Prävention von Burnout und Politik

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Salomon
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Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von Salomon »

Hallo liebes Forum,

in der Presse finde ich so viel über Burnout und Depression, auch dass die psychischen Krankheiten zugenommen haben.

Was ich einfach nicht verstehe ist, warum dennoch so wenig passiert in der Politik und in den deutschen Unternehmen. Habt ihr euch in eurer Firma als depressiv geoutet. Welche Unterstützung erhaltet ihr in eurer Firmen?

Was könnte euch in eurem Arbeitsumfeld helfen?

Freue mich über viele Beiträge
Viele Grüße
Eva
Sieglinde1964
Beiträge: 1267
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Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von Sieglinde1964 »

Ich habe das Gefühl, man tut nichts in den Firmen um ein Burnout oder Depressionen zu verhindern. Immer weniger Leute müssen ein Mehr an Arbeit leisten, was natürlich dann die Folge hat an Burnout oder Depressionen zu erkranken. Es ist ziemlich schwer sich in der Firma als Depressiver zu outen. Man wird dann als arbeitsunfähiger eingestuft, so habe ich den Eindruck.
Abby
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Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von Abby »

Hallo Salomon,
ich bin jetzt nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern an der Uni. Aber mir würde es enorm helfen, wenn dort weniger Druck aufgebaut würde. Also wenn einem nicht das Gefühl vermittelt wird, dass man ein Idiot ist, wenn man für manche (auch mal mehrere) Prüfungen mehr als einen Versuch braucht. Und dass jeder der nur einen Bachelor hat sowieso keine Arbeit findet oder was weiß ich.
Merkwürdigerweise spricht das so nie jemand aus, aber so kommt es an.
Außerdem würde es mir sehr helfen, wenn die Studienpläne weniger voll wären und mehr Zeit für Wahlfächer wäre.

Viele Grüße,
Abby
jep

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von jep »

Hallo Salomon,

ich fände es schon beruhigend, wenn das mit dem Leistungsdruck erst bei der Arbeit so wäre.

Aber als Mutter habe ich den Eindruck, der Mist geht schon in der Grundschule los:

Wenn du es nur auf die Hauptschule schaffst, wirst du es eh zu nix bringen.

Schlechte Noten? Versager, der nie einen gescheiten Job bekommt.

Leider sind die Wertigkeiten in unserer Gesellschaft so: wer nicht genug leistet oder leisten kann, ist nicht nur beruflich ein Versager, sondern auch nicht gesellschaftlich anerkannt. "Harz4ler" ist ja heute eine Beleidigung.

Und wenn man den Leistungsdruck nicht standhält, gehts ganz schnell vom Leistungsträger zum "Harz4ler", als ob Arbeitslosigkeit ein Charakterfehler oder eine ansteckende Krankheit wäre.

Von der Politik erwarte ich da nix- schließlich hängen die alle am Tropf der Großkapitalisten.

Dem Burnout müssen wir selbst entgegensteuern, aber wie?

Mit mehr Selbstbewusstsein Grenzen stecken- z.B. nicht immer Überstunden mache? Versaut einem die Karriere- aber brauche ich die?

Nur eine Idee....

annette fee
ausEssen
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Registriert: 16. Apr 2013, 21:33

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von ausEssen »

Liebe Annette, Abby, Siegline, lieber Salomon,

ich kenne beide Seiten: als (vermutlich ehemaliger --> siehe Vorstellung) Betriebsleiter in einem aus mehreren Betrieben bestehenden Unternehmen bin ich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer. Als Arbeitgeber habe ich immer versucht, Rücksicht auf persönliche Belange meiner Mitarbeiter zu nehmen. Das wird nur teilweise belohnt oder honoriert: ich hatte geringste Fluktuation und damit erfahrene und sichere Mitarbeiter, aber umgekehrt waren einige meiner Konkurrenten mit knallhartem Kurs wirtschaftlich erfolgreicher. Als Arbeitnehmer erleb(t)e ich die konkurrenzbestimmte, gnadenlose Härte des Marktes auch aus dieser Perspektive.
Und ich sage ganz klar auch mit aller Härte, die sich in diesem Fall auch gegen mich selbst richtet: wenn ich damit nicht klar komme, dann muss ich ausscheiden und für jemand anderen zur Seite treten. Andere können dem bestehenden System einfach besser begegnen als ich, der vermeintlich "Schwächere". Warum sollte ein Chef mit "second best" Vorlieb nehmen, wenn er auch topp haben kann? Wenn meine "Macke" mich als Vorgesetzten bspw. nicht mehr zulässt bzw. ich sie nicht durch andere Stärken kompensieren kann, dann bin ich dazu nicht mehr geeignet. Ich werde ein solches System nicht ändern, also muss ich mir eine Ecke darin suchen, mit der ich besser zurecht komme. Alles Andere finde ich Idealismus und Fantasterei. Sorry, das ist hart, aber meine Meinung. Was nicht heißt, dass ich es unbedingt gut finde - so denke ich z. B. (@ Annette) sehr schade, dass sich Hauptschule lieber vom Feld zurückzieht anstatt ein eigenes Profil zu entwickeln. Und, Annette, ich gebe Dir auch völlig Recht darin, dass das Eingetrichtere und Leistungsdenken insbesondere in der Generation unserer Kinder gräßliche Größenordnungen annimmt.
So long, Rainer
Insa40
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Registriert: 25. Mär 2011, 20:44

