Politisches Statement und Patientenkongress

krimi56
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von krimi56 »

Sehr interessant ist der folgende Artikel

http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 17605.html
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
Salomon
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Liebe Mascha,

vielen Dank für den Link. Das Thema wird leider nur in der Presse diskutiert. Die meisten Unternehmen haben mit psychischen Erkrankungen keine Probleme oder verschweigen es und unternehmen nichts. Die Kosten des Präsentismus (nur Depression) werden auf 20 Mrd. € geschätzt.

Der Produktivitätsverlust, der durch Anwesenheit mit geminderter Arbeitsfähigkeit entsteht, ist aber scheinbar nicht hoch genug. Der Imageverlust wäre viel höher, wenn sie Präsentismus thematisieren würden:

Präsentismus ist die Folge einer Unternehmenskultur, die Mitarbeiter entwertet, die krank sind und im Sinne der Heilung zu Hause bleiben. Diese Mitarbeiter sind nicht belastbar und werden nicht weiter ge- und befördert. Wenn die nächste Entlassungswelle kommt, dann stehen Sie auf der Liste ganz oben.

Es gibt in Unternehmen einen informellen Wettbewerb unter den Mitarbeitern, wer am wenigsten krank ist, wer am wenigsten Urlaub und die meisten Überstunden macht. Agenda 2010 ist auch in Unternehmen immer noch präsent: Kampf den Drückebergern und Leistungsschwachen.

Da hoffe ich auf das Werte-System der Generation Y, die Freizeit und Zeit für ihre Kinder höher bewerten als das Einkommen. Vielleicht werden in jungen Generation dann Mitarbeiter bewundert, die sich um ihre Gesundheit bemühen.

Aber bis diese Vision Realität wird, müssen die Unternehmen an den Krankheitkosten beteiligt werden. Erst dann gibt es ein nachhaltige Umdenken.

Viele Grüße
Salomon
blueray

Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von blueray »

"wenn die tk-krankenkasse meint, dass nicht arbeitslosigkeit krank macht, sondern die arbeit. Dann kann man allen nur raten, meldet euch arbeitslos, dann werdet ihr wieder gesund und tabletten sind auch überflüssig, genau wie therapie, die nicht ausschliesslich auf die arbeit ausgelegt ist.

Was ist mit depressiven hausfrauen? Darf es dann gar nicht geben."

Sehe ich auch so, wie in dem Zitat.
Ich sehe Depressionen auch nicht als Berufskrankheit an bzw. denke nicht, dass nur die Arbeitswelt schuld ist.
Wieso werden dann so viele Leute depressiv, wenn sie in der Arbeitslosigkeit stecken? Keine Arbeit bzw. keine tägliche Aufgabe, keine Struktur begünstigt Depressionen erheblich.
Was ich allerdings durchaus glaube, dass Burn Out gerne als Ersatzbegriff für Depression genommen wird, das klingt besser. Der Burn Out kommt evtl. im Anschluss an die Vorerkrankung Depression.

Wie schaut es eigentlich aus mit Veranlagung sprich Vererbung von depressiven Erkrankungen, gibt es da evtl. auch Ansätze? Kann so etwas überhaupt vererbt werden? Da wären wir ja wieder bei den Störungen der Botenstoffe im Gehirn, dass ist ja bewiesen. Oder doch alles nur durch Erziehung bedingt?

Was ist mit depressiven Kindern? Die gibts ja auch.

Gruß
Salomon
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Liebe/r Cloud und Blueray,

der Gesundheitsbericht der TK kommt zu dem Ergebnis, dass in den letzten 7 Jahren vermehrt Berufstätige psychisch erkranken. Das war vorher anders. Da waren vornehmlich Arbeitslose betroffen. Wie ihr völlig berechtigt anmerkt, birgt auch Arbeitslosigkeit ein hohes Risiko.

Zitat aus dem Gesundheitsbericht:
"Seit 2006 sind die Fehlzeiten unter der Diagnose psychischer Störungen bei Erwerbspersonen damit altersbereinigt um 71 Prozent angestiegen.

Während die bei Erwerbspersonen nachweisbaren Anstiege der Fehlzeiten unter
der Diagnose von psychischen Störungen von 2000 bis 2005 in engem Zusammenhang
mit einer individuell bereits eingetretenen Arbeitslosigkeit und bei insgesamt
ansteigenden Arbeitslosigkeitsquoten beobachtet werden konnten, lässt
sich ein vergleichbarer Anstieg wie bei den Erwerbspersonen in den Jahren von
2006 bis 2012 auch unter Personen nachweisen, die zum jeweiligen Auswertungszeitpunkt als Berufstätige versichert und insofern individuell nicht direkt von einer Arbeitslosigkeit betroffen waren (vgl. Abbildung 38 auf Seite 90).

*******************************************
Unter Berufstätigen stiegen die gemeldeten Fehlzeiten mit der Diagnose von psychischen
Störungen von 2006 bis 2012 um 76 Prozent.
*******************************************

Die Ergebnisse deuten auch 2012
auf eine weiter ansteigende psychische Belastung von Berufstätigen hin."

Viele Grüße
Salomon
Salomon
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Liebe/r Blueray,

ich freue mich über Deine Zustimmung, dass hinter dem Burnout meist eine Depression verbirgt.

Allerdings folgt einem Burnout die Depression und nicht andersherum. Der Burnout ist eine Risikodiagnose, die unbehandelt häufig in eine Depression führt.

Ein Burnout ist nach Diagnoserichtlinie der Ärzte (ICD) keine Erkrankung. Wenn ein Arzt Burnout diagnostiziert, dann nur in Verbindung mit einer anderen Erkrankung, meist einer Belastungsstörung aber auch einer anderen körperliche Erkrankung. Patienten beschreiben häufig körperliche Symptome, hinter denen sich dann eine beginnende Depression verbirgt.

Wer mit Zusatzdiagnose Burnout krank geschrieben wird, fließt immer mit einer anderen primären Diagnose in die AU-Statistik. Burnoutler sind im Durchschnitt auch nur 10 Tage krank. Wer jedoch eine Depressionsdiagnose hat, ist im Durchschnitt 70 Tage arbeitsunfähig (Quelle BPtK).

