Was die Krankheit aus mir macht

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ChristianeL.

Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von ChristianeL. »

Hallo im Forum,

ich schreibe, weil ich in einer Situation bin, die beängstigend ist für mich, weil ich sie nicht kontrollieren kann.

Ich war von 2004 bis 2009 sehr schwer erkrankt, Depressionen und Ängste gingen Hand in Hand.

Mittlerweile bin ich berentet, ich habe nach dem Verlust meines langjährigen Jobs, meiner Wohnung und auch meiner 21-jährigen Katze so dermassen den Halt verloren, dass mir auch persönliche Eigenschaften verloren gingen wie Anpassungsfähgkeit und Herzlichkeit zum Beispiel.

Heute, 2012, bin ich ruhiger, und ich weiss zu schätzen, dass ich ohne Job trotzdem leben kann.

Langjährige Freundschaften gingen in die Brüche, ich habe mit einigen Menschen sozusagen aufgeräumt, über Nacht quasi bin ich eckig und kantig geworden. Es ist ein eigenartiges und auch befreiendes Erlebnis, den Zucker abzuwischen und zu spüren, darunter verbirgt sich Pfeffer.

Es ist wie eine Neugeburt, ich sehe mich als Frau, als Mensch, und die Verletzungen des ganzen Lebens prasseln gerade auf mich herein.
Ich habe dadurch massive Probleme im Unmgang mit fast allen gerade, sei es Familie oder Freunde und Bekannnte.
Aus diesem Grund habe ich mich zurückgezogen, denn ich bin noch dabei auszuloten, was nun eigentlich los ist mit mir und wie es weitergeht.

Unterm Strich: Geballte Wut, ich bin nicht sehr kompatibel zur Zeit, ich merke das natürlich und frage mich ständig "Was ist denn da los ?".

Kennt jemand dieses Gefühl ?
Allmählich komme ich mir bescheuert vor, so ein bisschen verkehrt in dieser Welt.

Liebe Grüsse

Christiane
2304.1900
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von 2304.1900 »

Hallo Christiane,

eine Antwort auf deine Fragen zu finden ist nicht so Leicht.

Wenn du vor mir Sitzen würdest,würde ich ehr auf eine andere Diagnose Tippen.

Wichtig ist es die Ursachen der Persönlichkeitsveränderungen Medizinisch abklären zu lassen.Das heist nicht das dagegen vorgegangen werden müsste.

In der Regel gilt es ,die neuen Persönlichkeits-anteile langsam umzusetzen.
Sowohl dein Äußeres Umfeldt als auch dein "inneres Team" brauchen diese Zeit um sich in das neue zu finden.

Vieleicht kannst/solltest du feststellen woher deine Wut kommt ,und wieviel bestandt dies Wut im vergleich mit der Realität hat?


mit vielen Grüßen,
Stefan
ChristianeL.

Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von ChristianeL. »

Hallo Stefan,

das war ein seltsamer Satz, wenn ich vor Dir sässe, würdest Du auf eine andere Diagnose tippen.

Danke für Deinen Tipp mit der medizinischen Abklärung, das klingt sinnvoll. Ich habe in kürze meinen jährlichen medizinischen Check, ich werde es dort zur Sprache bringen.

Menschen, die in Therapie waren und sind, haben in der Regel ein grosses Wissen bezüglich der Ursachen von eigener Wut,Trauer etc.
Möglichweise fehlt mir einfach die Geduld, nach so schweren Jahren die neuen innneren Anteile langsam zu integrieren und zu festigen.
Ich nenne es gedanklich "Die neue Klarheit".
Der Auslöser für diesen Rückfall in teils infantile Verhaltensweisen war ganz sicher der Tod meines Vaters im September. Aber nicht nur.

Ich werde meine Schilddrüse checken lassen, in den vergangenen Jahren hatte ich immer mal wieder Probleme mit zu hohen TSH-Werten.
Ich hatte überhaupt nicht mehr daran gedacht.

Danke und herzliche Grüsse

Christiane
ghm
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von ghm »

Hallo Christiane,

für mich war es eher auch wie der Beginn einer zweiten Geburt.

ich sage heute, meine Depression hat mich geleert und lehrt mich nun, mich kennenzulernen.

Und bitte was ist daran schlecht?

Wer mich so nicht mehr mag, mochte nie mich, sondern nur das "weichgespülte" Etwas.

Und ich brauche dann den nicht mehr.

Also, viel Vergüngen auf der Reise zu Dir Selbst
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
ChristianeL.

Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von ChristianeL. »

Hallo Gregor,

diese Gedanken beschäftigen mich natürlich auch. Wer mich so nicht mag, mochte mich früher auch nicht, also so weichgespült.
Und das eben glaube ich nicht. Das kann nicht stimmen. Mögen ja, akzeptieren eher nein. Es sind ja auch ganz reale Erfahrungen, ich bilde es mir nicht ein, das erleben so viele von uns.

Wenn ich manchmal so geknickt und enttäuscht vor mich hin denke, komme ich mir vor wie Oscar in der Tonne aus der damaligen Sesamstrasse. Nur genervt, Deckel zu und fertig.
Es ist eine hohe Empfindlichkeit nach der Krankheit hinzugekommen, Du sagst, die Krankheit hat Dich geleert, danach gelehrt.
So ist es auch, eine harte Schule.

Alle Gute für Dich und herzliche Grüsse

Christiane
Rosenkranz
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von Rosenkranz »

Hallo Christiane

Ich bin der Meinung das die Krankheit, zumindest wenn man sie über Jahre hat wie viele hier, den Menschen verändert.

Ich finde den Satz von Gregor sehr schön und treffend - mit geleert und gelehrt.

Dass du die Spreu vom Weizen getrennt hast ist zumindest ein guter Ansatz, denn in der Krankheit selber lernst du erst deine wahren Freunde kennen und das sind meist nur sehr wenige auf die anderen kannst du getrost verzichten.

