Nichts annehmen können

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jonesy
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Nichts annehmen können

Beitrag von jonesy »

Hallo ihrs,
mich beschäftigt gerade ein Problem und lässt nicht wieder locker.
Es fällt mir unendlich schwer, etwas an zu nehmen. Egal, ob materiell oder emotional.
Bin dann sehr schnell auf Abwehr, hinterfrage innerlich ganz viel und will es scheinbar auch nicht.
Ich bekomme ziemich oft etwas geschenkt und sofort habe ich das Gefühl, ich muss etwas zurück schenken.
Der erste Gedanke, der mich dabei beschleicht, ist nicht etwa, oh schön, sondern vielmehr, was will der oder diejenige damit erreichen.
Erst habe ich gedacht, es liegt daran, von wem es kommt. Aber ne, ist völlig egal.
Ob es der Kuchen von der Nachbarin ist, die kleine Nackenmassage von der Kollegin quasi im Vorbeigehen, selbstgestrickte Socken von einer Freundin, völlig egal was und von wem.
Das allererste und meiste bleibende Gefühl ist Misstrauen und Unbehagen.
Ein Teil von mir, der geringere, freut sich ein bißchen, der größere Teil von mir will das nicht.
So als dürfte ich niemandem etwas schuldig bleiben, oder mich von jemandem abhhängig machen.
Ich möchte mich einfach ganz unbefangen darüber freuen können, ohne alles zu hinterfragen, aber es klappt einfach nicht
Wenn ich Hilfe brauche, z.B. im handwerklichen Bereich, kann ich das nur annehmen, wenn ich dafür bezahlen darf.
Sonst kann ich das nicht aushalten.
Komplimente sind noch schlimmer, ich hab zwar mittlerweile gelernt, meine Leistung dabei nicht mehr herab zu würdigen, sondern ganz brav danke sehr zu sagen, aber lieber wäre es mir , der Andere würde einfach die Klappe halten.
All diese Dinge sind doch positiv besetzt oder sollten es eigentlich sein. Warum empfinde ich dann ganz anders?
Während ich das hier schreibe, werde ich ein wenig klarer in meinen Gedanken. Vielleicht meine ich einfach, ich verdiene so etwas nicht?
Ich rufe auch fast nie jemanden an , wenn es mir schlecht geht. Nicht mal meine Therapeutin.
Es kostet mich einfach zu viel , mich zu überwinden.Dann halte ich aus und aus und aus.
Hat es etwas mit Umkehrung der Macht zu tun?
Wäre ich dann ausgeliefert, ohnmächtig?
Ich weiß es nicht.
Kennt jemand diese Gefühle auch oder fällt euch zu diesem Thema etwas ein?
Diese Gefühle tragen dazu bei, dass ich mich allienmäßig fühle.
Weil mal wieder etwas in meinem Gefühlsleben anders ist als es eigentlich sein sollte.
Gerad komm ich mir doof vor mit meinen Fragen, aber egal. Es kann nur besser werden.
LG v. Pauline
Rudi-Reiter
Beiträge: 448
Registriert: 5. Jul 2009, 00:18

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von Rudi-Reiter »

Hallo Pauline

Ich hab das auch, vielleicht nicht ganz so schlimm wie bei Dir, oder doch?

Ich schäme mich immer, wenn ich etwas geschenkt bekomme und denke,
dass ich das nicht verdient habe, oder so.

Ich schenke gerne, helfe Anderen gerne, aber selber Hilfe anzunehmen
bereitet mir Probleme.

Beispielsweise helfe ich oft bei Umzügen, doch meinen Umzug letztes Jahr
hab ich alleine gemacht und war dann sogar noch Stolz, es ohne Hilfe
geschafft zu haben.

Jemand um Etwas zu bitten fällt mir meistens schwer, ich suche dann oft
nach Auswegen, um das zu vermeiden.


Deine Zeilen trösten mich etwas, ich bin doch nicht der Einzige der so
drauf ist.
Ich möchte Dir jetzt Danke sagen und hoffe, Du kannst das annehmen!



Liebe Grüße
Rudi
_______________________________________

Die Welt und das Leben können schön sein,

wenn ich es wirklich will!
DarkRaven
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Registriert: 14. Jul 2010, 16:27

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von DarkRaven »

Liebe Pauline,

dein Post kann ich 1:1 unterschreiben.
Mir geht es da genau so.