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von Insa40 »

Hallo Eva,

ich selber habe mich nicht "geoutet", denn erstens finde ich, dass es den Arbeitgeber nix angeht und zweitens habe ich bei Kollegen gesehen bzw. sehe noch, dass sie als unfähig behandelt und ihnen nichts mehr zugetraut wird.

Desweiteren haben viele Leute einfach Vorurteile, die sie aber auch nicht ablegen würde, wenn man sich "outen" würde.
Denn nachgefragt wird selten, aber viel angedichtet doch immer

Wie ist das denn bei Dir?

@Essener: Wohin sollen denn dann diese "Schwächeren"?
Du sagst, sie sollen ausscheiden und "Platz machen".
Wohin soll das führen, wenn man den Gedanken mal weiter spinnt???

Tja siehst Du, genau an solchen Einstellungen krankt unsere Gesellschaft.
Ist nur meine Meinung
ausEssen
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Registriert: 16. Apr 2013, 21:33

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von ausEssen »

Liebe Eva,
natürlich ist das hart - ich erfahre es gerade am eigenen Leib - und erscheint ungerecht angesichts der vielen Jahre und des hohen Einsatzes, den man zuvor vermutlich gebracht hat. Ich denke dennoch, dass ich sowohl für mich als auch für den Arbeitgeber verantwortungsvoll handle, wenn ich mich nach einer Tätigkeit umsehe, die der Krankheit aus beiderlei Perspektive eher Rechnung trägt. Was passiert denn, wenn ich es nicht tue? Der grundsätzliche Konkurrenzdruck bleibt, und ich werde ihn garantiert nicht ändern. Auch auf meinen Arbeitgeber, der sich nun einmal auf einem Markt tummelt, wird durch (internationale) Konkurrenz Druck ausgeübt. Es ist also kaum zu erwarten, dass er mich schonen wird oder dies auch nur real kann. Folglich wird der von mir mit Krankheit empfundene Druck stärker, die Gefahr von Rückfällen also größer. Sieh es doch einmal so: Jedenfalls dann, wenn Du ein in Deinem Beruf durchschnittliches Gehalt erwartest, dann gehört die Belastbarkeit einfach zu den Anforderungen in den meisten Berufen heutzutage dazu. Wenn Du sie wie ich nicht mehr erbringst, dann erfüllst Du eine wesentliche Kompetenz nicht mehr und musst, wenn Du nicht "gegangen werden" willst, Dir selbst etwas Anderes suchen, das zu Deinem Profil (zu dem nun einmal auch die geringere Belastbarkeit gehört) besser passt. Es stehen eben genügend Andere vor der Tür, die Deine Qualifikationen PLUS eine höhere Belastbarkeit mitbringen.
Das Alles klingt nach kaltem "Hardliner", ich weiß. Der bin ich keineswegs, aber ich sehe es einfach realistisch und mit Marktsicht. Wie hart das ist, werde ich sicherlich bald erfahren, denn im Moment (siehe meine Vorstellung: seit einer Woche in der psychatrischen Abteilung) kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, auch nur einen Tag an der alten Stelle noch zu arbeiten. Und dass mich mit 44 und dieser Vorgeschichte als Betriebswirt zum gleichen Gehalt wie zuvor jemand einstellt, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich kenne den Arbeitsmarkt in meinem Bereich gut, und ich schätze, dass ich nochmal beruflich fast bei Null anfangen muss. Natürlich ist das bitter, finanziell ein Desaster. Und Anerkennung für das bisher Geleistete werde ich wohl auch kaum ernten.

