Ist das der Preis, den wir zahlen?

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Sarah
Beiträge: 496
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Ist das der Preis, den wir zahlen?

Beitrag von Sarah »

Hallo, Ich nehme nun seit sechs Jahren verschiedene Psychopharmaka, mit mehr oder weniger guter Wirkung, und ebenso Nebenwirkungen. Zwei Absetzversuche (unter ärztlicher Aufsicht) sind gescheitert. Und nun dachte ich, ich hätte endlich, endlich mal ein Antidepressivum bekommen, das wirklich hilft. Aber, ich merke jetzt langsam, dass ich mich wie unter einer "Glasglocke" fühle. Ich bin stabiler aber irgendwie auch nicht mehr dabei, nicht mehr interessiert, und fühle mich dadurch nun schon wieder am Abstürzen. Aber selbst das ist mir gleichgültig - ich stehe neben mir. Ist das der Preis? Muss ich das akzeptieren, wenn ich "funktionieren" können will? Und, hat jemand von Euch Erfahrung, kommt man auch wieder mal von den Medikamenten runter? Ich dachte immer, durch die Therapie schaffe ich das, nun frage ich mich, was ich eigentlich dort soll. Wenn sich doch nichts ändert. Welchen Preis zahlen wir? Wie kommt Ihr zurecht? Fühle ich mich irgendwann wieder mal "glücklich" ? Sarah
Sybille Gurt
Beiträge: 4
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Ist das der Preis, den wir zahlen?

Beitrag von Sybille Gurt »

Liebe Sarah, ich muss seit 17 Jahren Antidepressiva (Saroten) nehmen, jeder Absetzversuch war katastrophal bis hin zur Klinik. Wenn es zutrifft, dass Depressionen mit Stoffwechselstörungen des Gehirns einhergehen, braucht man das Medikament, um normale Gefühle empfinden zu können; was Du erlebst, sollte nicht das Ergebnis einer medikamentösen Therapie sein!! Psychotherapie kannst Du nach meiner Erfahrung vergessen. Ich habe immer viel über Depressionen gelesen, um nicht so hilflos zu sein. Lesenswert: Tracy Thompson, Die Bestie. Ueberwindung einer Depression; Peter D. Kramer, Glück auf Rezept; Colette Dowling, Befreite Gefühle, Neue Wege aus Depression, Angst und Abhängigkeit. Uebrigens ist Tafil (Alprazolam) das einzige Medikament, das mir in akuten und schweren depressiven Zuständen hilft, und zwar schnell, aber eben nur für ein paar Stunden. Schreib mal, welches Medikament Du jetzt nimmst! Ich bin im Augenblick auch ganz unten und versuche zu Ueberleben, das wünsche ich Dir auch. Liebe Grüsse von Sybille
Sarah
Beiträge: 496
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von Sarah »

Liebe Sybille, danke für Deine Antwort! Ich nehme auch Saroten, dazu noch Cipramil. In Notfällen noch ein Benzo. Welche negativen Erfahrungen hast Du in der Therapie gemacht? Ich lese auch sehr, sehr viel, wenn ich es kann, ich glaube das hilft mir immer ein Stück weiter. Ich werde versuchen diese Bücher zu bekommen. So wie es mir mit AD´s zwischendurch immer wieder geht, mal sehr lange, glaube ich fast auch nicht mehr daran, davon wieder loszukommen. Ich hoffe, dass Du aus Deinem Tief bald rauskommst - ich sage mir, wenn es geht oft, dass ich bisher immer irgendwann und irgendwie wieder Boden gespürt habe. Die hoffnung nicht aufgeben. Alles Liebe Sarah
Urs Amberg
Beiträge: 31
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von Urs Amberg »

Ich leide seit 7 Jahren an Depressionen. Zur Zeit kann ich nicht arbeiten (bereits seit 2 Monaten). Als ständiges Medikament nehmen ich Quilonorm retard (Lithium). In den 2 Monaten habe ich es zuerst mit Zoloft, dann mit Deroxat versucht, jetzt habe ich mit Efexor angefangen. Ich hoffe, eine Mischung zu finden, ohne wieder Rückfälle zu haben.
renate
Beiträge: 106
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von renate »

