Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

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dolittle909
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Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von dolittle909 »

Hallo,
Meine Fragen an Euch sind ganz einfach und doch so sauschwer:

1. Soll ich in einer schweren depressiven Phase in den Urlaub fliegen (Gruppenreise Italien, Einzelzimmer, mir unbekannte Menschen)? Ich habe große Angst davor, im Ausland in der Psychiatrie zu landen oder ohne jede menschliche Hilfe da zu stehen.

2. Macht mich meine Arbeit krank?

Vor fünf Jahren musste ich einen Urlaub (damals alleine) abbrechen. Noch auf dem Zielflughafen kehrte ich um und flog mit dem nächsten Flugzeug zurück. Das war eine riesengroße Niederlage für mich. Danach war ich ein halbes Jahr in stationärer und teilstationärer Behandlung. Die Diagnose "rezidivierende Depression" habe ich übrigens seit 15 Jahren. Seitdem habe ich diverse Medikamente (derzeit Venlafaxin und Lithium) ausprobiert und diverse Ärzte und Therapeuten verschlissen. Die letzte Therapie hat gerade erst vor einigen Monaten geendet.

Nun hat mich nach einigen Jahren relativer Stabilität (die miesen Zeiten dauerten "nur" ein paar Tage oder ein bis zwei Wochen) die Depression wieder schwer im Griff. Im Grunde bin ich seit sechs Monaten in der Dauerkrise und war schon einige Male so am Ende und verzweifelt, dass ich wieder in die Klinik gehen wollte. Dabei weiß ich, wie schwer es vor fünf Jahren war, dann dort wieder heraus ins Leben zu kommen. Wie ich mich drehe und wende - die Depression lässt mich nicht los. Deshalb hatte ich vor drei Monaten den Urlaub gebucht und gehofft, ich könnte mich darauf freuen. Das habe ich aber bis heute nicht.

Hauptursache für die Krise ist wohl die Arbeit. Nach der Klinik kam ich zum Glück wieder rein und wurschtelte drei Jahre ganz passabel vor mich hin. Ich erfüllte alle Anforderungen. Dann begann eine Phase, in der ich versetzt wurde, viel schlucken musste und am Sinn meines Tuns zweifelte. Im Herbst wechselte ich (auf eigenen Wunsch) in eine Abteilung, in der mich meine Arbeit noch mehr depremierte. Es kam mir alles so technisch und seelenlos vor. Nun konnte ich da nicht mehr weg, ohne mich endgültig zum Sozialfall zu machen. Mir wurde gewahr, dass ich eigentlich die ganzen letzten Jahre nie wirklich zufrieden mit meinem Arbeitgeber und meinen Jobs dort war. Und auch nicht mit der großen fremden Stadt, in der ich lebe. Aber nun kam es dicke. Meine Ärztin hat mir geraten, nichts hinzuwerfen, weil ich eine Krankheit hätte, bei der ich sozial abgesichert sein müsste.

Auch alleine zu Hause fühlte ich mich schon im Laufe des letzten Jahres immer einsamer. Seit der Klinikzeit war ich und wohnte ich alleine, hatte große Angst vor Nähe und doch Sehnsucht danach. Aber es klappte nie etwas, auch weil mein (körperliches) Selbstwertgefühl nicht mehr so war, wie noch vor einigen Jahren. Die Medikamente schwemmten mich auf, mein Körper war mir fremd. Ich hatte vor fünf Jahren eine Beziehung beendet und das nie so recht verkraftet. Damit kam ich einige Jahre zurecht. Aber mir fehlte etwas. Nicht nur tatsächliche Nähe, sondern auch der Wunsch danach, die Hoffnung, der Glaube, den Menschen finden zu können, der mir gut tut. Die Libido ist zudem ein Motor. So betrieb ich alles mit dem Kopf, mir fehlte ein Kompass.

