Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

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Hoffnungslos69

Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von Hoffnungslos69 »

Breizh-izel
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Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von Breizh-izel »

Hallo Hoffnungslos69

ich versuche heuteabend oder morgen dich zu schreiben. Bis dahin alles Gute.

Keryvon
mime
Beiträge: 1319
Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von mime »

Hallo Hoffnungslos,

oweh, der Name... er sagt ja schon viel aus. Mangels eigener Familienerfahrung werde ich wahrscheinlich so gut wie nichts Brauchbares zu deinem Beitrag schreiben können, aber es tut mir so leid für dich, was du über dich und deine Familie geschrieben hast.

Für mich liest sich das nach sehr, sehr viel schmerzhaften Erfahrungen sowohl für dich als auch für deinen Mann. Und da wundert es mich nicht, dass du nicht „einfach von vorne“ anfangen kannst – das ist utopisch.

Eine posttraumatische Belastungsstörung gehört für mich in gute (!) professionelle Hände – es wird nicht besser, wenn man sie ignoriert. Besteht denn für deinen Mann zumindest theoretisch noch die Möglichkeit (z. B. von Seiten der Bundeswehr), sich damit unter therapeutischer Sicht auseinander zu setzen? Das, was dein Mann durchleben musste, wird ihn sein Leben lang prägen – das darf man nicht unterschätzen, auch nicht als Betroffener. Es wäre gut, wenn es da noch die Möglichkeit gäbe, etwas zu tun, was die Verarbeitung und letztendlich ein Stück weit Heilung unterstützt.

Aber auch dich wird prägen, was war. Ich stelle es mir erst einmal wahnsinnig schwer vor, mit dem Rest der Familie alleine zu sein und um meinem Mann bangen zu müssen. Wie viel Angst mag da wohl jedes Mal mit geschwungen haben bei neuen Einsätzen, wie viel Erleichterung, dass er am Leben geblieben ist – das ist eine Belastung für dich und die Kinder (auch wenn sie klein sind, sie merken doch, wenn es der Mama nicht gut geht), die nicht unterschätzt werden sollte.
Dass es dann zu einem Vertrauensbruch in der Beziehung kam, macht das Ganze nicht leichter. Das ist verletzend, auch wenn es ihm leid tut, das zerstört erst einmal vieles, was vielleicht wieder aufgebaut werden kann, doch möglicherweise erst, wenn man sich mit professioneller Hilfe mit dem Schmerz und der Verletzung, dem Vertrauensmissbrauch auseinandersetzen konnte. Das scheint mir noch nicht der Fall zu sein.

Du schriebst von früherer Krankschreibung, einem Medikament (wenn es sich um ein Antidepressivum gehandelt haben sollte dauert es, bis es wirken kann, da bringt ein zu schnelles Wiederabsetzen nichts – vielleicht war es auch nicht das richtige Medikament für dich, es gibt viele, und es dauert u. U. ein paar Versuche, bis man das passende für sich findet). Das klingt für mich nicht nach langfristiger Lösungsfindung. Ich nehme an, dass du beim Hausarzt warst? Oder bei einem Facharzt?

Du schreibst: „Helfen kann mir keiner.“ Ja und nein. Ich kann mir vorstellen, dass es Hilfreiches gibt, man/frau muss es nur erst für sich entdecken. Ich hätte mir auch nie träumen lassen, dass mir Gespräche in einer Therapie bzw. mit einem Facharzt helfen würden. Nie. Was können die schon tun? Es können sich im Gespräch neue Gedanken entwickeln, vielleicht können Alternativen aufgezeigt werden, auf die man alleine gar nicht gekommen wäre. Und als erstes kann es erleichternd sein, dass da ein Gegenüber ist, der einem zuhört und einen ernst nimmt.

Hast du denn schon einen Therapeuten kontaktiert (ich meine, steht ein Termin schon fest – du schreibst von einem Jahr? Wann wäre er?). Gibt es bei euch in der Nähe vielleicht auch andere Einrichtungen z. B. eine psychiatrische Institutsambulanz oder einen sozialpsychiatrischen Dienst? Das wären Anlaufstellen, die sicherlich schnellere, fachkundige Unterstützung / Beratung geben könnten, als auf einen Therapietermin zu warten, der vielleicht noch ein halbes Jahr dauert.

