Oder waren sie nur froh, mich draussen zu haben ? Vielleicht dachten sie ob meiner geroeteten Augen, ich haette Drogen genommen ? Keine Ahnung.

Der gestrige Sonntag war schrecklich. Ich wagte mich kaum unter Leute mit meinem verheulten Gesicht.

Ich schaeme mich.

Ich hasse mich.

Die Depression hat wieder mal gewonnen.


Alles Liebe und sorry fuer diesen Muell ...



Faustus
tomroerich
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Re: Absturz

Beitrag von tomroerich »

Lieber Faustus,

so ein Hammer wie von deiner Freundin ist auch ohne Depressionen nur schwer wegzustecken, in einer Depression ist das ein Dolchstoß. Aber Faustus, was sie ja wahrscheinlich meinte ist doch, dass sie mit deiner Depression nicht zurechtkam, oder täusche ich mich? Ich weiß, dass auch das wenig tröstet und man sich wie der letzte Dreck fühlt, wenn man überhaupt zu hören bekommt, dass man eine Belastung sei. Aber es ist ja schwer, mit einem depr. Partner zu leben und für den einen schwerer als für den anderen. Nun überlegst du wahrscheinlich, wie du dann je wieder zu einer Partnerschaft kommen sollst, wenn du so schwer zu ertragen bist? Es wird ja so nicht bleiben wie es jetzt ist! Und das, was für den Partner am schwersten zu ertragen ist, ist ja gerade diese Unsicherheit, die man mit in die Partnerschaft bringt. Dass man sich ständig abgelehnt fühlt, so klein und empfindlich ist, so entwurzelt und vielleicht anklammernd. Keinen bösen Blick hält man ja aus, ohne darunter zu leiden. Es war bei mir nicht anders. Aber auch in diesem Punkt hat mir die Depr. geholfen, mich besser zu schützen, böse Blicke, schlechte Laune da zu lassen, wo sie hingehören -bei meiner Frau- und mich nicht länger dafür verantwortlich zu fühlen. Ich erkannte, dass ich mir diese Empfindlichkeit einfach nicht leisten kann weil sie meine Kraft kostet. Aber da bist du im Moment nicht, die Depr. erlaubt dir keinen Panzer und du erlebst alles mit weit offenem Seelentor. Aber das wird sich ändern weil es sich ändern muss.

Tja und der dämliche Türsteher, was soll man da sagen? So sind die Jungs halt, deswegen machen sie diesen Job. Auch dies ein Beispiel dafür, dass du eine offene Wunde hast. Schmerz und das Gefühl von Zurückgestoßensein, nichts wegstecken können, auch das ist die Krankheit. Du kannst es eben nicht bei ihm lassen und den Idioten sehen, der er ist. Du siehst auch darin, dass die Welt dich verstoßen hat und nicht, was es ist- bloß ein dämlicher Türsteher der sich so seine Stärke holt.
Selbst ein unfreundlicher Verkehrsteilnehmer konnte mich in ein Tränenmeer stürzen, als es mir noch so ging, wie dir heute.

Aber ich finde es toll, wie offen du gerade als Mann von so etwas erzählen kannst.


Die Depression gewinnt immer wieder Kontrolle über deine Gefühle und Gegenwehr will wohl dosiert sein. Langsam und geduldig schauen, was schon geht und was noch nicht. Du konntest dich ablenken und sogar genießen, dieses Pärchen getroffen zu haben, anstatt zu versacken. Du hast etwas erlebt, was du hier erzählen kannst, du lebst, auch wenn es weh tut!

Dir auch alles Liebe

Thomas
Betroffene für Betroffene

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winnie
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Re: Absturz

Beitrag von winnie »

Lieber Faustus,

ich kann Thomas nur zustimmen, Du brauchst Dich nicht zu schämen, sondern es ist kein Wunder, daß Dich sowas so umgeworfen hat.
Ich habe im vergangenen Jahr einmal einen halben Nachmittag lang Rotz und Wasser geheult, nur weil mich mein Nachbar wegen meines seiner Ansicht nach 10 cm in seiner Einfahrt geparkten Autos unfreundlich angepflaumt hatte... Ein anderes Mal bin ich völlig zusammengebrochen, weil meine Kleiderschranktür wieder mal aus dem Scharnier gerutscht war (was sie seit Jahren immer wieder macht, sie ist halt kaputt)
Vielleicht hilft es Dir tatsächlich, wenn Du Dir - jetzt, wo Du Dich wieder etwas beruhigt hast - nochmal in aller Ruhe vor Augen führst, wes Geistes Kind solche Türsteher ja normalerweise sind. Nicht ganz ohne Grund heißen sie ja auf den Inseln "Bouncer"...