Du siehst also, dass ich nicht das Blaue vom Himmel herunterrede, sondern selbst unter dem bestehenden System zu leiden haben werde. Allein sich einen vorzumachen und die Verantwortlichkeit weiterzureichen oder Wunschdenken hilft auch nicht weiter.

Was sollen Appelle, Gesetze an dieser Stelle bringen? Etwa, dass ein Unternehmer freiwillig auf Gewinn verzichtet und nutzenfrei sozial handelt? Wo soll da die ethische Grenze gezogen werden?

Sorry, ich finde den Denkansatz interessant, daher habe ich mich in die Diskussion geklinkt, aber sie geht wie ich finde in eine falsche Richtung. Besser wäre wie ich finde und es auch meinen eigenen (ex-) Mitarbeitern eingetrichtert habe: Einigt Euch ehrlich auf eine Handhabung im Betrieb. Versetzung, Lohnverzicht und dafür mehr Zeitfreiheit, halbe statt volle Stelle etc. . Das ist offen und fair: Die Kompetenz "Belastbarkeit" ist weniger ausgeprägt, aber im Betrieb notwendig --> weniger Gehalt oder/und geänderte Beschäftigung. Und wenn das Vertrauen im Betrieb es nicht hergibt oder wie in meinem Fall der Betrieb eine geeignete andere Stelle nicht ermöglichen kann, dann bleibt eben nur zur Seite zu rücken.
Gruß, Rainer
ausEssen
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Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von ausEssen »

Sorry, habe gerade "Hallo Eva" geschrieben. MEinte aber: "Hallo RegenamMeer".
Nachtflug
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Registriert: 3. Apr 2012, 23:15

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von Nachtflug »

Hallo,

nur mal so ein Einwand: Vielleicht wird "Belastnarkeit" oft einfach auch einseitig durch Stundenkloppen definiert.

Ich kenne sehr intelligente Leute (Physiker und Mathematiker z.B.), die in ihrem Fach sehr gut sind und nur 4-5 Stunden am Tag arbeiten. In diesen Fällen vorwiegend in der Forschung bei freier Zeiteinteilung. In diesen 4-5 Stunden sind sie aber meist sehr produktiv und kreativ. Solche Leuten machen auch deutlich, dass sie glauben, dass es gar nicht länger geht effektiv zu arbeiten, vielleicht kann man noch ein paar verwaltungstechnische Details machen, aber generell wären sie nicht für 8 Stunden Arbeit geschaffen.
Sind diese Leute jetzt deswegen weniger belastbar oder gar schwach? Ich finde nicht, man braucht nachweislich für kreative Arbeit auch mehr Ruhepausen, Zeit zum Nachdenken in der dann unterbewusst sehr viel weiterläuft.

Ich denke schon, dass man ein Wirtschaftssystem so gestalten kann, auch für Menschen die keine Belastbarkeit von 40, 50, 60h/Woche haben mehr Nischen zu geben. Auch durch eine andere Arbeitskultur, in der es mehr darum geht effektiv zu arbeiten und nicht möglichst lang. Und ich meine damit jetzt keine Effizienz mit der Brechstange, die daher rührt, dass immer weniger Menschen immer mehr Arbeit in weniger Zeit machen müssen.
Generell müsste die Arbeit wieder auf mehr Schultern verteilt werden. Ich höre das vorwiegend aus Erzählungen aus Menschen meiner Elterngeneration, dass da im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte immer mehr Stellen wegrationalisiert wurden. Da gibt's genügend Beispiele, dass früher drei Menschen für die Anzahl an Mitarbeiter und Außenstellen verantwortlich waren, für die es nun nur noch einen gibt. Um Kosten zu sparen.
Das ist doch sparen am falschen Ende! Wie soll das gehen? Ist das nicht vorprogrammiert, dass so Leute ausbrennen, wenn sie die dreifache Verantwortung und etwa doppelte Arbeitsbelastung haben?
Starke, robuste Menschen schön und gut - nur wie lange können sie das denn sein? Ich mag die pauschale Etikettierung als "belastbar" und "wenig belastbar" nicht. Jeder Mensch kann stark und schwach sein und das ist im Laufe seines Lebens auch veränderlich. Nur wenn jemand auf Dauer immer viel leisten muss und überbeansprucht wird, kann es auch einen sehr robusten Menschen aus den Schuhen hauen (wenn er sich darauf einlässt und diese Anfordungen nicht schafft abzuwehren). Das muss ja auch gar nicht in Form von psychischen Erkrankungen sein, sondern kann genauso gut in körperlichen Erkrankungen enden bzw. diese zumindest begünstigen.

