Trauer über Vater - aber anders

FönX
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Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von FönX »

Moin,

mein Beitrag richtet sich u.a. an die, die meinen, wenn die giftigen Eltern gestorben sein werden, kehrt Ruhe ein. Dem ist nicht zwangsläufig so.

Und Hilfe brauche ich auch.

So hatte ich bereits vor fast 2,5 Jahren versucht, hier im Forum das Thema zu klären, dass mein Vater noch immer Macht über mich hätte (http://bit.ly/QtbO5j). Im selben Jahr dieses Threads erlitt er einen Schlaganfall, an dessen Folgen er nach 9 Monaten starb. Das war vor gut einem Jahr. Über seinen Tod konnte ich keine einzige Träne vergießen. Nicht, dass ich jetzt hinterhertreten will. Aber echte Trauer über seinen Tod kam nicht auf. Dennoch möchte ich über einen Aspekt seiner heutigen "Noch-Macht" sprechen.

An eine Situation kann ich mich erinnern, die beispielhaft zu sein scheint. Ich war schon als Kind begeistert vom Fotografieren und wünschte mir Ende der 60er eine Kodak Instamatic, bei der man die verschiedenen Situationen (Sonne, Wolken usw.) einstellen konnte. Und die sollte ich auch bekommen. Als Kind macht man aber auch Fehler, und so einer führte dazu, dass mir Vater sagte: "Das hast du dir jetzt verscherzt!", ich sollte dieses Geschenk also nicht mehr bekommen. Irgendwie schaffte meine Mutter aber immer wieder, ihn zu überreden. Und schließlich bekam ich die Kamera doch. Mich machte das Geschenk aber nicht glücklich, da der bittere Beigeschmack übrigblieb, ich hätte es nicht verdient. Und das ist ein Gefühl, das mich zeitlebens begleitet hat und noch tut. Das Gefühl, es nicht wert zu sein, es "eigentlich" nicht verdient zu haben.

Gestern abend habe ich mich entschlossen, für die letzte Urlaubswoche meiner Frau ein Häuschen an der dänischen Nordsee zu mieten. Eines, in dem wir sehr oft schöne Ferienwochen genossen haben und in dem wir das letzte Mal vor 12 Jahren waren. Nun ist es also beschlossen, und ich müsste sehr glücklich darüber sein. Aber nein, seit gestern Abend sind sie wieder da. Die alten Gefühle: "Ich habe es eigentlich nicht verdient." "Ich habe den aktuellen Kundenauftrag noch nicht abgeschlossen." "Ich bin nicht gut genug." Und Freude kommt nicht auf.

Heute Morgen musste ich beim Frühstück weinen, weil ich traurig war, mich über unseren gestrigen Entschluss nicht freuen zu können, dass mir so unendlich viele Lebenssituationen vergällt worden waren, in denen ich mich hätte freuen können, und wo diese "Abers" einen dicken Schatten über die Freude warfen. Traurig, einen Vater gehabt zu haben, der mir permanent und sogar posthum das Gefühl gab, nicht zu genügen, nicht gut genug zu sein, es nicht wirklich verdient zu haben.

Auch mit meiner Therapeutin habe ich das Thema bearbeitet. Sie hatte mir darauf ein Buch empfohlen, das ich zwar gelesen habe, was mir aber in keiner Hinsicht geholfen hat ("Nimm das Geld und freu dich dran!", Petra Bock). Seit Monaten ist die Therapie zu Ende, und ich habe nur noch das Forum, also euch.

Ob ich eine Frage habe, weiß ich gar nicht. Doch, ich würde gern wissen, was ich noch tun kann, um dieses unwert-Gefühl, das Gefühl, es nicht verdient zu haben, loszuwerden. Sind das die "berühmten" Löcher, über die man nur noch eine Brücke bauen, um die man Blümchen pflanzen kann, weil man nur noch mit ihnen leben kann? Die man nie wieder zukriegt? Wie sieht so eine Brücke aus? Was für Blumen sind das?