Und das, was Dir Deine Freundin sagte, ist ganz verständlicherweise ein Schlag ins Innere. Sowas muß man erst mal verdauen - aber wie Thomas sagte, sie meinte mit Sicherheit Deine Depri und nicht Dich als Person. Und was die Depri angeht, so weißt Du ja noch viel besser als sie, wie Recht sie hat - denn SIE ist Deine Depri ja seit ihrer Trennung von Dir los, DU hingegen leidest nach wie vor daran! Und es IST ein Alptraum für Dich, oder nicht?

Alles Gute Dir!
Lieben Gruß von Winnie
Chi
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Re: Absturz

Beitrag von Chi »

Lieber Faustus,

das ist hart, wenn man so zugeworfen kriegt "ein einziger Albtraum"! Das zieht einem ja völlig den Boden unter den Füssen weg.
Und ich finds ziemlich fies, wenn jemand in so'ner Situation sich nicht wenigstens ETWAS differenzierter ausdrücken kann, meinetwegen "das-und-das fand ich echt hart in unserer Beziehung". Sicherlich gab es für sie offensichtlich viele schwierige Punkte. Aber das gibt ihr kein recht, das gleich als "alles ein einziger Albtraum" zu formulieren finde ich. Denn so "absolut" kann es ja wohl nicht gewesen sein, sonst wär sie doch wohl nicht mit dir zusammengewesen!?
Sicher ist es nicht einfach, mit einer depressiven Person zusammenzusein, ich denke es fordert den Partner sicher sehr. Vielleicht war sie damit überfordert. Dann soll sie das so sagen, und nicht dir auf so'ner "absoluten" ebene was vor'n Latz knallen. Find ich.

Ich find's ja gut und mutig von dir, dass du dich dann rausgetraut hast!
Was unternehmen wolltest. Und nicht einfach nur dich in den 4 Wänden vergraben hast. Und dich tatsächlich an der Begegnung mit dem Kollegen-Pärchen freuen konntest!
Dass das dann so traurig endete... Blöd, so'n Türsteher. Aber nimm das doch bitte nicht so persönlich, das sind halt "Rausschmeisser", und so benehmen sie sich dann auch oft. Na gut, das hilft jetzt sicher nicht so viel, wehtun tut es ja trotzdem wenn man so behandelt wird.
Manchmal kann das alleine-in-der-Menge sein, wenn man sich eh so einsam fühlt, fast noch schlimmer sein als wenn man tatsächlich alleine einsam ist, denke ich manchmal. Und doch, finde ich, ist es gut wenn man es immer wieder versucht, rauszugehen, und sich nicht noch immer mehr einzuigeln. Denke ich. Das ist wenigstens ein Ansatz, ein Versuch, eine Bewegung. Und nur durch die Bewegung kann man schliesslich irgendwann auch vorwärtskommen. Auch wenn es oft viel Geduld und immer wieder neuen Mut fassen braucht.
Und Geduld mit sich selber zu haben ist schwer... aber gib die Hoffnung nicht auf! Sowas kann es geben, wenn alles so sehr wehtut, und auch wenn du dich jetzt schämst und denkst es kann doch nicht mehr weitergehen... es kann! Ich wünsche dir, dass du wieder ein kleines Licht sehen kannst.

Liebe Grüsse,
Clara
Faustus
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Re: Absturz

Beitrag von Faustus »

Hallo ...