Insofern ist es kein Wunder, dass ich nunmehr ausgelaugt bin. Aber ich sehe kein Türchen, keine Perspektive. Alles ist 1000mal durchdacht. Aber meine Seele schreit zu allem "Nein!" Ähnlich ging es mir vor einigen Wochen, als ich mit ein paar alten Freunden für ein paar Tage weg fuhr. Für einige Tage war es wie früher, alles, was mich derzeit belastet, war weit weg. Zurück in meiner Stadt und meinem Job stand ich wieder alleine da und fühlte mich nur fehl am Platze.

Kann es mir da im Urlaub besser gehen? Und was, wenn ich zurück komme?

Vielen Dank!

dolittle
FSKF
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von FSKF »

Hallo dolittle,

jeder braucht etwas anderes, wenn es ihm so schlecht geht. Ich kann nur von meinen eigenen Erfahrungen berichten, und mir hat es gut getan, mit schwerer Depression zu verreisen.

Es war wie eine Auszeit für mich und während der Tage im Ausland fühlte ich mich fast normal und konnte alles machen, was geplant war.

Allerdings kannte ich ein paar der Mitreisenden schon vorher, das macht bestimmt einen Unterschied, da ich die Gewisseheit hatte, mich während der Reise jederzeit zurück ziehen zu können.

Als ich aber wieder zurück zu Hause war bin ich gleich wieder in den Depri-Modus zurück geswitscht und kurze Zeit später stationär behandelt worden.

Liebe Grüße
Abendstern
Iris
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von Iris »

Da kann dir niemand wirklich einen Rat geben.
Aus eigener erfahrung weiß ich aber wie schlecht es ist wenn man die Depri mit in den Urlaub nimmt.Ich mußte schon öfter Urlaube abbrechen und auch schonmal stornieren.Einmal mußten wir auf der Fahrt umkehren.

Ich fahre seitdem nicht mehr instabil in den Urlaub,man lässt die Depression nicht einfach zuhause.
Und solch eine Reise die du vorhast kann auch sehr anstrengend sein.

In bezug auf deine Arbeit...kannst du dich denn nicht nach einer anderen Arbeitsstelle umsehen ?
Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst.
dolittle909
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von dolittle909 »

Vielen Dank für Eure Erfahrungen!

Auch wenn mir derzeit kein Rat hilft, ja, das ist wahr. Die Alternative zur Stornierung oder Abbruch ist auch nicht schön: Dann ist in meinem Zustand die stationäre Behandlung noch das Einzige, was mir einfällt.

In anderen Krisensituationen hat mir eine Reise gut getan, manchmal sogar eine Wende eingeleitet. Manchmal - auch das - kehrte die Depression mit der Rückkehr zurück. So wie zuletzt die paar Tage mit alten Bekannten, die mir Familie und Heimat boten.

Aber ich habe vor fünf Jahren auch den Reiseabbruch erlebt, der mich so traumatisiert hat, dass ich mich seitdem zu keiner größeren Reise mehr traute. Nur innerhalb Deutschlands, wenige Tage, zu bekannten Orten und Menschen. Ein paar Dienstreisen mit dem Flieger, die zwar klappten, aber mich den Horror von damals wieder im Hintergrund spüren ließen. Diese Angst sperrt ein - so wie die anderen Ängste, die in den letzten Monaten wieder haushoch angewachsen sind. Mit meiner Buchung wollte ich eigentlich die bösen Geister vertreiben - aber die lassen sich nicht abschrecken...

Jobwechsel - das treibt mich schon seit einem Jahr um. Anfangs, weil die große Stadt einfach nicht mein Ding wurde und ich glaubte, wieder mehr in Richtung meiner alten Heimat zu müssen. Dann immer mehr, weil der große Laden, in dem ich arbeite, zu wenig Nestwärme und zu viel Frustrationspotential bot. Ich habe die letzten Wochen auch Bewerbungen verschickt. Aber ich traue mir jetzt gar nichts mehr zu. Erst recht keinen Neuanfang in einem neuen Job und an einem anderen Ort.

