Verzeihen um frei für einen Neuanfang zu sein

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Secret
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Verzeihen um frei für einen Neuanfang zu sein

Beitrag von Secret »

Hallo Forianer,

heute ging es in der Gruppentherapie um Verzeihen. Wir sollten uns den Menschen vorstellen, über den wir wütend sind und das Herz wachsen lassen, die Brust voll Energie haben und etwas davon abgeben.

Das hat bei den wenigsten funktioniert, ich hatte sogar meine Energie als Waffe benutzt um mich an meinen früheren Chef zu rächen.

Doch wenn das funktioniert, auch bei einigen was die Eltern betrifft sind wir freier.

Mir sagte eine Mitpatientin das sei mein Chef gar nicht wert.

Ich wünsche mir so sehr frei zu sein, kann aber nicht verzeihen. Dann könnte ich mich besser auf einen neuen Job einlassen, hatte heute und werde übermorgen einen Vorstellungstermin haben und in der Gruppe auch gesagt, dass ich mich über mich selber ärgere, dass ich noch an einen Chef denke, für den ich seit fast zwei Jahren nicht mehr arbeite.

Was könnt Ihr mir zu diesem Thema raten / an Erfahrungen schreiben???

Selbst wenn man nicht verzeihen kann, so kann man doch sich erklären dass der andere nicht anders konnte wegen eigener schlechten Erfahrungen??

Der Gruppentherapeut meint ich umgebe mich mit solchen Chefs wegen meiner Kindheitserinnerungen an meinem Vater, der mich nicht wertgeschätzt hat und ich solle solche Menschen meiden. Doch wie?? Nur durch nicht mehr arbeiten gehen ist auf Dauer keine Lösung, habe meine Auszeit gebraucht, ist aber auch hoffentlich nun lange genug.

LG
Secret
LG

Secret
CHF
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Re: Verzeihen um frei für einen Neuanfang zu sein

Beitrag von CHF »

Hallo secret,

ich kann ebenfalls nicht verzeihen.

Mir wird richtig schlecht, wenn ich auch nur ansatzweise an die Leute denke, die mir meine Kindheit und Jugend versaut (entschuldige für den Ausdruck) haben.

Ich glaube, wenn ich die Möglichkeit hätte würde ich mich auch rächen. Leider geht das aber nicht.

Somit versuche ich dann mir immer wieder einzureden, wie krank diese Leute doch gewesen sind.

Ich habe auch schon viel darüber gelesen, dass man freier werden würde, wenn man verzeiht. Aber ich glaube das ist bei jedem anders.

Und wir beide sind bestimmt nicht die Einzigen die nicht verzeihen können.

Ab und zu geht mir der Gedanke durch den Kopf, zur Verbrecherin zu werden und Orte in Schut und Asche zu legen, damit die Erinnerungen weg gehen.

Ich würde dir gerne jetzt mehr raten, muss aber aufhören mit Schreiben.

LG
CHF
Zarra
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Re: Verzeihen um frei für einen Neuanfang zu sein

Beitrag von Zarra »

Hallo CHF,

>Ab und zu geht mir der Gedanke durch den Kopf, zur Verbrecherin zu werden und Orte in Schut und Asche zu legen, damit die Erinnerungen weg gehen.
Das Problem ist nur, daß Du Deine Erinnerungen DAMIT nicht weg hättest. (... vermutlich aber mindestens ein Problem mehr noch dazu. Doch das ist vielleicht nicht einmal das Wichtige; sondern ersteres.)

LG, Zarra
Zarra
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Re: Verzeihen um frei für einen Neuanfang zu sein

Beitrag von Zarra »

Hallo Secret,

ich finde "Verzeihen" ein sozusagen schwieriges Thema, das öfters als so leichte(re) Lösung in den Raum gestellt wird. Wenn das Gefühl des Verzeihens da ist, ist das sicher gut. Doch man kann es eben nicht herbeizwingen. Verzeihen ist nicht anordenbar, stellt sich nicht automatisch nach der Übung XY ein. Ich denke, daß dem ein Prozess vorangehen muß, daß es auch nicht von heute auf morgen geschieht, wenn es denn geschieht. Sicher hat es auch mit Gedanken und Einstellungen zu tun, - ein bißchen aber vielleicht auch mit "Gnade".