@ Thomas, Winnie und Clara: Vielen Dank fuer Eure aufmunternden Worte. Ja, wenn man depressiv ist ist jeder Lebenswille wie eine zarte Pflanze, die nur allzuleicht von unachtsamen Zeitgenossen (z.B. Ex-Partner oder Tuersteher) plattgetreten werden kann.

In meiner Beziehung habe ich hauptsaechlich auf sexueller Ebene versagt - das ist ihr Albtraum, aber letztendlich kriege ich aufgrund meiner Hemmungen nichts zustande, was ich wiederum auf die Depression zurueckfuehre. Ich habe eine harmlose aber sexuell deviante Phantasie, die mich alleine erregt - und selbst dann ist das mit viel Arbeit verbunden. Ich dachte immer, wenn ich eine Partnerin faende loest sich der Knoten, aber Pustekuchen.

Wir Depris sind oft Mimosen, lassen uns die Wurst vom Brot stehlen und trauen uns nicht einzugreifen.


@Alle: Ich habe diesen Riesenthread nur kurz ueberfliegen koennen, aber einige Aussagen mitgenommen:

- Traumsymbole: Sind mir zu pauschal. Z.B. die angesprochende Bedeutung des Pferdes - ein Hobbyreiter wird zu diesem Tier eine andere Einstellung haben als ein Stadtmensch. Ich persoenlich habe Angst vor Pferden. So werde ich sicher das Bild anders besetzen als ein passionierter Reiter. Ich traeume oft von Astronomie, weil das halt mein Lebensinhalt ist. Diese Traumbilder haben da ganz andere Bedeutungen fuer mich "Insider", als wenn ein Fachfremder sie traeumen wuerde.

- Alki: Du provozierst gern ... was heisst es, depressiv zu sein ? Sind wir nicht alle hier, um Hilfe zu finden ? Diese Verdaechtigungen, wer nun depressiv sein "darf" und wer nicht, fuehren doch nicht weiter. Auch nicht Vergleiche, wer nun "mehr" und wer "weniger" depressiv ist. Dazu ist die Symptomatik doch viel zu komplex. Und wie soll man Depression messen - Anzahl der traurigen Stunden pro Tag, vergossene Traenenmenge pro Stunde ? Du siehst, der Versuch einer quantitativen Erfassung fuehrt doch nicht weiter. Und wann man sich depressiv fuehlt und wann nicht, muss jeder fuer sich selbst entscheiden.


Alles Gute und nochmal Danke fuer Euren Trost ! Tut mir leid, dass ich mich derzeit in Selbstmitleid zu ergiessen scheine, aber der Schrott muss raus.


Faustus
Bolek

Re: Danke und ...

Beitrag von Bolek »

Bolek

Re: Danke und ...

Beitrag von Bolek »

Bolek

Re: Danke und ...

Beitrag von Bolek »

susan
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Re: Danke und ...

Beitrag von susan »

Hi Bolek

finde ich echt Klasse, du so geradeheraus sagst, was du über uns Depris oder auch nicht ..hier denkst (Antwort an Thomas, Antwort an Caro)

Deine Gedanken kann ich zum Teil sogar nachvollziehen, aber....wie wäre es, wenn du es mal von der anderen Seite betrachtest? Du meinst, das manche hier nicht krank sind, sondern "nur" Partnerprobleme, Jobprobleme, Liebeskummer haben....?

Kann es sein, das traumatische oder sonstige Ereignisse im Leben eines Menschen dazu führen können, das er nicht mehr imstande ist, ein "normales" Leben zu führen?? Das er/sie sich jahrelang ein Fassade aufgebaut hat zum eigenen Schutz, die er nun aber nicht mehr aufrechterhalten kann, weil alles zusammenbricht - Job, Beziehung, Freunde... Kann es sein, das das, was du Liebeskummer nennst, oft was mit Trennung oder Verlust zu tun hat, dies jedoch von dem/derjenigen nicht verkraftet wird?
.......
......
Es ist schon so, das es für jeden von uns Tiefs im Leben gibt, die nicht unbedingt dazu führen müssen, das man krank wird. Doch jedem, der an der Depression erkrankt ist, zu sagen, das er eigentlich gar nicht krank ist, zeugt von wenig Kenntnis die Krankheit betreffend.