Mir ist, als ob ich total resigniert und den Glauben an mich und das Leben verloren hätte. Am Sonntag geht der Flug. Morgen habe ich noch einen Termin bei meinem Therapeuten, bei dem ich nach der Lösung suchen muss, die am vernünftigsten ist.

d.
Czarek
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von Czarek »

:roll:
Zuletzt geändert von Czarek am 3. Feb 2017, 00:22, insgesamt 1-mal geändert.
"Liebe Dich selbst - dann können die andere Dich gern haben"
(Hirschhausen)
dolittle909
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von dolittle909 »

Hallo Hundi,

vielen Dank! ja, genau das war meine Hoffnung, als ich die Reise vor drei Monaten gebucht hatte. Und ich hoffte, dass sich deswegen auch eine Vorfreude oder ein Halt einstellen würde. Neues erleben, neue Menschen erleben, neue Bilder sehen. Aber es kam nie diese Freude auf, immer nur Angst. In anderen Lebensphasen war die Erwartung eher durchwachsen, mal Hoffnung, mal Angst. Da bin ich dann immer los.

Die letzten 24 Stunden waren aber bei mir affektiv so heftig, dass ich sehr daran zweifle, ob es gut und v.a. vernünftig ist, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Nachts Schlaftabletten, tagsüber Diazepam. Sonst wäre ich wohl schon in der Klinik. Das ist kein guter Zustand! Bin ich auf der Reise und geht es mir ähnlich, gibt es keine Hilfe. Kein Arzt, keine Klinik, kein (wirklich) vertrauter Mensch, der meine Verzweiflung abmildert. Und da kommt dann auch die Angst, etwas Unvernünftiges zu tun.

Im Klartext: Angst vor Suizidgedanken. Ich bin zwar derzeit nicht gefährdet, dazu denke ich viel zu vernünftig, aber ich habe seit fünf Jahren Angst, es in einer nicht mehr beherrschbaren Situation werden zu können. Das hatte ich einmal durchmachen müssen... Und dann kann mir ein paar tausend Kilometer weg von Deutschland wirklich keiner helfen.

Ist besch..., ist aber so. So sehr mir mein Selbstschutz oft im Wege steht (diese vielen kleinen Ängste), so sehr stelle ich mir die Frage: Was ist für einen Menschen mit meinen Symptomen das Vernünftige?

Morgen muss ich eine Entscheidung treffen. Mit weichen Knien und zittrigen Händen zum Flughafen und hoffen, es werde schon besser werden, da ist mir das Risiko wirklich zu groß.

Alles Liebe
dolittle
DYS-
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von DYS- »

Hallo Dolittle

Erst mal tut es mir leid, dass Du dich mit solchen Fragen überhaupt beschäftigen musst.

Wie es Dir auf der Reise ergehen wird, kann Dir keiner sagen. Es gibt Menschen, die besonders in der Fremde völlig abstürzen. Mir geht es meistens auf Reisen etwas besser. Aber auch nur wenn ich alleine reise. So eine Gruppe mit fremden Menschen würde mich etwas ängstigen. Aber man muss ja nicht die ganze Zeit mit den Leuten zusammen sein.

Ich wünsche Dir eine Entscheidung, die dich zufrieden stellt.

Gruß dys
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
elas
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von elas »

Hallo lieber Doolittle,


es berührt mich sehr, dass es Dir derzeit so schleckt geht.
Die Sch.... dampft ja wirklich an allen Ecken und Enden.

Zum Einen fehlt Dir so sehr eine Partnerin, Sehnsucht nach Nähe und Verständnis, nach Körperlichkeit. Eine gut funktionierende Beziehung könnte sicherlich Einiges abpuffern an Frustrationen jeglicher Art.

Iss aber derzeit nicht. Du weißt, dass Du diesbezüglich nicht der Einzige bist.
Zumindest mir fehlt diesbezüglich auch Vieles.

Mit Deinem Beruf, Deiner Arbeitsstelle.
Nun, dort, wo Du arbeitest, in dieser großen Stadt, das ist in gewisser Weise schon eine seelenlose Maschinerie. Auch vom Gebäude her.
Da lässt es sich schon mal schnell einsam und verloren fühlen, vorallem, wenn einen das Seelentief eingeholt hat.
Dass Du Deinen Job trotz Depris wirklich gut machst, das weiß ich.