Würde dir gerne meine Gedanken dazu schreiben, aber bin zu müde.
Vielleicht schaffe ich es irgendwann mal.

Aber du siehts - mit dem "problem" bist du nicht allein. Vielleicht hilft das Wissen alleine ja auch schon mal.

Lg, DarkRaven
jonesy
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Re: Nichts annehmen können

Beitrag von jonesy »

Hallo Rudi und DR, ja, so`n bißchen tröstet mich das schon.
Es ist so seltsam, wenn man weiß, welches Gefühl da sein " müsste" , aber nicht da ist. Bin immer noch am denken, wieso das so ist und versuche da rational dran zu gehen.
Aber so wirklich weiter komme ich nicht.
LG Pauline
Rudi-Reiter
Beiträge: 448
Registriert: 5. Jul 2009, 00:18

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von Rudi-Reiter »

Hallo Ihr Beiden!

Nun, da dieses Verhalten anscheinend bei mehreren Menschen auftritt,
muss es ja etwas ***Übliches, Normales*** sein.

Ich vermute es ist irgendein Schutzmechanismus unserer Psyche.

Doch vor was wollen wir uns schützen?

Ich will selbstbestimmt leben, mag nicht abhängig sein.
Ich will niemanden etwas schuldig sein, mir reichen meine eigenen
Schuldgefühle.
Ich mag es nicht, zu etwas verpflichtet zu sein.

Dieses Denken und Fühlen ist mit starken Ängsten, Hemmungen und
weis nicht was noch Allem verbunden.


Ich bin recht durcheinander jetzt, das Thema der nächsten Therastunde
steht jetzt zumindest fest.


LG Rudi
_______________________________________

Die Welt und das Leben können schön sein,

wenn ich es wirklich will!
Hoffentlich
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Registriert: 18. Nov 2011, 09:26

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von Hoffentlich »

Hallo liebe Pauline,

was du beschreibst, ist bei mir genau das gleiche.

Wenn ich etwas geschenkt bekomme, habe ich ein schlechtes Gewissen. Nicht in erster Linie, weil ich denke, ich müsste etwas zurück geben. Ich frage mich immer, warum ich etwas geschenkt bekomme. Das hab ich doch gar nicht verdient. Selbst am Geburtstag, wenn ich etwas ganz Tolles bekomme, grübele ich ständig darüber, warum es so etwas Tolles ist. Ich freue mich über das Geschenk. Trotzdem schäme ich mich immer, wenn das Geschenk zu groß ist. Ich sage dann oft, dass ich das doch nicht verdient hab.

Meine Tochter und auch meine beste Freundin haben mir einmal gesagt, dass sie mir das Geschenk gemacht haben, weil sie mich sehr lieb haben. Da kam sofort die Frage nach dem WARUM. Ich hab doch nichts gemacht.

Wenn ich anerkennende Worte für etwas bei der Arbeit bekomme, ist meine Reaktion immer die gleiche: Das hätte jeder andere ebenso gemacht.

Dazu hat meine Kollegin einmal gesagt, dass sie nicht versteht, warum ich nicht einfach mal stolz auf mich bin. Wenn ich für eine Leistung Anerkennung bekomme, sollte ich doch einfach nur freuen. Sie meint, dass sie das immer tut.

Das alles hat doch mit dem mangelnden Selbstwertgefühl zu tun. Ich weiß das. Aber wie soll ich ohne schlechtes Gewissen dankbar für Geschenke oder stolz auf Anerkennung sein, wenn mich dabei ein schlechtes Gewissen plagt?

L. G.
Ready
katyfel
Beiträge: 1181
Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von katyfel »

Liebe Pauline,

ich bin grade nicht Zuhause, aber mich betrifft das Thema auch, emotional sogar grade ganz besonders...

Aber kennst du Sheldon Cooper aus "the Big Bang Theory"? Dessen Reaktionen zum Thema Schenken haben mich unglaublich zum Lachen gebracht und das grade deshalb, weil er so offen mit diesem "Widerstand" umgeht...

