Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

HäNsChEn

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von HäNsChEn »

Schade, dass mein Buchtip zum Thema "Gefühlsrad" niemanden zu interessieren scheint

Ich habs mir jedenfalls geholt und hab es sogar mit dem Gefühlsrad als Poster. Bin nur noch nicht wirklich zum Lesen gekommen, weil die letzten 2 Tage viel Stress war.


VG Yvi
Jessi1980
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo!

Erst einmal vielen Dank für die vielen hilfreichen Beiträge!

@ no name
Auch mein Therapeut versuchte mich zu provozieren, indem er mich mit Nachdruck aufforderte, ihn gegen seine Fußsohle zu treten. Ich bekam Hitzewallungen, weil ich mich in diesem Moment bedrängt fühlte (ich gerate leider seeeeehr schnell unter Druck, auch bei Kleinigkeiten). Meine Antwort war, dass ich ihm nicht das Knie brechen möchte...

Die Idee mit dem Gefühlsrad finde ich ganz toll!!! Zwar empfinde ich Gefühle, doch kann ich diese teilweise gar nicht zuordnen oder beschreiben. Ich versuche sie oft rational zu erklären. Meine Gefühle sind fast immer völlig durcheinander und außer Kontrolle. Ich reguliere sie, in dem ich äußerlich ruhig bleibe, könnte innerlich aber schreien, weil mich diese Gefühlsflut verrückt macht. Zudem habe ich den Eindruck schon bei Kleinigkeiten einen hochroten Kopf zu bekommen. Ich könnte platzen, kann aber diesem Gefühl nach Außen keinen Raum geben. Es funktioniert einfach nicht. Es gibt z.B. bestimmte Situationen, in denen ich plötzlich nicht mehr kann und völlig überfordert bin. Ich gerate unter Druck und weiß nicht warum, weil mich niemand drängt, nur ich selbst. Deine Ausführung im Hinblick auf das Bewerten von Gefühlen finde ich sehr interessant, da ich sehr unsicher bin, ob ich bestimmte Gefühle einfach zu intensiv empfinde, bestimmte Dinge einfach überbewerte oder so gerade richtig fühle...

@ Lerana
Ich hoffe, es geht dir jetzt wieder ein wenig besser! Deine Beschreibungen, wie du heute mit den Spannungszuständen umgehst und auch den Umgang mit Spannungszuständen in der Vergangenheit spiegeln meine Empfindungen wieder. Wenn ich jetzt schon davon schreibe, bekomme ich einen roten Kopf und Hitzegefühle. Ebenso die verzweifelten Gefühle, wie so ein Arbeitsalltag mit diesen Gefühlen überstanden werden soll, zeigt auch meinen täglichen Kampf. Die Idee in eine Zitrone oder ein Pfefferkorn zu beißen finde ich genial!!! Auch ich versuche mittlerweile mich von Kunden nicht mehr so leicht aus der Ruhe bringen zu lassen, jedoch hängt das Gelingen davon ab, wie stabil ich an dem Tag selbst bin. Geht es mir nicht gut, kann ich alles versuchen um locker zu sein, erreiche aber genau das Gegenteil. Das Ganze stelle ich mir bei dir als Grundschullehrerin als absolute Herausforderung vor!!! Das war übrigens IMMER mein Traumjob. Heute bin ich ein bisschen froh darüber, dass ich nicht in der Schule sondern in einer Bank gelandet bin...zumindest hinsichtlich der Möglichkeiten sich mal zurückzusetzen...

Mein Problem im Alltag ist, dass ich nach Außen einen relativ entspannten Eindruck mache, innerlich aber ein absolutes Chaos herrscht. Ich kann lachen und locker tun, bin es aber nicht. Ich möchte aber auch nicht den ganzen Tag über mein Gefühlsleben nach Außen tragen, ganz zu schweigen davon, dass ich es gar nicht kann. Somit setze ich eine Maske auf und werde dadurch leider oftmals nicht sehr ernst genommen, wenn es mir mal nicht gut geht und dies sich mal nicht verbergen lässt.