Es ist aber auch so, das wenn es einem nicht gut geht, man auch eine andere Sichtweise hat. Da sehe ich nur schwarz, hasse gewissermaßen die ganze Welt und alles um mich herum, da möchte ich am liebsten mit allen brechen. Es ist aber so, das sich der Hass und die Wut gegen einen selber richtet und nicht die anderen Schuld sind, sondern wir unsere Sichtweise und verhaltensweisen verändern müssen, um selber auch liebenswert zu sein. Natürlich spielt das Umfeld auch eine Rolle, du brauchst dich zumindest nicht mehr mit der Arbeitswelt herumzuschlagen, das sind z.Teil Faktoren, die du nicht beeinflussen kannst.

Du schreibst geballte Wut - wenn dir jemand gegenüber steht und die Wut in deinen Augen sieht, was denkst du wie er reagiert oder was erwartest du dann von ihm?

lg Rosalie
heike56
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von heike56 »

Liebe Chrissy,

bei deinem Beitrag habe ich das Gefühl, dass etwas weggebrochen ist, was dir ermöglicht hat, die Dinge nicht in ihrer Gesamtheit sehen zu müssen.
Durch den Tod deines Vaters ist natürlich eine große Wunde entstanden. Trauer, Wut, Hilflosigkeit sind Gefühle die dazu gehören. Du hast ja auch schon vermutet, dass deine jetzige Situation damit zu tun hat.

Auf mich wirkt es so, als ob Du sehr dünnhäutig bist und diese Dinge dich überrollen.
Gibt es positive Dinge, an die Du dich halten kannst. Oder etwas womit Du einen Ausgleich schaffen kannst.

Mein Vater ist vor 4 Jahren, nach langer Krankheit (5 Jahre) im Pflegeheim gestorben. Obwohl er sehr alt war, und über ein Jahr nicht mehr anspechbar war, ist mir der Abschied sehr schwer gefallen. Unser Verhältnis war eher ein schwieriges. Aber das hat wohl nichts zu sagen.

Ich denke noch sehr gerne an Schöntal. Es war eine tolle Zeit. Es tut mir leid, dass Du so lange so krank warst.

Alles Liebe für dich und herzliche Grüße von

Heike 47
ChristianeL.

Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von ChristianeL. »

Hallo Rosalie,

ja, das ist es.
Die ziemlich ungewohnte Erfahrung selber die Spreu vom Weizen zu trennen und das mal selbst in die Hand zu nehmen. Es ist ein enormes Erlebnis, neu und völlig ungewohnt; ich war sehr lange total abhängig vom Gutheissen anderer, von der Akzeptanz eben. Da passiert wohl gerade etwas ganz Merkwürdiges, ich will das nicht mehr.

Ich vermute, dass mich das gerade fertigmacht. Weil es mit Verlusten zu tun hat, die ich zum Teil selber einleite und mich unendlichen Mut kosten.

Weisst Du, ich stehe ja niemandem gegenüber, der meine Wut sieht, ich fühle das hauptsächlich und verhalte mich anders als gewohnt.

Ich fühle diese Wut, aber ich habe noch Zivilisation in mir und beleidige niemanden. Ich bin nur klarer und habe das grosse Bedürfnis, sowie jetzt gerade, über das Leben zu sprechen. Für mich ist das nichts Bedrohliches, es ist normal. Dass ich andere nicht mehr so verstehen kann in ihren Bedürfnissen, was tausend Jahre der Fall war, ist befremdlich für sie.
Mir fehlt oft die Geduld bei eigentlich mir gemochten und vertrauten Leuten. Ich finde die gerade alle doof, ich schaffe es nicht mehr sie so zu sehen, wie sie sind.

Das liegt an mir, ganz klar, es ist ja mein Kopf. Ich suche den Mittelweg.

Wie macht Du das in Deinem Leben ?

Liebe Grüße

Christiane
ChristianeL.

Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von ChristianeL. »

Liebe Heike,

ich grüsse Dich, ich erinnere mich natürlich an Schöntal und an Dich und die Zeit.
Das ist lange her, und das war schön.

Wie geht es Dir persönlich ?

So wie Du das von dem Verlust Deines Vater geschrieben hast...Es hat immer etwas zu bedeuten. Es tut mir sehr leid, Heike. Die Umstände sind völlig wurscht, es tut mir sehr leid, dass Dein Vater gestorben ist.

Liebe Grüße

Christiane
Rosenkranz
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von Rosenkranz »

Hallo liebe Christiane

Wenn ich dich richtig verstehe, klingt das für mich so, als hättest du dich immer um die Bedürfnisse der anderen gekümmert und jetzt sind sie vor den Kopf geschlagen, wenn du dich nicht mehr um ihre, sondern um deine Bedürfnisse kümmerst, sehe ich das so richtig. Natürlich kann man anderen helfen, muß aber auch die Grenzen ziehen zwischen helfen und ausnutzen lassen, wenn es so sein sollte, hast du jetzt Grenzen gesetzt und das ist richtig so.

Du schreibst das du zwar Wut hast, die aber nach außen keiner mitbekommt. Da kann ich mich glaub ganz gut in deine Lage versetzten, ich bin ein Profi alles in mich hineinzufressen und das wiederum frist mich auf, seelisch und körperlich, und dann bin ich eben auch nicht in der Lage etwas positives am Leben zu sehen und das ist eine Qual für mich. Geht es mir wieder besser, sehe ich die Welt wieder positiver. Glaub damit können die wenigsten umgehen und so wird man allmählich zum Einzelgänger und das macht einsam.

Irgendwie versuche ich immer wieder weiter zu machen, mir bleibt ja auch nichts anderes übrig, das einzige was mir noch Halt gibt, sind meine inzwischen erwachsenen Kinder.

Wünsch dir noch einen schönen Abend
lg Rosalie
ChristianeL.

Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von ChristianeL. »

Liebe Rosalie,

vor etwa 1,5 Jahren sagte ich zu meinem Therapeuten jammernd, dass der Vorhang weg sei und ich Schmerzen habe.
Wir erörterten das, ich beschrieb ihm, wie ich mich fühle, so wund und alles sei übergross. Er fragte mich "Wollen Sie denn wieder zurück?".
Das war der Durchbruch. Endlch verstand jemand ganz konkret nach Jahren der Kopfarbeit und Gesprächen, was ich immer versuchte zu sagen.
Ich sagte dann feierlich zum ihm, übrigens, darf ich mich vorstellen, ich bin Frau Soundso. Und ich konnte herzhaft lachen.

