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Babette
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Beitrag von Babette »

Hallo Forum, ich bin heute eher zufällig über diese Seite gestolpert und einige der Beiträge haben mich ermutigt, meinen eigenes zwiespältiges Verhältnis zur Depression in Worte zu fassen. Zwiespältig deshalb, weil ich selbst bisweilen dazu neige, ins Grübeln zu kommen. Novemberdepression halt, oder der persönliche "Jahresabschluss", wo man sich fragt, was ist gut gelaufen und wie geht es jetzt weiter. Im vergangenen Jahr hat diese "Novemberdepression" dann doch etwas länger gedauert - genau genommen von Januar bis Dezember, und es gab Tage, Wochen, an denen ich an mir selbst ernsthaft gezweifelt habe. Unzufriedenheit am Arbeitsplatz, ein Chef, der mich zum Wahnsinn treibt und eine Familie, die ihren ganzen Müll bei mir ablädt. Nun, das Problem im Job habe ich dann durch die Flucht nach vorn gelöst - Arbeit, die einem nicht gefällt, für einen Chef, dem man nur wenig Positives abgewinnen kann, muss man ja unbedingt haben. Aber mit dem Jobwechsel kam dann die Sorge wegen der Probezeit und es kamen Konzentrationsstörungen, wie ich sie bis dahin noch nicht kannte. Unangenehme Situation, aber ohne physische Ursachen. Vielmehr waren meine Gedanken allzu oft bei meiner Familie, meinen Elten, die mich mit aller Macht dazu bringen wollten, ein Projekt weiterzuführen, das sie wider alle gesundheitlichen und finanziellen Bedenken und mangels meines Interesses dann mit meiner Schwester initiert haben. Ein perfektes Timing für Ärger im Doppelpack.Naja, dieses Projekt war schon in der Kauf- und Vorbereitungsphase sehr anstrengend und ich hatte das Angebot damals ausgeschlagen, weil ich selbst eine Umschulung machen wollte, keinen Schichtdienst mehr, keine Magengeschwüre, sondern eine Ausbildung und dann einen Job mit geregelter Arbeitszeit, Umzug in die Stadt meiner Träume. Oh, was gab es Diskussionen, Tränen und Vorwürfe, als ich das Angebot ausschlug. Das ist jetzt einige Jahre her, und es ist bei Diskussionen, Tränen und Vorwürfen geblieben. Natürlich nicht nur in Bezug auf dieses Projekt, sondern immer dann, wenn ich nicht das tue, was meine Familie, respektive meine Eltern wollen, und das eigentlich seit Kindertagen. Aber in Zusammenhang mit diesem Projekt eskalierte alles. Mittlerweile reagiere ich allergisch auf jedes "muss" und jeden Manipulationsversuch, auf alle wenn ... dann's, und dann ist es doch nur ein vielleicht. Ich weigere mich, mir die Welt in schwarz oder weiß malen zu lassen, und ich kann nicht verstehen, warum meine Eltern mir glauben machen wollen, es gäbe nur gut oder böse, nur "für sie" oder "gegen sie". Ich hasse die ewige Schuldzuschieberei, die mittlerweile die ganze Familie, das Projekt und die Entscheidungsfähigkeit lahmgelegt hat. Und ich hasse Streit, zumindest wenn er darauf hinaus läuft, dass ich mich für die eine (Mutter) oder den anderen (Vater) entscheiden oder das Zünglein an der Waage spielen soll zwischen dem Ehrgeiz des einen und der ewigen Unzufriedenheit der anderen. Ich habe nichts gegen sachliche Auseinandersetzungen, solange sie konstruktiv ist, und von mir aus kann jeder denken und tun, was er will. Aber bitte schön, ich auch. Und so sitze ich hier, habe alle Hände voll zu tun, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, und denke doch über eine Familie nach, die längst keine mehr ist, über eine Mutter mit Depressionen und mittlerweile auch einer Herztransplantation, die glaubt die ganze Welt sei gegen sie und sogar die eigene Tochter wolle ihr Böses (und alle guten Worte helfen nicht), einem Vater, der mittlerweile ohnmächtig ist, weil alles ganz anders gekommen ist, als er es sich für seine Kinder vorgestellt hat, der stets seinen Willen durchsetzen wollte und dabei Vertrauen verspielt hat, und zwei Geschwistern, die von einer Katastrophe in die nächste schlittern. Bis jetzt habe ich es immer noch geschafft, ganz gut allein zurecht und voran zu kommen, mich auf mich selbst zu verlassen, ohne jemandem auf der Tasche zu liegen und mich positiv abzugrenzen von allen hausgemachten Schwierigkeiten, aber meine Geduld und meine guten Worte für meine Familie sind mir zwischenzeitlich echt ausgegangen! Dieser ständige Zwist und diese Gängelei, mein Widerstreben auch die nächsten Jahre nur "Mülleimer" zu sein, Arbeiten zuende zu bringen, die ich nicht selber angefangen habe, den schwarzen Peter zu nehmen, weil man dies getan hat und das nicht - ich empfinde es mittlerweile wie Batterie entladen - und halte nun schon einige Zeit entnervt Sendepause und Abstand ein, zumindest bis meine Akkus wieder voll sind. Aber so recht zufrieden bin ich mit dieser Situation nicht, schließlich ist es meine Familie, und dann frage ich mich: Wo ist die Schmerzgrenze? Wieviel Rücksicht nehmen tut einem selbst noch gut? Sind Depressionen vielleicht ansteckend? Wer gibt Antwort? Gruß Babette
Emily
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Beitrag von Emily »

Hallo, liebe Babette. Willkommen im Forum! Du hast dein Problem sehr eindringlich geschildert. Hmm, viele von uns kennen Ähnliches auch aus ihren eigenen Erfahrungen. Im Archiv gibt es einen Thread mit dem Titel "Versöhnung mit den Eltern". Dort stehen auch viele wesentliche Dinge dazu. Ich bin heute davon überzeugt, dass viele Eltern es mit dem Erwachsenwerden ihrer eigenen Kinder nicht schaffen, diesen erwachsenen Kindern ein wirklich selbstbestimmtes Leben mit eigenen Entscheidungen zuzugestehen. Wenn diese Entscheidungen in die Richtung gehen, wohin die Eltern sie auch haben wollen, sind sie "gut". Wenn sie in eine andere Richtung gehen, sind sie "schlecht." Natürlich sind die Eltern auch aufgrund der verschiedensten Erlebnisse so geworden, wie sie sind. Davon waren auch sehr viele Erlebnisse negativ und mit schlimmen Verlust- und Angstgefühlen behaftet. Bei deiner Mutter spielen z.B. ihre Krankheiten mit Sicherheit eine riesige Rolle. Alleine die Depr. ist, wie wir alle hier wissen, ein enormes Problem. Es hat wohl keinen großen Sinn, den Eltern deshalb Vorwürfe zu machen, denn sie können sich sicherlich nicht mehr wesentlich ändern. Ich habe sehr viele Jahre dafür gebraucht, aber ich versuche es heute so zu machen: Zwischen den Ansprüchen meiner erweiterten Familie und meinen muss es einfach einen Ausgleich geben. Jeder hat seine Bedürfnisse und seine Wünsche. Man gibt ab und man gibt zu. Aber es kann nicht sein, dass man die eigenen Zielvorstellungen zwangsweise an die der anderen ankoppeln muss, damit man "gut" oder "richtig" ist. Als Erwachsener braucht man kein "liebes Kind" mehr zu sein. Man hat ein Recht darauf, sich sein Leben selbst zu gestalten. Dafür ist man noch lange kein Egoist, und dafür trampelt man noch lange nicht über die auch berechtigten Bedürfnisse aller anderen hinweg. Aber man muss sich selbst auch vor Depressionen schützen, die vielleicht vor der Tür stünden, wenn man jahrelang die eigenen Zielvorstellungen immer wieder massiv zugunsten der anderen unterdrücken würde. Diese "Weisheiten" sind mir nicht vom Himmel aus zugefallen. Ich musste sie ziemlich mühsam und in winzigsten Schrittchen in einer Therapie lernen. Das war ein hartes Stück Arbeit, und es hat mir oft sehr weh getan. Alleine hätte ich das gar nicht geschafft, weil ich in diesen altbekannten Denkmustern, es immer allen recht machen zu wollen, viel zu tief gefangen war. Heute geht es mir besser damit, wenn ich versuche, die Bedürfnisse der anderen zu sehen und meine dagegenzustellen. Wenn sich eine ausgleichende Vereinbarung treffen lässt, was oft der Fall ist, dann ist es OK. Wenn nicht, überdenke ich meine Wünsche zwar nochmal, aber ich lasse sie nicht mehr einfach unter den Tisch fallen, damit ich die Bedürfnisse der anderen befriedigen kann. Ich habe sehr, sehr lange gebraucht, bis ich verstanden habe, dass ich ganz persönlich nicht die Verluste wettmachen und ausgleichen kann, die meine eigenen Eltern in ihrem Leben durch die verschiedensten Probleme erlitten haben. Das geht nicht. Erwachsene Kinder müssen mit ihrem eigenen Leben zurechtkommen, und die Ansprüche, die an sie gestellt werden, sind ja auch vorhanden. Einen lieben Gruß von Emily.
Babette
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Beitrag von Babette »

Liebe Emily, ich danke dir für deinen Zuspruch. Und im Grunde meines Herzens weiß ich natürlich, dass du recht hast. Für mich und mein Leben habe ich das Prinzip der Selbstbestimmung auch erkannt und praktiziere es mit Erfolg, mal mehr, mal weniger. Aber weißt du, was ich so andstrengend und nervig finde, ist dass ich darum so kämpfen muss. Man könnte mich auch einen Weltmeister im NEIN-Sagen nennen und einen Bedenkenträger. Denn mittlerweile kann ich die Sabotagestrategien der Manipulation wie Schmeichelei, Vorwürfe, Schuldgefühle, Verbrüderung auch wahrnehmen - aber leider auch nicht viel mehr tun als mich verweigern und eben Nein zu sagen, mißtrauisch nach den verschwiegenen Pferdefüssen Ausschau zu halten, die ich irgendwann auch bemerke, aber bisweilen eben auch erst zu spät. Und zu dumm, um zu glauben, dass Eltern solche Taktiken nicht einsetzen würden. Ich empfinde das als eine endlose Energieverschwendung, Kraft die unnötigerweise für Vorsicht und erfahrungsbedingtes Mißtrauen verwendet aufgewendet werden, wo sie anders viel mehr bewirken könnte. Ich habe deiner Antwort entnommen, dass die Ursache deiner Therapie in deiner Familie wurzelt? Du hast von kleinen Schritten berichtet. Wie geht das? Ohne offenen Bruch, ohne böse und verletzende Worte, die dann mal mehr, mal weniger versöhnlich beantwortet werden wollen? Wie bringt man eine Kiste in die richtige Richtung, oder wenigstens zum Stehen bevor sie an die Wand fährt? Es tut mir in der Seele weh, die "Katastrophen" schon vor meinem geistigen Auge zu haben, oft genug noch meine Bedenken und meine Befürchtungen mitzuteilen, und dann doch dazu verurteilt zu sein, zuschauen zu m ü s s e n, wie es tatsächlich passiert. Selbst wenn ich dann noch ein Türchen finde, eine Brücke, eine Möglichkeit, irgendwas Positives daraus zu entwickeln - keiner will's. Meine Familie sucht lieber nach einem Schuldigen als nach einem Weg. Soll ich sie einfach lassen? Mir blutet das Herz dabei und ich weiß genau, es wird keiner gewinnen - nur verlieren. Wie läßt sich dieser Konflikt lösen? Erzähl mir etwas von deinen kleinen Schritten:-) Liebe Grüße Babette
Emily
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Beitrag von Emily »