Vielleicht findet ihr (du und dein Mann) gemeinsam noch die Möglichkeit, jeder für sich oder (später) vielleicht beide gemeinsam, das Vergangene mit professioneller Unterstützung zu betrachten.

Ihr habt kleine Kinder, ein Geschenk, etwas, das die Suche sinnvoll macht, für sich etwas zu finden, nicht aufzugeben. Doch es ist andererseits auch wiederum nicht leicht, da etwas nur für sich zu tun – dennoch: Es geht um dich und deinen Schmerz, es geht um dich und deine Beziehung (zu dir, zu deinen Kindern, zu deinem Mann). Ich wünsche dir, dass du dir in allem, was dich beschäftigt, einen Raum geben kannst, vielleicht in einem Gespräch, in einer Selbsthilfegruppe usw. Ich weiß nicht, was für dich das Geeignete wäre.

Ich würde dir nur wünschen, dass du Unterstützung erfährst und Ermutigung, dass du für dich etwas findest, was dir zur Linderung beträgt, und dass dir wieder das zurück bringen kann, was sich möglicherweise vergraben musste in letzter Zeit: Vertrauen, Freude, Gelassenheit, (vielleicht sogar ein Stück weit Verzeihenkönnen – irgendwann...), dass du erfährst, wie das ist, dich, deinen Schmerz und deine Gefühle erst einmal ernst zu nehmen (ohne innerliche Vorwürfe, dass es anderen schlechter geht – es geht um DICH); dass du lernen kannst, darauf zu vertrauen, dass es besser werden kann; dass du spüren kannst wie das ist, es sich auch wert sein, für sich sorgen zu lernen. Ich würde mir wünschen, dass es wieder zu mehr Leichtigkeit kommen könnte für dich, dass kleine Hoffnungslichter scheinen und dir das Zulassen des Gedankens erlauben: Ich bin wertvoll. – Das bist du!

Ich wünsche dir und deiner Familie alles Gute.

Viele Grüße
Mime

P. S. Im Übrigen „und wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her“ – den kenne ich auch aus großmütterlicher Familientradition – und ich denke: er ist sehr weise...
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
ghm
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Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von ghm »

Hallo Hoffnung,

Du bist (ähnlich wohl wie Dein Mann) schwer verletzt.

Das tut weh, und wer Schmerzen hat beisst um sich.

(Das Urzeittier in uns kennt nur verstecken, flüchten und beissen)

Wenn Dein Mann und Du Euch wiederfinden wollt, müsst Ihr vermutlich durch den Schmerz durch.

Es gibt viele Möglichkeiten, zB. Paartherapie.

Ich kannte ein Paar, dass hat sich eine Pratze (Schlagmatte) gekauft (um sich nicht gegenseitig weh zu tun). Dann konnte immer eine/r seine Wut an die Pratze schlagen und auch dabei verbal mitteilen und der andere hielt die Pratze und hörte zu (ohne Wiederworte).
So sind sich die beiden wieder nähergekommen und haben ihren Schmerz (mit dem Partner) durchlebt.
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
Czarek
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Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von Czarek »

;)
Zuletzt geändert von Czarek am 2. Feb 2017, 23:50, insgesamt 1-mal geändert.
"Liebe Dich selbst - dann können die andere Dich gern haben"
(Hirschhausen)
Hoffnungslos69

Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von Hoffnungslos69 »

Hoffnungslos69

Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von Hoffnungslos69 »

mime
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Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von mime »

Hallo Hoffnungslos,

das, was du in deinen Beiträgen heute geschrieben hast, ist durchaus nachvollziehbar.

Das Gute lässt sich auch nicht so ohne weiteres aus den Beiträgen ziehen, schon gar nicht, wenn es einem so geht, wie dir momentan, was mir leid tut.

Ja, das gibt es Herzrasen, Appetitlosigkeit, der Wunsch, sich von allem und jedem zurückzuziehen. Und gerne würde ich dir schreiben: Abwarten, das geht von selbst wieder vorbei. Doch das ist nach meiner Erfahrung nicht so... Je länger die Phasen anhalten, desto schwerer wird es, da wieder herauszukommen.