An der langen Krankheitsdauer der Depression läßt sich auch die Schwere der Erkrankung gegenüber der Zusatzdiagnose Burnout erkennen.

Die Zusatzdiagnose Burnout wurde in den letzten Jahren eingeführt, um besser nachvollziehen zu können, wie häufig ein arbeitsbedingter Erschöpfungszustand zu einer manifesten Erkrankung führt.

In der Öffentlichkeit wird über Burnout diskutiert. Dagegen zeigen die Diagnosestatistiken, dass es eigentlich um Depressionen geht. Während die jährliche Depressionsrate bei 8% liegt (Quelle RKI 2013), wird die Zusatzdiagnose Burnout nur sehr selten gestellt.

Diese Diskrepanz zeigt doch, wie stark einerseits die Depression stigmatisiert ist. Andererseits wie groß der Zusammenthang zwischen Depression und Arbeitswelt gesehen wird.

Viele Grüße
Salomon
blueray

Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von blueray »

Sorry, das kann ich so nicht nachvollziehen und ist mir auch nicht schlüssig, Statistik hin oder her.

Eine Bekannte von mir war wegen Burn Out sehr lange krank geschrieben, hat auch eine ganze Zeit Krankengeld bezogen.

Ich verabschiede mich aus dieser Diskussion

Gruß
Salomon
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Liebe/r Blueray,

schade dass Du Dich einfach verabschiedest. Ich verstehe zwar nicht, wieso Du meine Argumente nicht schlüssig findest, aber es muss ja nicht jeder dieselbe Meinung haben.

Ich wünsche Dir alles Gute weiterhin
Viele Grüße
Salomon
albert
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von albert »

hallo allerseits,

das klingt ja ganz gut, was teils in den Schulen an Sozialarbeit und Unterrichtsthemen gehandelt wird. Ich kenne sogar von der Unternehmensberatung, dass Wert auf soziale Haltung gelegt wird - also weg vom autoritär-geschlossenen hin zum offenen System.

Nur hatte ich selbst wenig Gelegenheit, solchen Wandel mit zu erleben. Dabei habe ich große Teile meines Arbeitslebens als freischwebender Künstler verbracht, sprich Sachverständiger.

Meine Schwierigkeit war das Selbstverständnis zur Arbeit in Unabhängigkeit, wie es die Industrie- und Handelskammer von mir erwartet als Sachverständiger und die Erwartungen von Behördenseite, die in mir einen technisch versierten Zuträger sehen.
Reibungen waren und sind normal.
Als ich auf einer Tagung einem Behördenmann mal sagte, dass ich sowohl als auch arbeite, also die Arbeitsgebiete zweier Behörden abdecke, sagte er nur: "Da werden sie zerrieben."
Also Traumatisierung, Depression oder wie das sog. Fachleute nennen wollen.
Am Ende, heute, da ich die offizielle Altersgrenze zum Rentenalter erreicht habe, sage ich nur noch: raus.
Ich muss außerhalb des Systems arbeiten, oder ich werde auch im vorgerückten Alter mit der Altersweisheit scheitern.

Also richte ich meine Aufmerksamkeit meine Augen auf Möglichkeiten außerhalb des Systems. Da kann ich nur systematisch eine Möglichkeit nach der anderen abklopfen, was gemacht werden könnte.

Für die Politik sind die obigen Vorschläge viel Wind. Ich habe zu zeigen, was konstruktive Arbeit ist, was ich mit meiner Bearbeitung erstellen kann und das stelle ich auf Fachtagungen und in Veröffentlichungen vor.
Eine schlechte Erfahrung ist die fehlende Rückmeldung innerhalb des Landes von Kollegen. Also sehe ich zu, Austausch mit Kollegen im Ausland zu pflegen.
Ein besonderes Übel ist die Abgrenzung zwischen den Behörden, jeder ist auf den anderen im nächsten Haus neidisch, gönnt ihm nichts. Ich bin systemanalytisch ausgerichtet, muss fächerübergreifend arbeiten. Den Neid und die Abgrenzung kann ich mir nicht leisten. Wenn ich das aber sage, werde ich nur dumm angeguckt.

Trotzdem: weiterarbeiten.
Egal wie ich das nenne, ob krankheit, oder Arbeitsdruck, oder Burn-out oder sonstwie:
ich bin hineingestellt mit meinen Eigenschaften, mit Empfindlichkeiten, mit Stimmungsschwankungen, mit Niederlagen, mit Rückschlägen und ich kann nicht anders, als weiterarbeiten - um jeden Preis.

Grüße

Albert
Salomon
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Lieber Albert,

herzlichen Dank, dass Du meine Position unterstützt, dass psychischer Stress im Berufsleben wesentliche Ursache für die Erkrankung Depression ist.

Was meinst Du mit Deiner Aussage:
Für die Politik sind die obigen Vorschläge viel Wind? Hast Du eine bessere Idee?

Viele Grüße
Salomon
albert
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von albert »

Lieber Salomon,

draußen in den Medien gilt nur der Aufreger. Für einen Politiker stellt sich das Problem, wie er mit guter Draufsicht erwähnt wird. Da wird Wind gemacht, Hauptsache, es rauscht im Blätterwald, siehe "Betreuungsgeld".
Wenn es mal brennt, wie in Winnenden oder Erfurt, dann wird ein Trostpflaster gegeben.
Strukturelle Veränderungen sind schwer zu erreichen, oft nur um den Preis von Eroberungs- oder Invasionsstrategien, dass z. B. eine Fachbehörde in eine andere eingegliedert wird. Den Beamten der eingegliederten Behörde wird eine fachfremde Arbeitsthematik aufgehalst und eines Tages sind sie froh, in Rente gehen zu können.
Davor steht eine politische Entscheidung, nämlich die Vernächlässigung und Unterbewertung eines Fachgebietes.

Ich bestehe darauf, fachlich und unabhängig zu arbeiten und bezahle einen Preis: keine Aufträge.
Ob meine Ergebnisse eines Tages Anerkennung finden, weiß ich (noch) nicht.
Das ist die Frage, ob ich Zugang zu Politikern, also zu Entscheidungsträgern finde.

