Wieder ein Neuer

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Josilos
Beiträge: 18
Registriert: 9. Jun 2012, 17:54

Wieder ein Neuer

Beitrag von Josilos »

Hallo zusammen

Nach langer Zeit stillen Mitlesens traue ich mich endlich mich anzumelden. Ich suche Kontakt und Hilfe von Menschen die diese Krankheit verstehen.
Kurz zu mir: ich bin 52 Jahre, männlich und allein, wohne in Unterfranken

Nachdem ich selbst den Weg zu einem Psychiater gefunden hatte (nach 10 Wochen Wartezeit) wurde im Januar die Diagnose mittelgradige Depression gestellt.
An AD nehme ich jetzt 20 mg Citalopram, zwischendurch auch mal zusätzlich Mirtazapin das aber vor vier Wochen abgesetzt wurde. Ich war bis jetzt fünf Mal in analytischer Gruppentherapie, stehe also am Anfang dieses Weges; habe keine Erfahrung.
Ich schrieb oben: allein, und das ist wörtlich zu nehmen, denn meine sozialen Kontakte außerhalb der Arbeit sind 0. Gerade hat mich der einzige Mensch dem ich vertraute fallengelassen. Wie´s in mir jetzt aussieht könnt Ihr sicherlich verstehen; ich leide eh´ an starken Wertlosigkeits- und Sinnlosigkeits Gefühlen. Bin ziemlich abgestürzt.
Hatte vor einer Woche tatsächlich mal ein Gefühl gehabt das Freude war (habe mich in einem sozialen Forum angemeldet und Kontakt zu einer Verwandten gefunden).
Selbst dieses „gute“ Gefühl ist mir nicht vergönnt, am nächsten Tag ging es mir schlecht.

Und nun die große Frage die mich im Augenblick umtreibt: Wo soll ich die Kraft her nehmen um weiterzumachen; soll ich die Medikamente weiternehmen? soll ich die Therapie abbrechen?? Soll/will ich überhaupt weiterleben? ohne Ziel?, ohne Sinn? ohne Hoffnung? Das frißt mich auf, finde keine Ruhe, die Gedanken kreisen unentwegt.

Vielleicht hat jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht und kann mir einen Gedankensatz weitergeben mit dem ich arbeiten kann??? Würde mich über Hilfe sehr freuen.

Die Schildkröte
Lerana
Beiträge: 2088
Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Wieder ein Neuer

Beitrag von Lerana »

Hallo Schildkröte,

du hast ein weises Tier zu deinem Nick gemacht. Harte Schale, weicher Kern! Langsam und bedächtig! Und vor allem: SCHILDKRÖTEN WERDEN SEHR ALT!

Ich kenne dieses ewige Grübeln, aber Citalopram hat mir da gut geholfen! Wie lange nimmst du es denn schon?

Du fragst, woher du die Kraft nehmen sollst.
Das ist schwer, aber
1. versuche nicht immer stark zu sein. Es ist ok, kraftlos zu sein.
2. aus den guten Augenblicken. Denn auch wenn sie nicht lange anhalten, so lange sie kurz aufflackern, spenden sie Kraft. Genieße sie!

Der Weg aus der Depression ist langsam, wie dein Nick und bestimmt alles andere als ein Spaziergang, aber: auch eine Schildkröte kommt ans Ziel.

Es wird besser!!

Herzliche Grüße und viel Durchhaltevermögen!
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Josilos
Beiträge: 18
Registriert: 9. Jun 2012, 17:54

Re: Wieder ein Neuer

Beitrag von Josilos »

Erst mal vielen Dank für die schnelle Antwort Lerana

Ich nehme das Citalopram seit Ende Januar. Hatte damit keine Probleme und die erste Wirkung trat schon am nächsten oder übernächsten Tag auf.

Meinen Nick hatte ich eigentlich gewählt, weil ich mich auch sofort in meinen Panzer zurückziehe (auch wenn der im Moment nicht sehr dick ist).

Die Schildkröte
Rosenkranz
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Re: Wieder ein Neuer

Beitrag von Rosenkranz »

Hallo Schildkröte

Erstmal ein herzlich willkommen hier im Forum, Nickname gefällt mir und lässt hoffen, glaub du weißt gar nicht welche Strecken die zurücklegen können aber auch Durststrecken überstehen. Spaß beiseite.

Kann gut nachvollziehen, was du schreibst, bin 4 Jahre jünger wie du, w., habe zwar Familie nach Arbeit dennoch fast immer allein, da mein Mann auch abends arbeitet, ist manchmal ganz gut so, da sieht er das Elend nicht, das da auf dem Sofa liegt.