Traurige Grüße
FönX

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jonesy
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von jonesy »

Hallo Fönx,
sich selbst einen Wert zu geben, sich zu erlauben, etwas haben zu dürfen, ist nach solchen Kindheitserlebnissen unglaublich schwer.
Diese Sätze: Du bist es nicht wert, du bist nicht genug usw. prägen sich sehr tief ein.
Mir hat es geholfen, mir meine positiven Seiten vor Augen zu führen, immer und immer wieder.
Was ist gut an mir? Womit bereichere ich andere Menschen, was ist das Besondere an mir?
Es ist anstrengend, sich immer wieder selbst an die Kandarre zu nehmen und sich zu erlauben, etwas an zu nehmen, etwas zu haben.
Du darfst das haben und du darfst glücklich darüber sein.
Nichts an die dir ist so übel, als das du es nicht verdienen würdest.
Vermutlich wird es immer wieder so sein, dass du eine Brücke schlagen musst über solche entwertenden Kernsätze, die dich geprägt haben. Mir geht es nicht anders.
Aber ich versuche, immer wieder eine Realitätsprüfung zu machen, wenn diese alten Sachen wieder hoch kommen.
Im Sinne von : Warum hat er das gesagt?
Hat das wirklich so gestimmt und oder wollte er nur seinen Frust ablassen?
Und was ist jetzt mit mir? Bin ich nicht erwachsen und kann ich nicht auf ein Leben zurück blicken, in dem ich viel geschafft und geleistet habe?
Was hat das Gestern noch mit meiner heutigen Persönlichkeit zu tun?
Kinder dürfen und müssen sogar ganz viel falsch machen, damit sie lernen.
Ich glaube, unsere Eltern waren leider nicht so pädogisch bewandert, um zu begreifen, was sie mit ihren Worten und Taten anrichten.
Kann dich das jetzt trösten?
Ich hoffe, dass du dir etwas raus ziehen kannst aus meinem Geschreibsel.
Hm, Dänemark..., ich liebe Dänenmark.
Lakritze, Meer und Wind.
Lieben Gruß v. Pauline
jonojo

Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von jonojo »

Hi FönX,

>Sind das die "berühmten" Löcher, über die man nur noch eine Brücke bauen
Ich glaube im richtigen Leben würdest du so einen Riesen-Krater direkt vor der Haustüre füllen wollen.

Eine Möglichkeit an das Thema ranzugehen, wäre die Arbeit mit dem inneren Kind.

LG,
Norbert
ndskp01
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von ndskp01 »

Moin, moin FönX,

kannst du eventuell deine frühere Therapeutin reaktivieren? Wenn man sich kennt, ist es leichter, wieder anzuknüpfen. Ich könnte mir vorstellen, dass es dir jetzt hilft, mit ihr über die konkrete Trauer zu reden.

Ich wäre jetzt auch gerne wieder am Meer.

Ich gehe in meiner Phantasie dort spazieren und arbeite hier auf Hochtouren.

Auf Pölser hätte ich auch mal wieder Lust ....

herzlich, Puk
FönX
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von FönX »

Moin ihr Lieben,

ihr habt mir ja schon einige Ansätze geliefert. Danke dafür! Pauline mit den konstruktiven Fragen, Norbert mit dem "inneren Kind". Das Buch hatte ich während meiner ersten stationären Behandlung gelesen. Ich blieb aber beim Weitermachen mit dem Arbeitsbuch stecken. Aber mir half der Gedanke an ein inneres Kind damals meine eigenen Gefühle für mich wiederzufinden. Mal sehen, ob meine inzwischen gesammelten Erkenntnisse mir helfen, mich mit dem inneren Kind auszusöhnen.