Und (meine Meinung zumindest): Alles kann man auch nicht verzeihen. Dazu gibt es zu schlimme Dinge.

Aber man kann versuchen, möglichst gut damit zu leben, ohne sich zu sehr aufzureiben. "Die Dinge stehenlassen", vielleicht ist es so etwas, was ich kenne - in einem beruflichen Fall (denn ich werde diese Person nicht ändern können, und sie wird sich vermutlich auch nie entschuldigen; und natürlich distanziere ich mich von dieser Person). Ein bißchen so, wie man in der Meditation die Gedanken vorüberziehen lassen soll.

Eltern, wenn sie nichts wirklich Schlimmes taten, sondern einfach nur so waren, wie sie halt waren (und es eventuell mehr oder weniger negative Auswirkungen hatte): Nachdem man Verständnis für ihre Situation entwickelt hat, ist da wohl Verzeihen möglich. Ein Verzeihen hinsichtlich ihrer Person - deshalb muß man immer noch nicht verleugnen, daß es negative Auswirkungen auf einen selbst hatte.

>Mir sagte eine Mitpatientin das sei mein Chef gar nicht wert.
Wut bindet auch. Und diese Bedeutung hat diese Person sicher nicht wirklich für Dein Leben, sollte sie nicht haben. (Bei Eltern oder anderen nahen Personen mag das dann teilweise bzw. vorübergehend anders sein.)

... der andere Gedanke ist jetzt wohl angesichts der Uhrzeit weg. Ggf. morgen oder so ...

Zarra
Secret
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Re: Verzeihen um frei für einen Neuanfang zu sein

Beitrag von Secret »

Hallo zusammen,

das ist wohl wahr: wenn wir uns rächen könnten würde das die Dinge, die uns wiederfahren sind nicht ungeschehen machen oder die Erinnerung daran löschen.

Und nach Euren Postings ist mir klar geworden dass man Verzeihen nicht "anordnen" kann durch eine Übung XY, auch wenn der Gruppentherapeut uns sagte, wir müssen diese einfach immer wieder einüben und für uns machen.

Bei etwa 8 Personen hatte auch nur eine damit für einen kurzen Moment Erfolg, und da ging es um eine einzelne Situation akutell aus dem Job und nichts Tiefgreifendes.

Ich denke Verzeihen bedeutet auch nicht, dass man das was jemand Dir angetan hat gutheissen wird oder in irgendeiner Form in Ordnung findet.

Wenn ich auch nicht Verzeihen kann und will, es ist nur nicht das richtige Wort für mich. Ich werde versuchen mich mit diesen Gedanken nicht mehr zu quälen, die Aussage der Mitpatientin "das ist er nicht wert" kann ich mehr mit anfangen als mit der gestern ausgeübten Übung mit positiver Energie.

Auch ich habe mir schon ausgemalt mich an andere zu rächen. Der Gedanke ist ja nicht strafbar, sondern nur die Ausführung. Und mit den Konsequenzen würden wir uns dann mehr schaden als das es das Geschehende wieder gut machen könnte.

Es ist nur so schwierig mich von dem alten zu lösen, um für Neues frei zu sein.

Mein Problem ist dass ich im Leben besser klar komme, wenn ich nicht mehr in manchen Situationen getriggert werde bzw. negative Übertragungen habe. Das ist mein Ziel mich davor zu schützen, denn nur dann kann ich neue Verhaltensmuster entwickeln und auc der Opferrolle heraus. Bei mir handelt es sich allerdings nicht um schlimme Vergehen, Übergriffe oder Unfall, sondern um viele kleinere Traumata mit mangelnder Anerkennung. Etwas Schlimmeres wüsste ich auch nicht mit umzugehen.

LG
Secret
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Secret
ghm
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Re: Verzeihen um frei für einen Neuanfang zu sein

Beitrag von ghm »

Hallo Secret,

leider kommt aus dem Kirchentum (nicht Christentum) eine Unwahrheit, dass Verzeihen und Vergessen zusammengehörten.

Verzeihen kann sich einstellen, wenn Du etwas, was Dir geschah (und wo Du noch Opfer bist), in Dein jetziges Leben ohne Bitterkeit annehmen kannst.
(Das allein ist schon nicht leicht)

Wenn dann das was geschah keine Kraft mehr in Deinem Leben hat, wird es mit der Zeit dem Vergessen anheimfallen.