Liebe Babette! Jetzt komme ich endlich mal dazu, dir eine Antwort zu senden. Ein Missverständnis möchte ich gleich ausräumen. Die Ursache meiner Therapie wurzelt nicht in meiner Familie. Ich hatte eine sehr schöne Kindheit und Jugend. Meine psychische Krankheit habe ich mit 37 J. durch die unglaublich fahrlässige und nachlässige Behandlungsweise eines Arztes bekommen. Die Depressionen, unter denen ich in heftigster Weise gelitten habe, waren die Folge dieser Krankheit. Beides bin ich heute Gott sei Dank los. Während der Therapie, durch welche ich wieder gesund geworden bin, habe ich sämtliche Aspekte meines Lebens hinterfragt und dabei vieles neu zu bewerten gelernt. Auf diese Weise habe ich u.a. auch meine Beziehung zu meiner Herkunftsfamilie in einer neuen Weise zu betrachten gelernt. Und dabei ist mir dann immer öfter aufgefallen, dass ich z.B. in der Rolle als Tochter meiner Eltern mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter eine ungeheure Erwartung auf mir liegen hatte. Die Ursachen dafür liegen natürlich in der Geschichte und Zusammensetzung meiner Herkunftsfamilie begründet. Die therapeutische Arbeit an dieser Erwartungshaltung hat mir ein paar neue Erkenntnisse beschert, die ich heute versuche umzusetzen. Das ist schwer, das wirst du mir bestimmt ohne weiteres abnehmen. Aber wenn ich gesund bleiben will, MUSS ich es tun. Ich kann heute von diesen letztlich völlig überzogenen Erwartungen an mich Gott sei Dank Abstand nehmen. Ich werde meine Mutter (mein Vater ist schon etliche Jahre tot) und ihre Ansprüche an mich wahrscheinlich nicht mehr ändern können. Diese Ansprüche sind nun einmal da, weil sie alt ist. Aber ich tue nur noch, was ich kann, und nicht auch noch das, was ich nicht (mehr) kann. Ob das Diskutieren darüber immer so viel bringt, weiß ich nicht. Oft reagieren die Eltern mit einer enormen Enttäuschung, wenn man versucht, in Gesprächen die Dinge in ein realistischeres Licht zu rücken: "Früher war alles anders, früher hat man dies, und früher hat man das." Das mag ja sein, aber was nützt uns das heute? Deshalb versuche ich die kleinen Schritte heute für mich so zu gestalten, dass ich meiner Mutter versuche entgegenzukommen in den Bereichen, in denen ich dies leisten kann. Aber wo ich dies nur tun könnte, wenn ich meine eigenen Bedürfnisse völlig hintenanstellen müsste, tue ich es nicht (mehr). Es ist ein Gewöhnungsprozess, sowohl für die Eltern, als auch für ihre "Kinder", wenn diese so handeln. Wir sind alle noch so erzogen, dass man den Eltern zuliebe alles tun muss, etc. etc. Ich kann es heute nicht mehr. Und das muss ich akzeptieren und respektieren. Ob es immer ohne klare Worte geht, wage ich inzwischen zu bezweifeln. Natürlich will man niemanden verletzen. Man hat ja auch sehr viele liebevolle Gefühle für die Eltern. Du schreibst, du hast Angst vor bösen Worten und "Katastrophen". Das kann ich wirklich so gut verstehen! Vielleicht sind diese Ängste aber in der Vorstellung auch ohnehin viel größer, als sie es in der Realität wert sind. Einen lieben Gruß von Emily.
Babette
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Beitrag von Babette »

Hallo Emily, tut mir leid, das ich so unbedarft und selbstverständlich gedacht habe, du befändest dich in der gleichen Situation wie ich. Das war egoistisch. Aber Depressionen können natürlich viele Ursachen haben und wer Depressionen hat, fühlt sich darin bestimmt genauso unglücklich wie die nahestehende Menschen, die damit nicht umgehen können. Ich finde es schön, dass wir ungefähr im gleichen Alter sind, und du hilfst mir, indem du die Depression aus Sicht einer Betroffenen aufzuzeigst, sozusagen die Seite der Medaille, zu der ich zu wenig Zugang bekomme, als dass ich sie verstehen könnte. Darf ich dir ein wenig mehr erzählen? Bei meiner Mutter kann ich gar nicht so genau sagen, woher ihre Depression rührt. Sie (61)gehört zur Kriegsgeneration, die viel entbehren musste und viel ereichen wollte. Sie hat ihren Vater schon im Kleinkindalter verloren, aber einen sehr fürsorglichen Stiefvater bekommen, der ganz bestimmt sehr darauf geachtet hat, sie wie sein eigenes Kind zu behandeln. Trotzdem hat sie ihrer Mutter die zweite Heirat nie verziehen. Sie hat zwei Geschwister, auf die sie bis heute sehr eifersüchtig ist (mit zunehmender Tendenz) und das eigentlich ohne Grund, aber zu vielen Gelenheiten. Meine Eltern haben in ihrem Leben sehr viel geleistet und eigentlich keinen Grund neidisch oder mißgünstig zu sein. Und trotzdem scheint es da etwas zu geben, was wie ein Wurm nagt. Manchmal denke ich es, ist das Glück und die Zufriedenheit, die sie selbst nicht empfinden oder wahrnehmen konnte. Oder aber die Entschlossenheit und der Optimismus, der ihr selbst über viele Jahre hinweg zunehmend verloren gegangen ist, weil sie zu hohe Ansprüche an sich selbst gestellt hat, weil sie mehr gesundheitliche Krisen und OP's hatte als andere in ihrem Alter, weil mein Vater 10 Jahre im Ausland gearbeit hat und sie mit uns 3 Kindern allein da stand. In all diesen Jahren meiner Kindheit habe ich sie immer darum bewundert, wie sie das trotzdem so gut hingekriegt hat. Und dass wir dann ab und zu mal für ein paar Wochen in ein Heim mussten oder etwas mehr und früher auf uns gestellt waren als andere Kinder, hat -mir zumindest- nicht geschadet. Ich hätte mir gewünscht, dass mein Vater diese Zeit im Ausland nicht allein verbracht hätte, sondern wir damals zusammengeblieben wären. Als er ging, kamen wir in die Pupertätsjahre, und als er zurückkam, waren wir erwachsen und ganz anders als er uns in Erinnerung hatte. Das waren konfliktreiche Jahre und das war auch der Zeitpunkt für mich, meine eigenen Wege zu gehen und mich abzunabeln - in jeder Hinsicht. Für mich schien es der einzige und richtige Weg. Meine Eltern mögen es anders empfunden haben, etwa so wie man Beleidigung empfindet, weil man nichts mehr mitzureden hat, nicht mehr gefragt und um Erlaubnis gebeten wird. Ich habe das nie richtig verstanden, weil beide doch immer selbständige Kinder haben wollten - und dann wird eines flügge, denkt selbständig, handelt selbstständig und wird ein halbes Jahr vor dem Abitur mit einem Koffer vor die Tür gestellt. (Mein Freund hatte nicht die "richtige" Herkunft). Ihnen sei verziehen, ich habe es trotzdem geschafft, meine Schule zu beenden und für mein Auskommen zu sorgen, und irgendwann kamen wir sogar wieder einigermaßen wenn auch mit einiger Distanz klar miteinander - aber emotionale Narben sind geblieben. Bevor meine Mutter vor fünf oder sechs Jahren ein Spenderherz bekommen hat, litt sie schon an einer anhaltenden Depressionen, die schwerer war als die früheren Schübe, die wir uns mit Überforderung, Erpressung oder ähnlichem zu erklären versuchten. Damals hatte meine Schwester sich selbstständig gemacht und mein Mutter "half" ihr bis weit über die Grenzen ihrer körperlichen und seelischen Belastbarkeit hinaus, dass ich ihr und meinem Vater, der die Idee zu diesem unglückseligen Schritt hatte, schwere Vorwürfe gemacht habe, weil sie diese Grenzen nicht oder zuwenig beachtet haben. Ich fand, und das tue ich heute immer noch, es verantwortungslos einer herzkranken Frau einen 18-Stunden-Tag zuzumuten und die ganze finanzielle Belastung und die Sorgen dazu. Ich hatte mich geweigert, als ich das Angebot hatte, aber mein Vater hat so lange genöhlt und geschwärmt, bis meine Schwester ihm den Gefallen getan hat. Und meine Mutter, die erst nicht wollte, war auf einmal auch begeistert. Schon nach einem Jahr habe ich meine Schwester gefragt, ob sie ihre Mutter tot arbeiten wolle, bei dem Tempo, dass sie vorlegt; und sie hat geantwortet, "lass sie doch, sie will das" und "was soll ich denn tun". Es hat ungefähr noch ein halbes Jahre gedauert, bis meine Mutter in einer so schlechten Verfassung war, dass meine Schwester sie in die stationäre Obhut der Psychatrie geben musste. In letzter Sekunde, wie sich herausgestellt hat, denn dort ist sie dann auch körperlich so kollabiert, dass sie innerhalb weniger Tage einen Herzschrittmacher bekam und nur ein halbes Jahr später dann auch das Spenderherz. Wir, d.h. ich und meine Mutter haben, in dieser Zeit viel telefoniert - überhaupt haben wir das über all die Jahre, wenn auch immer nur aktiv von meiner Seite aus - und wir haben auch darüber gesprochen, dass es notwendig wäre eine Therapie zu machen, weil die Familie das nicht leisten kann. Und ich war froh, dass sie den Schritt dann auch unternommen hat. So ein Spenderherz ist wie eine zweite Chance, die bekommt doch nicht jeder. Ein Glück für jeden, der es annimmt und dann gut verträgt. Andere wären froh darum. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie lange meine Mutter die Einzelgesprächte durchgehalten hat. Ein knappes Jahr, vielleicht auch nur ein halbes. Aber zu einem Zeitpunkt, wo die Therapeutin meinen Vater und meine Schwester in die Gespräche miteinbeziehen wollte, ist sie dann nicht mehr hingegangen. Meine Mutter hat mir nicht sehr viel über diese Gespräche erzählt, nur dass die Therapeutin meinte, es sei kein Wunder dass sie Depresionen hätte, bei dem was sie schon alles mitgemacht hätte und sie erzählte ganz entrüstet "stell dir vor, die hat gesagt, die ... (meine Schwester) wäre schuld." Und beide, mein Vater und meine Schwester, haben sich geweigert, mit ihr zu den Gesprächen zu gehen. Damals habe ich ihr geantwortet, dass die Therapeutin da gar nicht mal so unrecht hätte. Schade, nicht wahr, es wäre eine Chance gewesen. Und ich hätte damit kein Problem gehabt, meine Mutter zu begleiten, aber ich wohnte am anderen Ende Deutschlands. Meine Schwester hat die Selbständigkeit zwischenzeitlich wieder aufgegeben, und das auf eine wie ich finde sehr unschöne Art und Weise, denn meine Eltern stehen finanziell dafür gerade und zwar mit allem, was sie sich erarbeitet haben. Ein schlechter Charakterzug, den meine beiden Geschwister gemeinsam haben: Ohne eigenes Risiko etwas anleiern, und dann plötzlich abhauen und den Scherbenhaufen für die anderen stehen lassen, sobald es unbequem, schwierig oder brenzlig wird. Kein Stehvermögen, keine Ausdauer und oft genug nicht mal den Mumm, fair und ehrlich zu sein. Und so gab es auch diesmal Streit in allen Konstellation. Meine Eltern sind untereinander uneinig, einer will das Geschäft verkaufen, der andere will es erhalten, mit einem der anderen Kinder oder in anderer Form. Und so suchen beide im Kreis der Kinder nach Allianzen. Ich brauche dir nicht zu erzählen, dass ich der Zankapfel bin. Du ahnst es sicher schon. Und Zankapfel zu sein, ist -wie ich finde- ein ganz undankbarer Job. Ich habe mich hartnäckig geweigert, meinen Eltern diese Entscheidung abzunehmen, und habe es immer mit Nachdruck vermieden, irgendwelche Hoffnungen zu wecken od
er zu bestärken. Trotzdem waren sie da. Und so sind wir an einem Punkt angekommen, wo ich selbst Mauern baue, um mich zu schützen, obwohl ich viel lieber Brücken bauen würde über Gräben, die immer tiefer werden. Den Bogen zu "alten Zeiten, früher, als alles anders war", hast du geschickt aufgelöst. Mein Vater, den ich nur sehr selten spreche, sagte mir zu Weihnachten so etwas wie "Familie muss zusammen halten" und "nicht nach Hause kommen kennt er nicht, denn früher (und auch in Bezug auf seine Famile), habe es so etwas nicht gegeben." Was er meinte, sollte eine Aufforderung an mich sein, endlich mal (nach fünf oder sechs Jahren) zu den Festtagen wieder heimzukommen und so meine etwaigen, andersartigen Absichten zu "sabotieren". Behauptungen zählen auch zu den Manipulationstechniken. Ich bin dann nicht gefahren, weil ich keinen Nerv auf Auseinandersetzung hatte - alle auf einem Haufen und das an Weihnachten ist immer anstrengend - aber es war auch dieses Mal eine schwere Entscheidung. Statt dessen habe ich meinen Großeltern Gesellschaft geleistet. Die sind viel entspannter (was meine Mutter dann prompt gehässig kommentiert hat). Du spricht von deiner "Herkunftsfamilie". Was meinst du damit? Ist das eine Unterscheidung zu Erstzfamilie? Eine Behelfsgrenze sozusagen in der Art wie: Wo man her kommt und wo man sich wohl fühlt? So wie zufällig verwandt oder seelenverwandt? Bin neugierig auf deine Antwort. Liebe Grüße Babette
Emily
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Beitrag von Emily »