@PUK
Ich kann mir vorstellen, dass die Psychologin, die ich zwischen den Therapien bedarfsweise konsultiert hatte, mir weiterhelfen kann. Auch sie kennt mich ziemlich gut. Und da muss ich auch nicht bei Adam und Eva anfangen. Ich werde sie mal um ein Gespräch bitten. Irgendwie ist mir mit diesem Gedanken wohler als bei dem, mit der letzten Therapeutin zu sprechen. Warum, weiß ich nicht.

@die Mitleserin, die mir eine ganz ganz liebe Mail geschickt hat:
Vielen Dank für dein Mitgefühl und deine Anregungen. Ich denke, das Forum und die Anregungen weiter oben geben mir schon eine gute Unterstützung.

Liebe Grüße
FönX

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Omnia
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Registriert: 5. Aug 2011, 13:14

Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von Omnia »

Ich denke, dass es auch daran liegt, dass man seinen Eltern/dem Leben nicht als erwachsene/r Mann/Frau gegenübertritt.

Denn als Kind war man wirklich machlos. Ja, das stimmt. Man hatte noch nicht die Ressoucen sich dagegen zu wehren und man war abhängig von ihnen.
Wenn man diese Haltung/Rolle noch als erwachsener Mensch einnimmt, bleibt einem nichts anderes übrig als sich machtlos zu fühlen.

Denn wer bestimmt denn, was man als erwachsener Mensch verdient hat oder nicht? Nicht eine verinnerliche Stimme oder ein Über-Ich oder wie man das auch nun nennen will, außer man ist nicht reflektiert und sich desse nicht bewusst, dann vielleicht schon. Es ist ja auch nicht immer schlecht, sich davon leiten zu lassen. Manchmal allerdings schon.
Und ich denke irgendwo ist da dann auch die erwachsene Stimme die sagt: "Ok, du hast da diesen Kundenauftrag noch nicht ganz fertig. Aber ein Urlaub wird dir trotzdem gut tun."
Wenn es keine gravierenden Nachteile für dich bringt, diesen Kundenauftrag nicht abzuschließen und du ihn nach dem Urlaub abschließen kannst, dann kannst du ihn auch nach dem Urlaub weiter bearbeiten.
Diese Perspektive wäre logisch, diese Perspektive wäre gut für dich.
Warum wechselst du von der erwachsenen Perspektive trotzdem wieder in die kindliche hinüber? Irgendeinen Vorteil hat es bestimmt.

Zum Beispiel hat diese kindliche Perspektive auch etwas mit Sich-fallen-lassen zu tun, sich fallen lassen in diese "Hilflosigkeit". Da sagt eine "Stimme" in einem: "Ich habe es nicht verdient". Man fühlt sich klein, lässt sich da hinein fallen und gibt gleichzeitig Verantwortung ab. "Ich habe es nicht verdient" => innere Passivität.
Das entlastet zwar, ja. Ist aber letztendlich schlecht für einen selbst (man nimmt sich Freiheiten, man hat sehr negativen Gefühle usw.), aber man ist entlastet.
Es ist ja belastender selbst die Verantwortung zu tragen und zu sagen: Ok, ich übernehme jetzt die Verantwortung. Ich entscheide mich ganz bewusst dazu diesen Kundenauftrag NICHT richtig abzuschließen. Stehe voll dahinter, übernehme die volle Verantwortung für zum Beispiel negative Konsquenzen, die daraus entstehen könnten, die Entscheidung ist für mich deshalb absolut in Ordnung. Und aus diesem Grund kann ich mit guten Gewissen auch meinen Urlaub genießen, weil ich es für mich so entschieden habe.

Zu sagen: "Ich habe es nicht verdient" schiebt die Verantwortung einer andern imaginären Instanz zu.
Also: "Jemand" sagt ich habe es nicht verdient. Du sagst selbst es ist irrational, dass du es nicht verdient hast. Also kann es nicht deine eigenen rationalen Überlegungen entspringen. Diese "Jemand" ist aber in diesem Moment eine Entlastung.