Vielleicht bald noch mal mehr,
Liebe Grüße, Sinfonia
So ist das Leben, sagte der Clown und malte sich ein Lächeln auf
jonesy
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Re: Nichts annehmen können

Beitrag von jonesy »

Hallo Ihrs,
beschäftigt mich immer noch, dieses Thema.
Rudi, mir reichen meine eigenen Schuldgefühle triffts ungefähr.Trotzdem musste ich bei dem Satz lachen.
Ready, es nicht so sehr das Gefühl, ich würde das nicht verdienen, zumindest bei mir nicht. Eher so, was will der denn jetzt damit erreichen?
Sinfonia, habe ich noch nicht geguckt,die Serie, sollte ich vielleicht mal. Eventuell kann ich da noch was lernen.
Misstrauen ist glaube ich, der große Überbegriff, der diese Gefühle auslöst.
LG Pauline
Amy_h_S_
Beiträge: 299
Registriert: 18. Okt 2012, 14:17

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von Amy_h_S_ »

Huhu liebe Pauline,

uuh das ist genau mein Thema… (und hat schon so einige Therapiestunden bestimmt).
Gerade heute habe ich es nur mit Mühe geschafft, mich von der Mutter meiner Freundin kutschieren zu lassen, obschon das nur deshalb nötig war, weil ich den halben Tag ihr Dach mit abgedeckt habe und obschon es auch nur ca. 5 km waren…

Ich hänge damit echt auch oft in der Luft, kann dir also nur schreiben, wie mich das so beschäftigt. Aber vielleicht findest du ja trotzdem das ein oder andere wieder?

Also auch wenn ich es vielleicht besonders extrem verinnerlicht habe - diese Haltung ist in meiner Familie und Umgebung irgendwie fest verankert: Bloß nicht den anderen übervorteilen und möglicherweise zu viel annehmen. Oder es gar für selbstverständlich nehmen, was jemand für mich tut. Hilfsbereitschaft und freigiebig sein werden/wurden dagegen groß geschrieben. Und das ist ja auch erstmal etwas wirklich Schönes. Und nicht nur schlicht schön, sondern ein großer Teil unseres sozialen Zusammenlebens baut darauf auf. Aber ich habe daraus den kindlichen Fehlschluss gezogen, immer auf der Hut sein zu müssen, ob ich denn auch nicht zu viel für mich beansprucht habe.
Ich habe gelernt bzw. mir zurechtgestrickt, dass es ganz besonders schlimm wäre „vom Stamme Nimm“ zu sein, oder eine andere beliebte Redensart „Geben ist seliger denn Nehmen“ usw. habe ich auch viel zu ausschließlich verstanden. Meine Angst dahinter ist wohl die vor sozialem Ausschluss bei zu starkem Fehlverhalten in dieser Hinsicht. Dass sich andere von mir ausgenutzt fühlen könnten, den Gedanken kann ich kaum ertragen.

Depri-mustermäßig kommt hinzu, so schätze ich mal, dass ich es grundsätzlich schwierig finde, mir selbst etwas zu gönnen und wert zu sein. Also nicht nur das Annehmen von Geschenken, Gesten, Lob usw. von anderen ist schwierig, sondern ich musste auch ziemlich üben, um es mir selbst erlauben zu können, etwas für mich zu tun und das nicht überflüssig und unpassend zu finden. Es ist also ein Stück weit egal, aus welcher Richtung mir etwas Gutes entgegenkommt – ich kann es mir eher schlecht zugestehen. Zwar weiß ich das nach außen hin super zu überspielen, aber es löst schnell Unwohlsein aus.
Ähnlich wie du es auch schreibst, Ready, spielt auch der Gedanke, das alles nicht verdient zu haben, eine große Rolle. Und es erst recht nicht verdient zu haben, weil ich ja nichts geleistet habe…

Das ist ohnehin eine blöde, zu enge Verknüpfung: Leistung und Wert. Wenn ich nichts dafür getan habe, oder z.B. lange Zeit nicht konnte, weil ich auf dem Sofa vor mich hinvegetiert habe, kam mir die Aufgabe meiner Therapeutin, mir mind. 2 positive Aktivitäten pro Tag zu gönnen, wie Spott und Hohn und völlig verkehrt vor. Gerade in diesem Punkt versuche ich wirklich umzulernen, zumal ich da mit zweierlei Maß gemessen habe. Diese strengen Leistungsregeln = Wertregeln galten hauptsächlich für mich.