Hallo, liebe Babette. Du hast viel geschrieben zu mitternächtlicher Stunde. Es ist wohl auch eine lange Geschichte, die dich sehr belastet, das spürt man deutlich. Mit dem Begriff meiner Herkunftsfamilie meine ich meine Eltern und Geschwister. Ich selbst habe eine eigene Familie, einen Mann und 2 Kinder. Ich wusste kein besseres Wort für die Familie, aus der ich stamme. Diese Familie, der ich entstamme, hat mir immer sehr, sehr viel bedeutet. Wir sind eine ziemlich große Familie, die Geschwister haben ebenfalls eigene Familien. Deine Eltern haben vieles erlebt, und bei allem Schönen, das dabei gewesen sein mag, war sicherlich auch viel Schweres. So könnte ich mir vorstellen, dass es nicht leicht gewesen ist für deine Mutter, drei Kinder über so viele Jahre hinweg mehr oder weniger alleine aufzuziehen. Ich denke, dass solche Jahre einen Menschen auch sehr prägen können. Auch die Krankheiten deiner Mutter spielen hier bestimmt eine sehr große Rolle. Ich denke, dass viele ältere Menschen so sind, wie sie sind, weil sie letzten Endes mit den schwer belastenden Ereignissen und den vielen Verlusten in ihrem Leben irgendwo auch alleine waren. Sie hatten keine Möglichkeit, eine Therapie zu machen und das Erlebte wirklich aufzuarbeiten. Zu diesen Verlusten gehören ganz bestimmt auch sehr viele Wünsche und Bedürfnisse, die sie aufgrund der Umstände gezwungenermaßen aufgeben mussten, und irgendwann ist bei jedem eine Schmerzgrenze erreicht. Je größer diese Verluste, diese Schmerzen waren, desto größer ist vielleicht dann später die Erwartungshaltung an die erwachsenen Kinder. Vielleicht erwarten sie unbewusst, dass diese erwachsenen Kinder durch ihre permanente Fürsorge zumindest einen Teil der erlittenen Demütigungen und Verluste wieder ausgleichen. Sie empfinden es so, dass das nicht mehr als gerecht ist. Das Problem ist nur, dass diese Kinder eine Generation jünger sind, eine andere Erziehung hatten als die Generation davor, andere Ansprüche an sich aus der Gesellschaft, Arbeitswelt, Familie etc. wahrnehmen. Und es ist wirklich nicht immer einfach, das alles auf die Reihe zu bringen: eine eigene Fam. zu versorgen, einem Beruf nachzugehen, und die Eltern mitzuversorgen. Natürlich war früher alles anders. Das ist schon richtig, aber das ist für uns heute nicht der Maßstab aller Dinge, weil wir nicht damals gelebt haben, sondern jetzt. Außerdem war früher auch nicht automatisch alles besser. Ich finde es mutig von dir, wenn du dich in die Erwartungshaltung deiner Eltern bzgl. der Weiterführung des Geschäftes nicht gegen deinen Willen einbauen lässt. Eine solche Entscheidung hätte ja sehr weitreichende Folgen für dein Leben. Und wenn man nicht dahintersteht, dann kann einen ein anderer auch nicht dazu zwingen. Ich weiß, die Hoffnungen sind trotzdem da, und das spürst du sehr genau. Aber man kann nicht alle Erwartungen, die die Eltern vielleicht im Leben an einen stellen, erfüllen. Man hat ja auch ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, so weit dies heute überhaupt möglich ist. Oft sind diese Hoffnungen der Eltern auch für sie selbst eine Art Rettungsanker, um nicht in eine Depression zu verfallen. Sie klammern sich daran, auch wenn diese bestimmte Sache, an die sie sich klammern, für andere willkürlich aussehen mag. Das Loslassen ist wohl eine der schwersten Aufgaben, die wir im Leben immer mal wieder vor uns haben. Ich frage mich heute oft, ob ich später an meine dann erwachsenen Kinder auch so viele Erwartungen richten werde. Keine Ahnung, aber wenn man selbst Kinder hat, wird es wohl ein Thema bleiben. Hast du niemanden, der dich unterstützt? Einen Partner, Freunde? Einen lieben Gruß von Emily.
Babette
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Beitrag von Babette »

Liebe Emily, wenn ich zu mitternächtlicher Stunde E-Mails schreibe, liegt dass daran, dass ich zur Zeit gerade ausgiebig Gelegenheit habe, den Rechner meiner Mitbewohnerin zu benutzen. Ihr Vater hatte vor einigen Tagen einen Unfall; deshalb ist sie nach Hause gefahren, um ihrer Mutter beizustehen und ihren Vater zu besuchen. Normalerweise schütte ich ihr mein Herz aus - auch wenn es sie mittlerweile langweilt, weil sich in Bezug auf meine Familie nicht wirklich was ändert. Weil ihr Papa nun aber ohne Bewusstsein und mit Schädelfraktur auf der Intensivstation liegt, hat das nun mal berechtigten Vorrang. Da will ich auch lieber wissen, ob es irgendwelche positiven Neuigkeiten gibt, anstatt ihr in den Ohren zu liegen. Und meine Mails schreibe ich dann erst später am Abend, wenn ich sozusagen meine Runde abtelefoniert habe. Irgendwie gibt es in meinem Umfeld zur Zeit ziemlich viele kranke Menschen. Mir dagegen ist aufgefallen, dass du sehr früh am Tag schon am Rechner sitzt Und du hast Familie und Kinder. Kannst du zu dieser Uhrzeit nicht mehr schlafen? Oder arbeitest du zu so früher Stunde etwa schon? Wie alt sind deine Kinder denn? Ich selbst habe keine. Als ich jung war, wollte ich keine, als ich älter wurde, fehlte mir der richtige Partner. Aber Kinder großzuziehen, ist eine wichtige Aufgabe, der sich zwei Menschen gemeinsam widmen sollten, finde ich. Meine Geschwister haben beide Kinder und sind mittlerweile beide geschieden. Hätte ich geheiratet, wäre ich es bestimmt auch. Ich habe nicht so viele Menschen getroffen, mit denen ich mir eine Beziehung hätte vorstellen können, die ein Leben lang hält. Dazu ist unsere Gegenwart zu schnelllebig, man wächst und verändert sich, und selten genug in die selbe Richtung. Dafür trifft man andere interssante Menschen, mit denen manchmal ein Stück des Wegs gemeinsam geht. Du sagst, du hast eine große Familie. Darf ich dich fragen, wie deine Familie auf deine Depressionen reagiert hat, damit umgegangen ist? Du sagtest, deine Depression sei die Folge einer fahrlässigen Behandlungsweise. Meinst du ein schlimmes Ereignis und dann war plötzlich eine Depression da? Wie ein Schock nach einem Unfall, oder eine abrupte Veränderung in eine Situation, aus der man sich nicht mehr herausfindet und deshalb quälen einen dann dunkle Gedanken? Wie/Wann hast du gemerkt, dass du Depressionen hattest? Was hat dich damals veranlasst, eine Therapie zu machen? Ich frage, weil ich denke, dass Depressionen doch auch schmerzlich und bedrückend sein müssen für den, der sie hat. Umso weniger verstehe ich, warum meine Mutter keine Therapie (mehr) macht, wenn es ihr doch helfen und die Situation im persönlichen Umfeld entspannen und sogar positiv beeinflussen würde. Verstehst du, was ich meine? Haben Menschen mit Depressionen kein ureigenes Interesse, diese Krankheit wieder los zu werden? Ich freu' mich auf deine Antwort, und wünsche dir ein schönes Wochenende. (Bin erst am Sonntag wieder zurück.) Babette
Emily
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Beitrag von Emily »