Keine Ahnung, ob das überhaupt auf die zutrifft sorry, wenn nicht. Eigentlich sind es nur meine eigenen Überlegen zu dem Thema in Bezug auf mich selbst
hope1962
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von hope1962 »

jonojo

Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von jonojo »

Hallo Bleu,

ich finde sehr wohl, dass jeder in diesem Forum über sein >Elend schreiben darf.

Und ich glaube, dass du hier Zuhörer und Gesprächspartner finden wirst.

Und ich finde, dass du mit deiner schrecklichen Vergangenheit einen konstruktiven Umgang pflegst.

LG,
Norbert

P.S.:
Die Früher-war-das-Forum-besser-Beiträge sind hier regelmässig zu lesen. Das kannst du auch in jahre alten Threads finden.
ChristianeL.

Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von ChristianeL. »

Bleu, irgendwas ist immer. Sei es im Forum mit etlichen Menschen oder im eigenen Leben. Dass Du nicht trauerst über den Tod der anderen doch klar, und wieso solltest Du auch.
Verstehe ich vollkommen, das ist nämlich normal.
Es geht wohl mehr um die Sprache, die man hier wählt, und das ist richtig so.
Ich denke immer, da sitzt jetzt gerade so wie ich jemand am Rechner und versucht sich mitzuteilen. Im Grunde eine riesige WG, das ist einerseits fantastisch, anderereits prallen hier menschliche Welten aufeinander, auch wenn der Oberbegriff Depression lautet.
Ich mag einen übertriebenen Kuschel-Kurs auch nicht ,aber den insgesamt freundlichen Umgang miteinander schon.
Es ist doch normal, wenn man so ist, wie man ist. Wenn Du nicht wütend bist mit Deiner Geschichte, dann weiss ich auch nicht.
Christiane
Lerana
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von Lerana »

Liebe FönX, (den lass ich drin

ich kann dich sehr gut verstehen!
Den Mist kenne ich auch. Mein Kritiker (gespickt mit Elternbotschften!!) ist ein fieser Kerl, der mir vieles missgönnt!

Ich habe ihm mal einen Brief geschrieben, in dem ich mich bei ihm bedankt habe, denn heimlich will er mich beschützen, davor, dass ich faul bin, davor, dass ich egoistisch bin ...

Ja und dann habe ich ihm gesagt: So und jetzt brauche ich dich im Boot, denn ich komme gegen dich nicht an. Du kannst mit mir über alles reden, aber nicht mehr in dem Ton. Wenn du mich so fertig machst, ich sei es nicht wert, höre ich dir nicht mehr zu...

Und dann habe ich ihm alle Dauermonition gegen mich vorgehalten und geprüft und entkräftet und das habe ich mir jeden Abend laut vorgelesen!

Ich glaube den inneren Kritiker kriegt man auch kleinlauter, wennn man es einfach trotzdem macht. Soll er sich doch dann mal dran gewöhnen, dass er jetzt nicht mehr Herr im Haus ist.

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
FönX
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von FönX »

Hallo,

@Omnia
Mit deiner Variante kann ich relativ wenig anfangen, weil du dem Aspekt Kundenauftrag, den ich so als klitzekleinen Anlass, mich mies zu fühlen, zuviel Gewicht beimisst. Und bei dir hört es sich an, als bräuchte ich einen Aufhänger mich fallen zu lassen, um Verantwortung abzugeben. Nein, dieses Gefühl, etwas nicht verdient zu haben oder nicht gut genug zu sein, überfällt mich einfach.

Was den Auftrag angeht, dem Kunden habe ich klar gesagt, er soll mich nicht drängeln, unter Druck kann ich nicht arbeiten, es dauert seine Zeit. Und ob ich im August oder September oder Anfang Oktober fertig werde, ist mir im Prinzip egal, so lange er die Füße still hält und am Ende zahlt.

