Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

otterchen
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Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von otterchen »

Hallo zusammen,

hier schreiben so viele Menschen... und bei aller Individualität haben wir doch alle etwas gemeinsam: die Depressionen.
Diese aber äußern sich wiederum total unterschiedlich und haben auch ihre Gründe oft in anderen Bereichen.

Welche Auslöser gibt es bei Euch?
Bei mir ist es die lieblose Kindheit, geprägt von Befehlen und Verboten, streng, autoritär, demütigend, physisch und psychisch verletzend...

Was ist es bei Euch? Darf ich Euch näher kennenlernen?

Ich könnte mir vorstellen, dass z.B. eine wohlbehütete, kuschelige Kindheit durchaus auch das Potential haben könnte, einen Menschen nicht stark genug für diese Welt zu machen.

Weiter gibt es dann natürlich noch Verluste, Scheidungen, Arbeitsumfeld, das Aufreiben zwischen verschiedenen Lebensbereichen (Job, Haushalt, Kinder etc.), in einer wichtigen Lebensphase das Gefühl bekommen, man sei nicht ok, Krankheiten...

Was war es bei Euch? Wo wurde der Grundstein dafür gelegt, dass Ihr depressiv wurdet?
Gab es einen richtigen Auslöser, aber waren die Weichen dafür vielleicht schon vorher gestellt worden?
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
shehari

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von shehari »

Hallo Otterchen,

danke fürs kennenlernen wollen! Das kommt nicht häufig vor

Mir fällt es sehr schwer d. Depression für mich zu beschreiben, wirklich nur für mich, für mich selbst "begreiflich" zu machen. Nicht dass ich es nicht akzeptiert hätte. Es representiert sich so auf vielschichtige Art und Weise. Aber gut warum soll ich es so verkomplizieren:

Bei mir war es nicht unähnlich! Viel Dominanz, Strenge, 2 Traumat. Erfahrungen, Internat (Katholisch! Obwohl ich nicht katholisch bin und auch nicht in Deutschland aufgewachsen bin!) Heimatverlust. Familiäre Verstrickungen....

Ich weiss nicht viel über Epigenetik, aber ich denke Erfahrungen können sicherlich auch weitergegeben werden. Es ist nichts "esoterisches" wie vielleicht manche glauben würden.

Schöne Grüße
She
Wilma514
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Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von Wilma514 »

timmie2002
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Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von timmie2002 »

hallo otterchen,

bei mir ist es wohl ganz ähnlich wie bei dir.

die tieferen ursachen liegen für mich jetzt definitiv in meiner kindheit. erlebnisse und erfahrungen haben mich in meiner persönlichkeit so geprägt und beeinflusst, dass ich, "kombinierte und andere persönlichkeitsstörungen" entwickelt habe. mit diesen sind denk- und verhaltensmuster generalsisiert worden,die zum einen eher destruktiv als konstruktiv sind, mich immer wieder in konflikte führen oder diese verstärken und zum anderen die depression zur folge hatten.

ausgelöst wurde sie bei mir durch überbelastung im beruf, aber diese war schließlich auch mit kränkenden konflikten verbunden.

möglich, dass auch eine genetische veranlagung vorliegt.

glg final
Haferblues
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Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von Haferblues »

Hallo Otterchen,

in unserer Familie haben alle irgendwie einen Schuss. Die Männer in der Generation meiner Eltern sind meist Alkoholiker gewesen und die Frauen Keifzangen. Dann kann man meine Familie getrost als bildungsfern bezeichnen. Vor allem die Familie meiner Mutter war arm und kinderreich. Meine Mutter ist nie in ihrem Leben satt geworden. Da kann man an Zuwendung reinstecken was man will - es ist nie genug. Die Familie meines Vaters war ins Nazizeug verstrickt. Darüber durfte selbstverständlich nicht gesprochen werden.

Meine Eltern waren 43 miteinander verheiratet und die Jahre, die ich mitgekriegt hab, war der 3. Weltkrieg ausgebrochen. Natürlich musste jemand an dem Elend schuld sein. Ratet mal wer das war??

Körperliche und psychische Gewalt war ein normales Erziehungsmittel. Das war schon immer so und "hat bisher keinem geschadet". Als ich 15 war, hatte meine Mutter Angst vor der Retoure und sie ließ mich für 2 Jahre und 4 Monate ins Erziehungsheim sperren. Katholisch. Nonnen. Die Prügelstrafe war da zum Glück schon abgeschafft, aber runtergemacht wurden wir da täglich.

Bin ich deswegen depressiv?? Eine kuschelige Kindheit kann ich mir nicht vorstellen. Niemand von meinen Bekannten hat eine gehabt. Manchen ist es sogar noch schlimmer ergangen als mir - und die waren nie wegen Depressionen in Behandlung. Gibt es überhaupt Leute, die psychisch ganz und gar gesund sind???? Wie merkt man das????

Gruß Rifka
Lebenskünstler sind Menschen, die schon vollkommen glücklich sind, wenn sie nicht vollkommen unglücklich sind.
Danny Keye
90303
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Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von 90303 »

Puh.
Offiziell habe ich die Diagnose gar nicht. Und auch erst durch dieses Forum (und einige andere Anstöße) wurde mir bewusst, wie vielschichtig Depression sein kann, wieviele Ursachen und Auslöser es gibt.