Vielleicht ist es wirklich eine Option, dieses Andenken von Veränderung, vielleicht in Richtung ehemaliger Heimat, wo alles gemächlicher vor sich geht, sich vielleicht nicht soviel Einsamkeit im Äußeren einstellt?
Lass Dir Zeit mit den Überlegungen und Entscheidungen.

Und nun die Idee, eine schöne Reise zu buchen, nach bella italia, um aufzutanken etc. etc.

Meine VorschreiberInnen sagen ja schon, es kann so oder so werden.
Neue Eindrücke, nette Menschen, könnten Dich vielleicht gut aufbauen.
Andererseits könnte es auch so aussehen, dass Du im "desolaten Zustand", die Reise gar nicht richtig genießen könntest.

Zu mir selber. Mit zu starken Ängsten und Befürchtungen, da kann ich nicht verreisen, also sprich, wenns mir sehr schlecht geht.
Wenns durchwachsen ist, mit Bedenken aber zwischendrin mit Zuversicht, haben solche Gruppenreisen mir immer ganz guten Input gegeben.

Dass Du nicht unbedingt wieder in eine Klinik möchtest, weil danach der Übergang in die Arbeits-und Private Welt wieder sehr schwer werden kann, das kann ich sehr gut nachvollziehen.

Vielleicht ist momentan einfach nur wichtig, dass Du von Deinem ungeheuren Stress-und Anspannungs_Level wieder runterfinden könntest?
So wäre es bei mir eine Option.
Was könnte Dir da helfen?

Ich wünsche Dir gute Entscheidungen, lass sie uns wissen, wenn Du möchtest.
Und bedenke, Du bist nicht ganz alleine mit solchen Probs.


Ganz herzlich
Selas
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dolittle909
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von dolittle909 »

Liebe Selas,

in Deinen Worten spüre ich viel Mitgefühl und vor allem viel Verständnis, das sich aus ähnlichen Erfahrungen und Gefühlen speist. Danke! Vor allem Deine Beschreibung meiner Stadt und meiner Arbeit trifft genau meine Empfindungen. So als ob das Gebäude kennst, in dem ich arbeite. Und meine Selbstdisziplin und meinen Perfektionismus, mit dem ich meine Arbeit mache.

Heute war ich bei meinem Therapeuten und er hat versucht, mir Mut zu machen, indem er noch ein paar mögliche Sicherheitsseile nannte. Aber mein Magen verkrampfte sich nur. Dann gab er mir mit auf den Weg, ich solle gut für mich sorgen.

Und das muss ich. Wenn ich Angst davor habe, in der Fremde so verzweifelt so sein, dass ich Suizidgedanken nicht mehr kontrollieren kann, dann ist das eine ernste Sache. Klaro, ich will leben, habe einen Lebenswillen. Aber den sollte ich nicht zu sehr auf die Probe stellen. Denn ich habe in den letzten 15 Jahren einige Gratwanderungen erlebt und dabei war mir immer klar: Wenn Du an Dummheiten denkst, wenn Dein Leben in Gefahr ist, musst Du in die Klinik! So war das dann auch erstmals vor fünf Jahren. Ich konnte nicht mehr auf mich aufpassen. Und wenn mir das tief im Ausland passiert, dann habe ich ein gefährliches Problem.

Ein Tritt in den Hintern wäre dagegen angebracht, wenn ich meinen kleinen Alltagsängsten ausweiche. Da bräuchte ich Disziplin. Da traue ich mich nicht, die Frau, die mir gefällt, in der Straßenbahn anzusprechen. Oder meine neuen Nachbarn. Oder einen Bekannten anzurufen. Ich kann Reden vor 1000 Leuten halten, aber da kneife ich.

Morgen früh werde ich stornieren. Dann werde ich mit dem Zug (Auto fahren kann ich in meinem Zustand nicht) zu meiner Mutter fahren, damit ich nicht alleine bin. Es ist mit ihr nicht immer einfach, aber sie passt auf mich auf.