Gruß
Susan


Bolek

Re: Strukturen einer Depression Teil 2

Beitrag von Bolek »

Hallo Susan,



>>>>Kann es sein, das traumatische oder sonstige Ereignisse im Leben eines Menschen dazu führen können, das er nicht mehr imstande ist, ein "normales" Leben zu führen?? Das er/sie sich jahrelang ein Fassade aufgebaut hat zum eigenen Schutz, die er nun aber nicht mehr aufrechterhalten kann, weil alles zusammenbricht - Job, Beziehung, Freunde... Kann es sein, das das, was du Liebeskummer nennst, oft was mit Trennung oder Verlust zu tun hat, dies jedoch von dem/derjenigen nicht verkraftet wird?


***Aha, es gibt also doch einen greifbaren Grund mehr für Depression?
Und nicht nur diese ominöse Verschiebung von Botenstofen, die jetzt unbedingt durch Chemie wieder ausgeglichen werden müssen?

Grüsse
Bolek
susan
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Re: Strukturen einer Depression Teil 2

Beitrag von susan »

@bolek

wer hat das Gegenteil behauptet?

ich nicht

Gruß Susan


betina
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Registriert: 20. Mär 2003, 17:39

Re: Weiss nicht ...

Beitrag von betina »

Hallo Faustus,

ja, es ist einerseits wichtig, daß man mit Leuten reden kann, aber die meisten verstehen uns doch gar nicht. Die sagen doch höchstens, geht mal raus, kauf Dir was schönes usw. Mein Mann versucht mich zu verstehen und ist auch sehr liebevoll, fragt immer wie geht’s Dir, möchtest Du was usw.?? Aber es ist auch schwer für mich, damit umzugehen. Man kann doch dem Partner auch nicht immer was "vorheulen". Der ist dann auch irgendwann leid, so denke ich dann. Es ist für ihn wie für viele andere auch , schwer, jemanden zu verstehen der Depris hat. Raum freust Du Dich nicht, über unseren schönen Garten, uns geht es doch gut usw. Aber, weißt Du, das tröstet einen auch nicht. Denn es geht einem einfach schlecht. Und die Kraft, die man immer und jeden Tag wieder braucht ist enorm.

Morgen früh habe ich wieder einen Termin bei einer Neurologin/Psychiaterin. Bin schon total fertig. Bisher haben wir ja inzwischen 2 schon gesagt, sie können wir auch nicht helfen, hätte diesen besten ADs bekommen und mich somit als erledigt betrachtet. Ja, auch diese Ärzte können einen zur Verzweifelung bringen. Wo oder wer hilft denn noch.

Für heute wünsche ich Dir alles Liebe und viel Kraft weiterhin betina
tomroerich
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Re: Danke und ...

Beitrag von tomroerich »

Hallo Bolek, wird ja nicht richtig interessante Diskussion.

Ich denk schon, dass ich was verstanden habe, ich wollte damit nicht sagen, dass man sich dafür oder dagegen entscheiden kann, eine Depression zu bekommen, sondern, dass es sicher Leute gibt, die eben Liebeskummer, lange Arbeitslosigkeit, Eheprobleme etc. mit einer Depression verwechseln.
Das sind sozialpolitische oder eben Privatprobleme, die gelöst werden müssten. Da ist es kein Wunder, dass da das jahrelange verabreichen von Giftcocktails
rein gar nichts bringt.

Da gebe ich dir Recht, besonders was das Verwechseln von "normalen" seelischen Belastungen mit Depressionen angeht. Leider gibt es diese gesellschaftliche Entwicklung, dass die Leute nicht mehr bereit sind, etwas anderes als Fun in ihr Leben zu lassen und Probleme dann eben versuchen wegzumachen, mit Pillen z.B. Ganz krass in den USA.
Das ist wirklich ein großes Problem, weil es besonders bei leichten und mittelschweren Depr. schwer ist, das Krankhafte von der normalen Belastungssituation abzugrenzen. Es fehlt einfach an eindeutigen Signalen, die sone Unterscheidung möglich machen würde und einen Bluttest gibt es auch nicht.