Bei mir würde wohl die "kuschelige" Kindheit zutreffen - einerseits. Denn andererseits habe ich von Kindheit an Ausgrenzung erfahren, konnte damit wohl nie richtig umgehen und wählte meinen Weg der Überanpassung. Kenne mich eigentlich nur melancholisch oder merkwürdig überdreht, auffallen wollend. Dass es ein Problem gab wurde offensichtlich durch meine Magersucht. Davon wollte ich lange nicht lassen. Dass das alles irgendwie zusammenhängt, auch Essstörung wohl nur ein Symptom und kein (nicht nur) Auslöser war, begreife ich zwischenzeitlich. Trotzdem frage ich mich oft: Hätte ich in meinen Therapien früher mehr begriffen - wäre ich dann Heute (wo-)anders?
Jetzt halte ich die Depression glaueb ich aufrecht, durch das Gefühl unglaublich viel verpasst zu haben, durch Stress, dem ich mich oft nicht gewachsen fühle, ja auch durch vergleichen, die Frage, die ich weiter oben gestellt habe und Scham über Vergangenes. Ich denke also DEN Auslöser gibt es schon lange nicht mehr.
Fabelwesen
otterchen
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Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von otterchen »

Ach herrje.
Ich habe gerade den Gedanken, Euch alle mal knuddeln zu wollen.

Echt keine günstigen Voraussetzungen für einen Start ins Leben... wahrlich nicht.
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Mooseba
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Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von Mooseba »

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Zuletzt geändert von Mooseba am 18. Sep 2020, 18:06, insgesamt 1-mal geändert.
_________________________

"Wenn man aus einem protestantischen Land kommt, ist man immer etwas beschämt, wenn man bei der Arbeit nicht gelitten hat."

(Lars von Trier)
Cloud59
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Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von Cloud59 »

Hallo otterchen,

bei mir ist es der ganze vorletzte absatz von dir mit ....verluste, scheidung,...usw..
Dazu ein traumatisches erlebnis, das sich auf meine familie sowie meine arbeit auswirkte. erst funktiinierte ich noch. Nachdem etwas ruhe einkehrte, kam mein
1. Zusammenbruch.

Meine kindheit, da weiss ich nicht, ob sie mit reinspielt. Mein vater war streng, hat aber nicht geschlagen. Meine mutter, na ja ... Darüber denke ich nicht nach bzw. ist nicht viel da in meiner erinnerung. Später erfuhr ich, dass sie depressiv ist bzw. war. Mein verhältnis zu ihr war eher unterkühlt, was wohl auf ihre depression zurückzuführen war.

Meine probleme begannen mit meiner scheidung, die von mir aus angestrebt wurde.

Schuldgefühle wegen meiner 2 kinder, denen ich die unbeschwerte kindheit durch die scheidung kaputt gemacht hatte. Diese wurden verstärkt durch vorwürfe seitens meines exmannes und seiner eltern und dadurch, dass meine kinder darunter litten. Mein ganzes weiteres leben empfinde ich als verpfuscht, alles durch meine schuld.

Mein harmoniebedürfnis, nicht auffallen wollen, korrekt sein wollen, gerechtigkeitsfimmel, bedürfnis gebraucht zu werden, gewissenhaftigkeit, nicht aus dem rahmen fallen, wahrheitsliebe, all dies macht es mir schwer, die depression endgültig hinter mir zu lassen.

Lg cloud
Sieglinde1964
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Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von Sieglinde1964 »

Kann sein, dass meine Depression auch von der Kindheit schon herrührt. Ich war als drittes Kind nach zwei Brüdern auf die Welt gekommen, nicht geplant natürlich. Vater Alkoholiker und cholerisch, wenn er besoffen war. Ich musste immer nur funktionieren als zunächst einzigstes Mädchen (meine Schwester wurde 8 Jahre später erst geboren). Ich wurde in diese typische Mädchenrolle gepresst. Mit meinen Belangen nicht ernst genommen.
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von otterchen »

Hallo Ihr Lieben,

vielen Dank für jeden einzelnen Beitrag!
Ich habe leider gerade keine Zeit, um einzeln darauf einzugehen, aber irgendwie machen mich Eure Worte mehr betroffen, als wenn ich von aktuellen Problemen höre... weiß auch nicht.

Ich hoffe, dass dieser Thread niemanden runterzieht oder triggert; ich finde das alles nämlich traurig bis grausam.
Doch andererseits ist der Blick zurück vielleicht auch mal wichtig, um sich bewusst zu machen, wo man heute steht... und was man alles mit sich herumschleppt.

Am liebsten würde ich eine Initiative für einen "Eltern-Führerschein" gründen, Unterricht über Sozialverhalten an Schulen durchboxen usw.

Aber: angeregt durch den Thread von Salomon (vor wenigen Tagen) frage ich mich, wo die Anderen sind, die z.B. durch die Arbeit oder anderen privaten Stress oder Schicksalsschläge in die Depression gekommen sind.

Da ich persönlich viel mit dem inneren Kind arbeite, biete ich natürlich oft derartige Lösungsvorschläge an - die wären da ja total unangebracht.

Was ich aber auch gerade erst deutlicher sehe, ist, dass einen Schicksalsschläge (ich selbst z.B. habe einen Partner durch einen Motorradunfall verloren) umso mehr aus der Bahn werfen, je schlechter die Startbedingungen waren. Dazu kamen noch Probleme in Partnerschaften und Trennungen - und schon wurde das Häufchen Mensch immer kleiner.

Au man, ich bin gerade sooo froh, dass ich mich in Therapie begeben UND dass ich eine gute Therapeuting gefunden habe.

Ich glaube, heute werde ich den ganzen Tag gedanklich bei Euren Worten bleiben, weil sie mir sehr nahe gegangen sind.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
lae
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Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von lae »

Hallo otterchen,

eine Schwäche im Umgang mit Belastungen ist in unserer Familie leider erblich.