Aber mit dieser Verknüpfung wird Schenken und Beschenkt-Werden umso anstrengender. Ich fühle dann eine starke Verpflichtung, die Gegenseitigkeit sofort ausgleichen zu müssen und das unberechtigterweise Erhaltene wiedergutzumachen. Naja und solche Aufgaben und Verpflichtungen erzeugen unangenehmen Druck, den ich gerne loswerden möchte.

Ich denke, das System beruht nunmal auf Wechselseitigkeit – es ist eher ungewöhnlich jemanden zu beschenken, bei dem man nicht die theoretische Möglichkeit hat, etwas zurückzubekommen. Allerdings muss das nicht unbedingt in Form eines Gegengeschenks sein, sondern damit meine ich auch, dass ich z.B. ein angenehmes Gefühl bekomme, wenn sich der Beschenkte freut, oder mich gut fühle, weil ich finde richtig gehandelt zu haben. Ich würde sogar ganz unromantisch behaupten: Ja, diejenigen, die dir etwas schenken, wollen etwas damit erreichen, sie handeln nicht aus purem Altruismus (sofern es den gibt).
Allerdings muss das, was sie damit erreichen wollen, nicht unbedingt übergriffig oder mit ausschweifenden Hintergedanken versehen sein. Sich zu zweit quasi verdoppelt freuen zu können und die Idee, etwas Passendes für jemanden gefunden zu haben, wären für mich z.B. schon Mega- Belohnungen. Schon deshalb finde ich es umgekehrt sinnvoll den Teil in sich zu bestärken, der sich über das Entgegengebrachte freut.

Und trotzdem setzt ein Geschenk, welcher Art auch immer, ein (für mich kompliziertes) Beziehungsnetz in Gang. Und darin werde ich – ob ich will oder nicht – erstmal ein Stück weiter verstrickt. Bedroht das vielleicht meine Autonomie und die unabhängige Entscheidung, wie nah ich der Person sein möchte? Gibt man damit ein bisschen Kontrolle ab? Was ist, wenn doch mal jemand dabei ist, der dieses System der Gegenseitigkeit des Gebens dazu benutzt, etwas (zurück) zu fordern, was wir gar nicht wollen? Ich glaube dann ist die Frage, wie weit es gelingt sich abzugrenzen und dennoch nicht schuldig zu fühlen?!

Es entlastet mich etwas, wenn ich ein wenig nachfrage, was sich diejenigen dabei gedacht/überlegt haben. Und wenn ich versuche mich in ihre Perspektive hineinzuversetzen bzw. diese zu erfragen. Meine Freundin ist z.B. ein sehr herzlicher Mensch, die ihren Bau-Helfern nur zu gerne auch etwas Gutes tut und solche Aktionen sehr umsichtig und genau (von der ausreichenden Anzahl der Helfer, über die geniale Verpflegung, bis zur Musik usw.) organisiert hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es unerträglich gefunden hätte, wenn ich zum Bhf gelaufen wäre, statt mich bringen zu lassen. Mir kam es durch ihren überschwänglichen Dank (den ich wiederum kaum annehmen konnte;) ) so vor, als ob sie sich ebenfalls etwas überwinden muss, die Hilfe anzunehmen. So gesehen tue ich ihr quasi noch einen Gefallen, wenn ich sie auch etwas für mich tun lasse.
öhm irgendwie kommt mir das jetzt wieder so wirr vor… aber ich schick’s mal einfach ab.

glg und wenn du die Kollegin zur Nackenmassage mal über hättest… *meld*
Amy
gost
Beiträge: 491
Registriert: 9. Feb 2013, 15:00

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von gost »

Hi Pauline,

diesen Satz kann ich auch unterschreiben.

>Ich rufe auch fast nie jemanden an , wenn es mir schlecht geht. Nicht mal meine Therapeutin. Es kostet mich einfach zu viel , mich zu überwinden.Dann halte ich aus und aus und aus.

Ich habe auch schon mal darüber nachgedacht wen ich anrufen würde. Ist mir niemand eingefallen.

Bei den anderen Dingen geht es mir mal so und mal anders. Kommt auch auf denjenigen an der was schenkt usw.

Und manchmal denke ich auch „was will der jetzt dafür?“.