Man vergleiche da mal ganze extrem die Arbeitskultur in den skandinavischen Ländern wo Überstunden eher verpönt sind mit den USA oder noch viel extremeren Länder wie Japan, wo es oft nur darum geht durch möglichst langes im Bürositzen dem Chef die Loyalität zu beweisen.

Ich bin nicht komplett gegen Leistung, aber Leistung darf kein Selbstzweck sein. Sie ist mehr ein Nebenprodukt und es ist sehr gefährlich, wenn sie das alleinige Maß der Dinge wird. Was ist mit sozialer Verantwortung und gesellschaftlichen Miteinander? Wenn das auf der Strecke bleibt gute Nacht, dann heißt es irgendwann nur noch "Friss oder stirb".
Die Wirtschaft ist für den Menschen da, nicht der Mensch für die Wirtschaft. Und wenn gleichzeitig die ganz oberen Führungskräfte in immer höheren Dimensionen ein mehr an Gehalt einstreichen als vor dreißig Jahren frage ich mich, warum dann nicht auch mal Geld für die ein oder andere Stelle im Mittelbau mehr da sein soll. Wo ist da die Verhältnismäßigkeit?

Wollen wir Menschen verbrauchen oder nachhaltig über längere Zeiträumen mit ihnen zusammenarbeiten? Ich finde wir brauchen ein Umdenken in vielen Unternehmen. Und natürlich kann man als Einzelner nicht die Welt verändern und für sich selbst pragmatisch nach Lösungen suchen. Eine Halbtagsstelle kann da vielleicht sinnvoll sein - das geht aber auch nur, wenn man so noch genug zu leben hat. Und das ist nicht in allen Berufen/Stellen der Fall...
Das alles heißt aber nicht, dass man gesellschaftliche oder politische Probleme deswegen nicht diskutieren sollte.
Wie man am besten gegen bestehende Misstände vorgeht ist sicherlich eine komplexe Frage und nicht sofort zu beantworten, aber sie ist nicht irrelevant für eine demokratische Gesellschaft.


Alles Gute,
Nachtflug
Salomon
Beiträge: 49
Registriert: 17. Apr 2013, 09:21

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von Salomon »

vielen Dank für eure offenen Beiträge.

Ich habe viele Jahre in leitender Funktion gearbeitet und nebenher 3 Kinder großgezogen. Als ich über einen längeren Zeitraum ausgefallen bin, habe ich noch während meiner Krankheitsphase ein Abfindungsangebot erhalten.

Das hat mich im ersten Moment entsetzt - im zweiten Moment konnte ich es als Chance betrachten und habe mich selbständig gemacht, könnte allerdings von meinen jetzigen Einkünften nicht leben. Dafür habe ich seit 4 Jahren keine Episode mehr erlitten.

Das kann doch eigentlich nicht die Alternative sein. Es muss doch auch ein würdevoller, sozialer Umgang mit dieser Erkrankung möglich sein. Jede andere schwere Krankheit erfährt in unserem Wirtschaftssystem eine mitfühlende Wertschätzung für den Betroffenen. Ich musste meine Krankheit verstecken, mein Chef hat mir die Vertrauensfrage gestellt und ich war wieder in dem Teufelskreis meine Belastungsfähigkeit unter Beweis zu stellen bis die nächste Zusatzlast mich wieder in die Knie zwang.

Lieber Essener, wenn ich die Einzige wäre, würde ich mich zurückziehen und mein Schicksal akzeptieren. Aber nach den Aussagen in der Presse sind wir doch 10% der Bevölkerung und bis 2030 sogar 20%.

So bleibt für mich die Frage, was können wir tun, damit andere diese leidvolle, entwürdigende Krankheit nicht auch durchleben müssen?

Mitfühlende Grüße
Eva
Clairedelalune
Beiträge: 181
Registriert: 28. Jul 2011, 13:11

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von Clairedelalune »

Hallo zusammen,

das Thema ist durchaus im Bundestag angekommen, was allerdings daraus wird, ..?

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/130/1713088.pdf

LG
Claire

PS: Worüber ich seit Wochen, Monaten, Jahren in zunehmendem Maß verzweifle, ist der Umstand, dass einfach keine Solidarisierung zustande kommen will.