Da es ein Leben ohne Belastungen nicht gibt, bin ich bei unterschielichsten persönlichen und beruflichen Belastungen (auch freudigen) immer wieder zusammengebrochen.

Liebe Grüße

laetitia

"Erkenne dich selbst! - Werde, der du bist!"
(griechische Inschrift)
TanteBia
Beiträge: 8
Registriert: 28. Aug 2013, 14:40

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von TanteBia »

Hallo otterchen;)

hmm,bei mir bin ich mir noch nicht ganz sicher,da ich noch nicht in Behandlung bin. Früher war meine Kindheit der Auslöser, hatte auch eine Postraumatische Belastungsstörung und war nach dem Klinikaufenthalt weiter in Behandlung bis alles wieder in Ordnung war.Das war ca 2007 jetzt haben wir 2013 und ich habe Depressionen und kann nicht genau bestimmen woher sie dieses mal rührt. Wahrscheinlich hängt es auch alles zusammen...wobei ich dacht alles verarbeitet zu haben...
Liebe Grüße
timmie2002
Beiträge: 1706
Registriert: 2. Nov 2012, 13:32

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von timmie2002 »

hallo ihr lieben,

melde mich nochmal zu wort.

meine überzeugung ist, dass depression ind sicher auch andere psychische erkrankungen vielerlei ursachen haben und von verschiedenartigen faktoren hervorgerufen oder beeinflusst werden.

ich habe mir irgendwann mal die frage gestellt, warum es menschen gibt, die mit krisen und konflikten recht gut umgehen können und andere wieder nicht. fragen könnte man auch: warum geraten einige menschen in eine depression und warum andere nicht?

traumatisches erleben im erwchsenenalter mal herausgenommen sehe ich die hauptproblematik doch in den kindheitserfahrungen. ich denke, dass hier der grundstein gelegt wird, wie ich im erwachsenenalter mit konflikten und krisen umghehe.

die depression steht ja im engen zusammenhang mit stresserleben. bei depressiven entsteht stress oft schon bei kleinigkeiten. dies hat wiederum zur folge, dass wir uns in einer art dauerstress befinden, durch den dann eine fehlfunktion in der ausschüttung bestimmter hormone/botenstoffe entsteht.

ach und jetzt artet mei nposting in einen vortrag aus.

aber meine eigenen erfahrungen und das erleben von vielen mitpatienten bstätigt diese kausalität.

glg final
Haferblues
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Registriert: 21. Okt 2012, 12:50

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von Haferblues »

Hallo Otterchen,

über einen Elternführerschein hab ich auch schon nachgedacht. Jeden Pippifax muss man 3 Jahre lernen, aber Kinder misshandeln darf jeder nach Lust und Laune.

ABER: wie will man das regeln???? Zwangsabtreibung bei Nichtbestehen??? Praktisch wird das schwierig bis unmöglich.

Information, schon in der Schule. Konsequent gewaltfreies Verhalten und Kommunikatione lernen von klein auf. Vielleicht. Aber die Kinder gehen nach der Schule wieder heim und haben den selben Mist den ganzen Tag um die Ohren. Wie sollen die Lehrer das vermitteln im bestehenden System???

Ich finde, es hat sich schon viel geändert. Zumindest auf dem Papier haben Kinder heute das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Heute sind Kinder viel informierter. Schon durch das Trash-TV wissen sie, dass es ein Jugendamt gibt. Wusste ich nicht.

Zum Glück ist der Mensch zäh. Er/sie kann in jedem Alter dazu lernen und muss nicht lebenslänglich verzweifeln. Auch die besch.... Kindheit ist mal vorbei. Ich bin z. B. manchmal über mich selbst erstaunt, wie zufrieden ich sein kann. Wenn ich nicht ewig zurück blicke. Ich glaube, das ist ein Hauptgrund für Depressionen: an nicht erfüllbaren Wünschen hängen bleiben. Nicht loslassen können.

Klar, es passieren immer wieder schlimme Dinge. Aber auch gute!!!!!

ganz viele Grüße
Rifka
Lebenskünstler sind Menschen, die schon vollkommen glücklich sind, wenn sie nicht vollkommen unglücklich sind.
Danny Keye
timmie2002
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Registriert: 2. Nov 2012, 13:32

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von timmie2002 »

grau ist alle theorie,

da ist mir eben mein lebensbericht eingefallen. als ich diesn schrieb, war mir vieles im zusammenhang mit der erkrankung noch gar nicht bewusst.

ottercehn fragt nach dem grundstein. ich denke, bei mir liegt er in dem, was ich über meine ersten drei lebensjahre geschildert habe.

wenn ihr interesse habt:

Geburt und die drei ersten Lebensjahre
Es gibt wirklich nicht viel zu berichten. Fotos kenne ich nur eines, das im Besitz meiner ältesten Schwester ist: Meine Cousine steht vor der Haustreppe und hält mich auf dem Arm. Ich schätze, dass ich da schon fast ein Jahr alt war. Babyfotos gibt es nicht. Meine Eltern haben wohl nie fotografiert, obwohl sie einen Fotoapparat besaßen.
Ich erinnere noch mein Kinderbett, weil ich in diesem bis zu meinem sechsten Lebensjahr geschlafen habe- ein weißes Gitterbett. Nach dem Tod meiner Eltern erzählte mir meine Tante einmal, dass sie mit mir sehr viel Mitleid hatte, weil ich so oft allein in diesem Kinderbett stand und sich niemand um mich kümmerte. Ob das wirklich so war, kann ich natürlich nicht sagen. Meine Tante kam einmal im Jahr für eine Woche zu Besuch. Somit möchte ich mich auch nicht dafür verbürgen, dass ihre Wahrnehmung der Wahrheit entsprach. Ich weiß nur, dass ich als Kind schon gerne allein war und auch ohne Gefährten wunderbar spielen konnte. Wenn ich davon ausgehe, dass die Psychologie sagt, dass man im Babyalter sehr stark geprägt wird, könnte natürlich ein Fünkchen Wahrheit in der Erzählung meiner Tante stecken.