Die Frage nach der Daseinberechtigung und der Sinnlosigkeit stelle ich mir auch immer öfters, früher waren neben der Arbeit meine Kinder der größte Teil meines Lebensinhaltes, aber das Leben ist nun mal so, das sie ihre eigenen Wege gehen und daran will ich sie nicht hindern, habe aber ein gutes Verhältnis zu ihnen.

Es ist eben in der Depression so, das man eine ganz andere Sichtweise auf das Leben hat, damit meine ich eine negative, deshalb auch die schwarzen Gedanken. Das du zumindest in Behandlung bist ist schon mal gut, Du machst Gruppentherapie, das würde ich keinesfalls abbrechen, da du dort wenigsten nicht alleine bist, vielleicht kannst du dort sogar ein paar Kontakte knüpfen, es ist ja so, mit Betroffenen kann man besser drüber reden, weil sie dich verstehen, weil sie wissen wovon du redest, die Materie muss aber stimmen.

Ich habe immer Einzeltherapie gemacht, war mir gewissermaßen auch lieber so, weil da auch vieles persönliches besprochen wurde, was ich nie hätte vor der Grupppe gesagt. Ich weiß nicht ob das was für dich wäre und weiß auch nicht ob du so was parallel machen kannst oder entweder das eine oder andere.

Ich habe mich in der letzten Zeit immer mehr zurückgezogen, es ruft kaum einer an, geschweige denn es kommt mal jemand zu Besuch, ausgenommen die Kinder, aber sonst ist da nicht mehr viel, eben auch nur die Arbeit, deshalb kann ich dich da ganz gut verstehen, habe aber noch meinen Mann, mit dem kann ich aber nicht über die Krankheit reden.

Das du enttäuscht wurdest finde ich sehr schade, ich würde dir wünschen das du jemanden zum reden hättest, nicht mal nur über die Probleme, einfach auch so zum reden, damit du auf andere Gedanken kommst, vielleicht hilft es dir hier zu schreiben ein wenig, ist zwar virtuell, aber zumindest findest du hier Verständnis und ein paar hilfreiche Tipps.

liebe Grüße Rosalie
Salvatore
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Re: Wieder ein Neuer

Beitrag von Salvatore »

Hallo Turtle,

auch von mir willkommen im Forum.
Meine Frage an dich ist: Wenn du das Citalopram gut verträgst und es ja auch - wie du sagst - eine spürbare Wirkung bei dir hat, warum solltest du es dann absetzen? (Eigentlich soll man ein wirksames AD erst absetzen, wenn man ca. ein halbes Jahr beschwerdeFREI ist...)
Da es dir immer noch nicht gut geht, würde ich sogar sagen, sprich mit deinem Psychiater mal über eine Erhöhung der Dosis. Hast du bei ihm regelmäßig Termine?

Weitermachen, lieber Turtle, müssen wir alle. Manchmal ist es schwer, manchmal leichter. Und wenn du möchtest, dass sich etwas ändert, tja, dann musst du wohl auch mit der Psychotherapie weitermachen... (Möglicherweise ist analytische Gruppentherapie nichts für dich, das kann ich nicht beurteilen, dann wäre evtl. ein anderes Verfahren angezeigt.)

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Wieder ein Neuer

Beitrag von kormoran »

hallo turtle,

ich bin auch ein schildkröten-fan - und das inzwischen gar nicht mehr deswegen, weil sie sich so zurückziehen können. das war einmal ... der weg mit therapie und durchhalten lohnt sich!

ich möchte dir den tipp geben, dir eine selbsthilfegruppe zu suchen. das könnten neben der therapie hilfreiche kontakte sein und dich etwas aus deiner isolation herausholen. und dort stehst du auch nicht vor dem hindernis, neue menschen kennenzulernen, vor denen du dein depressiv-sein verstecken müsstest.

alles gute und liebe grüße
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
Josilos
Beiträge: 18
Registriert: 9. Jun 2012, 17:54

Re: Wieder ein Neuer

Beitrag von Josilos »

Hi Rosalie und Salvatore und gerade Kormoranin

Herzlichen Dank für die freundliche Aufnahme hier.

Es ist ja nicht so, daß es mir ständig so mies geht. Im Augenblick erhielt ich halt ein paar Treffer auf einmal, und das zog mich diesmal so sehr runter. Deshalb auch die Gedanken alles hinzuwerfen, aufzugeben.

