Depression wird immer noch belächelt und nicht ernst genommen

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FönX
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Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Depression wird immer noch belächelt und nicht ernst genommen

Beitrag von FönX »

Hallo Yvi,

hab nur wenig Zeit, daher erstmal nur ein Gedanke: Dieser Mensch ist nicht die Gesellschaft, und die soziale "Kompetenz von Chefs" will ich mal dahingestellt sein lassen. Er ist nur ein winziger Teil davon, nicht im Geringsten repräsentativ. Und es wird immer Menschen geben, mit denen du über deine Befindlichkeit besser nicht reden musst. Im Grunde sind es die meisten.

Bis später
FönX

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FönX
Beiträge: 3370
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Depression wird immer noch belächelt und nicht ernst genommen

Beitrag von FönX »

Liebe Yvi,

ich glaube, für uns ist es am besten, wenn wir (sorry für den abgelatschten Ausdruck) immer bei uns bleiben, auf uns selbst achten, allmählich die Antizipationen ("Der denkt bestimmt jetzt das und das über mich.") und Erwartungen an andere sowie überzogene Erwartungen an uns selbst sukzessive ablegen. Wenn wir dann noch Ressourcen übrig haben, können wir sie u.a. in ein Projekt investieren wie etwa die Deutsche DepressionsLiga, die speziell an deinem Thema arbeitet.

Depressive Einzelpersonen sind komplett überfordert, wenn sie die Akzeptanz der Depression in der Gesellschaft erreichen wollen. Außerdem ist es kein Zeitpunkt, ab dem "die Gesellschaft" die Depression akzeptiert, sondern ein fortlaufender Prozess, da immer wieder neue Unwissenheit produziert wird und eben Menschen nachwachsen.

Fällt mir noch ein:
Ich als Depressiver habe doch eigentlich genug damit zu tun, erstmal selbst zu realisieren, zu verstehen und zu akzeptieren, dass ich selbst eine Depression habe, dass das eine wirklich schlimme Krankheit ist und ich jedesmal erneut meine Grenzen finden und verschieben muss.

Jesus Christus sagte mal über die unverbesserlichen Pharisäer und Schriftgelehrten zu seinen Jüngern: "Lasst sie!". Vielleicht kannst du die Denkweise hinter den zwei Worten erkennen.

Lieben Gruß
FönX

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lae
Beiträge: 188
Registriert: 14. Feb 2012, 12:37

Re: Depression wird immer noch belächelt und nicht ernst genommen

Beitrag von lae »

Hallo Yvi,

seit über 2 Jahren liege ich nun schreiend, weinend und würgend im Bett. Ich habe verschiedene Ärzte konsultiert und befinde mich in Therapie - keine Änderung der Symptome. Gerade bin ich von einem 14tägigen Klinikaufenthalt nach Hause gekommen, bei dem ich noch Mal gründlich untersucht worden bin. Meine Bruder stattet mir einen Krankenbesuch ab und schenkt mir das Buch "Positiv denken".
Ich bin zutiefst empört,fühle mich unverstanden, würde es ihm am Liebsten um die Ohren schlagen, aber dafür bin ich viel zu schwach.
Plötzlich wird mir klar: er meint es gut. er ist gesund, er kann dich nicht verstehen, du musst Verständnis für die Gesunden haben. Ich bin unendlich traurig.

Ein Jahr später hat mein Bruder seinen ersten psychotischen Schub. Nach einem weiteren Schub, einem langen Psychiatrieaufenthalt und einer guten Einstellung auf Medikamente ein weiteres Jahr später, besucht er mich wieder.
"Laetitia, ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich dir damals dieses Buch geschenkt habe. Erst jetzt, wo ich selbst krank bin, weiß ich wovon du redest. Ich dachte wirklich, dass man durch eine Veränderung der inneren Einstellung wieder gesund werden kann. Es tut mir so leid."

Das Ganze ist jetzt bereits 17 Jahre her, aber dieses Erlebnis und andere haben mich gelehrt, dass man einen anderen Menschen nie ganz verstehen wird. Je verschiedener die Lebenswirklichkeiten der Menschen sind, desto geringer ist das Verständnis. Heute rede ich nur noch in Gegenwart von Betroffenen über meine Krankheit. Allles andere ist Energieverschwendung und verletzt mich nur noch mehr. Das tue ich mir einfach nicht mehr an.