Hallo Urs, auch ich leide seit 20 Jahren an Depr. und bin deswegen seit 5 Jahren in EU-Rente. Wenn Dir Dein Arzt Lithium verschrieben hat, dann kannst Du Dir große Hoffnung machen, denn ich weiß von einigen Patienten, daß sie durch LIthium frei von Depr. geworden sind. Da es hauptsächlich zur Vorbeugung dient, ist es wichtig, im Akutfall noch zusätzlich ein gut wirksames AD zu verabreichen. Dein Arzt kennt Dich besser als ich, weshalb ich Dir nicht ein spezielles AD vorschlagen kann, da jedes bei jedem anders wirkt und auch die Nebenwirkungen oft bei jedem anders sind. Ich hoffe aber, daß es Dir bald besser geht und würde mich freuen, wieder was von Dir zu hören. Alles Gute und Kopf hoch - Renate
maria

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Beitrag von maria »

Hallo Urs, warum hast du denn die Versuche mit Deroxat und Zoloft aufgegeben? Hattest du zu starke Nebenwirkungen oder war die Wirkung nicht ausreichend? Und wie kommst du jetzt mit Efexor zurecht? Ich frage deshalb, weil ich gerade auch u.a. Paroxetin nehme (das ist soviel ich weiß dasselbe wie Deroxat) und nicht mit der Wirkung zufrieden bin. Gruß von Maria
sybille
Beiträge: 11
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von sybille »

Liebe Sarah, danke für Deine schnelle Antwort. Laß Dir zunächst erklären, warum ich mich nicht so schnell bei Dir melden kann: der Computer und sein dazugehörender Mensch befinden sich nur stundenweise abends in meiner Wohnung. Ich habe meinen Freund nun gebeten, mir Deine Antworten ausgedruckt mitzubringen; damit ich Dir darauf antworten kann, dauert so alles bißchen länger und ist eher ein Briefwechsel.. Mein Hinweis auf die Nutzlosigkeit von Psychotherapien war nicht differenziert und hat natürlich mit meinen eigenen Erfahrungen zu tun! 2 Jahre Analyse ohne Auswirkung auf die Depression, ebenso Verhaltenstherapie. In diesen und weiteren Gesprächstherapien wußte der jeweilige Therapeut gemäß seiner psychologischen Schule immer ganz genau, warum ich depressiv war und blieb, wenn ich doch nur endlich seine Erklärung dafür einsehen würde.. Vor 17 Jahren bewirkte dann die Einnahme von Saroten praktisch ein Wunder, aber die Wirkung war, was Du sicher auch kennst, nicht andauernd gleich gut. Vor 10 Jahren hatte ich dann das Glück, eine Ärztin zu finden, die nicht lange nach Erklärungen für meinen Zustand suchte, sondern mir konkret half mit der Kombination von Gespräch, Hypnose (als Entspannungstherapie) und Medikamenten. Endlich so akzeptiert, wie ich bin, konnte ich damit ufhören, gegen superkluge Thesen superkluger Therapeuten anzukämpfen und mir selbst zu helfen im Sinne der kognitiven Therapie, indem ich begann, meine Gedanken zu ändern, was mir auch gelang. Ich bin seit über 3 Jahren chronisch krank und habe es geschafft, darauf nicht depressiv zu reagieren. Was ich nicht bedachte, als ich daraufhin unbekümmert das Saroten absetzte, war, daß Depressionen eben nicht nur aus der verzerrten Wahrnehmung der Realität entstehen, sondern auch andere Gründe wie z.B. diverse körperliche Krankheiten, Hormonstörungen haben können, was bei mir sicher zutreffen dürfte. Irgendwann verstärkt dann die depressive Reaktion die ursprüngliche Depression und ein Teufelskreis beginnt, wo man nicht mehr weiß, was Ursache und Wirkung ist. Ich habe gelernt, auf eine körperliche Erkrankung nicht depressiv zu reagieren, aber wie schatft man es, auf Verzweiflung nicht mit Verzweiflung zu reagieren?? Liebe Sarah, ich nehme Dich in den Arm und hoffe, daß Deine Verzweiflung nicht die Oberhand gewinnt. Und glaub' nicht alles, was Therapeuten Dir erzählen. Ich freue mich auf Deine Antwort! Sybille
Sarah
Beiträge: 496
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von Sarah »