Aus Schilderungen meiner Mutter und meiner älteren Schwestern weiß ich, dass ich als Kleinkind schon sehr ruhig war und fast nie geweint habe. Ein völlig unkompliziertes Musterkind, mit dem man nicht viel Mühe hatte. Füttern, waschen, windeln und ins Bett legen. Vielleicht mal ein Tutzitutzi. Mehr Aufwand bedurfte es meiner wohl nicht.

Wenn ich in späteren Jahren über meine Kindheit nachdachte, habe ich mich oft gefragt, ob ich als Kleinkind und Baby schon gewusst oder gespürt hatte, dass ich kein Wunschkind war. Nun, Unfälle waren wir alle: Meine älteste Schwester wurde als uneheliches Kind gezeugt und war der Grund, dass meine Eltern geheiratet mussten. Meine Mutter war noch nicht einmal achtzehn Jahre alt. Da meine Eltern damals noch frisch verliebt waren und M. das erste von vier Kindern gewesen ist, denke ich mir, dass meine Eltern sich auf sie gefreut haben und auch stolz auf sie waren, denn M. war immer die hübscheste von uns und wurde sicher schon im Kinderwagen von den Leuten im Dorf bewundert. Das macht Eltern stolz. Nur von M. existiert ein Kinderfoto, das bei einem professionellen Fotografen hergestellt wurde.

K. wurde nur eineinhalb Jahre später als zweites Kind geboren. Die Freude darüber hielt sich sicher eher in Grenzen- zum einen wegen der zeitlichen Nähe zur Erstgeburt und zum anderen wegen der Unverfrorenheit, nicht als Stammhalter zur Welt gekommen zu sein. Denn das wäre an zweiter Stelle ja wohl das mindeste gewesen.

Den Umgang mit dem Kondom müssen meine Eltern in der Zwischenzeit dann doch erlernt und recht ordentlich beherrscht haben. Für weitere fünf Jahre war zunächst Ruhe. Dann erfüllte sich aber mit dem dritten Unfall zumindest der Herzenswunsch nach einem Stammhalter, womit mein Bruder als drittes Kind sich glücklich schätzen konnte, trotz ungeplanter Geburt willkommen zu sein.

Die absolute Katastrophe folgte aber schon zwei Jahre später: Obwohl der Kinderzuwachs endgültig abgeschlossen sein sollte, war plötzlich doch noch ein viertes dieser Art im Anmarsch. Hundsgemein daran war, dass der Fötus bis zum fünften Monat die Strafe Gottes zuließ, als ob da nichts am Wachsen wäre. Tatsächlich erkannte meine Mutter ihren Zustand erst mit den ersten spürbaren Kindsbewegungen. Dass dieses vierte Kind überhaupt nicht mehr erwünscht war, sollte ich als Jugendliche von meiner Mutter selbst erfahren. Das die Beziehung meiner Eltern begleitende Missgeschick ereignete sich ein fünftes Mal. Dem wurde ein Abbruch bereitet, was Mutti zum Anlass nahm, mir zu beichten, dass mein Schicksal wohl das gleiche gewesen wäre, wenn sie die Schwangerschaft rechtzeitig bemerkt hätte. Sie wollte mich damals nicht verletzen, dachte wohl, dass ich mit meinen vierzehn Jahren reif genug war, diese Botschaft zu verkraften. Ich habe aber noch in Erinnerung, wie sehr mir diese Beichte wehgetan hat. Natürlich habe ich das nicht ausgesprochen. Ich war ja schon erwachsen und zeigte meiner Mutter gegenüber Verständnis. Vier Kinder durchfüttern zu müssen, ist ja auch wirklich schwer.

In meiner Phantasie spann ich mir damals zurecht, dass ich schon pränatal einen ausgeprägten Lebenswillen hatte: Ich selber, das im Bauch meiner Mutter heranwachsende Etwas war es, dass dafür gesorgt hat, dass sie die Schwangerschaft erst spät bemerkte. Wenn ich nicht erwünscht bin, muss ich selber dafür sorgen, dass ich leben kann. Eine irre Phantasie- ich weiß. Es steckt aber auch ein wahrer Kern darin. Ich habe früh begonnen, mein Leben selbst zu bestimmen, trotz meines geringen Selbstwertgefühls. Heute schätze ich ein, dass dieser Wesenszug für mich und meine Persönlichkeitsentwicklung sehr wichtig war. Zugleich ist er aber auch eine Marter.


tja, so waren die umstände in meiner familie. es kommen ja noch andere dinge hinzu. ich habe das nur mal gewählt, weil deutlich wird, dass schon die ersten lebensmonate entscheidend sein können.

glg final
FönX
Beiträge: 3370
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von FönX »

Moin otterchen,

sehr interessanter Ansatz, die Ursachen für sich (und für dich) einmal zusammenzufassen.