Nun besteht die Arbeit darin, mit ganz realen Dingen fertig zu werden wie eben mit anderen Menschen, ohne Selbstverleugnung und Autoaggression.
Ein Neuerlernen von Nähe und Distanz.
Ich verstehe die Zusammenhänge und mich selber, das wieso usw. schon lange, bin aber oftmals noch weit davon entfernt adäquat zu reagieren. Man ist eben kein Computer, den man neu booten kann.

Du hast gefragt, ob ich mich mehr um die Bedürfnisse anderer gekümmert habe, weil es Dir ähnlich ergeht.
Ich denke, das ist das Problem.Dieses immer Verstehen wollen, da sein wollen, sehe ich mittlerweile auch anders. Es birgt ja eine gewisse Hoffnung in sich. Wer würde schon jemanden verletzen, der so hilfsbereit ist und alles versteht. Ein grosser Irrtum, nicht wahr ?
Ich gebe die an sich schwächere Position gerade auf, da kommt es manchmal zum Knall, ich muss das aushalten jetzt.

Hast Du zu Deinen Kindern einen guten Kontakt ?
Irgenwie braucht man wenigstens einen Menschen im Leben, der kompromisslos da ist, egal, was kommt. Sonst ist es schwierig.

Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag.

Liebe Grüsse
Christiane
Rosenkranz
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von Rosenkranz »

Hallo Christiane

Ganz so recht verstehe ich den ersten Teil was du geschrieben hast nicht, denke da fehlen mir auch die Zusammenhänge was du bereits in den Therapien gemacht hast. Ist das mit den Schmerzen wörtlich gemeint oder ist das nur das Empfinden was du hast. Zumindest das Endprodukt, was du erreicht hast, das du verstanden wirst, ist wichtig für dich.

Die anderen kennen dich so wie du bisher gewesen bist und wenn du keine Grenzen aufzeigst wird das ausgenutzt und wenn du jetzt auch mal nein sagst ist das fremd für sie, ist glaub ganz normal diese Reaktion, sie müssen das auch erstmal schlucken, aber wenn das nein nicht akzeptiert wird, kannst du sie getrost vergessen finde ich jedenfalls dann war das wirklich nur ausnutzen, und das ist doch schon Verletzung genug oder sehe ich das falsch.

Die Kontakte zu meinen Kindern sind gut, mit meinen Sohn eher telefonisch, wohnt zwar nicht weit ist aber abends meist arbeiten und WE auch. Meine Tochter kommt regelmäßig mit ihren Freund vorbei und hilft mir, das heißt beide natürlich, wir haben ein Grundstück und da gibts viel zu tun. Was die Krankheit betrifft, sie wissen zwar das ich krank bin, aber konkret rede ich nicht darüber, ich denke das das zwar nicht richtig ist, will aber auch nicht, das sie sich sorgen machen und selber Ängste deswegen aufbauen und noch um mich sorgen müssen. Ich habe zwar versucht so gut es ging, für die Kinder da zu sein, aber immer ging das eben nicht, das heißt es hat nicht immer die Sonne geschienen.

Ich habe zumindest erreicht, das sie auf eigenen Füßen stehen können, beide eine Lehre abgeschlossen und Arbeit haben zwar nicht im erlernten Beruf, aber Arbeit, haben die Fahrerlaubnis, was bei uns dringend notwendig ist auf dem Land und sind in der Lage einen Haushalt zu bewältigen ich meine Waschen, kochen, Geld einteilen usw. also niemanden auf der Tasche liegen. Ich weiß, das sie auch ohne mich zurechtkommen und nicht abstürzen. Für mich war das natürlich auch eine riesige Umstellung, da muß wohl jede Mutter durch, es entstand erstmal eine riesenlücke bzw. Leere. Es war sozusagen mein Lebensinhalt. Gehe aber noch voll arbeiten, sonst wäre es glaube noch viel schlimmer.

liebe Grüße Rosalie
ChristianeL.

Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von ChristianeL. »

Liebe Rosalie,

was Du geschafft hast bei Deinen Kindern, finde ich enorm, ich bewundere das sehr.
Es ist so wenig selbstverständlich, dass Eltern und Kinder einen guten Kontakt haben.
Dass sie sich nicht zurückziehen von Dir ist schön, vielleicht sind sie auch belastbarer, als Du annimmst ?

Entschuldige meine rätselhaften Worte mit den Schmerzen, ja, ich meinte die seelischen.
Sie waren seit Kindheit da, ich litt unter einer extremen Wahrnehmungsstörung, die wie ein roter Faden mein Leben bestimmte. Durch die Therapie kam ich quasi zu mir selber und stellte fest, dass ich gar nicht so quer bin, nur im Kopf komplett verbogen. Als hätte man eine Gehirnwäsche erhalten. Im grunde ein seelischer Missbrauch sondergleichen, dieses Gefühl ist nun weitgehend weg. Das wollte ich damit sagen.
Entschuldige nochmal die Verwirrung.

Du siehst das absolut richtig, eigentlich kann man auf jeden verzichten, der Gutmütigkeit usw. ausnutzen möchte. Es ist manchmal nur schwer das zu merken und zu unterscheiden. Üben, üben, üben

herzlicher Gruss

Christiane
heike56
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von heike56 »

Liebe Chrissy,

wie nimmst Du das anders sein denn jetzt wahr? Ich kann es aus deinem Worten nicht ganz entnehmen? Fühlst Du dich einsam, der Welt entfremdet, noch depressiv oder klarer und desillusioniert?