Aber zu Aller erst, ist das Geschehene in dem eigenen Leben anzunehmen, ohne dass auch nur ein Rest von Bitterkeitr bliebe.

Bei manchen Dingen schaffe ich es, bei Anderen nicht.
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
CHF
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Re: Verzeihen um frei für einen Neuanfang zu sein

Beitrag von CHF »

Hallo secret

Sich schützen, ist schon mal nicht schlecht. Meine Therapeutin hat mir mal gesagt: "Gedanken kommen und Gedanken können auch wieder gehen". Es ist halt eben nicht immer einfach, sich von den Gedanken zu lösen. Hat man sich von den Gedanken gelöst, kann man ja im Nachhinein analysieren inwiefern man die Gefühle die mit diesen Gedanken kommen, ändern kann.

Ich kann leider immer oftmals noch nicht mit den Gefühlen umgehen. Die Bitterkeit bleibt, wahrscheinlich solange, bis mein Pflegevater tot ist. Er ist jetzt 83 Jahre alt, lebt in einem Seniorenheim und freut sich bester Gesundheit. Pflegemutter ist schon vor ein paar Jahren verstorben.

Bei meinem richtigen Vater ergeht es mir mit den Gefühlen nicht anders.

Hoffe aber, dass ich es doch schaffe, die Bitterkeit irgendwann mal überwunden zu haben. Dies in der Hoffnung freier leben zu können. Ohne Situationen die triggern.

Gruss
CHF
Kampfgemuese
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Re: Verzeihen um frei für einen Neuanfang zu sein

Beitrag von Kampfgemuese »

Hallo Secret,

verzeihen ist auch für mich ein großes Thema, ich kann´s auch nicht und es beschäftigt mich fast täglich.

Zwischenzeitlich ist mir klar, ich WILL überhaupt nicht verzeihen, denn ich bin der Meinung, dass die andere Seite das überhaupt nicht verdient hat. Für mich ist diese Vergebungs-Verweigerung meine Form von (unausgesprochener) Rache. Ich hätte das Gefühl, mich selbst zu verraten, wenn ich verzeihen würde.
Es ist meine letzte Bastion, die so lange nicht fallen wird, wie ich mich gegen die „ach-komm-schon“-Stimmen wehren kann.

Ich muss nicht mehr lieb, brav und angepasst sein.
Ich bestimme über mich selbst.
Wenn das meine Entscheidung ist, muss ICH damit mein ganzes Leben lang leben, nicht die anderen.

Dieser Gefühlsklumpen, den ich tagtäglich mit mir herumschleppe, scheint mich an manchen Tagen aufzufressen, wenn er vor lauter Harmoniebedürfnis und kollektivem Gewissen („Sowas macht man doch nicht“, sagt die Gesellschaft) jeden Raum einzunehmen droht.

Und dann überlege ich, ob dieser dunkle Gefühlsklumpen denn wirklich einer ist. Ist er nicht vielmehr die pure Kraft und Energie? Wut, Zorn, Traurigkeit, Enttäuschung, verborgen hinter Schuldgefühlen, die mir einreden wollen, ich müsse doch… es gehört sich doch.. nun sei doch nicht so?

Wenn ich diese Gefühle annehme, dann sehe ich, dass ich unglaublich stark bin, denn ich habe überlebt.
Das macht mich frei.

Jeder Mensch, der mir im Leben begegnet, begleitet mich ein Stück auf meinem Weg. Manche nur ein kurzes Stück, andere sehr lange Zeit. Und von jedem bekomme ich etwas mit auf meinem Weg, von jedem darf ich etwas lernen, ob positiv, ob negativ.

Ich bin die Summe meiner Erfahrungen.

Zu der Thematik mit Deinem Ex-Chef möchte ich Dir gerne mit auf den Weg geben, was mir ein Therapeut einmal sinngemäß gesagt hat (find ich sehr schön): man kann schlechte Erfahrungen nicht ungeschehen machen. Aber man kann sie mit neuen, guten Erfahrungen „überschreiben“.
So, als wenn man ein Glas voll Tinte hat und immer dafür Sorge trägt, dass frisches Wasser (gute Erfahrungen) nachgefüllt wird… irgendwann wird das Wasser klarer. Das Mischungsverhältnis gut/schlecht ändert sich. Mag vielleicht unsinnig sein, aber ich glaub dran.