Bei mir ist es nach meinen bisherigen Erkenntnissen so:

(Langfassung)
Ich bin ADSler, leide also seit Kindheit unter dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Nicht ADHS, sondern nur ADS. Die Hyperaktivität fehlte bei mir, ich war immer der Träumer, der von jeder Kleinigkeit aus seiner Konzentration abgelenkt war. In den 50er und 60er Jahren wurde das i.d.R. nicht behandelt. Ich kriegte ständig etwas hinter die Ohren (buchstäblich Schläge), weil ich nach Stunden immer noch nicht mit den Hausaufgaben fertig war. Wenn ich eine Aufgabe hatte, für die ein Schüler eigentlich zehn Minuten brauchte und ich hatte zwei Stunden Zeit zur Verfügung, brauchte ich exakt zwei Stunden.

Ein unbehandeltes ADS kann zur Entwicklung einer anankastischen Persönlichkeitsstörung führen, was bei mir auch der Fall war.

Meine Eltern waren in erster Linie autoritär. Es kam ihnen aufs Gehorchen an. Widerreden waren nicht erwünscht. Und so habe ich es später immer schwer gehabt, mich gegenüber ungerechten Vorgesetzten zu behaupten.

Die Entscheidung, in den Vertrieb zu wechseln, führte zu permanenten verdrängten Ängsten. Außerdem zwang ich mich diesen Beruf nicht zu beenden, weil ich Alleinverdiener für meine vierköpfige Familie war.

Nach einem schweren falsch behandelten Bandscheibenvorfall, dessen Ursachen ich auch in dem Druck sehe und der zu einer dauerhaften Gehbehinderung führe, hatte ich 2001 erste Depressionen und begab mich nach dem Besuch eines Psychiaters in eine erste ambulante Psychotherapie, die aber sehr oberflächlich und erfolglos war.

Der Gipfel meines inneren Terrors war erreicht, nachdem ich in einem Strukturvertrieb landete. 2004 hatte ich fast nur noch Angst. Wenn das geschäftliche Telefon klingelte oder ein Fax ankam, brach ich fast buchstäblich zusammen, kriegte weiche Knie. Nach einem Kurzurlaub zwischen den Jahren 04-05 war es mir nicht mehr möglich aktiv zu werden. Januar 05 ging ich zu meinem Hausarzt, der mich zum Facharzt überwies, der mir die Diagnose gab.


Jetzt die Kurzfassung mit Ergänzungen:
autoritäre Eltern
liebloser Umgangston, oft abwertend und drohend
nicht getadelt ist genug gelobt
unbehandeltes ADS
permanenter Stress und permanente Überforderung, die ich zehn Jahre ertragen habe

Danke fürs Lesen

Liebe Grüße
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
sonntagsfahrer
Beiträge: 64
Registriert: 28. Aug 2012, 10:11

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von sonntagsfahrer »

o genetische Disposition (beide Elternteile depressiv, haben sich erst spät behandeln lassen) > geprägt durch deren destruktive Denkweisen („nur wer etwas leistet, ist etwas wert“)
o Kindheit: körperliche Schwäche (in den ersten Lebensjahren mehrere Operationen, danach oft krank) > von Eltern umsorgt > als Kind ziemlich unselbstständig u. sehr ängstlich
o Unsicherheit in der Kindheit: über Negatives wurde in Familie nicht gerne gesprochen (Depression Vater, MRSA Oma, Tod Opa) > bei 1. Akutphase erst zu spät an Freunde, Arzt etc. gewandt
o Stress durch häusliche Pflege der kranken Oma
o Vorbildfunktion als große Schwester (seit Schuleintritt immer ein „vorbildliches“ einfaches Kind)
o hohe Erwartungen durch gute Noten & (latente) Hochbegabung > größtenteils selbsterzeugter Stress von klein auf
o fehlende Stressbewältigungsmechanismen
o Persönlichkeitsstruktur: perfektionistisch (im Laufe der Jahre immer mehr Richtung zwanghaft), Angst vor Ablehnung (führte schließlich zu einer sozialen Phobie), vor allem in der Pubertät extreme Selbstunsicherheit (Bedürfnis, aufzufallen vs. Bedürfnis dazuzugehören, viele „typische“ Erfahrungen aus Angst erst sehr spät gemacht), und vor allem seeehr sensibel
o akut: 2x Zusammenbruch wegen Abiturklausuren, anstehendem Abitur & Zukunftsängsten, aber auch wegen des schulischen Umfelds (große Kurse, in denen ruhige Schüler nicht auffallen, Schule mit 1200+ Schülern = relativ anonym)

Entschuldigt die Stichpunktform, aber ein Fließtext überfordert meinen Kopf gerade.
depp71
Beiträge: 128
Registriert: 20. Aug 2012, 23:06

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von depp71 »

Also ich denke, bei mir muss es so um das Jahr 1950 oder 55 losgegangen sein...

Gut, da waren es noch rund 20 Jahre bis zu meiner Geburt, aber ab hier fühlte sich mein Vater (Schreiner) gegenüber seinem jüngeren Bruder (Volkswirt) benachteiligt und von allen zurückgesetzt. Auch muss sich damals schon eine Abneigung gegen Marken entwickelt haben - das spielt aber eine untergeordnete Rolle.

Naja - in der Schule gewinnt man zwar mit der falschen Zahl Streifen auf den Turnschuhen in den 80'ern keinen Beliebtheitswettbewerb, aber man kommt so durch..

Stutzig hätte ich werden können als er, als ich in die 11 Klasse kam, schonmal einen Bafög-Antrag gestellt hat.
War natürlich nix - Augen auf bei der Schulwahl, da gibt's welche mit 13 Klassen.