Seit 2009 geht es mir schlechter als früher, Gründe gibt es mehrere dafür. Beruflich wurde es erst bei meinem Partner turbulent und unsicher, ein Jahr später auch bei mir. Meine Arbeitsbedingungen waren sehr unbefriedigend. Ich hatte und habe ein paar körperliche Baustellen, die mich beeinträchigen.
Dazukommen Muskelschmerzen, die nach eigentlich geringen körperlichen Belastungen, am nächsten Tag ziemlich unangenehm sind. Meine Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit sind deutlich gesunken.
Weil das natürlich auch sich auf die Depression auswirkt, bin ich seit Ende letzten Jahres krank geshrieben und bekomme eine Teilrente. Wie es jetzt weitergeht ist noch offen.

Ich habe mich inzwischen mit diesen Einschränkungen abgefunden und hoffe, dass sich eine Möglichkeit findet das sich das Befinden noch bessert.
Zum Glück habe ich durch Medikamente noch eine ordentliche Lebensqualität. Muß in allem halt deutlich kürzer treten.

Für heute erstmal ganz liebe Grüße an die Küste von

Heike 47
ChristianeL.

Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von ChristianeL. »

Liebe Heike,

es ist schön Dich zu lesen, auch wenn es mir sehr leid tut, dass es Dir nicht so gut geht.
Ich bin ebenfalls berentet, seit Ende 2010 vollständig, was zumindest den Lebensunterhalt sichert.
Ich finde Deine Einstellung einfach gut, dass Du Ruhe bewahrst und Schritt für Schritt gehst und an Dich denkst.
Die Arbeitswelt ist so extrem schnell und unsicher, es ist klar, dass so viele Menschen erkranken.
Ich denke, dass diese Entwicklung noch mehr Opfer fordern wird. Irgendwie ist ein Quantensprung geschehen, und wir etwas Älteren kommen kaum noch mit. Es ist wieder kälter geworden in unserem Land, da ist der Boden geschaffen für die Sarrazins usw., die nur das aufgreifen, was schon da ist, aber keine Lösung anbieten.Kohle machen mit den dümmsten Mitteln.Wir in unserem Alter haben das grösste Potential und scheitern an den Bedingungen.Jede Firma möchte ihre Olympia-Mannschaft haben, da passen wir natürlich mit unseren Befindlichkeiten nicht mehr hinein.

Ich habe manchmal noch Probleme damit meine Situation anzuerkennen.
Ich mache mir erst so langsam klar, dass alles seine Berechtigung hat.
Meine Umgebung hat es mir in den letzten Jahren nicht leicht gemacht, es war oft so, dass ich komplett allein war und in zwei Welten lebte. Meiner eigenen inneren und der äusseren mit anderen.
Ich habe mir unsinnige und sehr dumme Sachen anhören müssen von sog. Freunden, dass ich ja nun so viel Zeit hätte und doch bei rewe Regale auffüllen könnte etc......
Vielleicht ist Neid dabei, weil ich ja nicht mehr arbeiten "muss", so als wäre das ein Lottogewinn für mich. Ich habe es irgendwann satt gehabt und mich einfach verweigert und zurückgezogen.

Ja, wie Du geschrieben hast, ich war einige Zeit völlig entfremdet und trotz Rente und der Sicherheit ging es mir noch schlechter als früher.
Was dann passierte, empfand ich endlich mal als gesund und normal. Durch die selbst gewählte Einsamkeit tankte ich auf, spürte mich selber und auch was hinter den Depressionen steckt; die anderen vielen Gefühle.
Und als mein Vater starb, brach das letzte Stückchen Illusion weg, Du hast damit völlig Recht.
Es fällt mir nach wie vor schwer, das wirklich in Worte zu fassen, vielleicht kann man sagen, die Selbstheilungskräfte waren im Spiel, das ureigene Ich-Gefühl kam hervor, ich glaube, zum erstenmal im Leben war ich ausschliesslich auf mich selbst angewiesen und musste mich der Urangst stellen, vor der ich immer davon gelaufen bin.

Das Anderssein nehme ich als echter wahr , für meine Umgebung ist es nicht mehr so schön und leicht mit mir. Ich habe aber auch Fehler gemacht in meinem Verhalten, das weiss ich. Mal gucken, wie es weitergeht.

Es gibt aber auch gute Dinge, kleinere schöne Wohnung, eine andere junge Katze, eine nette Hausgemeinschaft, es läuft, wenn der Kopf nur manchmal nicht da wäre...

Hier an der Küste weht eine steife Brise, ich mag das sehr, immer Bewegung drin !

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,

Christiane
Rosenkranz
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von Rosenkranz »

Hallo Christiane

Hast nicht für Verwirrung gesorgt und brauchst dich auch dafür nicht zu entschuldigen, habe deshalb nachgefragt, weil man ja unterscheidet zwischen seelischen und somatischen Schmerz. Selber habe ich ganz schön zu tun damit, das fängt an mit heftigen Kopfschmerzen, die manchmal eine ganze Woche dauern, Gelenkschmerzen, MagenKrämpfe und Bauchschmerzen oft die ganze Nacht durch, Herzbeschwerden, meine Ärztin hat alles untersucht und gesagt das im großen und ganzen alles in Ordnung ist, bin ja auch froh drüber aber wieso reagiert der Körper dann trotzdem so heftig, macht langsam keinen Spaß mehr ganz im Gegenteil, kostet mir unheimlich viel Kraft das auszuhalten neben der Depression früher war es "nur" Depression.

Mein Neurologe hat mir gestern gesagt, das die Option Krankenhaus offen steht, letztes Jahr habe ich abgelehnt, gestern habe ich zumindest nicht nein gesagt, sondern gar nichts gesagt, war nur noch ein Häufchen Elend und weiß nicht wie ich da wieder raus komme.

Ich versuche krampfhaft alles aufrecht zu erhalten, gehe immer noch arbeiten, obwohl es mir alles andere als gut geht, kann nachts kaum noch schlafen und meine Gedanken kreisen ohne Ende. Glaub wenn ich so weitermache, mache ich eine Bruchlandung ohnegleichen.