Liebe Sybille, schön wieder von Dir zu hören! :-) Ich bin auch chronisch krank, und habe dadurch an "mehreren Fronten" zu kämpfen, ich glaube es läßt sich nicht vermeiden, dass sich die Krankheiten auch gegenseitig beeinflussen. Ich mache ebenfalls eine kognitive Therapie - was aber totale Verzweiflung und Entmutigung, eben in schlechten Phasen (siehe mein erstes Posting) nicht ausschließt. Es ist ein immer wieder neuer Kampf gegen die Krankheiten. Es geht mir wieder etwas besser, ich hatte einen schlimmen Einbruch, mit dem ich so nicht mehr gerechnet habe. Ich hatte immer die Vorstellung, durch die Therapie werde ich eines Tages ohne Medikamente auskommen, d.h. ohne Antidepressiva, da ich sonst schon genug anderes nehmen muss. Ich hielt es für eine "Übergangslösung", im Moment bin ich mir da nicht sicher. Das war auch meine Frage, in diesem Thread - ist es wirklich so, dass man bei den Medikamenten bleibt, oder hat der große Teil der an Depressionen Erkrankten, die Chance wieder völlig gesund zu werden und ohne Medikamente auszukommen? Auf Verzweiflung nicht mit Verzweiflung zu reagieren - Du fragst, wie man das schafft. Ich schaffe es oft nicht und reagiere mit Verzweiflung - aber an anderen Tagen habe ich manchmal auch Kraft und Mut - und die Stimmung in mir "JETZT ERST RECHT !!!!" Was wir schaffen, ist vermutlich es annehmen, so wie es ist, und uns nicht noch selbst zu verurteilen. Und es damit noch schlimmer zu machen. Liebe Sybille, auch ich freue mich wieder von Dir zu hören! Zumal wir einige Erfahrungen gemeinsam haben! Alles Liebe und ganz herzliche Grüße Sarah
sybille
Beiträge: 11
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von sybille »

Liebe Sarah, danke für Deine Antwort! 8-) Zu Deiner Frage, ob wir jemals wieder ohne Medikamente auskommen werden: nach der Lektüre der drei Dir genannten Bücher denke ich, offenbar nicht, da es sich um genetische Dispositionen handelt, für die WIR NICHT können, und bei denen das _passende_ Medikament den krankhaften Zustand offenbar ausgleichen, zumindest aber bessern kann. Das ist die Meinung der biologischen Psychiatrie, die mich überzeugt hat und die natürlich auch erbitterte Gegner hat. Sei lieb gegrüßt von Sybille P.S. Ich würde Dir gern eine separate e-Mail senden, kannst Du mich mal kurz anmailen?
Sarah
Beiträge: 496
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von Sarah »

Liebe Sybille, DANKE, werde Dir mailen ! (sobald es geht) Sarah
Urs Amberg
Beiträge: 31
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von Urs Amberg »

Liebe Maria Als ich nicht mehr arbeiten konnte (ich nahm damals nur Lithium) musste ich ein Antidepressivum versuchen. In früheren Jahren nahm ich schon Anafranil, Seropram und Deroxat ohne spektakuläre Resultate. Darum empfahl mir meine Spezialärztin Zoloft. Da nach vier Wochen kein Erfolg da war, wechselten wir auf Deroxat, da das früher mind. etwas half. Diesmal war nach vier Wochen kein positives Resultat da, daher wechselten wir auf Efexor. Nach 14 Tagen ist noch nicht klar, ob das etwas wird. Ich bin wieder arbeiten gegangen und nehme in der Not Xanax. Beim Lithium habe ich die Dosis erhöht und bin jetzt auf 0.72 eingestellt. Die Nebenwirkungen waren nie das entscheidende Problem. Gruss Urs
Urs Amberg
Beiträge: 31
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von Urs Amberg »

Liebe Renate Ich habe mir vom Lithium eben auch versprochen, dass es mich vor weiteren Depressionen bewahrt. Ich nehme es seit 4 Jahren. Vielleicht war ich zu tief eingestellt (0.54). Jetzt nach Dosiserhöhung 0.72. Kannst du dazu noch etwas sagen ? Gruss Urs
Conny
Beiträge: 30
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von Conny »