Eine bodenlose Unverschämtheit: Er musste schließlich schon mit 14 arbeiten!

Naja, wenn man schon kaum Freunde hat, gibt's zum Trost beim Abi eine 1 vorm Komma.
(War zwar nur eine 1,9 aber hab halt das Latinum so mit 4 hingezittert und Englisch + Sport war ich auch nicht die Leuchte... der Rest war OK )

Als ich dann vom Bund zurück kam, war es dann Zeit für den 2. , den richtigen, Bafög-Antrag.

Der wurde leider (zu meinem Entsetzen) auch abgelehnt - und von Vattern (der da ja gewisse Berücksichtigung fand) mit einem Schulterzucken und dem Kommentar: "Naja - er hat ja noch Geld vom Bund bekommen..." kommentiert

Denn: "Ich habe mit 14 Jahren angefangen zu arbeiten..."

Seit dem Tag bin ich dann endgültig zum Klassenfeind mutiert...

Naja, Frauen gab's da auch so ein paar.

Total inkonsequent - erst machen sie Theater, weil man sie den Eltern nicht vorstellt - und später machen sie Szenen weil die sich über die Jahre den Vornamen nicht merken können/wollen...

Einen gewissen Zynismus kann man da echt nicht verkneifen:

Ich hab von Dad auch auch eine übersichtliche Zahl von Tips im Umgang mit Frauen bekommen.
Ich glaub, die bekomme ich fast vollständig zusammen:

"Komm mir bloß nich so früh mit einem Balg an"

"Das ist ja ne' richtige Frau - da können wir nicht helfen - da musst du dir 'n richtigen Job suchen"

(ja,ja ich weiß, nix Uni mit 14....)

"Wenn du ständig mit Professoren-Töchterchen durch die gegend fährst, brauchst du eine Zusatzversicherung"
(->Kein Scherz Insassenunfall)

Nun:

Den ersten richtigen Schub hab ich in dem Zusammenhang bekommen, eine "die blöde Kuh" dann weg war...
("die blöde Kuh"== Normaler Ersatz für Namen, die man sich nicht merken will)

Egal - heute bin ich der Versager, der nichtmal Enkel angebracht hat

Naja, dann geht es mal Jahre so lala - bis es mit der Arbeit Probleme gibt - und ich stürze wieder komplett ab..
Schwer zu erklären.

Aber das Gute: Dad hat auch wieder seine Rolle. Mittlerweile schwer angeschlagen muss versorgt werden. Mutter kriegt's alleine nicht hin..

Aja, hätte da ein gutes Angebot aus einem anderen Bundesland, das erstmal alle Probleme lösen könnte - aber wer kauft dann ein und macht den Hausmeister?


... das waren mal so ein Ppaar Punkte, auf die ich tippe ...
Nini33
Beiträge: 81
Registriert: 18. Jul 2012, 19:27

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von Nini33 »

Otterchen!

Ich will mich auch mal einklinken, obwohl ich sonst im Moment eher still bin im Moment und eher mitlese:

Kindheit:
unerwünschtes drittes Kind
bildungsferne Eltern(Mutter Analphabethin, Vater Arbeiter)
Migrationserfahrung der Eltern
Armut
Gewalt in jedlicher Form
gewalttätiger Alkoholiker als Vater
Mutter als ich 12 war in der Psychatrie, vielleicht wegen Depressionen, inzwischen aber ein Messi
Trennung der Eltern mit 13, Scheidungsrosenkrieg bis 16, 20 Jahre später immer noch hass zwischen den Eltern
Eltern aus kinderreichen Familien, alle Tanten und Onkel ähnlich verrückt, viele Alkoholiker, viel Gewalt
meine Generation: Viele sehr dominant und cholerisch, einige echt durchgeknallte

Auswirkungen in Jugend und Erwachsenenalter:
Essstörung, evtl. auch Depression (keine Ahnung, bin kein Arzt)
Beziehungsverweigerung
Leistungsdenken: Abitur nachgeholt von der Hauptschule aus, Ausbildung gemacht, Studium

Arbeitsleben:
befristete Arbeitsverträge, 3 Umzüge in 10 Jahren, Einstiegslohn, keine finanzielle Sicherheit, Abzahlen von Bafögschulden, Übermaß an Arbeit, Reduzierung der privaten Kontakte bis völliger Rückzug, Konflikte mit einzelnen Kollegen und Vorgesetzten

Zusammenbruch:
nach zwei Schüben, die ich selbst verkraftet habe, war dann der dritte Schub der Auslöser für den Weg in die Psychatrie,
seit 2011 in Behandlung wegen Depression und PTBS

Sorry für die Stichpunkte, anders kann ich es nicht. Da es mir im Moment eigentlich gut geht, kann ich es auch sehr sachlich sehen. Selbst mit meiner Depression kann ich sagen, dass das was ich erreicht habe unendlich viel ist mit dieser Kindheit. Und die Frau in Schwarz ist dazu da, dass ich mich in meiner zweiten Lebenshälfte endlich selbst kennen lerne und mich gut behandle.

Mehr geht leider nicht mehr,
Nini
timmie2002
Beiträge: 1706
Registriert: 2. Nov 2012, 13:32

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von timmie2002 »

puuh,

so viele ähnlich- oder gmeinsamkeiten.

es scheint doch grundlegende muster für die erkrankung zu geben.

glg final
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von otterchen »

Guten Morgen!

Gestern Abend habe ich ein Posting geschrieben - und da war mein Internet weg. Nichts ging mehr.