Darf ich dich fragen, was du alles hinter dir hast, damit du eine Rente bewilligt bekommen hast. Ich weiß zwar nicht ob das für mich die richtige Lösung wäre, zumindest nachdenken über das Thema tue ich schon, auch weil der Druck auf Arbeit enorm ist, genauso wie die körperliche Belastung.

liebe Grüße Rosalie
Rosenkranz
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von Rosenkranz »

Hallo Heike

Haben deine Körperlichen Baustellen einen Namen oder sind die somatisch ich meine jetzt ohne Befund. Hab im vorhergehenden Text an Christiane einiges aufgeschrieben, eben alles ohne Befund.

Ich will jetzt nicht konkret wissen, was du hast, sondern nur ob es seelisch bedingt ist oder ob eine richtige Krankheit dahintersteht.

Liebe Grüße Rosalie
heike56
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von heike56 »

Hallo Rosalie,

für einige Beschwerden gibt es Befunde, aber für die chronischen Schmerzen nicht. Die Namen dafür sind so unterschiedlich wie die Fachrichtungen. Der Orthopäde schiebt es auf Fehlhaltung und Muskelschwäche, Schmerztherapeut nennt es somatoforme Schmerzstörung, der Rheumatologe meint es sei Fibromyalgie. Psychologen meinen die Schmerzen seien Ausdruck für Konflikte, die ich verdränge.
Und ich empfinde es so, als ob meine Empfindlichkeit für gewisse Schmerzen sehr gestiegen ist.

Mich erinnert es an die Zeit von vor 20 Jahren, wo ich auch alle möglichen Diagnosen für meine Depression bekommen habe.

Wie ich gelesen habe, leidest Du auch schon sehr lange unter Depressionen. Bis 2008 hatte ich auch nur die üblichen Depressionssymptome. Daneben schlichen sich so langsam die Schmerzen ein, bis sie chronisch wurden.
Als ob man mit der Depression nicht schon genug Last hat.
Vielleicht hängt es auch mit der hormonellen Umstellung in den Wechsljahren zusammen.

Wenn man sich mit dem Thema befasst, stellt man schnell fest, dass man damit nicht alleine da steht.

Heike 47

PS: Kannst Du denn eine Veränderung der Beschwerden feststellen, wenn Du mal länger frei hast?
ChristianeL.

Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von ChristianeL. »

Hallo Rosalie,

ähnliche Beschwerden wie Du sie beschrieben hast erlebte ich auch über einen langen Zeitraum und ignorierte sie lange, weil es mir überhaupt nicht in den Sinn kam, dass ich krank war.
Die Trennung zwischen seelischen und somatischen Beschwerden mache so nicht mehr, weil z.B. meine Müdigkeit eigentlich Antriebsschwäche ist. Oder bei Stress die Magen-Darmprobleme durch Angstgefühle entstehen . Das ist ganzheitlich, aber ich neigte auch dazu das strikt zu trennen.
Es ist ja bei jedem Menschen anders, wie lange man solch einen Zustand aushält und den täglichen Anforderungen privat und beruflich standhält.
Du bist Dir jedoch bewusst, dass, wenn Du noch weitermachst, eine Bruchlandung machen wirst.
Wäre es denn möglich für Dich an Deinen Arbeitsplatz zurückzukehren, falls Du wirklich eine stationäre Therapie machen würdest ? Oder bedeutet jeder fehlende Arbeitstag bei Dir schon die Kündigung ?

Ich habe überlegt, wie ich Dir antworten kann, was ich alles hinter mir habe, damit ich eine Rente bewilligt bekommen habe.
Ich war einfach sehr krank geworden durch meine Biographie.
Eigentlich habe ich genauso wenig und genauso viel hinter mir wie andere Menschen. Manche schaffen das nur besser, manchmal bin ich neidisch darauf.

Ich hatte zu der Zeit 2006 die 78 Wochen Krankschreibung ausgeschöpft und war danach noch immer nicht in der Lage an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren bzw. täglich irgendwo zu arbeiten. Dann erst wurde ich begutachtet.Es folgte eine Zeitrente über 2 Jahre. Ich stellte danach einen weiteren Antrag, eine weitere Begutachtung folgte, eine Verlängerung der Zeitrente. Als die zwei Jahre um waren, eine erneute Begutachtung, dann erhielt ich die Dauerrente Ende 2010.

Ich habe mich am Anfang sehr geschämt „in meinem Alter“ über eine Rente nachzudenken.
Blödsinn ist das. Wenn Du nicht mehr kannst, wäre das eigentlich die einzige Option.

Liebe Grüße

Christiane
Rosenkranz
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von Rosenkranz »

Hallo Heike

Da stimme ich dir völlig zu, die Depression alleine ist schon schlimm genug und wenn dann die somatischen Beschwerden dazu kommen noch viel mehr. Es ist eben so, wenn mir gesagt wird das alles i.O. ist, was soll ich da noch sagen, meine Ärztin sagt zwar, sie glaubt mir was ist sage und hätte mich auch krankgeschrieben, aber dennoch ist das alles andere als zufriedenstellend. Ich bin eben auch so, das ich nie was sage, wenn es mir nicht gut geht, sondern versuche das zu überspielen. Was soll ich denn auch sagen, mir fehlt nichts, trotzdem habe ich Schmerzen ... , da komme ich mir vor wie ein Hypoconter (oder so ähnlich).

Du fragst ob es mir besser geht, wenn ich zu hause bin. Jein. Die körperlichen Beschwerden zum Teil ja, weil ich mich da auch ab und zu hinlegen kann und Pause machen kann. Dann kommen aber Sachen dazu die ich kaum Beschreiben kann und mir das Leben schwer machen, will es mal körperlichen Empfinden nennen, noch dazu kommt die Leere, die ich immer mehr spüre und dann kommt eins zum andern.

lg Rosalie
Rosenkranz
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von Rosenkranz »

Hallo Christiane

Es ist zwar so, das ich ein Kündigungsschutz habe, weil ich schwerbehinderten gleichgestellt bin. habe 30 %, davon 10 auf psysische Beschwerden. Aber es ist so, wenn du länger krank bist, bekommst du enorm Druck vom Unternehmen, je nach Anzahl der Krankentage mußt du bei deinen Vorgesetzten antreten Couch, BL, Personalchefin, Verwaltungschefin. letztere konnte ich letztes Jahr noch umgehen, Einladung hatte ich schon und Stellung dazu nehmen, ich weiß zwar das sie die Krankheit selber nichts angeht, aber wenn keine Besserung in Aussicht ist, können sie dir trotzdem kündigen.Wenn du öfter krank bist, bist du eben ein finanzieller Störfaktor.