Grüße

Albert
Salomon
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Lieber Albert,

aber es gibt auch strukturelle Veränderungen, die nur durch die Politik initiiert werden können. Zum Beispiel der Ausstieg aus der Atomenergie. Das sind Richtungswechsel, die Signalwirkung haben. Die Enegiekonzerne hätten diese Veränderung aus eigenem Interesse niemals vorgenommen. Jedes Wirtschaftunternehmer wird spätestens wenn es zur AG wird nur noch an seinem kurzfristigen Gewinn gemessen.

Eine Veränderung der Arbeitsbedingungen kann einfach nicht aus den Unternehmen heraus kommen. Der kursfristige Gewinn auf Kosten der Gesundheit der Mitarbeiter ist weit höher als die Kosten, die durch eine Veränderung entstehen. Da helfen auch keine Argumente, dass der Präsentismus 0,88% der Wirtschaftsleistung kostet. Diese Zahlen sind für die Unternehmen nicht greifbar.

Vielleicht helfen wissenschaftliche Argumente aus der Hirnforschung, dass ein entspannter Mitarbeiter weniger Fehler macht, kreativer arbeitet, mehr Loyalität dem Unternehmen gegenüber zeigt, besser mit Mitarbeitern und Kunden umgehen kann. Aber diese qualitativen Vorteile sind leider nicht messbar und brauchen eine große Lobby.

Leider werden die meisten Unternehmen nur noch mit Kennzahle geführt. Messbar muss alles sein. Erst wenn qualitative Werte wissenschaftlich messbar sind, lässt sich ein Return on Invest ermitteln.

Unser Krankheitsleid ist leider nur bedingt messbar und es haftet am Image der Depression immer noch das Vorurteil der Schwäche und Drückebergerei. Wir können nur dann Veränderungen herbeiführen, wenn die Politik regulierend in den Markt eingreift und ein Zeichen setzt.

Viele Grüße
Salomon
albert
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von albert »

Lieber Salomon,

sicher hast du recht, dass strukturelle Veränderungen über die Politik angeschoben werden müssen. Die Energiewende ist dafür Beispiel.
Auf der anderen Seite sehe ich, dass die politische Führung unseres schönen Landes über Jahrzehnte hinweg zugelassen hat, dass in den Institutionen eine gewisse Verhärtung eingetreten ist. Womöglich ist das oben nicht unerwünscht, wenn Probleme nicht bearbeitet, sondern unter den Teppich gekehrt werden.
Das Beispiel kann ich aus meiner Arbeit nennen und ich bin so frei, dass ich das inzwischen öffentlich sage:
man hat geglaubt, den Fischbesatz durch Angelvereine entweder totschweigen zu können, oder durch den Transfer der Fischereibehörden von der Abteilung Landwirtschaft zur Abteilung Naturschutz zu lösen. So ist es verschieden je nach der Koalitionsregierung im Bundesland gelaufen.

Ich arbeite als Sachverständiger für Gewässer und Fischerei und die Industrie- und Handelskammer hält mich dazu an, unabhängig zu arbeiten. Das ist nur ein schönes Wort. Tatsächlich bin ich als Sachverständiger voll abhängig von den Behördenleuten, welche Untersuchungsaufträge vermitteln.

Denn in solchen Fragen gehen die Betroffenen, hier Vereine oder Gemeindeverwaltungen zuerst an die zuständigen Behörden, nicht an freie Auftragnehmer. Man wird ja diese Behördenleute später noch mal brauchen wegen einer Genehmigung.

In den Behörden sitzen Personen, die auf Grund ihrer Durchsetzungsfähigkeit ausgewählt und eingestellt worden waren. Da ist nichts mit Empfindlichkeit - im Gegenteil.

Und ich bin mit meiner Empfindlichkeit am falschen Platz, besonders wenn ich anfange, im Untersuchungsbericht die Dinge beim Namen zu nennen.

Ich lebe im Südwesten, das Bundesland nennt sich stolz das Land der Tüftler und Denker.
So ich mit einer neuen Idee komme in den Dunstkreis einer Behörde des Landes, treffe ich auf Beamte, die ihren Einflussbereich wahren wollen und das Ansehen ihrer Institution aufrechthalten - auch wenn diese jahrelang einen Bereich vernachlässigt hatte.
Man glaubt, das Versäumnis durch besonderen Einsatz von Geld und Personal ausgleichen zu können. Wer diesem Anspruch im Wege steht, wird weggemobbt.

Und wenn ich an die bestehenden Fördermöglichkeiten aus zweckgebundenen Mitteln denke, so muss ich mir vor Augen halten, dass in der Kommission, welche darüber entscheidet, Menschen sitzen, die ich vorher mit einem fachlichen Widerspruch in einem Verband verärgert hatte.

Neues Wissen erarbeiten, das wesentliche Verbesserungen bringt, stößt so auf große Schwierigkeiten. Mehr als einmal habe ich meine Unterlagen zwecks Durchsicht an die zuständigen Behörden gegeben. Einmal habe ich eine konstruktive Antwort erhalten.

Fachlichen und strukturellen Rat zur Verbesserung der eingereichten Publikation erhalte ich fast nur von anonymen Reviewern einer Zeitschrift und das Prozedere ist unglaublich langsam. Das geht Schritt für Schritt im Halbjahrestakt seit 2006.
Einmal hatte ich im ResearchGate, ein internationales Forum zwecks Austausch, ein Posting gesetzt und fast vergessen, als zweiundzwanzig Monate später ein Doktorand in Tasmanien darauf antwortete und mir den wichtigen Hinweis auf eine freeSoftware zur Auswertung gab. Also muss ich meine Ansprüche hier im Land bezüglich Austausch herunterschrauben und zuallererst Austausch mit Ausländern suchen, wenn es sein muss auch am anderen Ende der Welt.