Ich kann nur meinen ernst gemeinten Rat wiederholen (auch wenn er jetzt vielleicht hart oder verständnislos erscheinen mag – er ist nicht so gemeint): Suche dir professionelle Unterstützung; es gibt hier im Forum immer wieder den Hinweis auf sozialpsychiatrische Dienste, die Telefonseelsorge und im Akutfall die Klinik. Es muss auch in dünnbesiedelten Gebieten eine Möglichkeit da sein, sich an Hilfe zu wenden. So, wie es dir jetzt geht, wird es nicht von selbst wieder gut. Das schwierige ist zwar, dass man genau dann, wenn man Hilfe braucht, kaum in der Lage ist, sie für sich selbst zu suchen – doch ich würde es dir gerne ans Herz legen, es doch zu versuchen.

Ja, gute Ratschläge von Verwandten und Freunden können manchmal fehl am Platze sein (meine Beiträge im Übrigen natürlich auch, dessen bin ich mir bewusst), vor allem, wenn es den Tenor hat: Reiß dich zusammen, anderen geht es auch schlecht usw. usw. Das hilft kein bisschen weiter. Insofern kann ich verstehen, wenn du das Bedürfnis hast, dich zurückzuziehen; daher: Schau, was im Rahmen deiner momentanen Möglichkeiten liegt, dir Hilfe zu suchen. Es kann kein anderer außer dir, auch wenn ich weiß, dass es eine Mammutaufgabe sein kann.

Gibt es vielleicht eine Freundin, die dich ein bisschen unterstützen kann? Vielleicht könnte sie beispielsweise auf deine Kinder aufpassen, wenn du einen Arzttermin hast oder dich (und die Kinder) begleiten, wenn du in eine weiter weg gelegene Einrichtung (z. B. Institutsambulanz) fährst. Oder gibt es jemand, der mit dir nach Unterstützungs-möglichkeiten sucht (z. B. im Internet recherchiert, E-Mails schreibt, sich für dich telefonisch erkundigt usw. usw.) – es müsste doch möglich sein, das Freunde oder Verwandte einem helfen können, auch wenn sie einen momentan nicht verstehen.

Dass es seitens der BW keinerlei Unterstützung für solche Fälle gibt, habe ich schon einmal in einem Fernsehbeitrag gesehen und da kommt mir eine Riesenwut hoch! Man kann die Seele nicht darauf programmieren, nur nach wenigen Wochen die PTBS haben zu dürfen, was für ein Quatsch. Bei vielen Traumapatienten dauert es JAHRE, bis sie sich der belastenden Situation z. B. bei einem Traumatherapeuten erneut stellen können. Dennoch, an dem deutschen System könnt ihr nichts ändern, aber an eurer Situation.

Du hast es schon richtig geschrieben: Man ist auf sich allein gestellt – und auch wenn es bitter ist, man ist leider auch dazu gezwungen, sich selbst zu kümmern. Tut es, bitte. Es hat nichts mit Schwäche zu tun, auch wenn ich weiß, dass man da beim Gegenüber auf Granit beißen kann... Vielleicht wird dein Mann dahingehend irgendwann nachdenklich, wenn er an deinem Beispiel sieht (z. b. wenn du eine Therapie anstrebst, dir Hilfe suchst, dich um DICH kümmerst und für dich sorgst), wie du damit umgehst. Vielleicht kommt ihm irgendwann auch einmal der Gedanke, dass er etwas für sich tun kann (das kann mitunter aber Jahre dauern, insbesondere wenn er momentan stabil ist und da nicht ran will – also, warte bitte nicht, bis er den ersten Schritt für sich tut, tue aber bitte deinen Schritt für dich).

Ihr habt kleine Kinder, sie haben sehr feine Antennen, sie merken, wenn die Eltern Probleme haben, auch wenn ihr sie nicht daran teilhaben lässt und sie schützen wollt - und wenn sie bislang viel Stabilität und einen liebevollen Vater und eine ebensolche Mutter erfahren haben, ist das etwas Schönes und Gutes. Doch auch ihr als Eltern habt das Recht, für euch und eure Bedürfnisse entsprechend zu sorgen.

Ich wünsch dir und deiner Familie, dass sich etwas tut, sich etwas ergibt, das euch allen auf langfristige Sicht gut tut.

Sorry, wenn ich hier vielleicht an der ein oder anderen Stelle zu eindringlich, zu unsensibel oder wiederholend geschrieben habe – ich möchte (wirklich gutgemeint) irgendwie wachrütteln – es sind die depressiven Gedanken, das Dunkle, die Krankheit, die solche Schwierigkeiten machen; aber es gibt Behandlungsmöglichkeiten, die man für sich entdecken kann. Bitte gib da nicht zu früh auf.