Da immer der Jahreszeitraum zählt, habe ich versucht das bis jetzt durchzuhalten, hab glaub inzwischen schon 5 mal die Krankschreibung angelehnt, das ich mir da nichts gutes getan hab, weiß ich selber.
Ich bin mir auch sehr wohl bewußt, das ich eine Bruchlandung hinlege, wenn das so weiter geht, aber das ist auch ein Punkt, wovor ich sehr viel Angst habe, weil ich so was schon hinter mir habe, da ging gar nichts mehr, da war es schon 5 nach 12.
Da habe ich auch versucht mit Macht durchzuhalten.

Habe 2 Klinikaufenhalte hinter mir einmal acht Monate und 5 Wochen, das basierte aber vorwiegend auf Medikamente, ein bißchen Ergotherapie, ansonsten passierte da nicht viel und das auf einer geschlossenen. Letzer Aufenthalt war vor 17 Jahren, weiß nicht inwieweit sich da was geändert hat. Letzte Reha hatte ich vor 2 Jahren, hat aber nichts gebracht im gegensatz zur ersten.

Ich tue mich zwar schwer mit dem Thema Rente, weil meine Arbeit inzwischen der einzige Kontakt zur Außenwelt ist, ist noch eine gewisse Bestätigung und ein muss dahinter früh aufzustehen und ein dazugehören zur Gesellschaft, aber mir fällt es immer schwerer das durchzuhalten ist teils nur noch quälerei. Ich habe aber auch die Befürchtung, das wenn eine Rente abgelehnt würde ich vor dem Nichts stehe, weil wir ein Grundstück haben über 800 qm würde ich nicht mal Harz 4 bekommen. Mein Mann verdient grade mal so viel wie ein Harz 4 Empfänger, würde also gar nicht reichen.

Auch habe ich Angst davor, den ganzen Tag zu Hause zu sein, ist schon unerträglich, wenn ich länger krank bin, weil ich kaum Kontakte habe und mich total zurückgezogen habe, wie hast du das geschafft damit klarzukommen, glaub das ist auch so ein Lernprozess, den man durchleben muss, sich seinen eigenen ich zu stellen, sozusagen selbst-bewusst-sein und Verantwortung für sich selber zu übernehmen.

Ist glaub ganz schön lang geworden.

Liebe Grüße Rosalie
ChristianeL.

Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von ChristianeL. »

Hallo Rosalie,

diesen Konflikt kenne ich auch sehr gut. Da ich gute verdiente damals und mir vor Angst schon schlecht wurde beim Gedanken diesen Job zu verlieren, habe ich viel länger durchgehalten als ich eigentlich konnte.
Der Zusammenbruch kam dann über Nacht, ich stand einfach nicht mehr auf, mein damaliger Freund musste mich zum Arzt und später in die Klinik schleppen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt keine Entscheidungsfreiheit mehr.
Das war schlimm, und das meinte ich damit, als ich schrieb nicht so lange zu warten bis das passiert. Es ist leicht gesagt, ich weiss.

Ich verstehe Dich gut, denn Deine finanziellen Überlegungen sind ja realistisch und wichtig. Meine Situation war vergleichsweise einfach, ich lebte alleine in einer Mietwohnung, habe keine Kinder und dadurch war die Umstellung durch die Rente nicht so hart für mich. Ich wollte Dir auf keinen Fall zuraten alles hinzuwerfen und auf eine Rente zu hoffen, das bloss nicht.

Ich möchte auch nicht verheimlichen, dass ich durch die Rente in eine so grosse finanzielle Not geraten war, dass ich eine Privatinsolvenz anmelden musste. Ich konnte nichts mehr bezahlen, alles blieb liegen, da kamen ein paar tausend Euro zusammen am Schluss.

Dieser finanzielle Aspekt ist so wichtig, hätte ich heute die Wahl-die ich damals nicht hatte- würde ich vermutlich genau errechnen, was mir im schlimmsten Fall passieren kann. Also Informationen einholen und mich beraten lassen.
Vielleicht gibt es Dir etwas mehr Sicherheit, wenn Du vorher in etwa weisst, was auf Dich bzw. Euch zukommen würde, also die sachlichen Dinge.

In den letzten 17 Jahren hat sich vieles verändert in der Psychiatrie, geschlossen eingewiesen wird man so einfach nicht mehr.Ich weiss nicht, wie es seinerzeit war, vielleicht nahm man an, dass psychisch Kranke potentiell selbstmordgefährdet sind, ich weiss es nicht. Jedenfalls gibt es gute Kliniken in ganz Deutschland, die spezialisiert sind auf alle Arten psychischer Erktankungen. Da sperrt Dich niemand ein, die Therapien sind vielfältig, die Umgebung besser, was ja mit der Anerkennung dieser Krankheiten zu tun hat. Ich war dreimal stationär in Behandlung in 11 Jahren, es war immer ok, wie man mit mir umging.

Ich glaube, diese Nachricht war noch länger, ich hoffe, ich habe Dich nicht "erschlagen" damit.

Liebe Grüsse

Christiane
Rosenkranz
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von Rosenkranz »

Hallo liebe Christiane

Ich danke dir, das du so offen über diese Problematik schreibst, ich habe das auch nicht als zuraten verstanden, diese Entscheidung muss wohl jeder genau abwägen, solange er noch Entscheidungsfähig ist.

Das du dadurch noch in finanzielle Schwierigkeiten gekommen bist ist dann noch doppelt so schlimm, krank sein reicht doch eigentlich schon genug.