Wie ich das und mein Gefühl, nicht am richtigen Platz zu sein und keine Zukunft zu sehen, verarbeite, das weiß ich noch nicht. Erst mal muss ich mich um mich sorgen.

Vielen Dank!

dolittle
elas
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von elas »

Guten Morgen @all,

doolittle Du schreibst, Dein Thera meinte
>ich solle gut für mich sorgen.<

Und das machst Du in meinen Augen nun mit Deinen Entscheidungen.
Viele Menschen stornieren Reisen, weil sie eine Grippe gekriegt haben, sich ein Bein gebrochen haben.....deswegen boomen ja die Reiserücktrittsversicherungen *lach*

Vielleicht könnte es Dir wirklich gut tun, Dich von Deiner Frau Maman mal schön bekochen zu lassen, vielleicht ist es eine kuschelige Kleinstadt, in der Du gerne bummelst und mal einen Kaffee trinkst, ohne Dich "einsam" zu fühlen.
Vielleicht gibt es eine Therme, in der Du Deine Seele baumeln lassen kannst, vielleicht mit ein paar Massagen,
oder Du fährst mit dem Fahrrad herum und genießt das herrliche Grün des Frühlings.

Doolittle, ich weiß nicht, ob Du es noch auf`m Schirm hast , wir wissen ein wenig voneinander durch unsere (meine ehemalige) Mitgliedschaft in der DDL!

Ich kann Vieles gut nachvollziehen, und wünsche Dir jetzt Tage, an denen Du ein klein wenig zur Ruhe kommen kannst.

Herzlich
(S)elas
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Iris
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von Iris »

Ich finde das eine gute entscheidung die Reise zu stornieren.
Wer weiß wie es dir ergangen wäre.Es könnte gut gehen,aber auch nicht.

Versuche es nicht als Niederlage zu sehen,sondern als Chance erstmal mal wieder etwas ins Lot zu kommen.
Ich habe vor zwei Jahren,genau wie du,ein richtiges Trauma erlitten,als wir auf der fahrt in den Urlaub umkehren mußten,weil ich so heftige Panikattacken hatte.
Seitdem ist das eine Sache die mir sehr zu schaffen macht.Ich habe es ständig im Kopf.
Das ganze hat mich sehr zurückgeworfen.
Nun muß ich wieder in kleinen Schritten üben.

Erstmal nicht so weit und nur mit dem eigenen Auto.
Vielleicht wäre das für dich auch erstmal eine option.
Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst.
dolittle909
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von dolittle909 »

Hallo!

Erst einmal haben mir Eure Erfahrungen und Euer Zuspruch bei der Entscheidungsfindung sehr weiter geholfen! Das war wirklich viel wert! Danke!

Soeben habe ich storniert.

Sch... Mir ist zum Kotzen zumute und doch etwas erleichtert. Ich bin wirklich geübt darin, immer hart an der Angst entlang zu kämpfen. Nicht der Angst vor bestimmten Ereignissen, sondern der Angst vor den Untiefen meiner Gefühle. Aber diese Reise alleine, wenn auch mit einer (mir unbekannten) Gruppe Alleinreisender, das war eine Nummer zu groß. Jedenfalls in der gegenwärtigen Krise. Deshalb hatte ich mich auch nie auf diese Reise gefreut, hatte immer Angst davor. Hoffte wochen- und monatelang, es würde sich wenigstens zeitweise ein bisschen Vorfreude einstellen. Aber jede Post vom Reiseveranstalter hatte in mir neue Angst ausgelöst. Es war zu viel.

@Iris: Zum Glück bin ich mit solchen Erlebnissen nicht alleine! Der Abbruch vor fünf Jahren hatte mich auch traumatisiert, ja. Vorher bin ich ein halbes Dutzend Mal alleine verreist. War nie toll, tat aber insgesamt trotzdem gut. Seit dem Abbruch vor fünf Jahren traute ich mich nicht mehr. Nur einmal war ich im Ausland. In Dänemark. Dabei wollte ich immer mal noch zum Grand Canyon... Das ist ganz schön bitter. Nun erneut. Da habe ich noch viel Arbeit vor mir. Das ist ähnlich wie mein Beziehungstrauma vor fünf Jahren.