Ich habe mich in dieser Zeit nur arbeitsfähig gehalten, weil ich mir gesagt habe, dass die Isolation ein Teil vom Stillen Kämmerlein ist. Dieses Ausdruck haben wir in der Deutschen Sprache. Er besteht zu recht. Das ist eine Opfersituation. Ich tue aber besser nicht zu viel darüber sprechen, denn das könnte einigen in der Verantwortung stehenden Personen wehtun. Wo doch das Land so viel für die Wissenschaft tut.
Tatsache ist, dass ich mich in den letzten zehn Jahren reihum im Land bei allen Institutionen, die für solche Arbeiten in Frage kommen, beworben habe - ohne Erfolg. Teilweise habe ich nicht einmal Antwort erhalten.

Und wenn ich ein Wort sagen würde -
habe ich ja, aber ich war bisher nur bei den einschlägigen Kreisen eingeladen. Der Vortrag wurde auf der Jahreshauptversammlung des Bundesverbandes Psychiatrie-Erfahrener (BPE) in Kassel gehalten und wurde später im Mitteilungsblatt des BPE gedruckt, schön, er wird von einigen Leuten auch gelesen. Eine Wirkung dergestalt, dass Konsequenzen gezogen würden, sehe ich bisher nicht.
Es wird weitergewurschtelt.

Ich werde diesen Vortrag noch auf meine eigenen Hp stellen und mehr schreiben, was zu sagen ist.

Soviel für heute.

Grüße

Albert
Salomon
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Lieber Albert,

ich kennen dieses Zerissensein aus dem Projektgeschäft. Im Auftrag der eigenen Firma beim Kunden arbeiten bedeutete die Interessen des Kunden gegen die eigene Firma zu vertreten.

Knoten im Kopf? Ja hatte ich, ein ständige Gradwanderung und gleichzeitig war ich getrieben von meinem eigenen Anspruch es auch noch gut zu machen, trotz fehlender formaler Kompetenzen.

"Führen ohne formale Macht" hieß ein Training für diese absurde Aufgabenstellung. Das ist die unklare Struktur moderner Projektorganisationen oder für den Betroffenen die Strafe des verschlagenen Sisyphos.

Lege Dich nicht mit den Göttern an. Wenn Du doch jetzt im Rentenalter bist, kannst Du Dir ein Aufgabe suchen, bei der Du nicht immer wieder denselben schweren Stein ohne Erfolg nach oben rollen musst.

Suche Dir eine Niesche, in der es mehr Wertschätzung für Deine Arbeit gibt.

Viele Grüße
Salomon
albert
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von albert »

"Suche Dir eine Niesche, in der es mehr Wertschätzung für Deine Arbeit gibt."

Lieber Salomon,

Danke für den Hinweis. Ich tue das bereits.

Dein Hinweis auf die Zerrissenheit zwischen Auftraggeber und Arbeitgeber trifft ins Schwarze.
Zeitweise habe ich mit einem Techniker in einer Behörde offenen Austausch gepflegt und dieser hat haarklein negative Ergebnisse aus einem Auftrag, den ich selbst an Land geholt hatte, an seinen Amtsleiter weitergegeben.

Diesem war die Information willkommen und er hat sie als Druckmittel benutzt. Ich war danach in jenem Ort verbrannt.

Die Arbeit gut machen.
Ich stelle hohe Ansprüche an mich selbst. Das ist nicht überall erwünscht, oft soll nur durchschnittliche Leistung erbracht werden. Denn die überdurchschnittliche Leistung wird von Vorgesetzten, leitendem Personal oft als Angriff verstanden.

Eine Person mit narzisstischer Struktur will bewundert werden, tue ich das nicht, wird sie gekränkt sein. Und solche gibt es oft in leitender Position.

Hinzu kommt, dass ich nicht der Typ bin, der fleißig Türklinken putzt. Ich will sachorientiert arbeiten, Probleme von der fachlichen Seite angehen und Lösungen suchen.
Ein Vorgesetzter sieht zuerst seine eigene Position und mögliche Gefahren für sich. Das Problem wird auf der Verwaltungsebene angegangen, als Machtproblem begriffen. Und wenn schon die unbequemen fachlichen Vorschläge auf dem Tisch sind, werden dritte Personen eingesetzt, um Botschaften zu übermitteln. Dem Betrefffenden wird gezeigt, dass der Vorgesetzte Menschen manipulieren kann. Und die manipulierten Menschen gucken mich traurig an, weil sie glauben, nichts tun zu können, außer Befehle auszuführen.

Das gibt ein Arbeitsklima mit Spannungen, lange kann ich es darin nicht aushalten. Und das ist unsere Wirklichkeit. Da kann ich mich lange mit einem Politiker unterhalten, hinterher werde ich auf diese Weise in den Behörden zerquetscht und niemand traut sich dagegen.

Vor mehr als 25 Jahren wurde ich deshalb aus einem Projekt abgezogen und habe gerade noch einen ehrenhaften Abschied aus dem Dienst bekommen. Mir wurde später über einen Personalberater gesagt, dass ich zuwenig Kontakt mit dem Arbeitgeber in der Hauptstadt gehalten habe. Richtig genommen, hätte ich jeden Tag einen minutiösen Bericht schreiben müssen. Denn die Intrige ist mir erst bewusst geworden, als bereits alles gelaufen war. Mitten in der Situation sind es die Kleinigkeiten, von denen ich glaube, dass es unbedeutende Kleinigkeiten sind, aber mit solchen ... wird meine Stellung unterhöhlt.

Das hat sich später wiederholt. Heute weigere ich mich, wieder in solche Situationen zu gehen und ich sage der Politik, in das Gebäude setze ich keinen Fuß mehr rein. Und wenn ich gezwungen würde, müsste ich einen guten Bekannten, einen Freund als Zeugen mitnehmen. Ich kann darauf verweisen, dass ich meine psychischen Schwierigkeiten im Griff habe. Inzwischen verarbeite ich den Stress körperlich, ich somatisiere. Die Folge war ein sechstägiger Klinikaufenthalt wegen einem leichten Schlaganfall. Ich hatte Glück, dass ich schnell eingeliefert worden bin und es sind keine bleibenden Schäden vorhanden. Aber ich muss mich nicht noch einmal solch einem Risiko aussetzen. Das ist meine Botschaft an Politiker und Amtsleiter. Sie können das nehmen oder bleiben lassen.