Hier nochmal meine Worte von gestern:

Vielen lieben Dank an jeden Einzelnen von Euch!

Es macht mich gerade sehr nachdenklich. Viele Menschen haben sowas Ähnliches erlebt, aber haben keine Depression. Vielleicht wurde die Depression nur noch nicht diagnostiziert? Vielleicht erkennen diese Menschen selbst nicht, dass es sich um eine Depression handeln könnte? Vielleicht haben sie andere Mechanismen? Denken und bewerten anders? Verarbeiten die Geschehnisse anders? Verhärten, werden sarkastisch oder zeigen sonstwie der Welt, dass sie sie nicht schätzen?

Letztendlich: wir sehen vom Gegenüber auch erstmal nur das, was er uns zeigen will oder kann. Das, was sich dahinter verbirgt, ist vielleicht sehr, sehr gut versteckt und zugedeckt.

Mir fällt der Text ein von "Bitte höre, was ich nicht sage" - wer es nicht kennt: es ist wirklich lesenswert!
http://tinyurl.com/pqkjfkb


Aber diese Betrachtungsweise ist ja auch nur einseitig. Was ist mit Vulnerabilität vs. Resilienz? Manche Menschen stecken Erlebnisse leichter weg, manche kommen nicht damit klar. Ist sowas einfach nur Glückssache?

Und dann auch noch die Vererbung - oder ist es doch nur das Umfeld, das den Menschen prägt? Hat ein Kind depressiver Eltern eine Veranlagung zu Depressionen, weil es in den Genen liegt - oder weil es die depressiven Verhaltensweisen vom ersten Tag an vorgelebt bekommt?


Was ist mit Lösungsmöglichkeiten? Wo ansetzen? Wie trägt man die Werte in seine eigene Welt? Wie überhaupt holt man sich zunächst einmal das, was man braucht, um das "Früher" hinter sich lassen zu können?


Und schlussendlich - wir scheinen hier ja doch irgendwie "unter uns" zu sein = in Kindheit und Jugend geprägt:
habt Ihr auch den Eindruck, dass es da Hohlräume in Euch gibt, die kaum zu füllen sind?
Wie kann ich es beschreiben? Löcher, Defizite, leere Stellen... Bedürfnisse, nicht erfüllte Erwartungen... sowas in der Art.

Ich habe diese dunklen, leeren Stellen bei mir in einer Imaginationsübung "gesehen". Seitdem habe ich einiges für mich erarbeitet und vieles, vieles selbst aufgefüllt, was mir von früher her fehlte. Dennoch habe ich den Eindruck, dass da immer noch Stellen sind, die ich nicht zu füllen vermag. Dies empfinde ich phasenweise mal mehr, mal weniger.

Ich fühle mich Euch hier gerade sehr verbunden. Und es zeigt mir, wie wichtig es ist, mit Menschen nicht nur über belanglose Dinge oder über die aktuellen Probleme zu reden.

Immer noch sehr nachdenkliche Grüße...
das Thema berührt mich gerade wirklich.


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@ Nini:

bei Deinen Worten fällt mir ein, was mir schon früher dazu durch den Kopf gegangen ist:

ich hätte bei dieser Vergangenheit drogensüchtig werden können, und jeder hätte es verstanden.
ich hätte Alkoholikerin werden können,
ich hätte kriminell werden können,
hätte die Schule abbrechen und auf der Straße leben können,
hätte auf dem Strich landen können, total auf die schiefe Bahn geraten.
Jeder hätte das verstanden.

Aber ich bin NICHT so geworden, und das verdanke ich meinem Wesen oder “innerem Kern” oder wie immer man das nennen mag.

Und für Euch gilt das auch.


Es ist SO schwierig, diese Vergangenheit loszulassen - sie wirklich hinter sich zu lassen, nicht ständig mit sich herumzuschleppen, sondern zu schauen, dass man im Hier und Jetzt Gutes für sich tut.

Ach, und wieder fällt mir was ein:
"man behandelt sich als Erwachsener selbst so, wie man als Kind behandelt wurde". Auf dass wir alle da heraus kommen!
Denn das ist möglich.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Nini33
Beiträge: 81
Registriert: 18. Jul 2012, 19:27

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von Nini33 »

Liebe Final,

ja, alles sehr ähnlich. Ich hoffe, es zieht dich nicht runter?

Aber auch alle auf ihrem eigenen Weg, um es zu bewältigen. Sonst würden sie hier nicht posten und sich mit sich und anderen auseinandersetzen.

liebe Otterchen,

das oder die Löcher... Ich kann dir etliche nennen. Auch ich setze mich daszu mit den inneren Anteilen auseinander, auch wenn ich da erst auf den Anfangsschritten des Weges bin. Von dem her weis ich nicht, wie dieser Weg weiter geht und ob das meine Möglichkeit ist, weiter zu kommen. Mal schauen.

Und
ja, ich bin nicht so geworden. Wenn es an meinem inneren Kern lag: Wer hat diesen in mich hineingelegt? Ist er Persönlichkeit? (Wobei sich die Fachleute glaube ich, auch nicht einig sind, was das ist.) Sind es meine Resilienzfaktoren? Wieso habe ich sie?

Was ist mein inneres Selbst?