Liebe Babette, es tut mir leid, dass der Vater deiner Mitbewohnerin diesen schrecklichen Unfall hatte. Hoffentlich geht es ihm bald besser. Warum ich so früh am Morgen schon am PC sitze? Es stimmt, was du vermutet hast. Ich bin gegen 4.00h einfach ausgeschlafen, also stehe ich auf, sitze eine gute Std. am PC, und dann geht es los: Frühstück machen, aufräumen etc. An vier Tagen pro Woche gehe ich arbeiten, und das lässt sich ganz gut mit Familie, Haushalt und Beruf vereinbaren. Allerdings versuche ich immer, morgens früh den größten Teil der alltäglichen Hausarbeiten schon erledigt zu haben, damit ich, wenn ich gegen 14.00 zuhause bin, nicht erst bei Adam und Eva anfangen muss. Meine Kinder sind 16 und knapp 13 Jahre alt. Ich hoffe sehr, dass ich noch einige schöne Jahre mit ihnen verbringen kann, bis sie das Haus verlassen. Meine Krankheit hat mir viele Jahre genommen, und sie hat mir viel Anteilnahme an dem Aufwachsen meiner Kinder genommen. Es tat so weh, so schwer krank zu sein, und ich hätte alles darum gegeben, es ändern zu können und konnte es doch sehr lange Zeit nicht. Du hast mich noch gefragt, wie die Depression zustande gekommen ist. Nun, es ist eine lange, ziemlich komplizerte Geschichte. Jedenfalls war es kurz zusammengefasst so, dass ich vor knapp 9 Jahren aufgrund verschiedener körperlicher Symptome einen Arzt aufgesucht habe. Damals hatte ich keinerlei psychische Probleme, war immer gesund gewesen. Die fahrlässig schlechte Behandlung des Arztes habe ich aber als solche nicht rechtzeitig durchschaut, was mich dann leider meine Gesundheit gekostet hat. Ich war medizinisch ein absoluter Laie, und erst im Nachhinein ist mir die Entwicklung der Dinge klargeworden. Dann ging es mir psychisch immer schlechter, und ruckzuck saß ich mitten in einer schweren Depression. Sie war also die Folge einer Entwicklung. Wie ich es gemerkt habe, dass es eine D. war? Nun, mein Zustand wurde so extrem schlecht, dass die Tatsache, eine D. zu haben, ganz offensichtlich war, auch für mich als Laien. Und dann habe ich relativ rasch therapeutische Hilfe gesucht, aber leider erst die 4. und damit letzte Therapie hat mir endlich Hilfe gebracht. Ich habe also eine ziemliche Odyssee hinter mir, das ist wirklich nicht übertrieben. Während dieser Jahre habe ich die Hölle in allen 4 Richtungen durchgemacht. Wenn du magst, kannst du in dem Thread "Ich liebe meinen Mann" nachlesen. Seit Dezember habe ich dort vieles aufgeschrieben, was mir so widerfahren ist. Wenn es nicht manchmal zum Lachen gewesen wäre, dann wäre es nur noch zum Heulen gewesen. Dort kannst du auch nachlesen, wie mein Mann sich mit meiner Situation arrangieren musste. Man muss dazu sagen, dass wir bis zu dieser Krankheit ein glückliches, harmonisches Familienleben geführt haben. In der Depression wird einem das alles radikal weggenommen, man steht da, und man hat nichts mehr! Einfach gar nichts mehr. Man kommt sich vor wie völlig nackt, herausgerissen aus allem, was einem einmal etwas bedeutet hat: Partnerschaft, Familie, Beruf, einfach alles. Es spielt keine Rolle mehr, wer oder was man vorher war, man fühlt sich nur noch als ein Nichts. So habe ich es erlebt. Zum Glück hat sich bei mir alles zum Guten gewendet, aber es war wirklich der absolute Horror. Hmmm, warum deine Mutter kein Interesse hat an einer Therapie, kann ich natürlich schlecht einschätzen. Vielleicht trifft irgendeiner der folgenden Gründe zu: - Unwissenheit über das, was einen in der Therapie erwartet, - Angst vor der Therapie und den damit möglicherweise verbundenen Umwälzungen, - Scham darüber, dass man selbst "so etwas" braucht, - man redet sich lange Zeit ein, "das wird schon wieder von alleine", - Enttäuschung über die schon erlebten Therapiestunden (habe ich selbst in extremer Weise erlebt, kann sehr weh tun und sich zeitweilig sehr neg. auswirken), usw. Es ist nicht immer so, dass der Wunsch, in einer Therapie sofort und dauerhaft Hilfe zu erhalten, auch in die Tat umgesetzt werden kann. Am Anfang einer Therapie kann man durch die plötzliche Arbeit an den Problemen erst einmal weiter heruntergezogen werden. Und wenn man das spürt, hat man das Gefühl, man verliert auch noch den letzten Halt unter den Füßen. So mancher steigt dann aus und denkt: "Ich habe es doch gewusst, dass es sowieso nichts bringt." Vielleicht könnte viel mehr Leuten geholfen werden, wenn die Therapeuten die Patienten darüber viel besser aufklären und ihnen Mut machen würden, trotzdem weiterzumachen. Sicher ist jeder anders, mancher würde das besser verkraften als ein anderer. Ich kann auch hier wieder nur von mir reden, und für mich wäre das mit Sicherheit manches Mal eine große Hilfe gewesen, wenn ich sie denn gehabt hätte. Egal! Gott sei Dank kann ich es heute in der Rückschau betrachten. Es ist wirklich kein Zuckerschlecken. Meinst du, deine Mutter hätte evtl. Interesse, hier im Forum zu lesen? Mancher hat wohl hier schon durch das Verständnis der anderen den Mut gefunden, sich therapeutische Hilfe zu holen. Einen lieben Gruß sendet dir Emily.
Babette
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Beitrag von Babette »

Liebe Emily, da habe ich dir am Sonntag geantwortet ... und sehe heute, dass du meine Antwort möglicherweise gar nicht bekommen hast. Da muss ich wohl irgendeinen Fehler (beim Verschicken?) gemacht haben. Schade, jetzt weiss ich gar nicht mehr was ich dir alles geschrieben habe. Was kann ich falsch gemacht haben? War am Wochenende bei meinen Großeltern (die ich sehr liebe) und am Montag kam meine Mitbewohnerin mit Nachrichten von ihrem Vater zurück. Deshalb habe ich erst heute wieder in das Forum geschaut. Vielen Dank für deine Frage nach dem Vater meiner Freundin. Unser Schädelbruchpatient ist auf dem Wege der Besserung und findet seine Motorik, seine Reaktion und sein Bewusstsein wieder. Im Moment hapert es noch ein wenig an der Erinnerung und der Koordination. Das belastet die Familie sehr, aber der Arzt sagt, dass alles im grünen Bereich ist. Was du deine Depression gesagt hast, darüber habe ich lange nachgedacht. Ich finde es schön, dass du nicht aufgegeben hast und immer wieder eine Therapie versucht hast. Schön ist auch, dass deine Familie zu dir gehalten hat. Krisenzeiten, ganz besonders wenn man sie gemeinsam durchsteht, ist eine Erfahrung, die "für`s Leben stärkt". Im Moment habe ich nicht die Geduld oder das Verständnis, die ich gern für meine Mutter aufbringen möchte. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich bei dem Depressionstest vor einem halben Jahr selbst ein "Doppelrot" bekommen. Deinen Vorschlag, sie auf das Diskussionsforum aufmerksam zu machen finde ich ganz gut. Werde mal überlegen, wie ich das am Besten anstelle. Liebe Grüße Babette
Emily
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Beitrag von Emily »

Hallo, liebe Babette. Nein, deine Nachricht vom Sonntag ist nicht hier angezeigt worden. Vielleicht hast du vergessen, das Feld "Vorschau/Nachricht senden" und dann "Diese Nachricht senden" insgesamt 2x zu betätigen. Es ist schön, dass es dem Vater deiner Freundin schon besser geht. Hoffen wir, dass der Aufwärtstrend anhält. Du hast geschrieben, bei dem Depressionstest, den du vor einem halben Jahr durchgeführt hast, hättest du selbst ein "Doppelrot" bekommen. Hast du denn für dich etwas unternommen, als du die Situation erkannt hast, oder fühlst du dich einfach jetzt wieder insgesamt besser? Dass du dich in dieser Situation nicht so gut um deine Mutter kümmern kannst, kann ich gut verstehen. Man hat dann eben keine Kraft für zwei. Vielleicht ergibt sich für deine Mutter doch eine Möglichkeit, hier hereinzuschauen. Wenn man mal ein wenig gelesen hat, spürt man, dass man nicht der einzige ist mit einem solchen riesigen Ballast. Das empfinden viele als wohltuend und tröstlich. Einen schönen Tag wünscht dir Emily.
Babette
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Beitrag von Babette »

Liebe Emily, du warst ja schon wieder so früh auf den Beinen. Ich beneide dich fast ein wenig. So früh am Morgen schaffe ich es höchstens zum WC, und danach schlafe ich mindestens noch 3 Stunden. Dabei hätte ich genug zu tun. Aber ich brauche meine 6-8 Stunden. Ja, es geht mir langsam besser. Auch die Konzentrationsstörungen, die mir letztes Jahr das Leben schwer gemacht haben, nehmen ab. Ich habe im Job zwei anstrengende Jahre hinter mir, in denen ich mich etwas verausgabt hatte, habe 3x den Arbeitsplatz gewechselt, 2 Fortbildungen gemacht. Habe dabei etwas zu wenig auf mich selbst geachtet und dann einen Job gemacht, der mir meine eigenen Grenzen sehr deutlich aufgezeigt hat. Eigentlich war es weniger der Job, mehr der Chef. Ich habe es empfunden wie eine Reise, bei der man nicht weiß, wohin der kapiän will. Und dabei sind mir dann immer wieder Dinge begegnet, die ich aus meinem Elternhaus kenne. Da verschusselt jemand seinen Autoschlüssel, und ich muss ihn suchen, ohne auch nur den kleinsten Anhaltspunkt zu haben, wo er sein könnte, da gibt jemand Unterlagen weiter, die ich nie zu Gesicht bekommen habe (und folglich auch nicht vermisse) und zum Termin krieg ich einen Anschiss, weil sie nicht da sind. Lauter Dödelkram, den ich hasse, dass mir die Nackenhaare zu Berge standen. Ich mache ja gern den Oberkellner, wenn es sein muss, und auch die Telefonistin und den Terminplaner, aber ich hasse Unzuverlässigkeit und ich hasse Versprechen, wenn sie nicht eingehalten werden. Und auf den Tod nicht ausstehen kann ich es, wenn ich für den Mülleimer arbeite (weil ich nicht die Informationen bekomme, die ich bräuchte, oder die Zielvorgabe, also dass was am Ende dabei herauskommen soll). Nun, kurz gesagt, der Chef gehörte zu denen, die in 2 Jahren 7 Sekretärinnen verschleißen. Ich habe es immerhin 15 Monate ausgehalten, aber dann konnte ich es nicht mehr aushalten und habe ich mir ein Umfeld gesucht, in dem die Leute genauso straight denken, kommunizieren und arbeiten wie ich. Und es war das Beste, was ich tun konnte, auch wenn es sozusagen von einem Tag auf den anderen war. Etwas Urlaub und Entspannung hätte ich vielleicht einlegen sollen, um abzuschalten und auf ein gesundes Maß herunterzufahren. Habe ich aber nicht, und deshalb hat die Umstellung auf und in dem neuen Job so lange gedauert. Und ich hatte noch einen ganzen Berg von Altlasten, der sich in den vorangegangenen zwei Jahren angesammelt hat, abzuarbeiten. Renovierung, Steuerklärung, private Ablage etc.pp. Das letzte Jahr war ein Kraftakt, wirklich wahr, aber nun geht es Stück für Stück voran. Geht es dir vielleicht manchmal ähnlich. Ich meine, dass deine Gedanken kreisen, du erst mal gar nichts machst und irgendwie auf der Stelle trittst, bis es dich selbst ärgert? Und dann aber mit aller Macht und Kraftanstrengung dich am eigenen Schopf packst, um dich aus einer Art von Lethargie zu ziehen? Ich habe das ab und an, nicht jedes Jahr, aber irgendwie immer an Wendepunkten, wenn ich merke, dass ich nicht mehr weiter komme und ich etwas ändern muss, aber das was und wie noch nicht klar ist. Dann bin ich furchtbar beschäftigt mit mir selbst. Ob dass schon Depressionen sind, weiß ich nicht. Aber solche Krisen, die jeder wohl in seinem Leben hat, sind ja auch immer Chancen zu Kurskorrektur oder Neuorientierung. Und je nachdem, wieviele Faktoren da hineinspielen, dauern sie mal länger oder mal weniger lang. Muss ich mir deswegen Sorgen machen? Was arbeitest du denn eigentlich? Und wie kriegst du das mit deinen Sprösslingen unter einen Hut? Mit meiner Mutter werde ich erst einmal Tacheles reden müssen, fürchte ich. Bevor wir nicht im Reinen sind, geht, glaube ich, gar nichts. Aber ich arbeite daran, wenigstens versuche ich es. Liebe Grüße aus dem Norden Babette
Emily
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Beitrag von Emily »