Suche nach diesem Lichtlein der Möglichkeit, etwas verändern zu können – auch wenn es noch einige Zeit brauchen kann, bis dir das klar und machbar erscheint (lass dir die notwendige Zeit, doch warte bitte nicht zu lange) – Ihr seid es wert!

Viele Grüße
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Gerbera
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Registriert: 31. Mär 2013, 00:24

Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von Gerbera »

Liebe Hoffnungslos,

Mime hat Recht: Du brauchst ganz dringend kompetente fachärztliche Unterstützung. Alleine kommst Du aus dem Teufelskreis der Gedankenkarusselle, der Hoffnungslosigkeit, mangelnden Energie etc. nicht heraus. Den Wunsch, mich einfach zu verkriechen, keinen zu hören oder zu sehen, hatte ich in den Akutphasen der Depression auch. Das sind alles Symptome einer Krankheit, die nicht von selbst wieder vergeht, schon gar nicht, wenn sie bereits seit längerem besteht. Und das tut sie, wenn ich Dich richtig verstanden habe.

Du schreibst, Ihr lebt in einem dünn besiedelten Gebiet, wo es wenig Auswahlmöglichkeiten bezüglich Therapeuten etc. gibt. Hast Du denn gar keine Möglichkeit, in der nächst größeren Stadt jemanden aufzusuchen? Auch wenn es mühsam ist und Zeit kostet, dahin zu gelangen, gib Dir und Deiner Familie die Chance, bitte. Ihr seid es wert, alle, Du, Dein Mann, Deine Kinder. Wenn es Dir schwerfällt, um Deiner selbst willen Hilfe zu suchen, dann tu es für sie.

Dass die BW ihre ehemaligen Afghanistan-Soldaten und ihre Angehörigen so im Stich lässt, ist ziemlich traurig, und es ändert sich nur zögerlich. Das ist sehr schlimm, aber diese Erkenntnis hilft Dir nicht weiter.

Die Kriegserlebnisse Deines Mannes waren sicher schlimm, aber darüber reden kann er vermutlich nur mit Leuten, die selbst so etwas erlebt haben. Die BW-Psychologin konnte da vermutlich nicht mithalten. 5 Therapiestunden sind allerdings auch ziemlich wenig, um irgendwelche sensationellen Erfolge zu erzielen.

Es ist nie leicht, sich auf eine Therapie einzulassen, kommen da doch sehr persönliche Dinge zur Sprache, und wer gibt schon gerne zu, dass er alleine nicht mehr klar kommt. Aber es ist auch keine Schande. Mit einem gebrochenen Bein geht man zum Arzt, keine Frage - mit einem "gebrochenen" Herzen nicht? Warum nicht?

Man weiß, dass bei Depressiven der Gehirnstoffwechsel gestört ist und der Abbau der Stresshormone. Bei Diabetikern ist der Insulinstoffwechsel gestört. Das ist nicht so viel anders. Nur schlucken Diabetiker Tabletten, spritzen Insulin, halten sich an Essregeln. Und Depressive wie Du und im weitesten Sinn auch Dein Mann... warten ab, ob nicht alles von selbst vergeht?!

Ihr wollt Eure Familie retten, oder irre ich mich da? Dann sucht Euch Hilfe! Jeder Aufwand ist gerechtfertigt, um dieses Ziel zu erreichen, absolut jeder!

Ganz liebe Grüße
Gerbera
Breizh-izel
Beiträge: 127
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Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von Breizh-izel »