Die andere Seite: Handelt es sich wirklich um eine Depr., darf man nicht zögern, einzugreifen. Deshalb kann es vernünftig sein, mit einem Medi sozusagen auszuprobieren, ob es eine ist. Typisch für eine reaktive oder neurotische Depr. ist, dass sich das, was man fühlt oder nicht mehr fühlt, nicht mehr auf angemessene Weise mit den Auslösern erklären lässt, es hat sich etwas verselbständig. Wenn ich z.B. den Tod meiner Mutter betrauere und mir gehts deshalb sehr schlecht, ist das ein normaler Vorgang, Trauerarbeit eben. Da kann auch durchaus mal der Körper spinnen, auch kein Grund, Pillen zu nehmen. Stelle ich aber nach, sagen wir, 2 Jahren fest, dass es mir eher immer schlechter geht, immer neue Probleme dazukommen, ich langsam arbeitsunfähig werde und auf allen Gebieten abbaue, dann würde ich das nicht mehr als angemessen zum Auslöser ansehen und das Wort Krankheit bekommt eine Rechtfertigung.

Das ist subjektives Empfinden vom Angst. Ich hab hier schon hunderte male von diesen Dingen gehört. Nachdem ich Panikerseiten besucht habe, beeindrucken mich solche Beschreibungen h i e r nicht mehr viel.
Ich spreche nicht von Atemnot, die zb. durch Asthma oder der obstruktiven Bronchitis etc. hervorgerufen werden kann.
Ich spreche dauernd von subjektiv sehr stark empfunden Ängsten und dem natürlichen Drang diese los zu werden. Sehe die Ursachen dafür aber im Umfeld der Menschen und nicht in einer „heimtückischen“, unerklärlichen Verschiebung im Gleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn. Das soll mir erst mal einer auf dem Monitor zeigen, bevor ich mich mit Chemie voll pumpen lasse.

Beim Thema Angst gilt etwas sehr Ähnliches. Wer ständig in beängstigenden Situationen lebt, sollte dies ändern und seine Angst als normal funktionierenden Schutzmechanismus begreifen. Tritt Angst aber ohne Auslöser auf, dann ist das etwas ganz anderes. Stell dir doch mal vor, du wachst morgens auf und hast tierische Panik, aber nicht VOR etwas, sondern einfach nur so. Du stehst auf und denkst, na das wird gleich besser. Wird es aber nicht. Vor Verzweiflung fängst du an, im Kreis rumzulaufen, weinst vielleicht laut vor Angst. Aber du weißt nicht, warum. Es hat sich verselbständigt und das geht Stunden so. Und am nächsten Tag wieder, immer morgens. Warum sollte man morgens mehr Angst haben als abends? So läuft das aber ab und dieses Mechanische, sich immer Wiederholende, ohne Anlass Panik zu haben oder eine quälende innere Unruhe z.B., ist typisch für das Krankhafte daran. Das steht in keinem Zusammenhang mehr zu deiner Umwelt und deinen Problemen, es passiert einfach aus dem Körper heraus. Du magst Recht haben, dass die erste Ursache dafür im Umfeld liegt. Aber auf die Dauerbelastung durch Umwelt reagiert das Gehirn irgendwann, indem es auf das Problematische sozusagen einrastet und der Stoffwechsel instabil wird. Das ist doch mit deinem Alk-Problem auch nicht anders. Du magst saufen weil du Probleme hast. Aber irgendwann hast du dir deinen Stoffwechsel durcheinandergesoffen und brauchst das Zeug, selbst, wenn du inzwischen Millionär bist und dich vor Tussen kaum noch retten kannst. D.h., dein Dauerstress hat sich im Körperlichen niedergelassen. Und das ist mit der Depri nicht anders. Man weiß sogar genau, dass eine traumatische Kindheit zu einer veränderten Gehirnentwicklung führen kann, das Gehirn verknüpft diese Synapsen eben anders und entsprechend so, wie es gefüttert wurde. Und dann kann es passieren, dass es dir zwar später blendend gehen könnte, weil alles prima läuft bei dir, du aber trotzdem in der Depr. versinkst, weil das Gehirn nun falsch programmiert ist. Das ist ähnlich wie mit Schmerzen. Hat man sie über lange Zeit an der gleichen Stelle, dann kann man sie haben auch ohne dass es noch einen Grund dafür gibt.
Und das mit der Atemenge war so gemeint: In der Depr. treten oft sehr ungewöhnliche Körperphänomene auf, wie z.B. Atemnot, ohne dass ein Befund da wäre. Mir z.B. fehlte einfach 2 Wochen lang die Stimme, der HNO fand nichts. Da gibt es Herzschmerzen, Rückenschmerzen und vieles mehr und alles ist rein vegetativ gestört.