Ich war mal "Grün", aber seit Rot/Grün
also Schröder/Fischer gemeinsam
die HARZT IV-Gesetze verbrochen haben, bin es nicht mehr.

Wir müssen uns hier in diesem Forum

ja auch immer bemühen den Bezug zur Depression nicht zu verlieren,

den sehe ich bei mir dadurch gegeben, dass ich aus meiner Biographie heraus und den darin seit Kindheit vorkommenden Schicksalschlägen
an einer Depression erkrankt bin
und damit - wie ihr das alle ja auch kennt -

massiv anecke, zum Störfaktor im reibungslosen Wirtschaftsbetrieb werde, bzw an den Rand des Existenzminimums geraten bin.

Und damit gezwungen bin, mich mit den gesellschftlichen und politischen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen.

Und das soweit es die Erkrankung überhaupt noch zulässt.

Die Entwicklung in den letzten 10 bis 15 Jahren ist verheerend, aber das sind Tatsachen, die einer breiten Menge bekannt sind, oder vielen die direkt davon betroffen sind, aber nichts geschieht,

wir steuern sehenden Auges in die Katastrophe.

Ich bin vor kurzem wie auch immer auf den Artikel 20 des Grundgesetzes gestoßen, der besagt:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.


... wer denn vollständigen Wortlaut nachlesen möchte, muss ja nur Grundgesetz googlen.

und was mir zu denken gibt ist der Absatz (4)

Gegen jeden , der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Ab er es geschieht einfach - nichts!

Ich meine selbstredend gewaltlose und demokratischen Widerstandsformen.

Wir alle leiden seit Jahren in zunehmendem Maße,
die sozial Schere klafft immer weiter außeinander,
wir kämpfen als Erkrankte mit Stigmatisierung, kämpfen um unsere Erwerbsminderungrente, Krankengeld, sind dem Terror (sorry für die harte Wortwahl)

von HARTZ IV und Jobcenter Sachbearbeitern ausgeliefert, was im schlimsten Fall vor 6 Jahren, im Fall eines (Geistig) Behinderten ALg II -Empfängers sogar zu dessen Tod durch Verhungern geführt hat.

Das netto Vermögen der Deutschen (die Hälfe davon gehört nur 1% der Bevölkerung) geht mittlerweile steil auf die

10 000 000 000 000 €... ich komm ganz durcheinander bei so viel Nullen

10 Billionen also 1000 Milliarden sind eine Billion zu.

Es gibt keine Vermögenssteuer.
Der Sptitzesteuersatz ist so niedrig wie nie
Der Niedriglohnsektor explodiert.
Die, die arbeiten tun das über der Belastungsgrenze, andere werden auf Null Stunden gesetzt.


Die Burnout -Lüge liefert die Ausrede katastrophale Arbeitsbedingungen dem Einzelnen als individuelles Versagen unterzuschieben.

So jetzt hör ich auf.
ich fürchte die Moderation wird mir eh eine Rüge erteilen, zu politisch, ...

es macht mir einfach Bauchschmerzen:

unter dem Vorwand des wirtschaftlichen Drucks (Globalisierung)angeblich daher "sparen" zu müssen wird das Umverteilen von unten nach oben verschleiert.
Dabei wird nur eine gnadenlose Gier bedient.

Und was nutzt der ganze Artikel 20 wenn das "und sozialer..." verloren geht.

... ich meine, Deutschland war mal eine Kulturnation - und jetzt?

LG
Claire
Stepha
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Registriert: 14. Mär 2013, 20:33

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von Stepha »

Hallo zusammen,
ich glaube auch, dass sich etwas verändern muss, kann aber nachvollziehen, dass es in allen Berufen, die am Markt orientiert sind, schwer ist, die bestehenden Regeln zu ändern. Dies kann nur ein sehr langer Prozess sein. Burnout und Depressionen treffen aber nicht nur Menschen in diesen Berufen. Es sind z.B. besonders viele Lehrer davon betroffen.

Mit dem Blick darauf, was sich alles ändern müsste, nämlich fast die ganze Welt, muss man auf jeden Fall die Hoffnung auf eine kurzfristige Veränderung aufgeben. Im konkreten Alltag könnte man aber mit kleinen Schritten auch Erfolge erzielen.