Mein Arzt hat mir gesagt, das er nur auf eine Klinik zugriff hat, zumindest kenne ich dort den Chefarzt, der war damals Stationsarzt und war o.k. Beim ersten mal war ich auf der geschlossen, weil ich kein Wort mehr gesprochen habe, habe die letzten Tage nur noch geheult oder geschlafen, konnte den Zustand nicht zuordnen, war als würde ich verrückt werden, der Kopft war wie eingeschlafen, war dann innerhalt von 4 Tagen in der Nervenklinik, weil keiner wußte was in mir vorgeht, das Wort Depression kannte ich bis dahin nicht. Beim 2. Mal wurde ich auf eigenen Wunsch zu meiner Sicherheit eingewiesen, davor bin ich im wahrsten Sinne des Wortes durch die Hölle gegangen. Bin zum Arzt gegangen weil es mir schlecht ging und ich Kreislaufprobleme hatte, meine Arztin hat dann die Kreislaufprobleme behandelt bin wie jetzt immer noch arbeiten gegangen, erst als ich ich letzter Sekunde noch bremsen konnte, weil ich die rote Ampel nicht wahrgenommen habe, und die Fußgänger grün hatten, bin ich munter geworden und habe mich krankschreiben lassen. Dann hat meine Ärztin alles hinterfragt und dann kam der totale Zusammenbruch, seelisch und körperlich, konnte nicht mehr aufstehen, der Bereitschaftsdienst war aller 2 Tage zu Hause und hat mir Aufbau- und Beruhigungsspritzen gegeben, jede Nacht war die Hölle weil ich hätte die Wände hochgehen können weil ich keine Nacht mehr geschlafen habe, habe immer mehr Tabletten genommen, in der Hoffnung das sie helfen, deshalb steht bei mir das als Suizidversuch zu Buche, bin froh das ich dennoch den schlimmsten Teil zu Hause durchgemacht habe, sonst hätte ich sicher wieder Monate dort verbracht. Da war noch einiges im Vorfeld das ich aber nicht schreiben möchte (darf).

Zum zweiten mal die Woche bin ich durch meine Vorgesetzten Couch und BL enorm unter Druck gesetzt wurden, weil ich mir gewagt habe zu beantragen Ist-Zeit zu arbeiten, das heißt die Stunden die ich arbeite werden abgerechnet, was über der normalen Arbeitszeit ist vorerst auf ein Überstundenkonte gebucht, Rahmendienstplan heißt du bekommst nur 38,5 Stunden angerechnet egal wie lange du arbeitest. Es hieß man kann sich jedes Jahr neu entscheiden, welches Modell man wählt, wo bleibt da die Wahl, wenn du so unter Druck gesetzt wirst, wollten die Gründe dafür wissen, haben mir gesagt, das ich dann jede Überstunde begründen müßte und welche Gründe nicht zählen und wenn es gesundheitliche Gründe sind, wird geprüft ob man für den Beruf überhaupt noch tauglich ist und noch einiges mehr, das war echt hart, habs aber trotzdem nicht zurückgenommen. Hab dann gesagt das ich es nicht in Ordnung finde im Vorfeld so unter Druck gesetzt zu werden, sollen doch erstmal abwarten, wie es läuft, es werden sicher Überstunden entstehen, aber so langsam bin ich nun auch wieder nicht und denke das bleibt im Rahmen, warum soll ich nicht das Recht haben, dann auch mal paar Stunden abzusetzen, sicher bin ich leistungsmäßig nicht mehr die Alte, aber da spielen auch andere Faktoren eine Rolle die ich nicht beeinflussen kann, wie Baustellen, Witterung, im vorletzten Jahr sind wir oft mit Schneeketten gefahren, aufziehen inbegriffen, das kostet Zeit und ist in keiner Bemessung. Demnächst sollen wir alle vier Wochen auf einen anderen Arbeitsplatz wechseln, also wieder Zeit zusetzen, um flexibler zu werden ??? Wir haben zumindest fast alle als Vertreter angefangen bei mir waren das 15 Jahre in unterschiedlichen Städten, das sind eben die Sorgen die ich auch habe und ich nicht weiß wie lange ich dem Druck noch standhalten kann.

Ohje jetzt hab ich ganz schön gejammert über die Arbeit, vielleicht kannst du dir denken in welcher Branche ich arbeite, wills aber nicht hireinschreiben.

Hab mir heut was gutes gegönnt, war zwar wieder fix und fertig von der Arbeit, hab mir aber noch ein Körbchen Erdbeeren gepflückt, bei uns gibts Erdbeerfelder zum selberpflücken, also ganz frisch und das erste Pfund wird gleich auf dem Feld gegessen, hatte so einen Appetit drauf, da lasse ich es mir gut gehen heute abend.

Liebe Grüße Rosalie
ChristianeL.

Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von ChristianeL. »

Hallo Rosalie,

ich kann die Erdbeeren sehen, wie schön gross und rot sie sind ! Ich lebe in der Stadt, und die Erdbeerfarmen haben nun überall Stände aufgebaut, egal, wo man ist, da kann ich auch nicht immer vorbei...

Du jammerst überhaupt nicht, Du erzählst ja klar, was los ist. Es ist auch nicht nötig zu viele Einzelheiten preiszugeben, weder beruflich noch privat.
Es ist schon gemein von Deinen Vorgesetzten so zu reagieren. Natürlich rufen sie nicht hurra, wenn jemand tatsächlich Gebrauch machen möchte von dem Wechsel in ein anderes Arbeitszeitmodell.
Möglicherweise ist das eine Taktik, um zu schauen, wie ernst der/die Mitarbeiter/-in es meint, bisschen aufplustern und gleich ein paar untere Schubladen öffnen und Unsicherheit erzeugen.
Ich wünsche Dir die Ausdauer und den Mut das durchzuziehen.
Gibt es bei Dir Kollegen, die das schon erfolgreich gemacht haben ?