Und was ich persönlich auch ganz hilfreich finde ist, sich seine Gefühle von Menschen meines Vertrauens widerspiegeln zu lassen. Ich rede und erzähle mit wirklich guten Freunden über meine Erfahrungen und, ja „erfahre“, dass meine Gefühle (Wut, Trauer, Enttäuschung, usw) nachvollzogen, verstanden und wiedergegeben werden. Und mit jedem Wort, mit jedem Mal, dass ich es erzähle, wird die Last leichter.

Merke grade, dass ich heute sehr kryptisch schreibe; hoffe, es war dennoch verständlich und nicht zu extrem bildhaft.

Einen gute Nacht wünscht
Kampfgemuese
Secret
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Re: Verzeihen um frei für einen Neuanfang zu sein

Beitrag von Secret »

Hallo zusammen,

CHF@ wenn Gedanken kommen und gehen brauche ich noch eine Strategie dafür, dass die negativen Gedanken nicht immer wiederkommen wie ein Sprung in der Platte.

kampfgemüse@ das problem mit dem wasser in der tinte ist bei mir dass ich nie weiss ob das wasser auch klar ist. Die angst alles mit dem "wasser" zu vergiften ist da, weil ich zu oft auf die nase gefallen bin.

Heute hatte ich einen Vorstellungstermin und mich danach über mich selber geärgert, denn ich stelle nun mal nach meiner langen pause durch au mein licht unter dem scheffel, habe einfach angst nicht zu genügen. und daher kann ich auch nicht so überzeugend auftreten ob ich die aufgaben alle so mache wie der potentielle arbeitgeber sich das vorstellt.

ich stehe mir da selber teilweise im weg, anderseits: ich suche lieber länger bevor ich mich auf kompromisse einlasse und nachher wieder unzufrieden bin.

ich weiss auch noch nicht ob ich dort arbeiten möchte, es waren zwei ansprechpartner da, sie waren symphatisch aber auch "arbeitsbienen", die ja keine ahnung haben weswegen ich die letzten 1,5 Jahre nicht gearbeitet habe. auf die frage warum habe ich persönliche familiäre umstände genannt. die frage ist, ob es mir nun viel ausmacht dass ich nach unbezahlten überstunden und arbeit auch nachmittags gefragt wurde, überstunden wurden nicht genau definiert, aber 1-2 die woche?? es kam die frage wie ich so reagiere wenn es "hoch her geht"??? Brauche ich einen strukturierteren arbeitsplatz oder ist es egal, da die kinder nach den sommerferien auf weiterführenden schulen gehen werden und dann nicht mehr mittags nach hause kommen?? fragen, die ich mir selber stelle.

wie werte ich das, dass viel arbeit mit eventuellen fortbildungen als geringfügut benannt wird??

mit verunsicherung ging ich raus, ich schlafe mal eine nacht drüber, warscheinlich gibt es so wie so genug Mitbewerber.

LG
Secret
LG

Secret
Kampfgemuese
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Registriert: 11. Mär 2010, 15:07

Re: Verzeihen um frei für einen Neuanfang zu sein

Beitrag von Kampfgemuese »

Hallo Secret,

zunächst mal: finde ich super, dass Du auch dieses Vorstellungsgespräch durchgezogen hast, trotz allen Befürchtungen und trotz des Gefühlschaos, dass Dich davor und danach übermannt. Da gehört was dazu! :o) Ich bin da übrigens auch gaaanz groß mit dabei beim Thema „sich selbst runtermachen“, hast mein vollstes Verständnis!

Ja, schlechte Erfahrungen machen uns vorsichtig. Man kennt den „worst-case“ und möchte diesen verständlicherweise unter allen Umständen vermeiden.
Und bevor ich meine persönliche Einschätzung schreibe, noch dies: Ich möchte mit dem, was ich schreibe, auf gar keinen Fall oberlehrerhaft rüberkommen, möchte ich unbedingt sagen. Ich hab ja leicht reden, denn nicht ich stecke in dieser Situation, sondern Du, mit Deinen ganz persönlichen Gefühlen und Deiner ganz persönlichen Geschichte. Deswegen kann es, glaube ich, für Deine Situation auch nur eine ganz individuelle Lösung geben, die zu Dir passt, die sich für Dich gut anfühlt.