Das größte Problem sehe ich darin, dass es uns Depressiven nicht oder nur schwer möglich ist, sich für unsere eigenen Bedürfnisse einzusetzen. Ein Mensch im Rollstuhl kann für einen barrierefreien Arbeitsplatz kämpfen, uns bleibt häufig nur der Rückzug, weil die Kraft für alles andere fehlt. Dadurch fehlt uns aber auch die Lobby, die eine so große Gruppe, würde sie sich organisieren, durchaus hätte.
Vielleicht muss man viel weiter unten ansetzen und erst einmal Verständnis und Kenntnisse bei anderen erzeugen. Ich habe selbst erlebt, wie eine Kollegin sich über die „Psychos“ aufregte und nicht mit so jemandem zusammenarbeiten wollte. Als ich mich dann zu erkennen gab, ruderte sie deutlich zurück und wir arbeiten weiterhin zusammen.

Wenn jeder einen Betroffenen kennt, kann sich die Einstellung ändern. Darauf aufbauend lassen sich auch Arbeitsbedingungen im engen Rahmen der wirtschaftlichen Vorgaben anpassen. Auch und vielleicht gerade in Leitungspositionen gibt es genug Betroffene, die etwas erreichen könnten.

Viele Grüße
Stepha
-----

Hinfallen, aufstehen, Krone zurecht rücken, weitergehen.
aikido_1987
Beiträge: 1133
Registriert: 24. Jul 2011, 20:43

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von aikido_1987 »

Ich sehe, ihr habt hier schon fleißig geschrieben, dann kopiere ich meinen Beitrag nochmal hier rein...

Hallo Eva,

ich habe mal ein Interview mit einem Professor von einer Uniklinik gesehen und er sagte, dass die psychischen Erkrankungen gar nicht zugenommen haben, weil es sie schon immer gegeben hat, sie sind nur mehr in den Mittelpunkt gerückt. Wäre mal interessant, ob man das mit Statistiken belegen kann.

Über die Unterstützung von der Politik rege ich mich schon gar nicht mehr auf, weil dann fällt mir wieder das ganze politische Sythem ein, was hier falsch läuft und dann ärgere ich mich nur. Die Firmen müssen leider auch um ihr überleben kämpfen und sparen natürlich bei den Personalkosten, weil das die höchsten sind.

Wäre natürlich schön, wenn es auch im Job mehr Unterstützung gäbe. Denn die Arbeitsbedingungen machen auch viel aus.

Ich habe mich in meiner Firma als Depressiv Erkrankter geoutet, kurz bevor ich ins Krankenhaus gegangen bin. Meine Chefin hat mich gleich abgestempelt mit "Ist doch nicht schlimm, das wird schon wieder, musste mal in Schubladen denken, hatte meine Freundinn auch..." Die Arbeitskollegen haben glaube den Ernst der Erkrankung ansatzweise kappiert, durch meine lange Fehlzeit. Jetzt bin ich wieder da und sie gehen alle respektvoll mit mir um. Keiner hat einen blöden Spruch gemacht.

Meine Firma unterstützt mich in sofern, dass sie mir meine Wiedereingliederung ermöglicht haben. Auch wenn sie natürlich davon provetieren, weil ich kostenlos für sie da bin. Es gab vor meiner Wiedereingliederung ein Gespräch, indem mein Chef versuchte ganz hilfsbereit und verständnissvoll zu wirken, aber das war natürlich alles im Interesse der Firma und nicht, weil er möchte, dass es mir persönlich gut geht. Ich habe das Gespräch schnell abgehakt und ein Wiedereingliederungsgespräch spare ich mir auch, weil das meine wirklichen Probleme auf Arbeit nicht löst.

Ansonsten habe ich geäußert an einen Arbeitsplatz versetzt zu werden, der nicht so arbeitsintensiv ist, wie mein jetziger und lt. meinem Arbeitgeber soll ich eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung mitbringen und dann würde es evtl. klappen.

Wie läuft das denn bei dir auf Arbeit?

liebe Grüße
aikido
Clairedelalune
Beiträge: 181
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Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von Clairedelalune »

Hallo,

heute Morgen kam in der Tele-Akademie ein Beitrag mit dem Titel:

"An den Grenzen der naturwissenschaftlichen Medizin - trägt unser Gesundheitswesen seinen namen zu Recht?"

Der Referent war Prof.Dr. Klaus Michael Meyer Abich:

Er hat darauf hingewisen, dass es Probleme gibt die zuerst politisch und dann medizinisch gelöst werden müssten.

Dabei hat er zwar auf ein uralt Beispiel von Virchow zurückgegriffen, aber es lässt sich auf heute übertragen.
Damals - 1848 - war es die Thyphus-Epedmie in Polen,
(von Preußen eroberte Gebiete)und Virchow warf der preußischen Regierung "Staatsversagen" vor.