Ich muss die Politik damit konfrontieren, dass ich bei den jetzt gegebenen Umständen nicht erfolgreich arbeiten kann. Die Nische, die ich bräuchte, muss noch erfunden werden.

Ich sehe keinen anderen Weg:
ich muss mit meinen Arbeitsergebnissen in die Öffentlichkeit. Auch wenn dieser Weg noch um einiges steiniger ist, als alles andere.


Grüße

Albert

PS:
eigentlich ist die angesprochene Nische offiziell existent. Nur sind das heute feste Positionen, mit Verbeamtung, Gehalt, Zusagen für Räume, Personal und Mittel.

Schön und attraktiv, so attraktiv, dass sich Menschen dahin drängen mit spitzem Ellenbogen. Ich habe mit meinem zurückhaltenden Wesen, mit der Empfindlichkeit und dem Anspruch auf hochgestochene fachliche Arbeit keine Chance.
Diese Positionen sind heute von Personen besetzt, die sich berufsständisch organisiert haben und den Nachwuchs selbst rekrutieren. Es ist eine sich selbst rekrutierende Elite mit der Folge, dass das Arbeitsniveau verflacht. Ich kann nur draußen bleiben. Die Dinge sind bekannt in der Literatur, das kann jeder lesen. Aber niemand nimmt da ernst. Die betreffenden Bücher haben kleine Auflagen, wer liest das schon.
Salomon
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Lieber Albert,

mein Tipp: wenn Du Dir das finanziell erlauben kannst, dann geh doch ganz aus dem Umfeld heraus und versuche nicht weiter die Probleme zu lösen, die Du nicht mehr lösen musst. Dafür ist die jüngere Generation zuständig, das ist aus meiner Sicht Altersweisheit.

Es gibt immer die Möglichkeit, den Weg zu gehen, der aus dem Problemfeld herausführt. Problemfelder die nicht lösbar sind - sei es durch Deine Persönlichkeit - sind einfach nur scheinbare Windmühlen. Es lohnt sich nicht gegen diese Schimären zu kämpfen.

Vielleicht geht die jüngere Generation diese Probleme ganz anders an. Es gibt so viele Stellen, an denen sich ein Engagement lohnt. Mit etwas Distanz kommst Du bestimmt auf kreative Ideen, was Du mit Deiner Zeit und Deinen Fähigkeiten machen kannst.

Viele neue Ideen wünsche ich Dir
Salomon
albert
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von albert »

Lieber Salomon,

ich würde lieber heute als morgen auswandern. Aber jetzt im Rentenalter, wer würde mich da einstellen?
Da müsste ich schon in einer besonderen Qualität gearbeitet haben.
Ob das mal gesehen wird? Weiß ich nicht.

Oben habe ich mal geschrieben, dass ich auf meine Vorlagen eine konstruktive Antwort erhalten habe hier im Land. Das ist ein jüngerer Mensch, so im Alter meiner erwachsenen Tochter und in einer Position.

Immerhin, das wäre wenigstens eine Person als Unterstützer. Ja, jüngere Menschen um mich haben! Ich habe oft gemerkt, dass mir das Freude macht, mit Jüngeren zu arbeiten.

Ich könnte auch in einen Seniorenbund gehen, aber dort hätte ich keine Freude.

Erst mal werde ich so viel Kontakte ins Ausland pflegen wie möglich und sehen, was hier weiter möglich sein wird. Veränderungen kann es immer noch geben. Und eine Veröffentlichung ist stillschweigende Voraussetzung für die Bewilligung von Mitteln.

Eines weiß ich sicher: Berufs-Psychiatrie-Erfahrener will ich nicht werden. Deshalb habe ich mich aus der Arbeit in SHG und Verband zurückgezogen.

Natürlich ist das nervig, die jahrelange Warterei und das quälende Verbessern Punkt um Punkt einer Arbeit. Ich kenne es inzwischen nicht anders, das ist mein Leben und es gibt Menschen in meinem Umfeld, die wissen genau, wie es mir geht. Ändern kann es keiner. Ich kann nur dafür arbeiten, dass es eines Tages besser wird.

Ich habe drei Schritt von mir noch zwei Bücher liegen über mathematische Methoden zur Untersuchung der Hysterese. Beim Durchblättern sehe ich nur Formeln. Und ich weiß eines danach: meine Daten sind noch nicht ausreichend. Wer mal genug zusammenstellen wird, weiß ich nicht. Dann dürfen sich junge Mathematiker daran machen.

So, immer noch Probleme, tut mir leid, dass ich einiges so sehe, wie ich es sehe.
Damit erst mal genug. Ich werde hier jetzt in diesem Thread nicht mehr schreiben. Punkt.

Vielen Dank für deine Antworten.

Grüße

Albert
albert
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von albert »

Lieber Salomon,
ich melde mich noch mal.
Heute morgen fand ich in meiner Mailbox die Einladung zur
24. Tagung Psychiatrische Ethik
„Schuften wir uns krank? Arbeit und seelische Gesundheit“
Kontaktadresse: Sekretariat des Medizinischen Direktors, Zentralbereich Medizin,
ZfP Südwürttemberg.
Bei dieser Tagung werden Vertreter verschiedener Leistungsträger sprechen. Betroffene sind nicht vorgesehen. Es wird also eine Tagung der Professionellen sein.
Ich habe den Text der Einladung als Mailanhang vom Geschäftsführer des Landesverbandes Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg (LVPEBW) erhalten.