@bleu
Unvorstellbar, was du erlebt hast. Wenn ich solche Erlebnisse in der Klinik hörte, dachte ich immer: "Was will ich eigentlich hier mit meinen Lappalien?" Das wurde mir aber abgewöhnt.

Wie ich sehe, hilft dir auch die Arbeit mit dem inneren Kind. Bekommst du da Anleitung? Oder arbeitest du mit dem Buch von Chopich/Paul und dem Arbeitsbuch?

@Lerana
FönX ist ein Männchen.
Den Kritiker habe ich heute erlebt. Meine Frau reichte mir die kleine "Schatztruhe", in der kleine Botschaften von lieben Freunden liegen, auf denen sie Komplimente an mich geschrieben haben. Ich konnte kaum eines der Komplimente annehmen. Der fiese Kritiker hat sich bei jedem zu Wort gemeldet. Wenn da stand: "Du bist klug!", dann kam postwendend von ihm: "Ja, Klugscheißer!", und so in der Art. Wenig charmant. Meine Thera hat mich sehr oft ermahnt, ihn ganz bestimmt in seine Schranken zu weise. Ich hätte den Regiestuhl und er hätte sich doch bitte an meine Anweisungen zu halten. So in der Art.

Ich sehe, es ist eine hammerharte Arbeit, diese einbetonierten Gedanken aus der Kindheit wieder loszuwerden.

Liebe Grüße
FönX

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Clown
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von Clown »

FönX, frag doch deinen Kritiker mal, was er für dich erreichen will.

Er ist Teil von dir, wo ist sein Platz, welches ist seine Aufgabe?

LG, Clown
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Eckhart Tolle
FönX
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von FönX »

Moin Clown,

darüber habe ich mir noch nie richtig Gedanken gemacht. Ich denke, er hat seine Existenzberechtigung für z.B. den Fall, wenn ich mal drohe übers Ziel hinauszuschießen, übermütig zu werden o.ä.. Mich vorher an die Grenzen zu erinnern. Ähnlich wie Eltern, die ihre Kinder warnen, die Risiken des Straßenverkehrs zu bagatellisieren.

Ist es das, was du meinst? Oder welchen Platz er eingenommen hat?

Er drängt sich ungefragt in den Vordergrund. Wird oft unflätig. Wertet mich und das, was ich tue, gerne ab. Lässt kein Thema, das mich wirklich interessiert, aus. Wenn ich einen Fehler mache, lacht er sich schlapp. Er ist ein ziemlicher Zyniker. Was ich gut mache, relativiert er ziemlich abwertend ("Ganz gut, aber..."). Er vergleicht mich immer mit anderen. Egal wie gut ich etwas mache, er kennt immer einen, der noch besser ist (ist ja auch keine Kunst).
FönX

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Clown
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von Clown »

Lieber FönX,

in einer (durch die Thera) begleiteten Imagination habe ich meinen Kritiker erst als Bild 'erfühlt' (er war ein silbriges Robotermännchen) und dann habe ich richtig mit ihm geredet und bekam (innerliche) Antworten.

Wenn du sagst 'ich denke er will...' ist das noch etwas anderes.

Richtig mit ihm reden bedeutet, ihn zu konfrontieren, zu stellen. Helfen kann dabei ein konkreter Stuhl / Kissen / Gegenstand der deinen Kritiker symbolisiert.
Dann könntest du ihn mal so richtig rund machen, was für ein mieser Kerl er doch ist und wozu das eigentlich gut sein soll ...

Kannst du es dir ungefähr vorstellen?