Und auch heute muss die Medizin pufffern, was poltitisch und arbeitsrechtlich nicht geregelt wird.
Die Zustänigkeiten werden durcheinandergewirbelt.

er hat auch dafür plädiert die Milliarden vom Gesundheitswesen in Bildung und Soziales umzuverteilen.

Je Bildungsnäher, desto gesünder.

LG
Claire
ausEssen
Beiträge: 29
Registriert: 16. Apr 2013, 21:33

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von ausEssen »

Hallo in die Runde. Eine superspannende Diskussion mit (für mich) SEHR aktuellem Bezug ist es geworden.
@Nachtflug: Ich kann dir grundsätzlich in wirklich allen Punkten Recht geben, und ich empfinde genau und exakt so. Ich finde es auch schade, dass sich solches Denken derzeit kaum durchsetzen lässt. Was aber keineswegs heißt, dass es nicht diskutabel wäre – deswegen beteilige ich mich auch daran. Leider finde ich das Mathematiker-Beispiel nur sehr begrenzt übertragbar, haben doch die Mathematiker ganz besondere und einzigartige Fähigkeiten, mit denen sie viele andere Punkte (über-) kompensieren können. So haben sie sich die Freiheiten erarbeitet. Ich bin normaler BWLer, von denen es Tausende gibt und biete Eigenschaften und Kompetenzen, die sich nicht wesentlich von denjenigen Anderer unterscheiden… .
@ Eva: Deine Frage finde ich eine Superfrage! Es ist schon der nächste Schritt in der Diskussion. Ich bin noch nicht weit genug durch die Vielzahl der Threads hier hindurch gestiegen, um zu wissen, ob es diese Frage schon ausgiebig erörtert wurde. Wenn nicht, wird es Zeit, wie ich finde. Neuer Thread, Eva?
@Stepha: 100% d’accord!
@aikido: ich freue mich für Dich, dass es auf diesem Wege gefunzt hat bzw. funzen wird. Für mich selbst finde ich einen solchen Weg leider unmöglich, weil ich mich als (ex-) Vorgesetzter zwar gerne coachen, aber wohl kaum glaubhaft und gesichtswahrend wiedereingliedern lassen kann. Vielleicht irre ich mich, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Mitarbeiter spätestens dann, wenn ich unangenehme Dinge durchsetzen muss, mich noch zu 100% ernst nehmen bzw. dass sie mir nicht zum Eigennutz einen Strick daraus drehen und mir die vermeintliche „Schwäche“ unterschieben. Nun, es kann natürlich sein, dass ich dazu schlichtweg nicht genug „Eier“ habe und mir diese Reaktion auch nur ausmale oder einbilde. Ich glaube, dass ich die Erfahrung auch lieber nicht machen möchte.
Gruß in die Runde, Rainer
aikido_1987
Beiträge: 1133
Registriert: 24. Jul 2011, 20:43

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von aikido_1987 »

Hallo Rainer,

ich verstehe, was du meinst. Kann gut möglich sein. Wäre eigentlich schön, wenn Wiedereingliederung für jeden gilt, egal welche Position er besetzt.

liebe Grüße
aikido
Salomon
Beiträge: 49
Registriert: 17. Apr 2013, 09:21

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von Salomon »

Hallo Aikido: auch ich habe von verschiedenen Professoren gehört, dass sich die Depression in den letzten 10 Jahren nicht verbreitet haben soll. Ich kann das auch nicht so recht glauben.

Hoffentlich führt diese Position nicht zur einer Verzögerung von Maßnahmen und einer Verringerung von Budgets.

Dabei werden in anderen europäischen Ländern offen Steigerungsraten der Depression kommuniziert.

Habt ihr eine Erklärung, warum das in Deutschland anders sein soll?

Verwunderte Grüße
Eva
Mooseba
Beiträge: 385
Registriert: 17. Dez 2010, 14:12

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von Mooseba »

.
Zuletzt geändert von Mooseba am 18. Sep 2020, 17:19, insgesamt 1-mal geändert.
_________________________

"Wenn man aus einem protestantischen Land kommt, ist man immer etwas beschämt, wenn man bei der Arbeit nicht gelitten hat."

(Lars von Trier)
Zarra
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Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Prävention von Burnout und Politik

Beitrag von Zarra »

Hallo Eva,

ich verfolge diesen und ein paar anderes Threads so halb.