Hallo, liebe Babette. Danke für dein langes Posting. Was du über deinen Beruf geschrieben hast, finde ich sehr interessant. Bestimmt haben viele hier schon Ähnliches erlebt. Tja, manchmal hat man das Gefühl, man muss einfach mehr geben, als man zur Verfügung hat. Das geht auch mal eine Zeitlang, aber ewig geht es sicher nicht. Die Frage ist nur immer, wo kann man Abstriche machen? Manchmal mache ich sie im Haushalt, manchmal bei den Hobbys etc. Aber einen Ausgleich durch Hobbys braucht man auch immer, um den Akku wieder zu füllen, womit wir wieder beim obigen Thema wären. Waren deine Konzentrationsstörungen eine Folge der Überlastung? Bestimmt hast du dich durch diese Überbeanspruchung im Job oft ausgepowert gefühlt. Es ist eine täglich neue Aufgabe, einen Ausgleich zwischen Geben und Nehmen zu suchen. Sonst geht es einem so, dass man sich auf einmal mitten in der schönsten Depression vorfindet. Ich verausgabe mich auch heute nach der Depression noch oft in meinem Beruf, wobei ich dazusagen muss, dass ich meinen Beruf liebe. Ich sehe die Probleme, die im Berufsleben auftreten, will dagegen angehen, muss aber auch ganz oft meine Grenzen sehen und akzeptieren. Bei vielen Dingen erkennt man ganz klar, wo der Hase im Pfeffer liegt. Da kann es manchmal viel schwieriger sein, sich zu sagen, dass einen diese Sache überhaupt nichts angeht, als sich darum zu kümmern. Ich hoffe, du hast Verständnis dafür, dass ich meinen Beruf hier nicht explizit nennen will, aber er bedeutet mir sehr viel. Ich habe schon immer einen Großteil meines Selbstwertgefühls auch aus meinem Beruf und meiner Leistung innerhalb dieses Berufes gezogen. Als ich ihn in den ersten Jahren meiner schweren Krankheit nicht mehr ausüben konnte, war das für mich eine echte Katastrophe. Je weniger ich tun konnte, umso wertloser kam ich mir vor. Heute bin ich wieder im Dienst, arbeite an 4 Tagen die Woche, und ich bin damit super zufrieden. Die übrige Zeit gehört meiner Familie, denn auch hier einen Ausgleich zu finden, mit dem ich gut leben kann, ist für mich wichtig. Je älter man wird, desto deutlicher sieht man auch die Fehler und Schwächen der Jüngeren.Wie gehe ich mit diesen Fehlern der anderen um, wenn sie mich direkt betreffen? Oft weiß ich nicht, was ich dann sagen, oder wie ich reagieren soll. Ich bin ja selbst auch mal Berufsanfänger gewesen, weiß noch, dass das Wasser ziemlich nass ist, in das man am Anfang geworfen wird. So bleibt wirklich jeden Tag genug zu denken und zu überlegen. Mein Leben nach der Depression hat sich im Hinblick auf den Beruf auch so geändert, dass ich mir vieles lieber dreimal überlege, als einmal vorschnell zu handeln. Früher habe ich eher nach meinem Gefühl zack-zack entschieden, war freier, unbekümmerter, unbeschwerter. Das geht natürlich heute nicht mehr. Aber das akzeptiere ich. Ist alles OK, Hauptsache keine Depressionen mehr. Dass die Gedanken sich nur noch im Kreis drehen, wenn man auf der Stelle tritt, kenne ich natürlich auch sehr gut. Wichtig finde ich, dass man die Antennen für die eigene Befindlichkeit immer weiter verfeinert und sich so oft wie möglich den Luxus gönnt, auf die entsprechenden Signale zu achten. Das ist mir erst durch die Krankheit so richtig bewusst geworden. Und am zufriedensten bin ich dann, wenn ich meine Signale an mich selbst beachtet und ihnen Rechnung getragen habe, und das auch noch ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Die Sache mit dem Verzicht auf ein schlechtes Gewissen ist allerdings noch verbesserungsbedürftig! Aber ich bin ja noch keine 80! Viele Grüße schickt dir Emily.
Emily
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Beitrag von Emily »

Noch ein kleiner Nachtrag: Ich musste mich heute registrieren lassen, um hier posten zu können. Ohne die Registrierung hatte das Einstellen meines Beitrags nicht funktioniert. Vielleicht ist deine Nachricht vom Sonntag deshalb nicht erschienen. Sollte das bei dir auch so sein, so gehe auf "Profil anlegen und ändern". Emily
Dring
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Beitrag von Dring »

Liebe Babette, ich kann gut nachvollziehen, was Du an Emily geschrieben hast. Ich habe auch als Sekretärin gearbeitet, viele Jahre und immer nette Chefs gehabt. Nachdem ich aber leider in den letzten Jahren aufgrund von Insolvenzen 2x auch eine andere Arbeit annehmen mußte, hatte ich dabei auch nicht mehr viel Glück. Ich habe das auch erlebt wie Du. Ich nahm auch Arbeit an, die mich nicht so sehr zufrieden stellen. Ja, ich mach auch den Oberkellner und die Telefonistin wenn es sein muß, aber es ärgert mich, wenn ich für Dinge verantwortlich gemacht werde, die ich nicht zu vertreten habe. Ich habe auch 2x in einer ganz anderen Branche gearbeitet und viel Arbeit (habe mich abends mit der Materie beschäftigt um fit zu sein) hereingesteckt. Aber es hatte keinen Zweck. Aufgrund meines Alters und meiner Depressionen, die natürlich nicht besser wurden, habe ich dann auch keine Kraft mehr, jetzt noch weiter zu arbeiten. Bin seit 1 Jahr krangeschrieben: Habe heute in der Zeitung ein Stellenangebot gelesen, was mir auf den "Leib geschrieben" ist. Würde ist sofort gerne machen; aber ich traue mir es nicht mehr zu; ich habe die Kraft nicht mehr. Auch bin ich nicht mehr in der Lage, mich mit Problemen auseinander zu setzen. Ich habe resigniert. Ich hoffe, Du schaffst es noch einmal betina
Babette
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Beitrag von Babette »

Hallo und willkommen, huch, jetzt muss ich erst mal nachdenken, wie ich an dieser Stelle in einem größeren Kreis kommuniziere. Darin habe ich noch keine Übung. Freue mich natürlich, liebe Betina, dass du uns in deiner schweren Situation noch deine Aufmerksamkeit schenkst und an diesem Gespräch teilnimmst. Herzlich willkommen nochmal! Und herzlichen Dank für deine guten Wünsche. Ich habe mein tiefes Loch inzwischen überwunden und kämpfe nur noch gegen ein paar Schatten an, aber das kriege ich auch noch hin. @Emily: Registrieren lassen, musste ich mich nun auch. Das ist ja abenteuerlich. Danke dir für den Hinweis. Du bist doch schon relativ lange in diesem Forum. Hast du eine Ahnung, warum das jetzt nötig ist? Ja, die letzten zwei Jahr waren in der Tat so, dass ich etwas zu sehr gepowert habe, ohne darauf zu schauen, dass die Batterie auch wieder "nachgeladen" wird. Spass an dem, was man tut, Lob und Anerkennung, Erfolg, Begeisterung und vor allem Lernen sind meine Energie für meine Batterien. Aber was, wenn sie ausbleiben....? Was, wenn man das Gefühl hat, stillzustehen und nicht weiter zu wachsen? Ich habe für mich etwas sehr Wichtiges gelernt, nämlich erstens auf meinen Bauch zu hören (und keinen Job mehr anzunehmen, wenn ich schon beim Vorstellungsgespräch leise Zweifel hege) und zweitens, nicht zu hohe Anforderungen an mich selbst zu stellen. Jeder darf Fehler machen, ich auch, denn: -> Andere kochen auch nur mit Wasser. Und drittens, nicht mehr nach dem warum zu fragen, wenn ich auf der Stelle trete. "Warum" eignet sich vielleicht ganz gut zur Ursachenforschung, aber ganz bestimmt nicht für Lösungen oder zur Selbstmotivation, nicht wenn man beim "warum" steckenbleibt. Die Frage muss heißen: wo bin ich , wo will ich hin, was habe ich bis jetzt dafür getan, (wie weit bin ich damit gekommen), was bringt mich weiter. @Betina: Nicht aufgeben! Wovor hast du Angst? Es gibt kaum ein Hindernis, dass sich nicht überwinden lässt, wenn man weiß, wo man hin will. Es kommt auf das Ziel an und darauf, anzukommen, die richtigen "Schuhe und Schritte", will sagen die richtige Strategie zu wählen und das richtige Handwerkszeug mitzubringen. Wer als Sprinter in einen Marathon geht, wird sich schon auf den ersten Etappen verausgabt haben. Und wenn Gänsemarsch angesagt ist, nutzen die Sieben-Meilen-Stiefel wenig. Ich habe schon einige Bewerbungen hinter mir, aber nehme Absagen nie persönlich. Im Gegenteil: Ich habe mir immer die Mühe gemacht, das Anforderungsprofil zu hinterfragen und nach den Kriterien zu bohren, die letztlich ausschlaggebend waren, dass meine Gesprächspartner manchmal von so viel Offenheit und Direktheit überrumpelt waren. Dabei habe ich oft festgestellt, dass die Jobs, die ich nicht bekommen habe, für mich sowieso nichts gewesen wären. Und andererseits Fähigkeiten oder Kriterien, die ich in meinen Bewerbungen kaum herausgestellt hatte, weil sie wir so selbstvertändlich oder gar unwichtig vorkamen, waren dagegen bisweilen ein erheblicher Vorteil gegenüber Mitbewerbern. Den kann man beim nächsten Mal vielleicht geschickter darstellen. Erfahrung zum Beispiel, Standing, Kommunikationsfähigkeit, Verfügbarkeit. Das muss man einfach ausprobieren. Und so konnte ich mich ohne das Gefühl der Niederlage weiter auf die Suche machen, nach dem Job zu suchen, der zu mir passt, weil ich immer das Gefühl hatte, ich hätte etwas (über mich) gelernt:-). @Emily: Das mit dem Hasen im Pfeffer kenne ich auch. Und ich empfinde die Ohnmacht manchmal als ungerechte Strafe, im Sinne von ein Problem zu sehen, einen Fehler zulassen zu müssen, und schon vorher zu wissen, dass es schief gehen muss. Aber andere haben eben auch das Recht, Fehler zu machen. Ich habe für meinen Teil entschieden, dann nur der Bedenkenträger zu sein und mich nötigenfalls auszuklinken, auch wenn, das manchmal etwas von dem erhobenen Zeigefinger hat. Solange man das Ziel nicht aus den Augen verliert, ist es okay, auch wenn es bedeutet, dass man mal zwei Schritte vor und dann drei zurückgehen muss. Das ist auch so eine Station, wo man sich nicht in dem "warum" verlieren darf, sondern nach dem "wohin" fragen muss. Mir ist dann wichtiger, konstruktiv zu sein, ohne Schuldzuweisungen und ohne Vorwürfe, offen zu bleiben für andere Wege. Mein Weg muss ja für andere nicht der ultimative sein. Es ist sozusagen nach Fenstern suchen, wenn die Tür verschlossen ist. Dabei habe ich immer wieder so etwas wie Schlüsselerlebnisse gehabt, dass ich nämlich dann den entscheidenden Impuls setzen konnte, damit sich wieder etwas bewegt. Ein Türchen öffnen konnte, für einen neuen Weg, hinter dem sich wieder Türen finden, zu denen die anderen dann vielleicht den Schlüssel hatten. Verstehst du, was ich meine? Fehler, Probleme, Krisen gehören einfach dazu, es geht immer nur darum, das nächste Türchen zu finden. Und dann den Weg neu auszurichten. Manchmal trennen sich die Wege dann. Das íst eben so. An Kreuzungen fahren ja auch nicht alle geradeaus weiter. Ich finde es ganz toll, dass dir es dir nach so schweren Jahren gelungen, wieder Türen und Wege zu sehen, und du für dich eine Balance gefunden hat, die dich zufrieden stellt und du das, was dir wichtig ist, wieder aktivieren konntest. Mein Vorsatz für dieses Jahr ist es, ein paar alternative Energiequellen außerhalb des Jobs zu finden. Über ein Hobby habe auch schon nachgedacht und es mit "Malen" versucht. Aber das ist auch etwas, was man eher allein macht als mit anderen. Und unter Leute zu kommen, ist etwas, da hätte ich im Augenblick glaube ich, mehr von. Was hast du/habt ihr denn für Hobbies? Liebe Güße an Euch beide, Babette
Emily
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Beitrag von Emily »