Hallo Hoffnungslos69,

ich finde deine Schmerzen sehr berührend.Einerseits bin ich vor deinen Schmerzen sprachlos.Wenn ich dich lese, erinnert es mir an einem Beitrag von Marshall Rosenberg.Ich glaube, dass was du suchst, ist , dass deinen Mann deine Schmerzen wahr nimmt, dass er diese Empathie schenken kann, damit die Kraft deinen negativen Gefühlen ihren Macht verlieren.Und ich glaube, dass ihr therapeutische Hilfe (vielleicht von Leute die in der GFK versiert sind) braucht.Ich bekomme den Eindruck, dass du ihn in einem Ecke deines Herzens liebst, aber deine Schmerzen liegen dazwischen.Ich finde deine Traurigkeit sehr spürbar, weil du dich deinen Mann ganz geschenkt hast. Die Zeit, wenn er im Ausland war, war für dich bestimmt nicht einfach und nicht ohne Sorgen.Ich glaube schon, dass du ihn getragen hast.
Deine Empörung wie der Staat sich um seine Soldaten kümmert, wenn sie zurückkommen verstehe ich auch und entsetzt mich auch. Denn Du, deinen Mann und deine Familie müssen es tragen, ertragen, vertragen.Wir können uns nur fragen, wieso einen Mensch und seine nahe Umgebung, die Hilfe benötigen einfach nicht bekommen.Ich finde dieses Verhalten der Behörden unmenschlich.
Ich drücke dich ganz fest, und wünsche dir den Weg der Versöhnung und der Frieden.

Viele Grüße
Keryvon
Hoffnungslos69

Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von Hoffnungslos69 »

mime
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Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von mime »

Hallo Hoffnungslos,

das Gefühl bzw. die Gedanken „anderen geht es doch viel schlechter als mir“ kenne ich nur zu gut. Dennoch lass dir sagen: Sie sind fehl am Platze – höre in diesem Fall bitte nicht auf sie. So etwas Ähnliches hatte ich auch geäußert, als ich vor dem Facharzt saß, und er meinte nur, ich sei nur noch ein, zwei Schritte von einer Krise entfernt... Soviel zum Selbstbild und Fremdbild. Daher: Wende dich bitte baldmöglichst an einen Arzt! Ein Dritter (Fachkundiger) hat da eher einen Blick für als man selbst oder als Angehörige.

Dass deine Schwester dich so nicht versteht, ist keine Seltenheit. Wir sind in einem ganz gut und geübt: im Masken tragen. Nach außen können wir manchmal auch in sehr schwierigen Situationen noch überspielen, wie es uns tatsächlich geht. Außerdem: Den Angehörigen fehlt oft auch der richtige Blick für die Krankheit. Da sind Sätze wie „das geht 100.000 anderen Leuten auch so“, „reiß dich mal zusammen“, „denkst du mir geht es immer gut?“, „das geht von selbst wieder vorbei“, „lass dich nicht so gehen / hängen“ sind da nicht selten.

Ja, liebe Hoffnungslos, es ist schwer, auch für die Angehörigen, das Depressive zu erkennen und zu akzeptieren! Wenn es uns als Betroffene schon schwer fällt, wie sollte es denn dann einem Angehörigen so einfach gelingen? Ich weiß, dass Unverständnis und unsensible Äußerungen, manchmal auch der Rückzug von Menschen, von denen man sich erhofft hat, wenigstens sie würden einen verstehen, unheimlich weh tun kann. Doch im Laufe der Zeit kann man auch lernen damit umzugehen.

Mir hat es geholfen, in der Therapie über so etwas zu sprechen. Man lernt im Laufe der Zeit auch, für sich mehr Verständnis zu entwickeln, die Depression nicht als eigene Schwäche, sondern als Krankheit zu verstehen, die allerdings auch behandelbar ist, wenn man sich darauf einlässt. Ich würde dich so gerne ermutigen, diesen Schritt für dich zu wagen. Es kostet Überwindung, Kraft, Geduld (auch bis man Termine bekommt), doch es lohnt sich!

Hast dich denn schon einmal erkundigt, wie es bei dir in der Nähe mit Fachärzten, sprich Psychiatern, und Therapeuten aussieht? Es empfiehlt sich, diese Möglichkeiten baldmöglichst telefonisch abzufragen, weil viele Termine mit längeren Wartezeiten verbunden sind. Ich hatte das Glück, recht rasch über meinen Hausarzt den Kontakt zu einer psychiatrischen Institutsambulanz (Kurzform: PIA) zu bekommen; auch da bekam ich recht bald einen Termin (weil ein anderer Patient abgesprungen war) – und es war für mich im Nachhinein betrachtet, wahrscheinlich keinen Tag zu früh.

Wenn du jetzt vielleicht denkst: „Hm, ich mag noch nicht, soooo schlecht geht es mir ja noch nicht...“ usw., mag das für dich momentan vielleicht noch stimmig sein. Doch du vergibst dir ja nichts, wenn du dir JETZT schon Hilfe/Unterstützung suchst, absagen könntest du im Bedarfsfall ja immer noch. Außerdem: Bis du einen Termin bekommst, was wie gesagt auch eine Weile dauern kann, bist du vielleicht in ein paar Wochen froh auch darüber, ihn schon ausgemacht und als möglichen „Unterstützungsanker“ zu haben.