Wir können uns nur dessen sicher sein, was hinter uns liegt. Was uns erwartet, wissen wir nicht. Auf das, was uns erwartet, haben wir allerdings im Gegensatz zur Vergangenheit noch Einfluss. Das, was Du erlebt hast, hat Dich verändert, und darum ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass Du auf Situationen, die ähnlich derer aus der Vergangenheit sind, anders reagieren wirst. Ich glaube (persönliche Meinung), dass wenn man Dinge ein zweites Mal erlebt, diese nie wieder so schlimm sein können wie beim ersten Erleben. (Ok, ausgenommen hiervon sicher sog. Flashbacks, mit denen ich aber keine Erfahrung hab).

Ja, es KANN passieren, dass Du nochmal auf die Nase fällst. Aber es muss nicht passieren. Und wenn es doch passiert, dann weißt Du, dass Du es schon einmal geschafft hast. Dass Du stark bist.

Um mal wieder auf meinen Therapeuten zurück zu kommen… der fragte bei einem Gruppengespräch einmal in die Runde, was wir einzelnen Menschen denn in unserem Leben anders machen würden, wenn wir nicht krank wären. Da kamen die dollsten Sachen bei raus. Nur als Beispiel: mal mit der Tochter in den Zoo gehen, ohne Angst zu haben. Oder mal Widerworte geben, wenn einem was nicht passt.
Die Augen aller Anwesenden begannen förmlich zu leuchten, als sie davon erzählten, wie sie leben würden, wenn sie gesund wären.
Und dann sagte der Therapeut: was hält sie davon ab? Machen sie es!
(Als Erläuterung hierzu noch: das sollte ausdrücklich nicht bedeuten, dass die Krankheit und das Leiden der Einzelnen nicht wichtig und ernst genommen wurde; es ging um die Hoffnung und die VorstellungsKRAFT).

Wenn Du gesund wärst, würdest Du einen dieser Jobs annehmen? (Ja, sehr provokativ, verzeih bitte, die Realität ist ja nicht zu verleugnen, aber trotzdem… stell´s Dir doch bitte einfach mal kurz vor).

Wie wahrscheinlich ist es, dass Dein neuer Job ganz genau so schlimm wird oder sogar noch schlimmer als Deine Zeit bei Deinem Ex-Chef?

Ja, eine kleine Wahrscheinlichkeit ist immer gegeben, auch wenn der erste Eindruck noch so toll ist. Und wenn der erste Eindruck der Horror ist, dann würd ich´s auch gleich lassen, man sollte ja auch nicht sehenden Auges ins Unglück rennen.

Aber wenn die klitzekleine Hoffnung besteht, dass der Job doch gut sein könnte, dass er tatsächlich ein „Job“ sein kann, und nicht Dein Leben vereinnahmt, dann wär´s vielleicht einen Versuch wert.

So negativ, wie Du Dich bei den Vorstellungsgesprächen erlebt hast, haben Dich die anderen bestimmt nicht erlebt. Denn nur Du verbringst 100% Deiner Lebenszeit mit Dir und kennst alle Deine Schwächen und hast darum auch die Möglichkeit, dich selbst so runter zu machen. Die anderen kann man gar nicht so gut kennen wie sich selbst, und darum sind die auch gleich „besser“. (Ich gestehe: geklaut von Dr. Hirschhausen, find ich einfach logisch und gut).

Und noch zum Abschluss…. Ich glaube, ein Job besteht aus mehreren Faktoren und der wichtigste ist: die direkten Kollegen. Da kann der Job noch so sch… sein, wenn´s mit den Kollegen gut läuft, ist das schon mehr als die halbe Miete. Idioten gibt es überall, aber es zwingt Dich auch niemand, bis ans Ende Deiner Tage dort zu bleiben. Es gibt immer die Chance auf eine Veränderung; immer die Chance auf etwas neues, das besser sein kann.