Hallo, ich habe bisher nur negatives über AD's gehört, sie machen müde und dick. Nun habe ich hier viel über Lithium gelesen. Ich würde nun gern wissen, ob man von diesem Medikament "aufschwemmt" und ob es müde macht (ich arbeite 8 Stunden am PC, da könnte ich - glaube ich - nicht durchhalten dann). Es wäre schön, wenn ich mehr darüber erfahren könnte, habe keinen Arzt, der mich diesbezüglich gut beraten könnte. Vielen Dank im Voraus...
renate
Beiträge: 106
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von renate »

Hallo Urs, verzeih daß ich jetzt erst antworte. Leider hab ich selbst Lithium noch nicht genommen, weiß aber soviel, daß mithilfe von Blutuntersuchungen der Lithiumspiegel eine bestimmte Höhe haben muß. Die aber kennt Dein Arzt am besten. Wenn Du das Lithium schon solange nimmst, dann müßte es eigentlich schon eine Wirkung zeigen. Aber genau wie bei allen anderen AD's, reagiert jeder anders darauf. Da ich ja selbst auch noch am herumprobieren bin, kann ich Dir nicht sagen, was mir ab besten hilft. Für meine Angst- und Unruhe komme ich momentan mit Stangyl gut zurecht, auch was die Nebennwirkungen betrifft vertrage ich es gut. Sonst kann ich Dir leider auch nur raten, mit Deinem behandelnden Arzt zu sprechen und halt auch weiter zu probieren. Viele Grüße und eine baldige Besserung wünscht Dir Renate
bine
Beiträge: 65
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von bine »

Hallo, ich bin gerade in eine Phase abgerutscht (Diagnose: Endogene unipolare Depression). Bis jetzt habe ich seit 5 Jahren Fluvoxamin in einer dosierung von 200 mg am Tag genommen und kam damit ganz gut klar. Leider hat die Phasenprophylaxe mit Fluvoxamin nicht standgehalten. Da ich neben den anderen Symptomen, die wir alle kennen, auch wieder starke Schlafstörungen habe, hat meine Ärztin mir zusätzlich Insidon verschrieben. Ich spüre noch keine große Wirkung, nehme es aber auch erst seit 4 Tagen (bzw. 4 Abenden). Meine Ärztin empfahl mir über eine Phasenprophylaxe mit Lithium nachzudenken. Sie würde das empfehlen und hat wohl auch einige Patienten, die sehr positive Erfahrungen gemacht haben. Um Informationen für die Entscheidung zu haben, hat Sie mir ein Fachbuch empfohlen. (Autor: Schou, Lithium-Behandlung manisch-depressiver Erkrankungen, Thieme Verlag, 2001, 14,95 Euro). Da ich im Moment nicht einmal entscheiden kann, welche Socken ich morgens anziehen will, kann ich mich auch nicht für oder gegen ein Medikament entscheiden... Hat jemand Erfahrungen mit Lithium? Es ist wohl ein Medikament auf Lebenszeit, oder? Was ist mit dem Händezittern? Ich habe schon etwas Angst davor... Viele Grüße Bine
Roland
Beiträge: 3
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von Roland »

Nur kurz ... hatte vor ein paar Jahren eine mehrere Monate andauernde, schwere depressive Episode, habe etwa ein Jahr lang Antidepressiva genommen. Nach diesem Jahr habe ich sie abgesetzt, ging ca. ein weiteres Jahr gut, dann bin ich wg. äußerer Ereignisse wieder abgerutscht, habe wieder ein knappes Jahr Remergil genommen und bin jetzt seit rund 5 Monaten wieder medikamentenfrei. Keine Absetzprobleme. Rückfälle lassen sich sicher trotzdem nicht ausschließen und Psychotherapie stehe ich auch relativ skeptisch gegenüber. Die bringt nur was wenn der Therapeut, den man hat, wirklich was taugt, und dass man so einen aufstöbert, ist schwerer als man meinen sollte. Trotzdem: Ich war auch "ganz unten", habe einige Tage in der Geschlossenen und wochenlang stationär in der Klinik verbracht. Heute bin ich medikamentenfrei und kurz vor dem erfolgreichen Abschluß meines Studiums.
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