Ich hatte unendliches Glück als Jugendliche. Ich hatte die Chance, dass andere Menschen bereit waren, mit mir Alltag zu leben und mir die Familie ersetzt haben. Und: ich wollte raus aus dem Milieu, wollte anderes sein als meine Familie... Und es passte. Beides kam zusammen.
Und ich habe Jesus als Gott kennen gelernt. Andere nennen ihre Spiritualität anders. Inzwischen weis ich selbst da nicht mehr, ich habe meine Schubladen aus meinem Kopf herausgeschmissen, so gut ich kann. Trotzdem glaube ich, dass dieses Wesen, dass von mir als Gott und Jesus bezeichnet ist, für mich ist und das Gott mich angenommen hat. Das hat mich überleben lassen.
Vielleicht weil in mir ein überlebenswille ist. Womit ich wieder bei der Frage bin: Woher kommt das, was ist mein inneres Selbst?

Muss gleich zur Arbeit, lg
Nini
Cloud59
Beiträge: 488
Registriert: 17. Mai 2013, 21:43

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von Cloud59 »

Guten morgen otterchen,

du schreibst, man behandelt sich als erwachsener so, wie man als kind behandelt wurde.

Das ist bei mir nicht der fall.
Ich behandle mich so, wie ich als kind gern behandelt worden wäre.

Und ich denke, wenn es mir mal nicht so gut geht, an die situationen in meiner kindheit zurück, in denen ich mich wohl und geborgen fühlte. Es sind nicht sehr viele, aber sie trösten mich ungemein .

die leeren löcher kenne ich auch. Und die wollen wieder bepflanzt werden. Daraus entsteht was neues. Ich hab mak gelesen, "pflanz blumen an, dann macht sich kein unkraut breit".

Ein neues loch in mir entsteht immer dann, wenn ich mich wieder einmal dazu entscheide, das rauchen aufzugeben. Nach kurzer zeit schreit dieses loch oder vakuum förmlich danach, ausgefüllt zu werden. Ich rede jetzt nicht von den normalen entzugserscheinungen, sondern von diesem eigenartigen loch. Ich kann mir gut vorstellen, dass es durch dieses loch, das nach auffüllen schreit, zu der bekannten suchtverlagerung kommt. Ich hab es bisher leider immer wieder mit zigaretten gestopft..

Dieses loch entsteht meines erachtens daraus, wenn man etwas aufgegeben hat oder sich von etwas trennt, das ein fester bestandteil in unserem leben war. Neugeborene haben da nur leere, denk ich. Dafür haben sie noch etwas mehr von instinkten, die farben ihrer herkunft. Nach und nach verringert sich das eine und das loch wird mehr und mehr aufgefüllt.
Würde dieses loch jetzt immer grösser, das wir fühlen, würden wir wohl mehr und mehr zu einem "unbeschriebenen blatt".

So meine phantasie darüber.

Lg cloud
Haferblues
Beiträge: 1004
Registriert: 21. Okt 2012, 12:50

Re: Wo liegt bei Euch die Ursache der Depression?

Beitrag von Haferblues »

Guten Morgen ihr alle,

boah, ihr seid aber früh auf!!!

Dieser Thread bestätigt mir was ich schon lang vermute: ganz viele Menschen haben ähnliche Kindheitserfahrungen - aber man spricht nicht drüber, weil man sich schämt. Und genau das ist Futter für die Depression. Ich glaube, viele Menschen leiden heimlich. Sie verstecken das oft unter besonders forschem Auftreten. Wer weiß wie viele Menschen gewalttätig sind, weil sie eigentlich Angst haben vor Gewalt???

Otterchen, du erwähnst die leeren Stellen in der Seele. Die hab ich auch. Ich stehe z. B. oft völlig baff da, wenn mich jemand lobt. Ich höre oft: "du bist so souverän!!" Ich schüttel den Kopf innerlich, weil ich mich eher als unsicher erlebe. Ich denke, es ist Glück, wenn mir mal was gelingt. Eigentlich bin ich komplett unfähig. Oder ich kann oft nicht fassen, dass mich jemand wirklich mag. Ich kann es nicht glauben. Ich denke: wenn du mich erst richtig kennst, ist es mit der Liebe vorbei.

Lösungsmöglichkeiten??????

Nini, du hast die Religion angesprochen. Ich glaube, da hast du was gaaaaanz Wichtiges gesagt. Die Religion kann einem Menschen Halt geben und eine Art universelle Liebe vermitteln, die ein paar der inneren Löcher füllen kann. Ich selber bin fürs Christentum eher verdorben, weil katholische Erziehung. Ich habe vor Jahren den Buddhismus für mich entdeckt. Die Aussage "Leben ist Leiden - aber es gibt einen Ausweg aus dem Leid" hat mich angesprochen. Mir gefällt die Idee, dass ICH selbst den Ausweg finden kann, ohne auf einen Erlöser zu warten.

Durch die Beschäftigung mit Buddhas Lehren konnte ich feststellen, dass es in erster Linie MEINE Gedanken sind, die mich leiden lassen. Die Minderwertigkeitsgefühle wurden mir irgendwann eingetrichtert - sie sind die Gedanken meiner Erzieher. Sie sind nicht die Wahrheit. Ich habe gelernt, schlecht über mich zu denken. Ich kann lernen, anders zu denken. Das ist natürlich eine Aufgabe fürs Leben.

Otterchen, ich finde, dieser Thread sollte dir einen Orden einbringen!!! Hören wir auf, uns zu schämen!!!! Es ist NICHT unsere Schuld, dass wir so blöde Erfahrungen haben. Auch nicht zwingend die Schuld unserer Eltern. Die haben selber Schlimmes erlebt. Lasst uns nach Lösungsmöglichkeiten suchen.

Gruß Rifka
Lebenskünstler sind Menschen, die schon vollkommen glücklich sind, wenn sie nicht vollkommen unglücklich sind.
Danny Keye
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