@Elas: Mir kam zwar Dein Nick sehr bekannt vor, aber ich konnte keine Person damit verbinden, war ja auch mehrere Jahre hier nicht mehr präsent. Aber Deine Schilderung lösten in mir sehr schnell das Gefühl aus, dass da jemand mich, meine Stadt und meine Arbeit kennt. Nun weiß ich auch warum! Seitdem ich in der großen Stadt bin, so lange hadere ich mit meinem Schicksal, merke, dass ich mich im Job mit meinen Fähigkeiten und Stärken nicht richtig einbringen kann. Und die Beziehungslosigkeit hat natürlich auch ganz viel mit Angst zu tun, wodurch der Job nur noch wichtiger wird. Ein paar Jahre konnte ich das austarieren, seit Anfang 2012 kam immer mehr in Schieflage und alle Versuche misslangen, jobmäßig wieder mehr ins Gleichgewicht zu kommen. Dann läuft bei mir an der Beziehungsfront auch nix mehr. Dazu kommen Probleme in der Familie, die die Heimatlosigkeit verstärkten. Und dann dreht sich das Rad...

Ich hätte gerne mit diesem Urlaub einen anderen Schwung hineingebracht, aber das war wohl zu ambitioniert. Vielleicht sollte ich mal doch mit einem Wochenende (alleine) in den Bergen oder am Meer anfangen...

Vielen Dank!

dolittle
elas
Beiträge: 2102
Registriert: 12. Mär 2009, 16:50

Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von elas »

Hi @ all,


ich freue mich, wenn dieses Forum dabei hilft,
Entscheidungen zu treffen, Sich Unterstützung zu geben und Tipps zu erhalten.

Doolittle, ich möchte Iris Empfehlung unterstützen, dass Du diese Absage jetzt nicht als "ein Versagen perse" empfindest, sondern eher als ein rechtzeitiges Erkennen Deiner Befindlichkeit, und dass urlaubsmäßig vielleicht derzeit etwas Anderes ansteht.

Dass der Beruf schnell zuviel Raum einnehmen kann, das geht nicht nur Alleinstehenden so.
Es sind definitiv die Anforderungen an den jeweiligen Arbeitsplatz.
Und davon gibt es viele mittlerweile.
Arbeitsplätze mit viel zu vielen Anforderungen an den einzelnen Menschen.

Na, ja, dann bist Du halt derzeit ein wenig in der Schieflage.
Auch damit bist Du nicht alleine auf der Welt.
Auch Schieflagen verändern sich wieder, sobald erkannt.

Vielleicht geht es darum, eigene Grenzen anzuerkennen. Und die Depression, diese Erkrankung weist ja immer wieder auf die eigenen Grenzen hin, die nicht überschritten werden sollten.
Oft geht es auch nur am das Anerkennen der eigenen Bedürfnisse.
Dann bin ich halt nicht nur diese toughe Frau, dieser beruflich so erfolgreiche Mann,
sondern auch innerlich ängstlich, anlehungsbedürftig, schlichtweg erschöpft, bräuchte Zuwendung, Liebe, Anerkennung.

Ich freue mich , dass Du die Person hinter meinem Nick erinnerst.


Selas
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flora80
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von flora80 »

Lieber Dolittle,

ich war ein paar Tage nicht hier unterwegs, deshalb lese ich deinen Thread erst jetzt. Gleich vorweg: Es war eine gute Entscheidung, den Urlaub nicht anzutreten. Wir alle kennen die Empfehlung, nicht zu glauben, Urlaub zu machen würde irgenwie bei Depression helfen... Urlaub, wenn man krank ist, das ist eben kein wirklicher Urlaub.