Beim Psychiater schaue ich alle vier bis sechs Wochen mal vorbei. Ich werde nächstes Mal, ist glaube ich in drei Wochen, wegen der Dosierung mal nachfragen.

Die Gruppentherapie wird mir, so hoffe ich, auf längere Sicht was bringen. Ich muß mich halt erst mit dem Gedanken vertraut machen, daß ich mich öffnen MUSS, denn nur so kann ich die Hilfe empfangen die aus der Gruppe kommt. Und gerade dieses öffnen ist verdammt schwer.

Außerdem ist die Gruppe auch ein Schritt aus meiner Isolation, es entwickeln sich langsam Kontakte.

Noch einen guten Abend und den Fußballfreunden ein interessantes Spiel

Schildkröte
inra12

Re: Wieder ein Neuer

Beitrag von inra12 »

Hallo Schildkröte,
willkommen,
bin auch erst ein paar Tage hier im Forum angemeldet.
Dieses Rückzugsverhalten, wie du es beschreibst, kenne ich sehr gut. Schön finde ich den Vergleich mit der Schuldkröte und dem schützenden Panzer. Ich benutze den Begriff "meine Höhle", dh. ich gehe total auf Rückzug, Türen zu, nehme keine Telefonate an und schaue dass ich niemanden aus Versehen treffe. Leider ist das überwiegend so und dies macht sehr einsam, schützt mich aber gleichzeitig vor Überlastung und vermeintlichen Fehlern (habe ein Selbstwertproblem). Ein guter Ratgeber bin ich im Moment nicht, da ich mich gerade im KReis drehe. Aber vielleicht hilfts dir, wenn du weißt, dass du mit dem PRoblem nicht alleine da stehst.

LG inra
jonojo

Re: Wieder ein Neuer

Beitrag von jonojo »

Rosenkranz
Beiträge: 591
Registriert: 19. Feb 2010, 21:19
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Re: Wieder ein Neuer

Beitrag von Rosenkranz »

Halle Schildkröte

Ich bin jetzt mal fies, die haben heut früh im Radio gesagt, das die Schildkröte ... den Sieg für Deutschland vorausgesagt hat, weiß nicht ob du an Fußballfan bist.

Glaube es geht auch gesunden so, wenn vieles auf einmal hereinbricht, das das nicht ohne Spuren bleibt, aber wir als Depressive können eben schlechter damit umgehen und sind meist auch empfindlicher vielem gegenüber und mißtrauischer anderen gegenüber eben auch aus verletzungen heraus.

Bei mir ist das so als würde ich ein Doppelleben führen, das eine auf Arbeit und das andere zu Hause. Auf Arbeit setze ich mir sozusagen eine Maske auf, damit keiner merkt das ich krank bin, da kann ich auch schon mal selbstbewußt auftreten, obs was nützt ist zweitens, aber nach der Arbeit bricht meist alles zusammen, weil ich keine Kraft mehr habe und damit komme ich gar nicht klar, sozusagen die Verantwortung für sich selber übernehmen, mal extrem ausgedrückt. Ich kann mich in der Beziehung auch kaum jemanden öffnen, selbst bei den Ärzten habe ich da meine Schwierigkeiten. Deshalb finde ich das Forum hier gut, da sitze ich niemanden gegenüber, es ist zwar virtuell aber dennoch ehrlicher und offener als manches persönliche Gespräch.

liebe Grüße Rosalie
Josilos
Beiträge: 18
Registriert: 9. Jun 2012, 17:54

Re: Wieder ein Neuer

Beitrag von Josilos »

Guten Abend zusammen

@inra – das mit dem Rückzug kenne ich sehr gut. Wenn es mir schlecht geht, fällt mir zu Hause die Decke auf den Kopf und ich muß raus. Dann gehe ich „spazieren“, dabei ist es sogar so, daß ich Leuten ausweiche um nur ja nicht angesprochen zu werden.

@Rosalie – nö, Fußball is´ nicht; und auch sonst halte ich es mit Churchill? – No Sports
So eine Maske trage ich auch, aber die aufrecht zu erhalten kostet viel Kraft.
Ja, ich sehe das Forum auch als Hilfe, vor allem, da hier nur „Fachleute“ am Werke sind. Die Hilfsangebote kommen aus der Praxis.

Mir geht es heute etwas besser. Ich bin ruhiger als die letzten Tage. Konnte nach fast 30 Jahren Kontakt zu einer Verwandten aufnehmen und bin am Wochenende eingeladen. Ein großer Schritt für mich aus meiner Isolation!

Wünsche allen noch einen schönen Abend

Schildkröte
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