Übrigens: mit meinem Bruder Bruder verstehe ich mich seit dieser Zeit sehr gut.

laetitia
petra3741
Beiträge: 2172
Registriert: 17. Jun 2009, 20:05

Re: Depression wird immer noch belächelt und nicht ernst genommen

Beitrag von petra3741 »

hallo miteinander,


also ich kann das so nicht bestätigen,
dass die depression immer noch so wenig erst genommen wird.
psychische erkrankungen sind heute die größte gruppe der erkrankungen, die berufsunfähigkeit bedingen laut statistik.
meine psychiaterin nimmt mich sehr erst auch meine therapeutin.
meine berufsunfähigkeitsversicherung
zahlt mir eine berufsunfähigkeitsrente und ich
arbeite halbtags.
einmal im viertel jahr erschein zur zeit in einer größeren zeitung ein artikel über depressionen, burn out usw finde ich.
wenn ich jemanden etwas erzähle, wobei ich nicht vielen was erzählen, habe ich nicht das
gefühl, dass ich nicht erst genommen werden.
heute hat doch jeder schon was depressionen gehört ( es ist ja inzwischen die volkskrankheit)
oft kennen sie sie
selbst jemanden, der betroffen ist oder ist sogar selbst betroffen.
viele können halt nicht damit umgehen,
weil sie die krankheit nicht kennen und sie ihnen wohl eher angst macht.
ich bin sogar froh, dass es heute so ist, ich hätte nicht vor hundert jahren diese krankheit haben wollen.
da wäre ich wohl in einer anstalt gelandet...

lg
Conny_23
Beiträge: 23
Registriert: 3. Aug 2012, 09:38

Re: Depression wird immer noch belächelt und nicht ernst genommen

Beitrag von Conny_23 »

hallo ihr,

auch ich habe beide erfahrungen gemacht. als es mir psychisch so richtig schlecht ging war die einzige sorge meiner eltern, das es die verwandschaft nicht erfährt. das hat mich sehr verletzt - ich hatte das gefühl, eine krankheit zu haben, für die man sich schämen muss. meine verwandschaft ging aber viel besser damit um als meine eltern und auch mein mann bemüht sich zu verstehen.
aber andererseits stimmt es schon, das man sich teilweise nicht verstanden fühlt, selbst vom therapeuten

auch dies war ein grund, mich in diesem forum anzumelden um mich mit betroffenen austauschen zu können und vielleicht auch selbst erfahrungen weiterzugeben.

alles liebe und viel kraft!

Liebe Grüße
Conny
Tanzen ist Träumen mit den Beinen
FönX
Beiträge: 3370
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Depression wird immer noch belächelt und nicht ernst genommen

Beitrag von FönX »

Hallo,

liebe Reglus, du führst aber auch jede Menge Leute an, die profunde Kenntnisse haben. Die hat "die Gesellschaft" nicht. Ich glaube, ich kann nicht erwarten, dass jeder, dem ich meine Befindlichkeit anvertraue, weiß, dass Depression eine schlimme Krankheit ist. Wäre auch nicht immer gut, womöglich bedauert er mich auch noch! Und das geht erst recht nicht! Das ist ja leider eine der vielen Zwickmühlen, in denen wir Depris stecken.

Lieben Gruß
FönX

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Omnia
Beiträge: 230
Registriert: 5. Aug 2011, 13:14

Re: Depression wird immer noch belächelt und nicht ernst genommen

Beitrag von Omnia »

>Ach Mensch, warum wird diese Krankheit in dieser Gesellschaft immer noch nicht anerkannt

>Nur weil man sie rein äußerlich nicht sieht? Nur weil man sie so schön verstecken/überspielen kann?

Ich kann dich da gut verstehen. Ich erzähle auch niemandem davon. Was natürlich auch nicht so toll ist, weil es Energien raubt, das zu verheimlichen.