Es geht dir um das Gemeinsame – ja, das verstehe ich; doch manchmal beginnt es mit dem ersten Schritt für sich alleine (und später kann es dann zum WIR und dem Gemeinsamen kommen).

Was das Thema Medikamente und Co. betrifft, gibt es hier im Forum entsprechende Unterforen und darin auch verschiedene Auffassungen. Doch ich denke, man kommt einfach manchmal nicht darum herum, sich da die Bedenken ein Stück weit nehmen zu lassen - bei mir hat das auch lange gedauert und skeptisch bin ich immer noch, doch es ist manchmal eben auch einen Versuch wert. Das Abhängigkeitspotential ist in den neuen Antidepressiva (im Gegensatz zu Schlaf- und Beruhigungsmitteln oder den ganz frühen Antidepressiva) nicht mehr vorhanden. In der neueren Forschung geht man davon aus, dass bei einem Depressiven gewisse Botenstoffe im Gehirn in zu geringer Konzentration vorhanden sind. Bei einem Antidepressivum geht es meist primär um den Ausgleich von fehlenden Botenstoffen im Gehirn, die (unfachmännisch und grob vereinfacht ausgedrückt) für die Steuerung bestimmter Funktionen (Glücksgefühl, Antrieb, Entspannung/Beruhigung) zuständig sind.

Bevor ein Antidepressivum längerfristig eingenommen wird, halte ich eine (fach-) ärztliche Diagnose für sehr wichtig. Je nach Grad der Depression (es gibt leichte, mittelschwere oder schwere) kann ein Medikament wirklich auch angebracht sein. Es geht in erster Linie nicht um eine Dauermedikation, sondern um eine Erleichterung / Hilfe in einer akuten Situation.
Bei einer leichten Form der Depression wird manchmal auch auf die Verschreibung eines Antidepressivum verzichtet. [Im Übrigen] Wichtig halte ich jedoch auch gerade in diesem Fall eine psychotherapeutische Behandlung, sie kann ebenfalls einiges bewirken, das antidepressiv wirkt (allerdings meist erst auf langfristige Sicht).

Man hat u. a. festgestellt, dass das Zusammenspiel von Psychotherapie und Antidepressivumeinnahme bei vielen Patienten die beste therapeutische Wirkung erzielt haben. Das heißt, das eine geht zwar auch ohne das andere, doch erst im Zusammenwirken waren die Potentiale für eine Verbesserung der Situation am stärksten gegeben.

Mehr kann fällt mir dazu jetzt nicht ein. Ich kann dir nur raten, für dich etwas zu tun; auch vielleicht im Hinblick auf die Kinder. Wenn du aus falscher Scheu wartest, bis es ohne Unterstützung besser wird, könnte es das Gegenteil bewirken: dein Zustand könnte schlimmer werden – Aussitzen hilft da meist nicht weiter – ich halte es nicht für empfehlenswert zu warten, bis die Krise da ist. Dann kann man nämlich gezwungen sein, das zu tun, was andere von einem wollen. Jetzt hättest du noch die Möglichkeit, dich freiwillig für etwas zu entscheiden, was dir gut tun könnte. Ich würde dich gerne ermutigen (auch wenn ich mich wiederhole), dich in deiner Situation ernst zu nehmen und dir Hilfe zu suchen.

Vielleicht kann das gemeinsame Sorgen um das Wir, bzw. das Gemeinsame mit deinem Mann, dann erneut stattfinden, wenn du für DICH sorgen gelernt hast – sei es dir bitte wert! Das eine wird das andere nicht ausschließen - es kann viel Bewegung in festgefahrenen Situationen entstehen, wenn einer es wagt, die ersten Schritte zu gehen; und ich glaube einfach daran, dass du das Potential dafür hast, deinen Weg zu suchen, der u. U. auch zum Gemeinsamen werden bzw. führen kann.