Bisher war das nicht so störend für mich. Eher so im Gesamtpaket der Gost. Aber manchmal brauche ich auch einen Anstoß um mir über Themen Gedanken zu machen.

Mal sehen was ich zum Thema Misstrauen bei Gost finden kann.

Bis bald

LG
Amy_h_S_
Beiträge: 299
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Re: Nichts annehmen können

Beitrag von Amy_h_S_ »

So, jetzt fällt mir noch was ein (ich sag doch es ist mein Thema...)

Ich fürchte es hat auch mit meiner Angst zu tun, auf keinen Fall genügen zu können. Diese implizite Verpflichtung des Zurückgebens nicht erfüllen zu können. Und mich deshalb noch mieser fühlen zu müssen.

Reich beschenkt zu werden während ich mich selbst so unfähig,herzlos und leer gefühlt habe - furchtbar! Da war ich überzeugt, dass ich überhaupt nichts zu geben habe - also ist auch alles Annehmen bedrohlich, weil es genau das auch noch sichtbar machen würde... oder so ähnlich.

puhh

hey gost,
>Ich rufe auch fast nie jemanden an , wenn es mir schlecht geht. Nicht mal meine Therapeutin. Es kostet mich einfach zu viel , mich zu überwinden.Dann halte ich aus und aus und aus.

Auch ich könnte das 1:1 unterschreiben. Es geht einfach nicht. Meine Therapeutin meinte, ich könne nur herausfinden, was passiert, wenn ich es doch mal versuche. Ahhh aber genau in der übelsten Krise habe ich null Zugang dazu...
oxymoron
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Registriert: 19. Jan 2013, 12:19

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von oxymoron »

liebe pauline,

1. mir fiel spontan die kindheit ein: gab es da vielleicht situationen, wo du beschenkt wurdest, was an eine erwartung geknüpft war?

2. erziehung?: geben, geben, geben, nach möglichkeit nichts nehmen, verlangen, nichts schuldig bleiben...ist auch mir unter die haut gebrannt. so dass ich teilweise noch immer schwierigkeiten habe, mich nicht "benutzen" zu lassen.

3. der denkansatz mit der macht ist, glaube ich, nicht so verkehrt. und irgendein "soziales neuron" ist da wohl bei uns verschüttet.

auch kann ich geschenke erst öffnen, wenn ich allein bin. situationen wie:"pack doch mal endlich aus", treiben mir schweisstropfen auf die stirn. gsd. wissen meine leute das mitttlerweile.
freuen ja! aber bekloppte schuldgefühle bleiben.
ebenso auf die bühne müssen und beklatscht werden, nach gelungener arbeit - geht absolut gar nicht!!! schliesse mich 5 min. vorher im klo ein, oder täusche arbeit vor...

andersrum beschenke ich für mein leben gern. nicht unbedingt materiell, eher blitzblanke wohnung, wenn die freundin aus dem urlaub kommt, oder ich habe mir einen herzenswunsch gemerkt, der lange zurückliegt...so halt.

doch du siehst, es geht einigen so

glg
mrs. jones
Insa40
Beiträge: 1193
Registriert: 25. Mär 2011, 20:44

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von Insa40 »

Hallo,

mir geht es nicht mit Geschenken so, sondern
mit dem Annehmen, wenn es mir mal gut geht.

Ich habe immer das Gefühl, dass ich es nicht verdient habe, wenn es mir gut geht.

Vielleicht ist das der Grund, wieso dann sehr
oft sehr schnell gesundheitliche Probleme auftreten und dem Gut-gehen ein Ende setzen.
Zumindest glaubt das mein Mann, weil er meint "Dir gehts nie lang gut, dann kommt immer irgendetwas neues Körperliches".

Ich hab das immer nicht geglaubt, aber als ich grad den Thread hier las, kam mir das in den Sinn.
jonesy
Beiträge: 546
Registriert: 25. Feb 2011, 17:42

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von jonesy »