Allen Menschen geht es mal schlecht. Alle Menschen haben mal ein Tief, sind mal ein paar Tage schlecht drauf. Alle Menschen müssen da durch.
Das sind die Lebenserfahrungen der meisten - der "anderen Menschen". Und diese Menschen sind da eben raus gekommen indem sie sich "nicht so angestellt haben", "zusammen gerissen haben" und das war ja "alles nicht so schlimm". Und sie geben nun ihre Erfahrungen weiter und denke das hilft allen.
Das ein depressiver Mensch sich selbst die ganze Zeit Vorwürfe macht, sich die ganze Zeit, auch schon lange Zeit vorher versucht zum Beispiel "zusammen zu reißen" und dabei immer wieder scheitert, das übersteigt den Erfahrungshorizont dieser Menschen.
Manchmal ist es auch einfach Hilflosigkeit und Hilflosigkeit macht manchmal wütdend. Und dann kommen auch solche Sätze oder das Belächeln. Ich denke, das trifft auch hierfür zu:
>Wenn ich mal etwas von meiner Krankheit rede (was ich kaum tue) wird es nur belächelt
Gerade wenn er eine Führungsposition hat, wird er wohl gewöhnt haben für alles selbst eine Lösung haben zu müssen.
Kann auch sein, dieses "Fremde" Ángst macht und "belächeln" ist eine Art es zu bekämpfen, es abzuwerten, das was Angst macht, klein zu machen.
Kann auch sein, dass es eine Generationenfrage ist. So bei den Leuten, die so in den 50ern etc. aufgewachsen ist, waren psychische Erkrankungen ja so gut wie keine Thema in den Medien. Das prägt. Ich denke womit man als Jugendlicher, junger Erwachsener überhaupt keinen Kontakt hat, das bleibt fremd.

Naja, also die "Anderen" können sich nicht psychisch in diesen Menschen hineinversetzen, weil sei niemals diesen Zustand erlebt haben und ihn dann mit dem ähnlichen Zustand verwechseln, den sie erlebten.
Und da das emotional nicht so gut geht, geht es eben nur über die Rationalität. Aber das ist halt anstrengender. Da müsste man einem Menschen wirklich zuhören und der Depressive müsste wirklich reden.
Allerdings ist hätte das bei den Menschen, die einen nun schon belächelt haben dem Anschein einer Rechtfertigung. Und ich denke, da wäre der Zug für ein wirklich offenes Gespräch bei mir abgefahren.

Und muss man überhaupt von allen Menschen verstanden werden?
Lerana
Beiträge: 2088
Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Depression wird immer noch belächelt und nicht ernst genommen

Beitrag von Lerana »

Hallo Yvi,

ich glaube, dass Verständins sehr viel verlangt ist. Ich kann auch nicht VERSTEHEN, wie es jemandem geht, der einen Tinitus hat. Wie auch, ich habe ja keinen. Ich denke jedoch, dass Verständnis gar nicht das wichtigste ist, denn auch ohne es zu verstehen, kann ich mich auf jemanden einstellen, der z.B. einen Tinitus hat. Z.b. nicht zu laut sprechen, oder abends beim Einschlafen ein Hörspiel anmachen der was auch immer bei einem Tinitus hilft (kenne mich da echt nicht aus). Daher ist es wichtig, dass ich sage, was ich brauche und welche Unterstützung ich mir wünsche, denn man kann es nicht verstehen!

Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass Menschen in meinem Umfeld nicht verstehen können, wie es mir geht und es ist in der Tat sehr enlastend, dass meine beste Freundin selber Betroffene ist.

Aber ich gehe recht offen mit meiner Depression um. Ich rede mittlerweile darüber und habe viele gute Erfahrungen gemacht.

Kollegen, die für mich mitdenken, mich an Termine erinnern, Aufgaben übernehmen etc, auch wenn sie es nicht verstehen, wie immer mal wieder in Gesprächen deutlich wird. Auch kommt es manchmal zu Auseinandersetzungen, die auf dieses Unverständins fußen, aber in einem achtsamen Miteinander lassen sich diese oft klären.

Außerdem gebe ich Fönx recht: Es geht um mich und ich muss dafür sorgen, dass mein Umfeld so mit mir umgeht, dass ich es gut aushalten kann, ob sie mich nun verstehen oder nicht.

Am schlechtesten versteht mich wohl mein Vater. Aber mittlerweile ist es mir schlicht egal, ob er findet, dass ich jammere oder nicht. Ich habe ihm mal gesagt: Das letzte Jahr war sehr hart für mich, viel mehr wäre da nicht gegangen. Und er antwortete: Ach Lerana, mehr und schlimmer geht immer, glaube mir. Ich war erst enttäuscht und dann habe ich gedacht: Nein, für MICH wäre nicht viel mehr gegangen und wenn er es nicht versteht, ändert es nichts!!

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
anna54
Beiträge: 3713
Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Depression wird immer noch belächelt und nicht ernst genommen

Beitrag von anna54 »

Hallo Reglus
da wäre ich wohl in einer Anstalt gelandet

hast du dir diese Worte auch überlegt,ist DAS deine Meinung?
Hast du dich mal informiert was das war,eine Anstalt.
Ich bin erschrocken über deine Worte!!!
anna54
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