LG, Clown
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anna54
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von anna54 »

Lieber FönX
gestern war ich in einem Gottesdienst,Anlass war der Unfalltod eines 22-Jährigen.
Ich kenne die Familie aus verschiedenen Perspektiven,es sind 9Geschwister.
Etwas ganz Schlimmes scheint dort normal zu,der Schwächere wird runtergemacht. Als ich den trauernden Vater sah,kamen mir viele seiner negativen Worte über seinen Sohn,der jetzt tot ist wieder in den Sinn.
Ich bin auch heute noch tief verunsichert über so viele Gedanken,die bei mir ausgelöst wurden.
Der jetzt tote Sohn war ein "angeblich schwieriges Kind",zog sich früh vom Elternhaus zurück.Die Mutter kommt nicht zu Wort.
Es ist falsch,was ich am Liebsten möchte,den Vater ansprechen,und ihm sagen,was tust du deinen Kindern an. Immer stramm stehen,auch gern 1.Reihe in der Kirche.
Aber auch ich bin stumm,warum?
Nicht zu genügen,das seinen Kindern zu vermitteln ist ein Verbrechen.
Jetzt warten wir auf die polizeiliche Klärung der Todesumstände. Leider kenne ich die schon,ich kann nicht dran vorbei.
Je älter ich werde,um so mehr kann ich nicht mehr schweigen.
Ich hoffe ich störe hier nicht mit dieser Geschichte,aber als ich deine Zeilen las,wurde mir die Ohnmacht wieder bewußt.
Diese Löcher,diese Krater,Brücken sollten wir bauen,täglich,Ich fange an mit Gänseblümchen,sie sind für mich das Symbol,der unendlichen Kraft sich im Kleinen durchzusetzten,sie wachsen trotzdem,gegen alles Widerstände.
Ich wünsche dir die Kraft an die eigene Stärke zu glauben.
anna54
Lerana
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von Lerana »

LiebeR FönX !

Ich wusste, dass du ein Männchen bist. War schlicht ein Tippfehler. Sorry!

Ich kann Clowns Beiträge nur unterstützen. Auch ich habe ein Bild für meinen Kritiker und bin ein gutes Stück weitergekommen, als ich verstanden habe, dass er mir per se nicht schaden möchte. Für einiges bin ich ihm echt daknbar!! Die hohen Ansprüche, die er an mich stellt, haben mir z.B. zu einem sehr guten Examen verholfen. Ich neige zum Chaos und er zwingt mich zur Ordnung etc.

Das "einzige" was ich ihm abgewöhnen musste und immer wieder muss, ist das zu viel und die mich abwertende Sprache, die mich dann im Endeefekt nur noch lähmt und das System erhält.

Ich habe übrigens das Bild nach meinem Brief verändert. Ich habe ihn lachend gemacht und das Originalbild des ekligen, fiesen, gnomhafen, keifenden Rupelstilzchen in einen Käfig gemalt und ihm Klebeband auf den Mund geklebt. In meiner Vorstellung verbanne ich den Kerl immer wieder geknebelt an diesen Ort.

Oft klappt das, oft nicht!

Herzliche Grüße
Lerana

PS. Hatte keine Zeit zum Korrekturlesen meines ersten Beitrags, denn es klingelte an der Tür. Das werde ich jetzt mal nachholen! Das kann man ja so kaum aushalten vor lauter Fehlern! Lehrerin mit LRS, was soll man machen !
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Lerana
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von Lerana »

Und jetzt auch noch doppelt! Sorry!
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FönX
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von FönX »

Hallo,

@Clown & Lerana
Nein, so eine Imagination habe ich mit der Thera nicht gemacht. Es hört sich aber sehr gut an, und ich werde versuchen, das mal allein zu machen. Danke für den Einblick in deine Therapie.

@anna54
So offen hat mein Vater nie agiert. Insofern hat er sich auch nicht angreifbar gemacht. Blicke, Dinge, die ungesagt blieben, subtile Aussagen, imaginäre Authoritäten argumentativ vorschieben waren eher seine Instrumente. Im Alter war ein richtiges Gespräch mehr möglich. Ist auch eine gewisse Machtausübung.

Gänseblümchen sind hypsch. Mach ich.

Im Moment bin ich müde und werde erstmal schlafen. Morgen lese ich mir alles noch einmal genau durch und werde "einen Schlachtplan" entwickeln. Naja, mindestens eine Vorgehensweise.