Danke für eure guten Gedanken dazu.
Für alles, was ich je bekommen habe, musste ich immer bezahlen, auf die eine oder andere Art und das schon, seit ich denken kann.
Aber jetzt ist jetzt und schon lange nicht mehr gestern. Also, warum klappt es dann trotzdem nicht?
An allem ließ sich arbeiten in der Therapie, daran nicht. Dann habe ich zwar vom Verstand erfasst, was da falsch läuft, das Gefühl des Misstrauens war und ist dennoch da.
Mich selbst beschenken kann ich gut. Da ist nie das Gefühl da, ich würde es nicht verdienen. Aber das ist auch etwas, was ich mir eigenständig erarbeitet habe, das Geld oder die Zeit dafür.
Insas Gedanken, darüber , wenn es uns geht, kenne ich auch.
Ich habe sogar gefühlsmäßig erfasst, dass, wenn ich es überall laut und deutlich heraus posaune, wenn es mir gut geht, unweigerlich eine schlechte Phase kommt.
Es hat, denke ich, schon ein wenig damit zu tun, dass man sich selbst erlauben muss, dass es einem gut gehen darf.
Das " Gutgehen" eigentlich unser Normalzustand ist.
Aber das ist ein bißchen von Thema ab.
Ich glaube, wenn man beschenkt wird, hat das vielleicht doch innerlich was mit Abhängigkeit und vielleicht auch Ohnmacht zu tun. Eventuell ist es das, was man nicht aushalten kann.
Was ich festgestellt habe, als ich den Bandscheibenvorfall hatte, ist, dass es bei einigen Menschen dann doch ein bisschen besser ging mit der Annahme von Hilfe. Und zwar von den Beiden, denen ich das für meine Verhältnisse größtmögliche Vertrauen entgegen bringe.
Also hat es dann im Umkehrschluß ja noch die Essenz, wenn ich vertrauen kann, kann ich auch annehmen.
Oder bin ich jetzt völlig auf dem Holzweg?
LG v. Pauline
Lerana
Beiträge: 2088
Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von Lerana »

Liebe Üauline,

hier ist schon so viel Kluges geschrieben worden, dass ich nur eine Art Schocktherapie ergänzen möchte.

Als Konfrontation:
Ich schenke dir jetzt gerne ein bisschen meiner Zeit, in dem ich dir sage, ich mag dich. Ich finde du schreibst selbstreflektiert und klug und witzig und du hast mich schon oft zum Lachen gerbracht. Danke dafür.

Außerdem haben mir deine Postings schon oft geholfen und ich denke, du bist ein sehr emphatischer Mensch. Es ist schön, dass du hier bist.

Nimm das!!!
Dein therapeutisches Setting: Komplimente kriegen!

Ganz herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
jonesy
Beiträge: 546
Registriert: 25. Feb 2011, 17:42

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von jonesy »

Noch etwas vergessen.
" Jemandem etwas schuldig bleiben oder sein".
Schuld--- schuldig
Noch ein etwas verquerer Gedankengang.
jonesy
Beiträge: 546
Registriert: 25. Feb 2011, 17:42

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von jonesy »

Iiiiiiiiiiiih, Lerana.
Das war jetzt gemein. Nimm das sofort zurück oder.. oder...
Mist, mir fällt nicht mal ne passende Drohung für dich ein.
Oh, doch.
Du kriegst es genauso 1:1 zurück und noch mehr.
So.
DYS-
Beiträge: 1838
Registriert: 19. Mär 2003, 17:28
Kontaktdaten:

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von DYS- »

Auch ich kann schlecht annehmen. Wir leben aber in einer christlich geprägten Gesellschaft. Auch wenn man kein Kirchgänger ist (so wie ich, bin Christ aber kein Kirchgänger) ….
Generationen vor uns waren bibelfest. In der Bibel steht geschrieben: „Geben ist seliger denn nehmen.“ Quelle: Apostelgeschichte 20, 35

Diese These ist sicherlich bei den meisten in die Erziehung eingeflossen.

Dieser Satz wird oft redensartig benutzt und die Redensart ist Plädoyer für die Großzügigkeit; eine Ermahnung, sich nicht zu egoistisch zu verhalten. Eigentlich ja was Gutes.

Wir hier im Forum sind größtenteils alles andere als egoistisch. Dadurch fällt dieser Satz, meiner Meinung nach, auf besonders fruchtbaren Boden.

Gute Nacht
dys
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
Kleiner_Rabe
Beiträge: 71
Registriert: 14. Mär 2013, 17:31

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von Kleiner_Rabe »

Hallo Pauline !