>Welche Unterstützung erhaltet ihr in eurer Firmen? -- Was könnte euch in eurem Arbeitsumfeld helfen?
Du klingst ja immer wieder sehr "politisch aktiv" o.ä. an. Wie hast Du denn diese Fragen beantwortet, was würdest Du Dir denn wünschen oder fordern? ... irgendwie fehlt mir Dein eigenes Statement, obwohl Du ins Feld ziehen willst.

Denn "weiche" Schlagworte wie "mehr Mitmenschlichkeit", "weniger Druck" o.ä. machen konkret nichts besser, sind vor allem auf solchen Ebenen ungeeignet. (Und im realen Arbeitsumfeld sind sie da oder auch nicht - in der Regel lassen sie sich aber durch Paragraphen und Verordnungen nicht herbeizaubern.)

Und ich könnte Deine Fragen so konkret nicht beantworten. Denn Depressionen werden in der Regel durch einen neuen Bürostuhl o.ä. "Einklagbares" nicht besser. Und das Wohlwollen und die Mitmenschlichkeit von KollegInnen sind nichts politisch Einklagbares. - In Einzelfällen mag das Einhaltenkönnen von Pausen etc. etwas bringen, doch das wäre ja auch meist konkret einforderbar. - Und festgelegte Arbeitszeiten sind festgelegte Arbeitszeiten, manche Überstunden mehr oder weniger auch; und bei den anderen muß sich jeder Betroffene selbst an die Nase fassen; und kein Unternehmen wird etwas verschenken.

Aufklärung läßt falsche Vorurteile verschwinden und verringert Tabus. Doch damit verschwinden nicht alle Probleme. Denn in der Regel wird Depression am Arbeitsplatz dann zum Thema, wenn es Probleme gibt (Fehlzeiten etc.). Und Depression ist nun mal eine unkalkulierbarere und unverständlichere Krankheit als ein gebrochenes Bein; da sollten wir uns nichts vormachen.

Und Stress ist EIN Faktor, oft der letzte Katalysator; er ist aber nicht DER Faktor, an dem alles hängt.

Viele Grüße, Zarra
Salomon
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Registriert: 17. Apr 2013, 09:21

Suizid von CEO der Swiss-Com

Beitrag von Salomon »

Liebe Zarra,

aus gegebenen Anlass verspätet meine Antwort.

Swiss-Com Chef Carsten Schloter hat sich umgebracht: Suizid nach Erkrankung an eine Depression und wochenlanger Schlaflosigkeit.

Ursache der Erkrankung nach Medienmeinung: die Trennung von seiner Frau mit 3 Kindern 2009, die er als persönliches Versagen beurteilt und sein hohes Arbeitsengagement, das sich nach seiner eigene Beschreibung in einer ständigen Anspannung äußerte. "Ich konnte mich immer weniger von meiner Arbeit abgrenzen."

Die Kollegen um ihn herum haben seinen schlechten Zustand bemerkt, aber weder die Personalabteilung noch den Vorstand informiert.

Das ist doch purer Druck, Anspannung, Stress, Materialermüdung, Überforderung des Nervensystems als Ursache für die Depression.

Wieviele Beweise müssen denn noch geliefert werden? Vielleicht noch ein mehr Tierversuche?

Betroffen hoffe ich, dass Männer den Mut haben, sich früher zu outen und sich behandeln lassen. Die Schweizer trauern um einen charismatischen Manager.

Auch ein guter Freund hat sich vor vielen Jahren in der Prüfungsphase umgebracht. Damals konnte ich das nicht verstehen: der Lebenslustige, Charmante verzweifelte in der Krankheit. Heute weiss ich, wie sich dieser Zustand anfühlt: Lieber sterben als Leben.

Das ist meine persönlich Motivation: Die Ursachen beim Schopf packen und nicht an den Symptomen herumdoktern.

Zu meinem Statement siehe mein neuer Beitrag.

Liebe Grüße
Salomon





Salomon schrieb:
> Hallo liebes Forum,
>
> in der Presse finde ich so viel über Burnout und Depression, auch dass die psychischen Krankheiten zugenommen haben.
>
> Was ich einfach nicht verstehe ist, warum dennoch so wenig passiert in der Politik und in den deutschen Unternehmen. Habt ihr euch in eurer Firma als depressiv geoutet. Welche Unterstützung erhaltet ihr in eurer Firmen?
>
> Was könnte euch in eurem Arbeitsumfeld helfen?
>
> Freue mich über viele Beiträge
> Viele Grüße
> Eva
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