Hallo, Babette. Ich weiß nicht, warum die Registrierung erfolgen musste, einen Hinweis darauf konnte ich nicht entdecken. So lange bin ich noch nicht im Forum, erst seit Anfang Dezember. Es hat sicher etwas mit dem Schutz der Forumsteilnehmer zu tun. Wenn man ohne Registrierung posten kann, könnte theoretisch der eigene Nick auch von jemand anderen benutzt werden, der zufällig mal hier hereinschauen würde. Ich finde es völlig OK so. Es gibt mehr Sicherheit, und es kostet einen ja nichts außer den paar Minuten Aufwand. Macht dir das Malen Spaß? Im Moment läuft im Fernsehen eine schon ältere Sendung als Wiederholung, in welcher der Maler Bob Ross Techniken des Malens zeigt und erläutert. Die Sendung heißt "The joy of painting", und ich habe schon einige Male vor dem Fernseher gesessen und mir fasziniert angeschaut, wie der Maler z.B. eine Winterlandschaft entstehen ließ. Allerdings habe ich selbst mit Malen nichts am Hut. Mein liebstes Hobby ist das Lesen. Ja, wie du es schon beschrieben hast, der Beruf kostet einen manchmal viel Kraft. Aber es ist doch auch immer wieder ein schönes Gefühl, wenn sich ein neues Türchen öffnet, durch das man wieder hindurchgehen kann. Und wenn sich dieses Türchen durch das eigene Nachdenken ergeben hat, gibt einem das auch viel. Ich möchte das Wertgefühl, das man durch die Berufstätigkeit vermittelt bekommt, auf keinen Fall mehr missen. Als meine Kinder klein waren, war das natürlich anders. Damals machte es mir überhaupt nichts aus, für eine gewisse Zeit aus dem Beruf auszusteigen. Aber wenn ich jetzt den ganzen Tag zuhause wäre, dann würde mir die sprichwörtliche Decke auf den Kopf fallen. Wenn ich es recht verstanden habe, lebst du allein. Hast du einen größeren Freundeskreis, mit dem du zusammen Unternehmungen planst? Ich finde den Austausch mit Freunden sehr wichtig für die eigene Weiterentwicklung. Auch tut es mir immer sehr gut, wenn ich mich mit anderen Müttern unterhalten kann, die etwa gleichaltrige Kinder haben. Du hast am Anfang deines Postings von dem "tiefen Loch" gesprochen, das du überwunden hast. Es würde mich interessieren, wie das für dich aussah, aber natürlich musst du nichts erzählen, wenn du nicht möchtest. Liebe Betina, dir wünsche ich gute Besserung und hoffe, dass du bald wieder hier bist. Einen lieben Gruß von Emily.
Babette
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Beitrag von Babette »

Hallo Emily, schön, dass du auch heute wieder da bist. Ich freue mich immer, abends noch ein bißchen mit dir plaudern zu können. Was wohl mit Betina los ist? Sie hat sich heute noch nicht gemeldet. Hoffentlich habe ich sie mit meinem derzeitigen Optimismus nicht verschreckt. Betina, bitte melde dich! @Emily: Du fragtest nach dem "Loch". Ja, mein Krise letztes Jahr war so etwas wie Novemberdepression von März bis November. Zuw enig Licht, zu wenig Bewegung und immer die gleichen Gedanken, die sich im Kreise drehten. Meistens um meine Familie und die Frage, wieviel ich mir gefallen lassen muss, warum ich immer den Schwarzen Peter kriege und warum das ewige Genöhle und Gezerre nicht endlich aufhört. Manche Menschen sind einfach nie zufrieden zu stellen. Und manchmal hatte ich dann den Eindruck, meine Familie meint, weil ich (so wie es für sie aussieht) besser zurechtkomme, könnten sie ihren Ballast bei mir noch obenauf packen. Mal eben von mir die Entscheidungen erwarten, die sie selbst nicht treffen möchten. Praktisch, nicht wahr, weil es dann ja auch gleich jemanden gibt, dem man Vorwürfe machen kann für Konsequenzen, die man selbst scheut. Meine Mutter ist schon seit Jahren auf dem Dampfer "ich lass mich scheiden, ich lass' mich nicht scheiden" und erwartet -jedenfalls kommt es mir so vor - dass ich ihr sage, na dann komm doch zu mir, ich regele das für dich. Meine Schwester will, dass ich das Geschäft verkaufe, dass meine Eltern finanziert haben (das will meine Mutter auch) und zehn Meter weiter und fünf Minuten später will mein Vater es umbauen, und sucht dafür noch Unterstützung. Dann habe ich noch einen Bruder, der neue Arbeit sucht, und meint, ich könne ja mal bei mir in der Gegend für ihn umsehen (obwohl er ganz woanders wohnt und lebt) ...usw. Geht doch alle weg und kümmert euch selbst um euren Kram und lasst mir meine Ruhe! Gleichzeitig der anstrengende Job, dann der Wechsel des Arbeitsplatzes mit den Konzentrationsstörungen, die keine organischen Ursachen hatten. Da musste ich einen Schnitt machen, meine Prioritäten anders aurichten. Gott sei Dank hatte ich keine gesundheitliche Zwangpause einzulegen, wie du es musstest. Aber Verantwortung für andere abzulehnen war das größte Problem für mich, und ich war oft hin und her gerissen zwischen "Kann-ich-helfen und Muss-ich-helfen, damit der Rest der Familie entlastet wird. Und dann hatte ich dieses lähmende Gefühl, egal, wie sehr du dich anstrengst und wieviel du zurücksteckst, wenn du jetzt hilfst und dieses Problem löst, morgen denken sich die anderen etwas neues Neues aus und dann geht die gleiche Leier wieder los. Einfach ätzend, weil es immer so hausgemachte Probleme sind. Wenn es etwas wäre wie Autounfall oder so, wo keiner etwas für kann, wäre es etwas anderes. Aber so sah es für mich aus wie Ausreizen-wie-weit-man gehen-kann, wie ohne Not Grenzen austesten ... bis irgendwann mal einer sagt, jetzt ist es genug. Mit dem Ergebnis: Wer sich beschwert, hat auch verloren, oder so. Ich habe dann angefangen zu malen, um den Kopf frei zu kriegen. Sozusagen zur Entspannung und als neue Blickübung. War ganz nett, werde ich auch weiter daran arbeiten und vielleicht als kleines "Ritual" in mein Tagesprogramm setzen, um die Arbeit von der Freizeit zu trennen. Was meinen Freundeskreis angeht, der ist leider nicht sehr groß, aber dafür sehr ausgewählt. Ich brauche Menschen um mich herum, auf die ich mich hundertprozentig verlassen kann, die sagen, was sie denken und das dann auch so meinen bzw. leben. Bei diesem Anspruch ist es dann naturgemäß schon etwas dünner gesät als bei gelegentlichen Sandkastenbekanntschaften. Aber über die Jahre halten sie in der Regel mal mehr, mal weniger intensiv, aber sehr lange. Die letzten beiden Jahre eher auf Sparflamme, was ich nun ein wenig bedaure. Aber ich arbeite daran. Für dich ist es mit den Kindern sicher leichter, Kontakte zu schließen? Ich kann mir vorstellen, dass sich da leicht ein gemeinsames Thema oder eine Gelegenehit finden lässt. Bin ganz erstaunt, dass du dich auch erst seit Dezember hier tummelst. Wie kam das? Liebe Grüße, Babette
Emily
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Beitrag von Emily »