Könnte sein dass du oft enttäuscht wurdest und nun immer misstrauisch bist wenn dir jemand scheinbar etwas gutes will !?
Nach meiner Erfahrung erwarten absolut jeder eine Gegenleistung für alles was er scheinbar so selbstlos gibt.
Einige wollen einfach nur diese schöne Gefühl jemanden helfen zu können.
Andere hören zu oder Helfen weil sie selbiges von einem erwarten.
Ich selbst habe mir in der Vergangenheit so viel Zeug angehört und so viel Hilfestellung gegeben, aber nur weil ich hoffte diejenigen würden dies auch für mich tun.
Doch leider sind die meisten Menschen sehr egoistisch oder sie glauben wer nicht ständig jammert, braucht keine Hilfe.
Gesund Misstrauen ist ok, es sollte aber nicht ins paranoide abgleiten.
Es gibt nun mal absolut nichts umsonst !

LG Marko


Im Meer der Gesellschaft, den Gezeiten der (Un)Verständnis treib ich dahin.

Stets auf der Suche nach dem Licht es Leuchtturms, das mir den Weg ans rettende Ufer weist.
FrauRossi
Beiträge: 3165
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Pauline,

ich kenne das auch. Mein Thera hat mich gefragt was würde denn passieren wenn sie z.b. ein Lob annehmen (also echt, nicht nur danke sagen und weg und heimlich schlecht fühlen)

ich wusste es erst nicht. Wir habe dann heraus gefunden dass ich vermutlich anfangen würde zu heulen. (was ich natürlich vor anderen nicht will)

Was würde passieren wenn ich sage: Mensch danke du weißt garnicht wie sehr ich das gebraucht habe (das Lob) wie gut es mir tut. Danke das ist ja total lieb von dir dass du an mich gedacht hast usw.

Jedesmal würde ich anfangen zu heulen.

Woran liegt es? À dass ich nichts annehmen kann? (Lob oder Geschenke)
und B. dass ich heulen würde, täte ich es doch.

Bei mit stammt das wie so vieles andere auch aus der Kindheit. Geschenke waren an Leistung geknüpft. Lob gab es quasi nie. Weihnachtsgeschenke etc. wurden benutzt um Vorhaktungen zu machen.

Also habe ich gelernt dass die Freude nur kurz wärt denn das dicke Ende folgt nach.

Wie geht man nun dagegen an? Denn zu wissen warum man wie reagiert ist ja nett, macht es aber nicht weg.

Was ich versuche mir vor Augen zu halten ist: was ist denn wenn ich etwas verschenke? Wenn ich jemanden Lobe? Eine nette Geste angedeien lasse?

Ich erwarte dafür nichts. Wenn ich jemanden Lobe, dann lobe ich weil mir aufgefallen ist dass jemand etwas gut gemacht hat. Weil es Freude bringt, dem Gelobteb und dann auch mir weil ich mich mit freue.

Wenn ich etwas verschenke dann erwarte ich kein Gegengeschenk. Ich verschenke etwas einfach z.b. weil ich irgendwas sehe von dem ich weis das es jemand mag, sammelt, lange gesucht hat, grad braucht usw. Das ist von mir einfach nett gemeint und es zeigt dass ich an jemanden denke, einfach eine Freude machen will.

Das versuche ich dann auf andere zu übertragen. Die bringen mir auch nur einen Kuchen oder eine Suppe vorbei weil sie mir eine Freude machen wollen oder mich trösten weil ich krank bin.

Die Kollegin die Spontan kurz den Nacken massiert, sie will vielleicht nur zeigen: Hey ich weis unser Job ist anstrengend. Vielleicht sieht sie wie wir uns die verspannte Schulter reiben und schenkt uns einfach einen Moment der Wohltat.

Ich persönlich glaube dass dennoch nichts völlig Selbstlos ist. Es ist schon so dass wir ja von der geteilten Freude auch etwas haben. Insgesamt pflegen und knüpfen wir damit soziale Bande, die und natürlich auch nützen können. Das ist aber, so glaube ich etwas unterbewusstes und keinesfalls bewusst zweckgerichtet.

Ja es gibt auch immer Ausnahmen, die die schenken um darauf "herumreiten" zu können, die sich nur selbst bestätigen "seht her was ich alles tue" USW.

Da kann man aber ruhig sagen: "du das kann ich nicht annehmen." und es dann einfach auch wirklich nicht nehmen.