Wenn ich so frei bestimmte Dinge von mir erzählen kann, liegt es hauptsächlich daran, dass ich in der Vergangenheitsform sprechen kann. Es sind Erlebnisse,allesamt „erledigt“, jedenfalls theoretisch. Ich habe natürlich ganz oft Unsicherheit und Traurigkeit in mir, inzwischen akzeptiere ich das, ist eben so.
Als im September mein Vater starb, zog es mir den Boden weg über Monate.
Die Tatsache aber, dass ich ein finanziell geregeltes Leben habe und die eigenen Katastrophen wie Jobverlust, akute Depression, Insolvenz überstanden habe, bewirkten, dass ich mich um meinen Vater kümmern konnte und den Verlust bewusst erlebe.
Ich spreche gedanklich oft mit ihm und danke ihm, dass er erst 2011 gestorben ist, nicht schon 2005 oder 2006. Da war ich so instabil und mitten drin im Lebenschaos, möglicherweise hätte ich diesen grossen Verlust nicht auch noch geschafft zu der Zeit.
Das klingt vielleicht merkwürdig, aber es ist mein Bedürfnis Dinge verstehen und einordnen zu können. Ich hatte genug Chaos im Leben.

So gesehen hat das alles Sinn, und vielleicht klage ich schon auf hohem Niveau, wenn ich wie zu Beginn dieses threads mich bitter äussere über Menschen in meiner Umgebung, wie wütend ich bin usw. So richtig weiss ich das noch nicht. Ich gehe nach meinem Gefühl, für ein paar Menschen sind meine freundschaftlichen und liebevollen Gefühle irgendwie gestorben in den Jahren, ich mag sie nicht mehr oder fühle mich abgestossen.
Ich brauche generell sehr lange für endgültige Entscheidungen, und wenn es um Menschen geht und Gefühle um so mehr. Ich habe ja Zeit.

Hier bei uns im Hinterhaus ist das EM Fieber ausgebrochen, nun, wo „unsere“ schon zwei Spiele gewonnen haben. Ich finde das schön, ist so kollektiver Wahnsinn und Freude!

Liebe Grüße

Chrissi
Rosenkranz
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Registriert: 19. Feb 2010, 21:19
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Re: Was die Krankheit aus mir macht

Beitrag von Rosenkranz »

Liebe Chrissi

Hoffentlich steckt das Fieber nicht an, bin nicht so ein großer Fan schaue mir meist nur die Endspiele an.

Mit deinen Vater kann ich gut verstehen, habe meinen Vater vor ca. 6 Jahren verloren, fehlt mir eigentlich heute noch. Er war sehr krank, als sie im Krankenhaus gesagt haben, das sie nichts mehr tun können haben wir ihn nach Hause geholt, die Ärzte hatten zwar noch einige Wochen gegeben, aber es ging dann ziemlich schnell innerhalb von 14 Tagen. Da meine Mutter zu der Zeit auch im Krankenhaus lag, haben wir alles ganz gut organisiert Pflegebett, Pflegedienst, so das immer einer von uns da war. Am Tag mein großer Bruder hatte keine Arbeit, mein kleiner kam am vormittag und ich bin gleich von Arbeit hin und über Nacht geblieben. Trotz allem muß ich sagen, war ich dankbar und glücklich über die letzten Tage, das schweißte uns zusammen und erinnerte mich auch irgendwie an Kinderzeiten. Habe meinen Mann vor vollendete Tatsachen gesetzt und ihm mitgeteilt, das ich dort einige Zeit schlafe, bin auch nicht heim gefahren um unnötige Diskussionen zu vermeiden. Es war auch gut das meine Mutter nicht da war, so hatten wir unseren Vater für uns, selbst wo er schon sehr krank war konnte sie auch gemein zu ihm sein. Als sie nach hause kam ist er am abend gestorben. Das sonderbare war, als ich früh gegangen bin, hat er gesagt ich soll doch meinen Kaffee in der Stube trinken, hat sich bedankt für alles, abends wusste ich dann warum, war dabei als er starb, klingt jetzt verrückt, aber ich war irgendwie glücklich, habe seine Hand gehalten und meine Mutter mit dazu genommen als ich gemerkt habe was los ist, er ist friedlich eingeschlafen und hat nicht mehr leiden müssen, konnte sich bis zuletzt mitteilen, was wollten wir mehr. Auch ich bin der Meinung das alles seinen Sinn hat, gerade auch in diesen letzten Tagen war das besonders spürbar, aber auch sonst im Leben.

Wo das mit den verschiedenen Modellen eingeführt wurde, haben sich alle für das eine Modell entschieden, da habe ich mich sozusagen angeschlossen. Habe ja auch nicht im geringsten geahnt, was ich da für wind aufwirble, wenn ich wechsle, sonst hätte ich es vielleicht gelassen, glaube jetzt haben sie mich erst recht auf den Kicker. Wir sind in unserer Außenstelle 6 Leute bzw. 8 eine Urlaubsvertretung und ein Springer, weil wir Mo - Sa arbeiten. Die eine Hälfte sind Raser und die andere Hälte eben langsamer, mittelschicht gibt es nicht, aber es kommt nicht nur darauf an das man die Arbeit macht, sondern auch wie man die Arbeit macht, letzteres ist wohl uninteressant fürs Unternehmen geworden es zählt nur noch der Gewinn nicht mehr der Kunde.

Das dein Leben jetzt wieder in geordneten Bahnen verläuft ist doch toll, da kannst du dich auf das wesentliche konzentrieren. Das mit deinen lieben Mitmenschen ist so eine Sache. Ich glaub das mit den Veränderungen die man im Leben macht, sich auch der Umkreis verändert und ist normal und auch gut so. Wenn es dir schlecht geht, weißt du sowieso, wer deine wirklichen Freunde sind.
Der andere Teil ist, da gehe ich aber mal von mir aus, so wie ich rauslese ist es bei dir noch anders, das die Gefühle auf der Strecke bzw. kaum zugängig sind und und wie soll man da eine Bindung aufbauen, zum anderen ist unsere Sichtweise wenn es uns schlecht geht nicht gerade positiv und wer will schon von einen Menschen umgeben sein, der schlecht drauf ist. Außerdem ist es so, das wer selber noch nie eine Depression hatte sowieso nicht verstehen kann über was wir reden und wie es uns geht. Aber ich muß auch sagen, das wir die viel tiefergründigen Gespräche führen und nicht so oberflächlich wie viele sind, also hat selbst die Depression ein Sinn.

liebe Grüße Rosalie
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