Sehe ich mir dein Eingangsstatement an, möchte ich bemerken, dass du dort genau richtig wärest. Ich würde die Einladung an dich weitersenden, verfüge aber keine Mailadresse von dir. Du kannst sie aber vom Landesverband erhalten. Ruf einfach dort an, oder send eine Mail mit Gruß von mir.
Soweit – das wäre auf Landesebene. In Baden-Württemberg gibt es bis heute einen geachteten Landesverband. Du willst beim Patientenkongress auf die Bundesebene gehen. Ich denke mal, das ist ein wichtiger Schritt besonders wegen der jetzigen Situation der Interessenvertretung von Psychiatrieerfahrenen auf Bundesebene. Der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrenen (BPE) ist in ein antipsychiatrisches Fahrwasser geraten, will sagen, meidet bewusst den Kontakt und den Austausch mit Professionellen. Eine Vertretung von Betroffenen auf Bundesebene, die bereit sind, sich mit Profis auszutauschen, fehlt. Bundesweit organisiert sind noch die DGBS und die DDL, die für Betroffene sprechen, die von ihrer Gründungsgeschichte und ihren Satzungen her nur für einen Teil der Betroffenen, hier Bipolare und Depressive, sprechen.
Gerade weil der BPE nur noch bedingt wahrgenommen wird als Interessenvertretung, wird einer Organisation wie der DDL mehr Bedeutung zukommen. Kann letztere in dieser Lücke wirksam werden?
Wer in der Politik ernst genommen werden will, braucht Verbündete. Wärest du in der Lage, Kontakte z. B. zum VDK und zu den Berufsgenossenschaften aufzubauen?
Zu deinem Eingangsstatement:
Ich vermisse einen Hinweis darauf, dass Hochsensible, also Menschen, die prädisponiert sind für psychische Erkrankungen wie Depressionen, andere Schwerpunkte in ihrer Arbeit sehen. Gleichwohl erbringen sie Höchstleistungen bis hin zur Überforderung und bis zum Zusammenbruch. Es wäre hier gut, sich auf entsprechende Fachliteratur zu berufen, z. B.
Georg Parlow, „Zart besaitet. Selbstverständnis, Selbstachtung und Selbsthilfe für hochempfindliche Menschen“, Festland Verlag, Wien.
Ich denke, dass ein Nebeneinander und Miteinander von Normalsensiblen und hochempfindlichen Menschen eine Leistungssteigerung in Firmen und Behörden bewirken kann. Dazu bräuchte es aber die Verbesserung des Arbeitsklimas vor Ort und damit sind wir wieder beim Thema: Schuften wir uns krank?
Wollen wir weiter eine Leistungssteigerung als Menschmaschinen oder setzen wir uns einmal hin und fragen uns, was Menschsein bedeutet?
Die Firma SAP sucht inzwischen bewusst Betroffene mit dem Asperger-Syndrom, engl. nerd-syndrom. Dort ist bewusst geworden, dass es psychisch auffällige Menschen gibt, die besondere Begabungen aufweisen. Auf der anderen Seite können viele Firmen und Einrichtungen mit dem Helfer-syndrom wenig anfangen. Selbst dort wo das Helfen gefragt ist, wie in sozialen Einrichtungen, muss der Rechenstift mitregieren. Wie halten wir das aus? Gibt es einen goldenen Mittelweg?
Das sind die Fragen, die an der Wand stehen.
Ich wünsch dir Erfolg bei deinem Vorhaben.
Grüße

Albert
Salomon
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Lieber Albert,

vielen Dank für Deinen Beitrag. "Hysterese" habe ich eben gegooglt. Großartig mit welchen hoch komplexen Themen Du Dich in Deiner wissenschaftlichen Arbeit auseinandersetzt.

Super, wenn Du Kontakt mit einem jungen Mathematiker aufnehmen kannst, der Dich in Deiner Arbeit unterstützt. Du bringst doch sicher fundiertes, fachbezogenes Wissen mit. Dann ergibt sich bestimmt auch ein fruchtbareres, wertschätzendes Umfeld.

Ich kann verstehen, dass Du Dich aus den SHGs zurückgezogen hast. Der Blick nach vorn ist aus meiner Erfahrung sehr wichtig. Es gab einen Moment im meinem Genesungsprozess, in dem die Erkrankung nicht mehr im Vordergrund stand. Zum Glück!!!

Ich wünsche Dir alles erdenklich Gute und viel Kraft und Erfolg für Deine wissenschaftliche Arbeit. Vielleicht treffen wir uns auf dem Patientenkongress?

Viele Grüße
Salomon
Salomon
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Lieber Albert,

habe Deinen neueren Beitrag erst jetzt gesehen. Muss wohl parallel zu meinem eingegangen sein.

Es ist sehr schwer für unsere Erkrankung eine Interessensvertretung zu finden, die den Mut findet, mit diesen Forderungen an die Öffentlichkeit zu gehen.

Wie oben schon erwähnt, hat die Bundespsychotherapeutenkammer bereits die Forderung aufgestellt, die Depression als Berufskrankheit anzuerkennen. Ein riesiger Schritt nach vorn, da die traditionelle psychotherapeutische Lehrmeinung die Depression als individuelle Krankheit betrachtet hat, deren Hauptursachen in der Kindheit und Familie liegen. Aus meiner Sicht aber auch nicht die geeignete Interessensvertretung, da hier die Interessen der Psychotherapeuten vertreten werden und nicht die der Betroffenen.

Die Gewerkschaften haben dagegen mit Ihrer Antistressverordnung nur weitere Arbeitsschutzverordnungen aufgestellt, die aus meiner Sicht nicht greifen und nicht durchsetzbar sind.

Die oben genannten Forderungen nach Kostenbeteilig würde die Kompetenz und Kreativität der Unternehmen fördern, die eine Unternehmenskultur entwickeln, die weniger stressreich und humaner ist. Hier sind auf jedenfall Expterten gefragt, die diese Massnahmen regulieren und begleiten.

Was nicht geschehen darf, ist das was momentan geschieht. Krankenkassen und Gesundheitsanbieter bieten fragliche Massnahmen zur Stressbewältigung an, die wahrscheinlich keiner wissenschaftlichen Studie standhalten.

Viele Grüße
Salomon
Salomon
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Publikumsbeiträge auf dem Patientenkongress?

Beitrag von Salomon »

Liebe Flora,

ich hatte Deine Antwort ganz übersehen. Ich bitte Dich um Entschuldigung.

Meine Intention habe ich bereits beschrieben. Es geht mir um ein Stimmungsbild in diesem Forum.

Was ich vorhabe? Das hängt sehr stark von der Möglichkeit ab, ob die Konferenz-Moderation Betroffene zu Wort kommen lässt - dies wurde wenigstens bei der letzten Konferenz zugesagt. Dann möchte ich diese Position vertreten.