Alles Gute und viele Grüße
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Gerbera
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Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von Gerbera »

Hallo Hoffnungslos,

dem, was Mime geschrieben hat, ist kaum noch etwas hinzuzufügen, bestenfalls ein paar eigene Erfahrungen:

Mir ist es nie gelungen, während der akuten Depression mein Befinden einzuschätzen. Ich erinnere mich an das Sondierungsgespräch bei meiner heutigen Therapeutin. Auf die Frage, wie es mir geht, habe ich ihr voller Überzeugung versichert, heute wäre ein guter Tag. Nach 20 Minuten Gespräch hat sie mich mit der Tatsache konfrontiert, dass kein guter Tag sein könne, denn ich säße völlig versteinert da, keine Regung im Gesicht, keine Bewegung, nichts.
Was ich damit sagen will, ist, dass Du Dein Befinden möglicherweise auch nicht zutreffend einschätzen kannst. Und woher willst Du wissen, dass es Anderen schlechter geht? Ich schließe mich Mime an und schlage vor, dass Du die Beurteilung Deines Gesundheitszustandes lieber einem Facharzt überlassen solltest.

Ich kann nur dringend an Dich appellieren, nicht zu warten, bis Du komplett zusammenklappst. Es gibt Erfahrungen, die Du Dir ersparen kannst, wenn Du jetzt zum Arzt gehst und nicht abwartest, ob es von selbst besser wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass es drastisch schlechter wird, ist ziemlich hoch. Ich will nie mehr dort landen, wo ich war: völlig am Ende, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, innerlich leer und gleichzeitig voller unerklärlichem Schmerz. Wäre ich früher zum Facharzt gegangen, wäre es vermutlich nie so weit gekommen.

Ich nehme seit etwa eindreiviertel Jahren ein Antidepressivum (Citalopram). Es hat mir meine Persönlichkeit zurückgegeben, mich überhaupt erst therapiefähig gemacht. Deshalb bin ich ein absoluter Verfechter von AD UND Therapie. Meiner Meinung nach kann nur beides gemeinsam zum Erfolg führen.

Wie Mime schon geschrieben hat, sind Deine Bedenken hinsichtlich Suchtfaktor bei den modernen Serotoninwiederaufnahmehemmern unbegründet. Vorsicht ist geboten bei echten Beruhigungsmitteln wie z.B. Tavor. Diese Mittel dürfen nicht über längere Zeit eingesetzt werden. Aber der Arzt wird Dich darauf hinweisen, wenn Suchtgefahr besteht.

Mir geht's heute sehr gut im Vergleich zu vor zwei Jahren. Ich kann wieder konzentriert arbeiten, die Stimmungsschwankungen sind verschwunden, die Schwindelanfälle, Missempfindungen weg usw. Warum sollte Dir eine Therapie (incl. ggfs. AD) nicht genauso helfen?

Ich wünsche Dir den Mut, den Weg zum Facharzt zu gehen, Deine Bedenken beiseite zu räumen und Dich auf eine Therapie einzulassen. Gib Dir selbst eine Chance!

Liebe Grüße
Gerbera
Breizh-izel
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Registriert: 31. Jul 2013, 22:10

Re: Das ewige Auf und Ab mit der Stimmung

Beitrag von Breizh-izel »

Hallo Hoffnungslos,

vielleicht interpretiere den Satz deines Mannes falsch, aber er macht sich etwas leicht wenn er sagt, dass du dich um dich kümmern solltest. Die Situation hat er auch ausgelöst oder?...ob meinen Vorschlag sinnvoll ist, würde ich selber 3 mal überlegen.Wenn er Schwierigkeiten hat sich zu zeigen, würde ich versuchen ihn zu fragen , wie er sich fühlt und beurteilt, nachdem er dich betrogen hat. Es ist bestimmt nicht einfach, aber vielleicht ist es der Zugang, damit er dich auch zuhört. Ich habe gerade nochmal deinen ersten Beitrag gelesen. Er sagt, es war ihm alles egal. Für mich ist seine Erkrankung eine Sache, was er gemacht eine andere. Wenn er sagt, dass es ihm Leid tut, kann ich es nur glauben, wenn er sich schämt.Und ich glaube, scham ist vor Jemanden sehr schwer auszusprechen und zu zeigen.(In einer eigener schämender Empfindung fühle ich mich persönnlich sehr verletztbar.) Wenn er sich so empfindet, dann wünsche ich dir, dass er dir es sagt.

Eine dicke Umarmung und ich wünsche dir viel Kraft.

Keryvon
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