Ob es tatsächlich klares Wasser ist, das in die Tinte geschüttet wird, oder noch mehr Tinte – das merkst Du erst daran, wie es sich anfühlt.
Wenn Du einen Weg einschlägst, wenn Du neue Erfahrungen sammelst, egal in welcher Hinsicht.

Ein Job kann sich perfekt anhören, aber die Realität ist die Hölle. Ein Job kann sich furchtbar anhören, aber genial sein.
Vielleicht gibt es in diesem Gefühlsdurcheinander eine Möglichkeit, die Rahmenbedingungen abzustecken. Das, was Dir absolut wichtig und nicht diskutabel ist.
Und dann alles andere davon abzugrenzen und nicht mit in die Entscheidung einfließen zu lassen, was Du definitiv nicht vorher wissen und vorher beeinflussen kannst. Denn das kann niemand, es ist immer ein kleiner Sprung ins kalte (klare?) Wasser.

Liebe Grüße & viel Kraft wünscht Dir
Kampfgemuese
Secret
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Re: Verzeihen um frei für einen Neuanfang zu sein

Beitrag von Secret »

Hallo Kampfgemüse,

nein, Du kommst gar nicht oberlehrerhaft rüber, ich freu mich über Tipps und Anregungen.

Ich habe von dieser Firma per mail noch einen Test auf Englisch bekommen und diesen erledigt.

Heute vormittag habe ich noch mit einer Freundin aus meiner Laufgruppe darüber geredet und sie fand unbezahlte Überstunden, die gleich im Vorstellungsternim erwähnt werden unverschämt. Sie würde das dem Arbeitsamt melden.

Ich habe mich nun dazu entschieden, das zwar nicht zu tun, aber meine Probearbeit diesem Unternehmen zu zumailen und Ihnen zu schreiben, dass falls ich in die engere Wahl der Bewerber komme eine konkrete Arbeitszeit mit maximal geleisteten unbezahlten Überstunden und Kondtionen (wie viel Stunden in der Woche überhaupt?) geschrieben und mich für das gestrige offene Vorstellungsgespräch bedankt. Melden werde ich diese Firma aber nicht. Ich habe noch erwähnt dass ich an ein langfristiges Arbeitsverhältnis interessiert bin und Wert auf beiderseitiger Zufriedenheit lege.

So etwas habe ich noch nie gemacht, aber nun brauche ich auch keine Angst davor zu haben wenn ich dort genommen werde. Das ist sehr unwarscheinlich und wenn doch dann weiss ich dass ich nicht ausgenutzt werde und so akzeptiert werde wie ich bin.

Das ist für mich auch ein Weg aus der Depression. Offiziell bin ich ja als gesund von der med. REHA Klinik entlassen worden. Ist zwar besser geworden, aber nicht ganz weg.

Auch habe ich nach der REHA mich mit Theater versucht, bei der VHS hat es mir ja bei einem Workshop gefallen. Dann habe ich Anschluss bei einer Gruppe, die sich schon mehrere Jahre kennt gesucht und wurde nach 3 Probeabenden wegen mangelnder Theatererfahrung abgelehnt. Als mein Ansprechpartner mir das telefonsich mitteilte mit der Einleitung "Ich habe eine schlechte Nachricht für Sie" habe ich ihn geantwortet dass das für mich keine schlechte Nachricht sei, da ich auch gemerkt habe dass die Gruppe mich nicht mit offenen Armen gerade empfangen hat und ich für mich entschieden habe dass diese Gruppe mir nicht gut tut, ich lege Wert darauf auf einer Augenhöhe als Gleichwertig in einer Gruppe zu sein, auch als Neue.

Dass ich mich nicht mehr darauf versteife mit faulen Kompromissen alles zu erreichen hat mich freier gemacht.

Und zu deiner Gruppentherapie: Die mentale Vorbereitung auf eine Gesundung kann nützlich sein, ist wohl auch wichtig den Patienten (uns) dabei anzunehmen und ernst zu nehmen.

Ich bin auch in der Depression mit meinen Kindern zum Zoo gegangen, ich hatte eine agierte Depression, litt also unter Gedankenkarussel, Heulkrämpfe und Unruhe. Doch zuletzt habe ich keine Arztbesuche, Lehrerbesuche und andere Konfliktbehafteten Situationen mehr wahrgenommen.

LG
Secret
LG

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