Schade nur, dass ich aus dem Forum heraus wenig Zustimmung bekomme. Darüber mache ich mir natürlich Gedanken. Ich gehe aber einfach von dem Bestcase aus, dass sich viele nicht zwar nicht äußern, meine Position aber durchaus für diskussionswürdig halten.

Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob die Meinung des Forums repräsentativ für den Patientenkongress ist und dieser wiederum für die 4 Mio. Patienten, die jedes Jahr erkranken.

Liebe Flora oder liebes Forum, war jemand auf dem Patientenkongress,und wurde dieses Thema bereits diskutiert?

Viele Grüße
Salomon
Salomon
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Liebe/r Blueray, liebes Forum,

danke für die kritische Bemerkung zur Dauer des Burnout. Da ist mir leider ein Fehler unterlaufen, bitte um Entschuldigung. Daher nochmals die Links für die Aussagen des BPtKs:

Die Dauer der Burnouterkrankung liegt bei durchschnittlich 26 Tagen, die bei Depression bei 39 Tagen
Quelle: Studie der Arbeitsunfähigkeit Burnout und Depression des BPtk 2012
http://www.bptk.de/uploads/media/201206 ... e-2012.pdf

Stellungnahme des BPtK zu Psychischen Erkrankungen:
http://www.bptk.de/stellungnahmen/einze ... nnung.html

Viele Grüße
Salomon
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Zarra »

Liebe Salomon,

ich bin aus verschiedenen persönlichen Gründen momentan nur sehr sporadisch hier; von daher nur Anmerkungen von meiner Seite aus, keine intensive Auseinandersetzung.

Ich bin wohl eher "unpolitisch" (ob das schlecht ist oder nicht, darüber kann man sicher streiten; doch es ist vorläufig einfach so -). "Politisches" ist oft plakativ und (eben teils auch falsch) vereinfachend; als Ausgangspunkt für Diskussionen können Deine Punkte aber sicher dienen.

Das Arbeitsumfeld und dessen Bedingungen KANN (muß aber nicht) aus meiner Sicht zum Ausbruch oder zur Verstärkung einer Depression beitragen. Das dürfte aber in kaum einem bis keinem Fall der ALLEINIGE Faktor sein! Viele erkranken unter den gleichen Umständen ja auch nicht an einer Depression - z.B. weil sie andere Ausgleichsmechanismen haben, weil sie anders damit umgehen (sehe ich gerade z.B. sozusagen im Rückblick bei ein paar meiner KollegInnen), weil ihr Körper anders darauf reagiert, weil ...

Das heißt nicht, daß die modernen Arbeitsbedingungen gut und unproblematisch sind und ich sie so sehe. Zunehmende Arbeitsverdichtung und Arbeitsdruck, sehr verstärkte Arbeitsplatzunsicherheit bei vielen (Zeitverträge, marktbedingte Entlassungen oder dies als Damoklesschwert, ...), verstärkt geforderte Mobilität, die das soziale Netz schwächt, ... - das sehe ich aber eher als ein allgemeineres gesellschaftliches Problem als ein spezifisch depressionsbezogenes, auch wenn es hier vielleicht häufiger als im Durchschnitt zu Buche schlägt. Und es gibt auch andere Krankheiten, die daraus mit entstehen können. Rhetorisch: Bulimie hat nie etwas damit zu tun??? ... Bluthochdruck??? ...???

Präventionsmaßnahmen: Z.B. ein Vortrag - ... und keiner geht hin, weil er entweder (noch?) nicht davon betroffen ist und es schlicht als Zeitverschwendung empfindet ... oder betroffen ist und sich natürlich nicht outen mag?? ... außerdem: ... vielleicht ist für ein Gießkannenprinzip der prozentuale Anteil von depressiv Erkankenden doch zu gering?? Damit wird dann auch nicht mehr Akzeptanz, sondern nur noch mehr Abgrenzung gefördert. - Maßnahmen gegen die Stigmatisierung, auch Aufklärung (... oh je, auch bei Gebildeten, daß Antidepressiva nicht abhängig machen; ...) wären/sind sicher gut.

Zu Deinem vierten Punkt kommt mir (!) nur die Assoziation von "schönen Worten". - Das mag falsch sein.

Zu 5.: Vermutlich zu plakativ und allgemein. Denn es werden auch andere, z.B. körperliche Vorerkrankungen ausgeschlossen oder mit geringem oder hohem Risikozuschlag belegt. Andere psychische Erkrankungen außer Depression gibt es daneben auch noch. Wie sieht das bei jemand aus, der seit seiner Jugendzeit Diabetes Typ I hat? (Da weiß ich von einer Kollegin, daß dies auch problematisch oder unmöglich ist.) Wie bei einer angeborenen Wirbelsäulenverkrümmung? ... man kann natürlich alles einschließen, doch dann ist vermutlich keiner mehr bereit, die dann sehr hohen Beiträge zu zahlen. Und Depressionen führen nicht bei jedem, aber prozentual eben doch häufig zu Arbeitsunfähigkeitszeiten oder Erwerbsminderung - es hilft auch nichts, dieses Faktum zu ignorieren.

Sinnvoller finde ich begrenzte klare Forderungen, Regelungen: BU-Versicherungen mit Ausschluß von psychischen Erkrankungen bei normalen Beiträgen z.B. für Dachdecker und ähnliche Berufe, weil da in der Regel andere Risiken im Vordergrund stehen (vielleicht geht das ja bereits, keine Ahnung). Nach wieviel Jahren Symptom- und Behandlungsfreiheit kann jemand, der mal an einer Depression erkrankt war, wieder "normal" eine BU- oder private Krankenversicherung abschließen? (Diese dann nicht wieder erkrankenden Fälle gibt es ja auch.) Eventuell auch: Wie hoch kann ein angemessener Risikozuschlag bei Personen sein, die mit Behandlung über Jahre stabil UND - wohl nur mit Überprüfung festzustellen (welcher?!?) - arbeitsbelastungsfähig sind?

Für diese Versicherungsbereiche sollte Depression eben nicht gleich Depression sein, weil es da eben durchaus größere Unterschiede hinsichtlich der Beeinträchtigungen geben kann.