Ganz unabhängig von Urlaub oder nicht sind mir noch folgende Gedanken zu deinem Posting gekommen:

Du schreibst, dass du Angst vor der Übermacht deiner Gefühle hast. Mir hilft in solchen Situation oft, eine "Brille von Außen" aufzusetzen und mich zu zwingen, rationale Gedanken zuzulassen. Sprich: Ich versuche mir klar zu machen, dass das eben "nur" ein Gefühl ist und das nicht unbedingt die absolute Wahrheit ist.

"Ja, ich fühle das jetzt (ist auch ok!), aber das heißt nicht, dass das wirklich so IST."

"Mein Gefühl sagt mir, dass ..., aber realistisch betrachtet ist es ..."

"Es fühlt sich an, dass meine Situation auswegslos ist, aber ich habe noch ... Möglichkeiten."

Etc.

Das wird dir nicht neu sein, aber manchmal hilft es ja auch, sich an alte Strategien zu erinnern, wenn man gerade tief drin steckt!

GlG! Flora
dolittle909
Beiträge: 296
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Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von dolittle909 »

Liebe Flora,

schön von Dir zu lesen, schön eine vertraute Stimme zu hören! Vielen Dank für Deine Antwort!

Die Hoffnung war halt, mir könnte ein Urlaub gut tun und neue Perspektiven eröffnen. Auch weil es schon mal funktioniert hat. Aber da waren meine emotionalen Zustände eher durchwachsener, weniger heftig, nicht nur Schatten, sondern auch Licht. Und ich hatte kein Abbruchtrauma im Gepäck. Aber bei mir waren die letzten Monate eher zappenduster.

Du hast recht, ich bin sicher den vernünftigen Weg gegangen. Aber ich komme mir trotzdem wie ein Einbeiniger vor, der beide Krücken liegen lassen wollte, weil er glaubte, dann könnte er schneller sein...

Zur rationalen Brille: Du bist vermutlich ein ähnlich rational denkender und handelnder Mensch wie ich. So ein Kontrollbedürfnis ist wahrscheinlich auch ein Überlebensmechanismus, wenn die Gefühle immer wieder mal verrückt spielen. So versuche ich immer wieder, meine Gefühle "einzunorden", ihnen zuzuhören, aber auch mal wegzuhören, wenn sie übersteuern. Wenn es ganz arg wird, dann schalte ich auf "Kopfsteuerung". Ist trotzdem scheußlich, wenn mir sterbeelend ist, aber die beste Möglichkeit, gerade nicht elendiglich zugrunde zu gehen.

Meine große Angst war deshalb eine Situation, in der ich nicht mehr (rational) handlungsfähig bin. In der die Qual übermächtig wird. Und dann wird es sehr gefährlich. Erlebt habe ich das noch nie, aber die Angst davor ist Todesangst. Und so quälend diese Angst ist, sie schützt mich, lässt mich Hilfe suchen, so wie hier.

Ein anderes Thema ist die Kunst, auch mal die rationale Brille wegzulassen. Da bin ich ganz schlecht drin. Aber das ist ein eigenes Kapitel.

Allen alles Gute!

dolittle
flora80
Beiträge: 3620
Registriert: 24. Mär 2003, 18:48

Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von flora80 »

lieber dolittle,

die Angst vor dem Kontrollverlust ist schwer auszuhalten, ich kann dir da leider auch keinen hilfreichen Rat geben...

Worüber ich aber nachdenke ist, wie sich die Situation für dich verbessern ließe. Du schreibst ja, dass es dir schon länger schlecht geht und du vor allem mit deinem Leben in der großen Stadt und deinem Job nicht gut zurecht kommst. Das sind ja die eigentlich wichtigen Punkte. Wie kannst du es schaffen, dass es dir wieder besser gehen kann, was brauchst du für dich, etc.?

Vielleicht helfen dir die Tage in der Heimat, wieder etwas klarer zu sehen, wie es weitergehen soll. Manchmal hilft ein Ortswechsel, um neuen Mut zu fassen und Veränderungen anzugehen.