Ein einfaches Beispiel: Wenn ich jahrelang mit einem Partner zusammen bin, der mich ruiniert und ich deshalb keine Nacht mehr schlafen kann, dann habe ich keine Depri, sondern einen falschen Lebensgefährten.

Richtig. Aber es kann passieren, dass dieser ständige seelische Schmerz eine Depr. auslöst und eine Veränderung der Partnersituation nicht einfach zur Heilung führt. Umgekehrt muss klar gesagt werden, dass eine Depr. unter solchen Umständen möglicherweise nicht heilbar ist und chronisch wird. D.h. wenn man den Kranken nicht aus seiner krankmachenden Sitaution herauslösen kann, werden auch ADs nicht wirklich helfen. Eine Frau z.B., die permanent von ihrem Mann gedemütigt und gekränkt wird, kann das Problem nicht mit ADs lösen. Wenn das anders wäre, würde ich das Zeug nicht nehmen, denn dann würden ADs ja Menschen in beliebig belastbare Supermenschen verwandeln.



Das ist so nicht richtig, denn alleine der Alkmissbrauch kostet jährlich
> ca 40000 Menschen das Leben, und Alk ist eine Droge oder etwa nicht?
> Depression ist nicht der Killer aller Zeiten
>
> Tja, ich bin ein Zyniker vielleicht, und Du überteibst wohl gerne?

Die Zahlen stammen ja nicht von mir. Die offziellen Zahlen der WHO besagen Folgendes:

Laut WHO starben im Jahr 2000 etwa 1,6 Mio. Menschen einen gewaltsamen Tod.
Davon entfielen etwa 815.000 Fälle auf Suizid, 520.000 Menschen wurden ermordet und etwa 310.000 fielen bewaffneten Konflikten zum Opfer.

Dabei ist noch eine enorm hohe Dunkelziffer zu sehen. Man weiß nicht, wie viele Verkehrsunfälle z.B. verdeckte Suizide sind.

Du hast Recht, nicht jeder Suizid ist auf eine Depr. zurückzuführen. Aber den Löwenanteil hat die Depr. auf alle Fälle.

Puhhh, das war lang jetzt. Aber falls es dazu beitragen könnte, dein Meinung über Depr. etwas zu differenzieren, hätte es sich gelohnt. Um noch einmal den Knackpunkt zu sagen: Depr. ist deshalb eine Krankheit und wird medik. behandelt, weil Körper und Seele unter einem zu belasteten Leben (bei der reaktiven und neurotischen Form) zusammenbrechen und dann kommt es auch tatsächlich zu diesen Stoffwechselstörungen und du erlebst dadurch Dinge, die du in keiner Weise mehr mit den dir bekannten Gefühlen Angst, Schlappheit, Unruhe oder so vergleichen kannst. Es ist einfach etwas ganz, ganz anderes.

Kennst du "Seelenfinsternis" von Piet Kuiper? Kein Fachbuch sondern ein Erlebnisbericht eines Psychiaters, den es selbst erwischt hat. Und der sagt, er habe vorher nicht die geringste Ahnung gehabt, was seine Patienten durchmachen. Und wenn der das als Fachmann sagt, Bolek, dann darfst du es als Laie auch gerne glauben. Lies es, ich schenk es dir, wenn du mir deine Adr. mailst.

Und noch eins will ich noch mal betonen: Dass es dir auch sehr schlecht geht und du in der Sch... steckst, daran besteht für mich kein Zweifel. Darum ging es hier wirklich nie.

Ich wünsch dir alles Gute!

Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
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