>Was nicht geschehen darf, ist das was momentan geschieht. Krankenkassen und Gesundheitsanbieter bieten fragliche Massnahmen zur Stressbewältigung an, die wahrscheinlich keiner wissenschaftlichen Studie standhalten.
Was meinst Du damit konkret? Ich kann mir so nichts darunter vorstellen, was Du meinst.

Viele Grüße,
Zarra
Salomon
Beiträge: 49
Registriert: 17. Apr 2013, 09:21

Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Liebe Zarra,

vielen Dank für Deine Antwort. Ich dachte schon, Du meldest Dich gar nicht mehr. Aber ich sehe momentan auch, wieviel Zeit das Verfolgen eines Forums kostet.

Deine Bedenken kann ich alle nachvollziehen. Ich bemühe mich redlich, die aktuelle öffentliche Diskussion zum Thema Burnout und Depression zu verfolgen. Dabei erscheint mir alles so unkonkret:

In der Presse wird mehr über Burnout geschrieben als über Depression. Es outen sich immer mehr bekannte Persönlichkeiten als ausgebrannt. Manche bringen sich sogar aufgrund Burnout um.

Ist die Scheindiagnose nun gut oder schlecht für die Depression?

Keine Ahnung - das sind doch alles nur pure Spekulationen. Aber eines ist sicher, seit dem Tod von Robert Ehmke hat sich etwas gewandelt. Das Thema ist öffentlichkeitswirksam und wird nicht weiter verschwiegen.

Ich vermute, dass sich die Erklärung der Erkrankung mit den neuen Erkenntnissen aus der neurobiologischen Forschung verändern wird. Es ist nur die Frage, wie schnell diese Entwicklung verläuft.

Momentan habe ich den Eindruck, es starren alle ängstlich auf die Depression: "Was, wenn sich psychische Erkrankungen weiterhin so dramatisch verbreiten?" Irgendwann lässt sich das Thema nicht mehr bagatellisieren.

Die Arbeitsbedingungen als Ursache zu ignorieren, birgt die Gefahr, dass die Entwicklung nicht gebremst wird.

Änderungsprozesse haben leider immer einen unsicheren Ausgang.

Wäre das nicht ein Traum, wenn wir offen über unsere Erkrankung reden könnten und Mitgefühl und Anerkennung von unseren Mitmenschen bekommen wurden, dass wir diese Erkrankung durchgestanden haben und noch leben? Wäre das nicht wundervoll, wenn wir als wertvolle Arbeitskräfte nach unserer Erkrankung im Arbeitsmarkt wieder aufgenommen würden. Wenn der Arbeitgeber verständnisvoll nach einem weniger belastenden Arbeitsumfeld suchen würde, um unsere Arbeitskraft zu erhalten. Wenn wir das Image hätten trotz unserer Erkrankung durch unser Engagement, unsere Sensibilität, unsere Kreativität, unsere Empathie, unsere Intelligenz gute Beiträge in der Ökonomie leisten können.

Und ein noch größerer Traum, wenn erst gar niemand mehr unsere Erkrankung erleiden müsste.

Auch ich kenne mich mit Berufsunfähigkeitsversicherungen und Berufskrankheiten aus. Aber die Forderungen der Bundespsychotherapeutenkammer sind aus meiner Sicht ein Schritt in die richtige Richtung.

Viele Grüße
Salomon
Salomon
Beiträge: 49
Registriert: 17. Apr 2013, 09:21

Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Liebe Zarra,

als ich gestern die Antwort geschrieben habe, war ich sehr in Eile. Der vorletzte Satz meiner Antwort macht überhaupt keinen Sinn (bitte geistig löschen).

Überlesen habe ich auch Deine Verständnisfrage zu meiner Aussage:
"Was nicht geschehen darf, ist das was momentan geschieht. Krankenkassen und Gesundheitsanbieter bieten fragliche Massnahmen zur Stressbewältigung an, die wahrscheinlich keiner wissenschaftlichen Studie standhalten."

Nach Aussage einiger Experten in Deutschland gibt es keine Präventionsmaßnahmen für die Krankheit Depression. Sofern diese Aussage stimmt ist auch jeder Euro für eine Präventionsmaßnahme herausgeworfenes Geld.

Dagegen bieten die Krankenkassen jede Menge Stressbewältigungs- und Entspannungskurse an als Präventionsmassnahmen an, nur für welche Krankheitsbilder?
Wenn es keine Präventionsmaßnahmen für die Depression gibt, dann sollten die Krankenkassen diese Ausgaben doch lieber sparen.

Solange die Depression keine Stresserkrankung ist, helfen auch Stressbewältigungskurse nicht, diese Krankheit einzudämmen.

Ich verstehe das alles nicht...

Viele Grüße
Salomon
Salomon
Beiträge: 49
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Re: Politisches Statement und Patientenkongress

Beitrag von Salomon »

Liebe Zarra,

Unterstützung erhalten wir bei diesem Thema von der Gewerkschaft verdi.

Verdi hat am 15.5. mit Vertetern der Politik und des Arbeitsschutzes zu diesem Thema getagt. Die Tagungsdokumentation findet ihr

http://sozialpolitik.verdi.de/arbeits-_ ... z-_politik

Sehr interessant der Vortrag von dem Referatsleiter Unfallversicherung Herrn Dr. Moltin. "Mobbing wird als Arbeitsunfall anerkannt, sofern es zum Suizid innerhalb einer Arbeitsschicht führt."

Damit die Depression als Berufskrankheit anerkannt wird, müssen besonders gefährdene Arbeitsbedingungen identifiziert werden:
"bestimmte objektivierbare
Gefahrenlagen besonders gefährdeter Berufsgruppen".

Als Quasi-Berufskrankheit könnte ein durch die Arbeitsbedingungen Erkrankter, die Entschädigungsansprüche gegenüber der Berufsgenossenschafts-Versicherung geltend machen. Hierzu braucht er jedoch die Unterstützung des Arbeitgebers. Aber das dürfte schwierig sein. Welcher Arbeitgeber würde zugeben, dass die Arbeitsbedingungen in seinem Unternehmen psychisch krank machen?

Also bleibt nur die Anerkennung der Depression als Berufskrankheit.

Viele Grüße
Salomon

Viele Grüße
Salomon
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