LG, Flora
dolittle909
Beiträge: 296
Registriert: 14. Sep 2008, 18:00

Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von dolittle909 »

Liebe Flora, liebe Anderen,

das wissen wir ja alle (hoffentlich): Droht Kontrollverlust, dann aber nix wie Abmarsch und Hilfe holen oder suchen! Darüber reden. Nicht alleine sein. Notfalls Klinik. Auch der schlimmste Zustand ist "nur" vorübergehend.

Auslöser waren ja bei mir die Probleme im Job. Einem Job, wo ich von Anbeginn gefragt habe, ob ich dort am richtigen Platz bin. Wo Freunde sagten „Das passt nicht richtig zu Dir.“ Nach meinem letzten Klinikaufenthalt habe ich trotz der Frage des dortigen Psychologen „Macht Sie Ihre Arbeit krank!?“ dort weiter gemacht, weil ich auch nichts anderes wusste. Lief es halbwegs, und das tat es ein paar Jahre, habe ich diese Frage erst einmal an den Haken gehängt. Aber ich sagte immer „Ich will dort nicht alt werden!“

Doch das ganze letzte Jahr trieb mich diese Frage immer mehr um. In den letzten Monaten sehr heftig. Je heftiger, umso mehr verrannte ich mich in der Sackgasse aus Verzweiflung, Ungeduld, fehlender Kraft und Orientierungslosigkeit. Und umgekehrt.

Kurz und gut: Ich hatte auch keine Vorstellung, was ich wo Anderes machen könnte, alles schien mir nur noch grau und düster. Und: Wer würde mich schon haben wollen? Damit fehlte mir auch jede Kraft, Veränderungen in Angriff zu nehmen.

Ein paar Bewerbungen habe ich abgeschickt. In meiner wunderschönen Studienstadt, die ich mal verlassen habe, um der Welt das Fürchten zu lehren, habe ich ein Gespräch mit einer ehemaligen Bekannten geführt, die dort ein florierendes Unternehmen hochgezogen hat. Aber das Gefühl von Heimatlosigkeit blieb auch bei dem Gedanken, dort irgendwie anzufangen. Es passte alles nicht, trotz aller Sehnsucht, irgendwie „heim“ zu wollen. Diese Erkenntnis war bitter.

Ist man erst einmal in der Depression gefangen, ist das Selbstvertrauen im A..., kann man Veränderungen nur sehr behutsam und in kleinen Schritten in die Wege leiten. Ein gut bezahlten sicheren Job aufzugeben und hohe Risiken in Kauf zu nehmen ist nix für weiche Knie. Deshalb hatte ich damals in der Klinik entschieden, dort weiter zu machen, wo ich aufgehört hatte. Die Hoffnung dabei war, einmal wieder so stark zu sein, dass ich große Veränderungen in Angriff nehmen könnte. Doch als ich stärker als heute war, da fehlte der Leidensdruck und ich dachte mir „Never change a running system!“ Grundproblem einer depressiven Persönlichkeit im nichtdepressiven Zustand: Die Angst schwelt trotzdem im Hintergrund.

Der Kampf geht weiter!

Liebe Grüße
dolittle
elas
Beiträge: 2102
Registriert: 12. Mär 2009, 16:50

Re: Mit schwerer Depression in den Urlaub fliegen?

Beitrag von elas »

Hi doolittle,

heute klingst Du schon viel besser.
(Blümchen ) Flora, stellt gute Fragen.

Ja., als depressive Persönlichkeit ( es hieß früher "depressive Neurose", )
gibts immer die Fallstricke an den Füßen.

Aber in klareren Momenten auch das Wissen um die eigenen Stärke und das eigenen Könnens.

In einer depressiven Phase
>...ist das Selbstvertauen am A...<
schreibst Du.

Es entspricht letztlich nicht den inneren und äußeren Möglichkeiten.
Du weißt es.

Wenns ganz schlecht ist______ein Spruch meiner letzten Analytikerin_____

se reculier pour mieux sauter.


Sich zurückziehen (schonen, pflegen), um dann besser springen (durchstarten, planen ) zu können.


Herzlich
Selas
________________________________

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