Hallo, liebe Babette. Ich freue mich auch immer, wenn ich wieder was von dir lese. Ich habe immer den Eindruck, von dir kann man noch viel lernen, was kritisches, reflektierendes Denken in Bezug auf die Familie etc. betrifft. Und da habe ich noch einen ganz schönen Nachholbedarf - *grins*. Betina hatte vorgestern gepostet, sie hat eine asthmatische Bronchitis, hatte am Wochenende mit Luftnot und Schlaflosigkeit etc. zu kämpfen. Der Arzt hat ihr gesagt, sie solle für ein paar Tage (wahrscheinlich) ins Krankenhaus gehen. Hoffentlich geht es ihr bald wieder besser. Meistens ist es doch so: Sitzt du mitten im Unglück, kommt das Pech noch dazu! Manchmal geht es wirklich ungerecht zu auf dieser Welt! Danke, dass du mir deine Situation vom letzten Jahr aufgeschrieben hast. So kann ich mir die Dinge einfach besser vorstellen. Hmm, ja, ich kann mir schon denken, dass deine Familie immer mal noch eins oben draufpacken will auf die Last. Gut, man versteht, dass andere auch Hilfe brauchen. Aber wenn es einem selbst nicht gut geht, dann muss man auch für sich sorgen, und die anderen müssen versuchen, die Hilfe für sich selbst woanders zu holen. Es muss schwierig für dich sein, bei all den völlig gegensätzlichen Ansprüchen, die deine Familie an dich stellt, nicht die Geduld zu verlieren. Vermutlich spüren sie selbst alle ziemlich genau diese inneren Widersprüche zwischen ihren einzelnen Wünschen und kommen damit natürlich irgendwo auch nicht klar. Aber dann muss man halt einsehen, dass andere damit auch nicht klarkommen können. Wie solltest du z.B. eine mögliche Scheidung der Mutter für sie durchziehen? Also da hätte ich mich ehrlich gesagt auch geweigert. Was zu weit geht, geht zu weit. Dein Dilemma zwischen Helfenwollen und Nicht-helfen-Können kenne ich auch. Hast du das alles ohne therapeutischen Beistand geschafft? Ich habe mir dieses kritische Denken, das du dir angeeignet hast, nicht ohne die Hilfe meines Therapeuten zulegen können. Ich war unglaublich tief verwurzelt in den Denkmustern dieser Helferschiene. Aber kein Mensch hat eben grenzenlose Kraft, Geduld, Verständnis. Manches geht einfach nicht. Und wenn deine Eltern und Geschwister von allen Seiten Ansprüche an dich stellen, für die sie aber selbst verantwortlich sind als erwachsene Menschen, dann ist es nur zu verständlich, wenn du sagst: Bis hierhin, und nicht weiter! Ich glaube dir gerne, dass deine innere Frage, was denn jetzt als nächstes Problem an dich herangetragen wird, lähmend war. Wenn es hausgemachte Probleme sind, so wie du sagst, dann liegen sie eben in der Verantwortung derjenigen, die sie haben. Das heißt ja nicht, dass man nicht darüber sprechen und helfen würde, wenn möglich. Aber es heißt nicht, dass man zulässt, dass andere einem ihre eigenen Probleme auch noch überstülpen. Wieso ich mich erst seit Dezember hier aufhalte im Forum? Ich habe schon ein ganzes Jahr mitgelesen, und im Dez. wollte ich dann einfach nicht mehr nur die passive Ansprache haben, sondern auch die aktive. Mir tut der Austausch hier wirklich sehr gut. Ich habe in den ca. 8 Wochen viele Anregungen bekommen und für mich sehr wichtige Kontakte geknüpft, und das habe ich gebraucht. So, nun wünsche ich dir einen schönen Tag. Liebe Grüße von Emily.
Babette
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Beitrag von Babette »

Hallo Emily, mir tut der Gedankenaustausch mit dir hier im Forum auch gut. Das hat wohl damit zu tun, dass dieser persönliche Konflikt, den ich mit mir austrage, nicht unbedingt von jedem nachzuvollziehen ist, es sei denn er kennt ihn aus der Erfahrung mit sich selbst oder seinem Umfeld. Erfahrung sensibilisiert die Wahrnehmung. Deshalb begegnen mir in meinem Leben wohl auch immer wieder Menschen, die mit Depressionen zu tun haben. Die tauchen manchmal aus dem nichts auf und kommen auf mich zu als hätte ich ein Schild auf der Stirn:-) oder den sprichwörtlichen Blick dafür. Dein Lob für mein kritisches Denken nehme ich gerne an und habe auch an anderen Stellen Lorbeeren dafür eingeheimst. Aber es ist eigentlich nicht so viel dabei: Eine gute Beobachtungsgabe, ein bißchen Kombination und (ehrliche) Kommunikationsfähigkeit. Viel von dem, was ich spüre, bewusst oder unbewusst wahrnehme und ganz selbstverständlich lebe, ist mir in der Theorie dann in Seminaren oder Büchern zum Thema Konfliktmanagement oder Kommunikation wiederbegegnet. Ich hatte an manchen Stellen zwar auch noch Aha-Erlebnisse, aber viele andere haben sich mit ganz einfachen Mechanismen schon richtig schwer getan. Wenn dich das Thema interessiert, kann ich dir gern mal ein lesenswertes Buch empfehlen. Es gibt auch ein paar ganz gute Webseiten, auf denen ich immer mal wieder einen interessanten Denkanstoss finde. Sozusagen, um den Blick auch mal in eine andere Richtung zu lenken oder den Betrachtungswinkel zu verändern. Um deine Frage nachdem therapeutischen Beistand zu beantworten: Nein, ich hatte keinen therapeutischen Beistand. Ja, ich habe es selbst geschafft, meine Krise auch diesmal zu bewältigen. Aber ganz ohne Hilfe geht es nicht, wenn man sich irgendwo festgekaut hat. Meine Freundin und Mitbewohnerin (habe ich dir erzählt, dass ich in einer WG lebe?) hat für mich immer einen Platz auf ihrer Couch frei. Und ein paar enge Freunde/Verwandte ein offenes Ohr. So gelingt es mir dann doch, meinen Zwiespalt aufzulösen, in einer Art und Weise mit der ich dann auch leben kann. (An den Übriggebliebenen arbeite ich, wie gesagt, noch.) Aber es ist wie mit dem Schlüssel, den man selbst manchmal gerade nicht sieht oder greifbar hat, der dann aber doch irgendwie ganz nah ist. Dass dir dieses Forum ganz gut bekommt, hat einen ganz ähnlichen Grund. Sich austauschen ist nämlich auch so etwas wie Schlüssel weiterreichen. Schwer finde ich es, Grenzen zu setzen (ohne zu verletzen). Letztlich siegt dann, Gott sei Dank, mein Selbsterhaltungstrieb und die Vernunft. Schließlich bin ich nicht Mutter Theresa, der Weihnachtsmann oder bei "Wünsch-dir-was. Manchmal lassen sich vielleicht verträgliche Kompromisse finden, aber sonst gilt, ganz krass, um es mal auf den Punkt zu bringen: Ich will mein (!) Leben leben (nicht das von anderen), denn ich habe nur das eine. Soviel zum Thema Helfer-Syndrom. Schwer ist, finde ich auch, auch die Einschätzung, ab wann die Krise zur Depression wird. Wenn man sie nicht mehr bewältigt, oder schon, wenn sie lange dauert? Hast du eine Antwort? Falls sich Betina bei dir meldet: Liebe Grüße und gute Besserung. (Sie hat, glaube ich, auch Probleme mit den therapeutischen Pharmaka?) Bis zum nächsten Mal, alles Liebe Babette
Emily
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Beitrag von Emily »

Hallo, Babette. Wann die Krise zur Depression wird, weiß ich auch nicht so genau. Auf jeden Fall hat das Symptom, dass die Krise für mich alleine nicht mehr zu bewältigen war, auf mich zugetroffen. Und mein Leidensdruck war enorm. Ich finde es auch kritisch, wenn die Gedanken nur noch um die Probleme kreisen, keine Luft mehr bleibt für andere Dinge. Es gibt sicher auch noch andere Kennzeichen, diese werden vielleicht auch von verschiedenen Menschen unterschiedlich wahrgenommen. Das Buch und die Webseiten würden mich durchaus interessieren. Es ist immer gut, wenn man wieder ein paar neue Ideen bekommt. Dein Satz "Sich austauschen ist nämlich auch so etwas wie Schlüssel weiterreichen" ist wirklich sehr treffend. Genauso ist es. Manchmal sucht man den Schlüssel zu einer Frage sehr intensiv, aber man merkt irgendwie gar nicht, dass man an der falschen Stelle sucht. Ein anderer erkennt das sofort, weil er einen anderen Blick auf das Problem hat. Ist dir auch schon aufgefallen, wie oft man bei anderen Leuten gleich sagen könnte, wie ein Problem zu lösen wäre, wie selten aber bei sich selbst? Wenn ich deine Postings recht verstehe, dann hast du auch schon mehrere Krisen gehabt, aber aufgrund rechtzeitiger und nachhaltiger Maßnahmen, Grenzensetzen, hast du es geschafft, die Krisen zu klären und eine Depression zu verhindern? Kann man es so sagen? Das tun viele Menschen sicherlich schon aus ihrem Instinkt heraus. Aber manchmal kann man an Punkte kommen, da funktioniert das nicht mehr. Oder man tut die falschen Dinge und weiß es gar nicht, dass sie falsch sind. Wie kommst du momentan mit deiner Familie klar? Alles Liebe auch für dich. Emily.
Babette
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Liebe Emily, rechtzeitig und nachhaltig würde ich die Maßnahmen nicht nennen; kleine Schritte in die richtige Richtung, denen weitere folgten, und plötzlich "läuft" man wieder eine ganze Weile, trifft es vielleicht eher. Ich finde es ganz "normal", wenn man ab und an in eine Phase des Stillstandes kommt. Das ist für mich immer eine Chance zur Orientierung, zum Innehalten. Quasi: Wo-bin-ich-jetzt und wo-will-ich-hin. Wenn du eine Straße langgehst, die du nicht kennst, bleibt du an irgendwelchen Kreuzungen ja auch mal stehen, um dich umzuschauen oder mal nach dem Weg zu fragen. Ich habe oft das Glück gehabt, Menschen zu begegnen, die mich ein Stückchen weitergebracht haben, mit denen ich wachsen konnte und die mich sozusagen bis zur nächsten Kreuzung begleitet haben, manchmal auch weiter. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber ich gehöre ganz sicher nicht zu denen, die ihren Weg vom Anfang bis Ende kennen und dann zielstrebig darauf losmarschieren. Manchmal hat das seine Nachteile, denke ich, weil man dann Umwege macht, die vielleicht nicht nötig wären. Dann schaue ich etwas sehnsuchtsvoll nach denen, die schon weiter sind. Wirklich gefährlich ist es aber, glaube ich, wenn man aufhört, (nach dem Weg) zu fragen, sich verschließt oder glaubt, dass es auch auch ohne andere geht. Dann gibt es kein Regulativ mehr, keine Impulse von außen, die vielleicht kurskorrigierend wirken könnten. Dann nämlich verrennt man sich leicht, merkt es erst viel zu spät und macht Fehler, die gar nicht oder nur noch schwer auzubügeln sind. Mir sind kleine Umwege lieber, die meinen jedenfalls hatten alle durchaus ihr Gutes. Du fragtest nach meiner Familie. Das ist der Schatten, gegen den ich noch kämpfe. Bin Weihnachten ja wieder mal nicht da gewesen und musste mir deswegen auch diesmal Gehässigkeiten anhören. Meine Mutter glaubt deshalb ja irgendwie, ich würde sie nicht lieben und hätte meine Großmutter viel lieber (als müsste ich mich zwischen ihr und ihrer Mutter entscheiden?!). Tatsache ist, dass meine Großeltern im Gegensatz zu meinen Eltern/Geschwistern einfach nur viel pflegeleichter sind, nicht so fordernd, nicht so kraftraubend und auch für Kleinigkeiten schon dankbar. Bei meiner Mutter können die Geschenke, die Mühen und Anstrengungen, die man unternimmt, gar nicht groß genug sein. Sie findet immer noch etwas zum mäkeln. Bisweilen muss ich darüber lachen und meine Freunde schließen schon Wetten auf die Kommentare ab. Da hatte ich ihr mal eine Aufführung in der Semperoper geschenkt, ein schönes Wochenende in Dresden, bin 500 Kilometer Autobahn gefahren, um sie abzuholen und dann mit ihr noch stundenlang nach Dresden (und den gleichen Weg auch zurück), habe mit Mühe (Rest-)Karten gekauft, die Wochen vorher schon ausverkauft waren, ihr den besseren Platz überlassen, und in der Pause hat sie mir erzählt, sie würde sich gern ein Musical anschauen. Tolle Wurst, dachte ich, dass wäre ja viel einfacher zu haben gewesen. Einige Zeit später habe ich sie in das Musical eingeladen, sagt sie mir hinterher, im Fernsehen sei das viel schöner gewesen. (und ich dachte: Menschen mit Depressionen können ganz schön anstrengend sein.) Dann habe ich sie zum 60. auf ein Wochenende nach London eingeladen, wo sie schon immer hin wollte. Nur wir zwei, gute Therapie gegen Depressionen, dachte ich. Halbwertzeit 2 Tage. Freitags sind wir dort angekommen, Samstag sagte sie, sie würde für ihr Leben gern mal nach Paris. Für das Geld, dass mich dieses Geburtstagsgeschenk gekostet hat, hätte ich vier Wochen Urlaub in der Türkei machen können! Habe dann noch mal einen Versuch unternommen, wieder ein Musical (zum Hochzeitstag), mein Vater ist nicht mal mitgekommen und meine Mutter sagt, soviel Geld würde sie nicht eine Veranstaltung ausgeben (...aber es gibt ja genug Blöde, oder was). Dass ich an Geburtstagen und zu Weihnachten leer ausgegangen bin (i Gegensatz zu meinen Geschwistern), konnte ich noch handlen (weil Sanktion: Wer nicht nach Hause kommt, braucht auch keine Geschenke.), aber -und das auch schon seit vielen Jahren- ich kriege dann immer erzählt, was meine Schwester Tolles geschenkt hat. - Seit letztem Jahr hat es sich ausgeschenkt. Ich stehe in keinen Geschenkewettbewerb mit meinen Geschwistern und kaufe mir meine Geschenke jetzt selbst:-). Und in Bezug auf die Gehässigkeiten, die in meine Richtung austeilt werden, so habe ich mich diesmal ziemlich laut, direkt und heftig dagegen zur Wehr gesetzt. Für's Erste hält sich meine Mutter im Moment zurück. Aber aufbröseln werde ich es wohl noch müssen. Da führt irgendwie kein Weg dran vorbei, sonst löst sich der Schatten nicht auf. Und ich kaue schon ziemlich lange daran. Bevor ich mich jetzt in die Koje begebe, möchte ich dir noch das Buch nennen. Es heißt: Miteinander reden, Bde. 1-3 (kleine, dünne Taschenbücher) und ist von Friedemann von Thun. Vielleicht hast du ja auch mal Lust die Webseite von "zeitzuleben" zu besuchen. Ich bin allem, was so in die moderne Wellness-Richtung geht, eigentlich eher skeptisch, aber deren Newsletter finde ich nicht schlecht. Und der Vorteil ist, wenn nichts Interessantes dabei ist, kann man ihn ja auch gleich wieder entsorgen. Melde mich am Sonntag zurück und sende einen lieben Gruß, Babette
Emily
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Beitrag von Emily »