Mittlerweile kommt nun doch langsam Freude auf über den geplanten Urlaub. Ich habe mir einige Bilder vom Häuschen kommen lassen. Mit ihnen wurde die Erinnerung noch wacher, die Pläne werden konkreter. Es wird sicher wieder schön. Und irgendwann werde ich mich fragen, was diese Achterbahnfahrt wieder sollte. Aber das kennt ihr ja.

Erst einmal gute Nacht
FönX

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FönX
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von FönX »

Hallo,

nun habe ich mir einen Termin im September geben lassen, um das Thema mit der Psychologin zu besprechen, mindestens aber damit anzufangen. Sie kennt uns (mich und meinen Kritiker) recht gut. Und in der Zwischenzeit werde ich die langen Spaziergänge an der Nordsee nutzen, um etwas Aufräumarbeit im Kopf zu machen.

Liebe Grüße
FönX

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depp71
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von depp71 »

Väter sind schon so eine Baustelle...

Gott sei Dank habe ich in der Kindheit da keine Poblem gehabt - später wurde es dann aber mehr als eigenartig - keine Ahnung, was ich als Frauen so im Schlepptau hatte, hat er z.B. auf atemberaubende Weise behandelt, das war schon oscarverdächtig.

Naja heute beschwert er sich regelmäßig, das ich ihm keine Enkelkinder organisiert habe.

Das das aber auch mit 'der blöden Alten', wie er sie durchgängig zu bezeichnen pflegte irgendwie zusammenhängen könnte ... naja

Die 'blöde Alte' hat er ihr natürlich nicht ins Gesicht gesagt - viel geiler: Man kann auch jahrelang sich einen Vornamen nicht merken


Naja - das mit den Enkeln hat er nicht allein versaut aber mir zeitweise mit dem Störfeuer den letzten Nerv geraubt (Echo hab ich dann 'logischerweise' abbekommen) -ich bin da mit ihm nie mehr wirklich klar gekommen. Wenn's danach ginge wär eine Postkarte jede Weihnachten ok...

Aber da ist ja noch Muttern ... die bekommt langsam auch Probleme weil er schon etwas skurril wird - und sich mittlerweile mit allem und jedem anlegt. Selbst das Unkraut im Garten führt er auf eine Verschwörung der Nachbarn zurück... widerspruch zwecklos
jonojo

Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von jonojo »

Hi FönX,

mir sind zu deinem Thema die! Klassiker der Männer-Szene eingefallen. Letztlich geht es in der Männer-Literatur immer auch um die Vaterproblematik. Biddulph beschäftigt sich dabei explizit mit dem Verhältnis zum Vater:

Männer auf der Suche: Sieben Schritte zur Befreiung,Steve Biddulph

Der wilde Mann. Geistliche Reden zur Männerbefreiung, Richard Rohr

Eisenhans: Ein Buch über Männer von Robert Bly

LG,
Norbert
FönX
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von FönX »

Oh! New stuff. Das muss ich mir unbedingt angucken. Danke, Norbert!
FönX

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FönX
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von FönX »

Hallo, hier ein Update:

"Noch viermal schlafen", würden meine Enkelkiddies sagen, dann geht's an die Nordsee! Heureeeeka!

Inzwischen ist auch die Freude da,
inzwischen habe ich in einem wahren Schaffensrausch die Website meines Kunden fast fertig.
Inzwischen habe ich - auch vom Gefühl her - die Aus-Woche verdient, und
inzwischen wäre mir ein anderer Status des Kundenauftrags auch "Banane".

Lieben Gruß
FönX

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FönX
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Re: Trauer über Vater - aber anders

Beitrag von FönX »

@Norbert:
Deine Bücher haben mich nicht so richtig angesprochen. Der Hellinger am wenigsten. Trotzdem Danke für deinen Tipp.

Liebe Grüße
FönX

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