Ich persönlich biete niemandem mehr den Nährboden für seine persönlichen Eitelkeiten.

Aber ich möchte auch niemandem die Gelegenheit nehmen mir eine kleine Freude zu bereiten. Ich versuche dann es bewusst wahrzunehmen. Denn mein Unterbewusstsein kann das noch nicht.

LG FrauRossi
gost
Beiträge: 491
Registriert: 9. Feb 2013, 15:00

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von gost »

Hallo Pauline,

dein Thema hat mir wieder ein Puzzleteilchen (danke Ulysses!) an den richtigen Platz gelegt.
Ich habe da mal für mich näher hingeschaut.

>Giger-Bütler sagt:
Wenn Eltern den Kindern nicht das geben können, was sie brauchen, gewöhnt sich das Kind ab, etwas zu brauchen. Es wird zu einem Selbstversorger (und so fühl ich mich auch), der alles mit sich selber ausmacht.
und weiter:
Sie beanspruchen keine Sonderrolle, verlangen keine Privilegien …
…verlangen auch keine spezielle Behandlung.
Die depressiven Muster lassen uns das positiv sehen (was es vielleicht auch ist?!), aber…
Wenn wir geheilt würden(nicht mehr an den depressiven Mustern festhalten würden), was bliebe dann noch? Wir müssten unsere Person verändern.

Ich denke, vielleicht halten wir deshalb so an den Mustern fest.

Dieses Vertraute, was uns so positiv erscheint, ist Sicherheit…womit wir auch unseren Wert definieren…
Das aufzugeben macht mir Angst. Angst vor Unsicherheit, Neuem. Neue Werte zu finden.

Und nicht zuletzt kann jedes Geschenk auch für Liebe stehen. Was macht mir so Angst daran geliebt zu werden? Weil ich es nicht wert bin?

Und da bin ich wieder beim (Selbst)wert.
-Zulassen-Annehmen-Aushalten

Für mich ist das mit das schwerste. Mist.

LG
jonesy
Beiträge: 546
Registriert: 25. Feb 2011, 17:42

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von jonesy »

Hallo Ihrs,
da ist ja ganz schön was zusammen gekommen an Ideen dazu. Danke erstmal.
Am meisten springt mich der Kommentar von gost an. Thema Selbstversorger und das man sich das " Brauchen" abgewöhnen kann.
Das erscheint mir sehr einleuchtend und erschüttert mich gleichzeitig.
Da war nie jemand und man hilft sich selbst, weil einem nichts Anderes übrig bleibt und das schon in sehr jungen Jahren. Und dann ist es später eher befremdlich, wenn man etwas bekommt. Darum passen dann auch die Gefühle nicht dazu. Ich konnte schon unglaublich früh lesen, schon bevor ich in die Schule kam, weil meine Geschwister einfach die Nase voll davon hatten, dass ich ewig mit meinem Märchenbuch hinter ihnen her gelaufen bin.
Eigentlich sollte man stolz sein auf sich, dass man sich schon als Kind so gut selber helfen konnte, aber mich macht es eher traurig.
Gost, ja, Liebe muss man auch aushalten können, ebenso wie Nähe. Für mich ebenfalls ein Dauerthema.
dys, dieses " Geben ist seeliger, denn nehmen" kenne ich auch und es ist bei mir auf sehr fruchtbaren Boden gefallen.
Ein anderer Spruch ist auch ein Leitmotiv in meinem Leben: " Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott"
Bin mir nicht mal sicher, ob er tatsächlich aus der Bibel stammt.
Hab jetzt gerade eine Menge zu denken und nicht ist dabei, was mir wirklich gefällt.
Immer wieder zurück zu den Ursprüngen.
Wie oft denn noch?
LG v. Pauline
oxymoron
Beiträge: 68
Registriert: 19. Jan 2013, 12:19

Re: Nichts annehmen können

Beitrag von oxymoron »

>>Ein anderer Spruch ist auch ein Leitmotiv in meinem Leben: " Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott"<<
...und im umkehrschluss ist's dann der teufel???

>>Immer wieder zurück zu den Ursprüngen.Wie oft denn noch?LG v. Pauline<<
...vermutlich bis wir komplett ergraut und weise, mit ner wolldecke auf der veranda, im schaukelstuhl sitzen, meine liebe
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