Hallo, liebe Babette. Vielen Dank für deine Tipps bezüglich des Buches und der Internetseite. Ich werde sie mir mal anschauen, bin noch gar nicht dazu gekommen. Deine Erlebnisse mit deiner Familie würden wohl ein Buch füllen. Ich musste schmunzeln, als ich das alles gelesen habe, auch wenn es dir bestimmt nicht immer zum Lachen war oder ist. Das ist alles irgendwie so nervend, aber auch so zutiefst menschlich. Wenn man sein eigenes Verhalten manchmal selbst von außen betrachten könnte, dann hätte man mehr vom Leben, vor allem hätte man auch oft was zum Lachen! Die Sprunghaftigkeit deiner Mutter hat sicher auch mit ihren Depris zu tun, zumindest könnte ich mir das gut vorstellen. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln! Wie kommst du bloß immer so schnell hinterher? Wie gehen dein Vater und deine Geschwister damit um? Bestimmt war dir nicht immer zum Lachen, aber ich finde, du hast eine sehr humorvolle Art, diese ganzen Erlebnisse zu kommentieren. Wahrscheinlich hast du dir diesen Humor auch schwer erarbeiten müssen, aber es ist eine sehr gesunde Art und Weise, damit fertig zu werden. Irgendwann, wenn einem dergleichen einfach schon oft genug weh getan hat, dann legt man sich wohl ein dickes Fell zu. Es ist bestimmt kein böser Wille deiner Mutter, dass sie sich so verhält. Sie ist auch nur ein Mensch, und ein Mensch mit einer Depri ist halt eine Marke für sich. Ich finde es sehr gut und wichtig, wenn du dich zur Wehr setzt, wenn dir die "Nettigkeiten" einfach zuviel werden. Mir scheint, du suchst einen guten Mittelweg zwischen Toleranz und Grenzensetzung. Alles muss und kann man sich nicht gefallen lassen. Manches muss man andererseits auch wiederum einstecken. Es ist bestimmt oft sehr schwierig für dich, mit dieser Situation klarzukommen. Immer ist es eine Gratwanderung für dich zwischen andere-nicht-verletzen-wollen und sich-selbst-nicht-verletzen-lassen. Ich denke, du machst es sehr gut. Zumindest ist das mein Eindruck. Einen schönen Tag wünsche ich dir. Emily.
Dring
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Beitrag von Dring »

Hallo, Emily und Babette, jetz weiss ich nicht genau, ob ich mich bei Euch schon unter einem anderen Thema gemeldet habe. Es macht mir Schwierigkeiten, mich durch das Forum durchzusuchen. Inzwischen geht es mir wieder besser.Bekomme jetzt etwas zum Inhallieren, wenn ich keien Luft mehr bekomme. Auch lag mein schlechter Zustand daran, daß mir meine Neurologin gesagt hat, daß die Gewichtszunahme davon kommt, daß ich zuviel gegessen habe,was gar nicht stimmt. Ich habe mein Essverhalten nicht geändert und immer 56/57 kg gewogen. Wenn ich jetzt 72 kg wwiege, so kann daß nur von den ADs kommen. Da sie mir dann keine neuen gegeben hat und mich damit abfertigte, dann wisse sie auch nicht mehr weiter, kam durch das plötzliche absetzten, mein Körper total durcheinander. Ich konnte dann auch kurzfristig wieder aus dem Kranken haus raus und bekam erst einmal zur Überbrückung wieder Cipramil, welche mir früher immer gut bekommen ist. AM 13. habe ich bei einer anderen Neurologin einen Termin. Hoffentlich gehts mit der besser. Babette, sich für andere aufopfern, kenne ich auch. Habe eingetlich schon als Kind oder sagen wir Jugendliche immer alles für meine Familie erledigen müssen. Ich wurde immer gerufen, heute kann ich oft das Telefon nicht mehr hören. Auch für meinen Bruder, er ist inzwischen ALkoholiker, mußte ich immer alles erledigen und wieder gerade biegen. Habe das auch deshalb getan, weil er mit meinen Eltern zusammenlebte und sie dieses nicht schafften. Durch die lange Pflege meiner kranken Mutter habe ich auch viel Kraft verloren. Ja, mann denkt, nun haben wir das erledigt und schon am nächsten Tag kommt etwas Neues. Und jetzt, wo meine Mutter gestorben ist, mit meinem Bruder gehts auch so einigermaßen, denkkt man, geht es einem besser und dann kommt das Loch, in das man fällt. Ich strenge mich auch immer an, um nicht ganz abzusacken. HAbe heute auch mal wieder etwas getöpfert; aber ich merke, daß ich es mir aufzwinge, es macht nicht den Spass, denn ich einmal daran hatte. Aber ich versuche, mir immer am TAg eine Aufgabe zu geben und nicht unnötig in Grübeln zu kommen. Für heute wünsche ich Euch noch einen schönen Abend und bis bald betina Nächste Woche habe ich einen Termin bei einer neuen Neurologin. Hoffentlich klappst mit dem Verstehen dort besser. Zu Bebette wollt eich noch gern hinzufügen, daß es mir auch immer so ging, ich wart für die Familie immer der Ansprechpartner, "wie geht das, rufe bitte da an, kannst Du mal das gerade machen. Auch mein Bruder, der sehr unselbständig war, Alkoholiker ist, kommt nicht klar, dort wurde ich auch immer gefordert.
Dring
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Beitrag von Dring »

Babette und Emily, ich möchte Euch noch eine kleine Geschichte schreiben, die ich mir erzählte als ich während meiner Kur spazieren ging und sehr traurig war. Es geht hier auch um den Weg, den es immer wieder irgendwie gibt. Vielleicht eine kleine nette Aufmunterung in all der Trübheit (zur kleinen Erklärung, meine Mutter ist im November nach langem Leiden gestorben). Der Tag ging zu Ende. Wieder einmal hatte ich Trost gespendet, war fröhlich, nett und freundlich zu allen gewesen und hatte einmal wieder die ganze Arbeit eines langen Tages geschafft. Wer wußte, daß in mir ein Weinen war, eine tiefe Traurigkeit, Mutlosigkeit, ein Nichtmehrkönnen. Für die anderen ar ich noch nicht "unterzukriegen". Neben mir plätscherte ein Bächlein ruhig in seinem Bett. Auf dem Moos und den Blättern soeigelten sich in der untergehenden Sonne kleine Wassertropfen. Wie friedlich doch alles war. Dann wurde das Bächlein größer, es wurde dunkler, das Ufer steifer. Ich bekam Angst. Doch was war da, neben wir saß eine kleine Schwarzdrossel. Hatte sie auch Angst? Nein, sie schaute mich an, ließ lustig das Ufer herunter und spielte im Wasser. Sie gab mir den Mut, meinen Weg weiterzugehen. Ja, und es wurde wieder hell. Sie Sonne schien durch die Bäume, welche sich herbstlich färbten und vor mir öffnete sich eine wunderschöne Allee mit allen warmen Tönen des Herbstes. Sie gab mir Wärme und Ruhe. Doch dann wurde der Weg steiler und enger. Die Bäume verschwanden. Meine Beine wollten nicht mehr. Sollte ich stehenbleiben und zurückgehen. Nein, mein Weg war doch noch nicht zu Ende. Ich ging langsam weiter und was sah ich, eine wunderschöne Hecke mit leuchtenden roten Hagebutten und darin eine Bank. Hier konnte ich ausruhen. Vor mir lag ein abgeerntetes Kornfeld, aus diesem stieg ein leichter Nebel und dann ... aus dem Nebel wurde mir eine Schale gereicht mit Äpfeln und Weintrauben. Ein Kranz aus blauen Astern zierte diese Schale ( so eine Schale hatte mir meine Mutter immer zu meinem Geburtstag fertiggemacht). Und da sah ich sie. Zwischen den Äpfeln sah sie mich an, lächelte un sagte "Kind, Du bist nicht allein, es ist immer Jemand bei Dir und wenn der Weg oft schwierig ist, so geht er doch weiter. Dann wachte ich auf. Die Sonne schien auf mein Bett, im Apfelbaum vor meinem Fenster zwitscherte ein Schwarzdrossel ihr Lied und im Garten blühten wunderschön meine blauben Herbstastern; neben meinem Bett stand eine Schale mit Obst. Ich hatte Geburtstag Alles Liebe und ich sage mir, es gibt vielleicht doch noch etwas Schönes im Leben, hoffen wir, dass es auch zu uns kommt. Eure Betina
Emily
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Beitrag von Emily »

Hallo, Betina. Schön, dass es dir wenigstens wieder ein bisschen besser geht. Ich wünsche dir, dass du für die anderen Probleme auch Lösungen findest. Einen lieben Gruß von Emily.
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