@ salvatore
Deine Ausführung vom "emotionalen Eisblock" kann ich gut nachempfinden! Zumindest fällt mir an mir selber auf, dass ich mir nicht erlaube zu weinen, dass ich aber auch ein Problem im Umgang mit weinenden Menschen habe. Manchmal ertrage ich es dann einfach nicht und könnte wegrennen. Nach Außen zeige ich dies nicht, weil ich nicht so hart wirken möchte. Auch meine Gefühle "erkläre" ich fast nur aus rationaler Sicht und bin dabei erschrocken, dass ich nicht in der Lage bin, mich einzufühlen, vor allem in mich selbst... Ich weiß, dass Dinge, die mir passiert sind, schrecklich waren, finde aber keinen emotionalen Zugang mehr dazu. Ich gerate nur in diese schrecklichen Angst machenden Spannungszustände, die wohl Wut bedeuten...Und diese Wut rauszulassen, macht mir, so glaube ich, die größte Angst! Ich habe Angst davor komplett die Kontrolle zu verlieren und ins Bodenlose zu stürzen...

@ Yvi
Danke auch dir für den Buchtipp! In meinem Fall ist es nur so, dass ich mich im Alltag relativ wenig ärgere. Ich habe auch wenig Probleme mit meinem sozialen Umfeld. Es geht vielmehr um vergangene Dinge, die mir widerfahren sind, mir bis heute sehr stark nachhängen und mich in jeder Lebenssituation enorm beeinträchtigen.

Ich möchte einen Weg finden diese aufgetauten Gefühle herauszulassen und wünsche mir hierfür ein paar Erfahrungsberichte. Meine Fragen sind z.B.
Wie wurden diese Gefühle heraus gelockt? Was ist dann passiert? Wie ist es Euch ergangen?
Musstet ihr in eine Klinik?...undundund...

Wie werden in Euren Therapiesitzungen Themen wie unterdrückte Wut im Gespräch behandelt? Provoziert Euch der Therapeut oder wie geht er vor? Ich habe ein bisschen Bammel davor, wie es bei mir weitergeht? Ich merke, dass ich am Tag meiner Sitzung wahnsinnig nervös und schweißgebadet bin und unter einem enormen Druck stehe. Und ich habe so eine Angst davor, mich völlig zu verlieren...Irgendetwas in mir bricht zusammen. Lasse ich es zu, habe ich Angst nie wieder ein normales Leben führen zu können...

Einen lieben Gruß
Jessy
Jessi1980
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo,

als ich gestern zur Therapiestunde ging, war ich so aufgeregt, dass ich schon auf dem Weg Schwindelgefühle und Piepgeräusche im Ohr bekam. Seit Sonntagnacht habe ich extreme Kopfschmerzen und Muskelverspannungen. In der Sitzung hielten die Schwindelgefühle und Spannungen die ganze Zeit in einem starken Ausmaß an. Ich stand unter einem enormen Druck, habe mir immer wieder Mut gemacht locker zu werden und mich zu trauen aus mir heraus zu kommen. Es fühlt sich an wie ein Gefängnis. Ich hätte weinen können ohne Ende und konnte es nicht. Mein Thera hat diesmal mit mehr Nachdruck gesagt, ich solle einen Weg finden, die unterdrückte Wut abzuleiten. Meine Standardantwort war mal wieder "ich kann nicht". Dabei kam ich mir schon selbst zu dämlich vor. Warum habe ich einfach nicht den Mut mich zu öffnen? Warum schaffe ich es nicht diesen einen Schritt weiter zu gehen und mir den Trost zu holen, den ich so dringend brauche und diesen Berg an Wut heraus zu lassen? Nein, stattdessen verfalle ich in ein extrem depressives Tief und muss mir sagen lassen, dass ich einen eingeschüchterten Eindruck machen würde, wie schon lange nicht mehr...

Ein Gutes hatte seine Bemerkung: Ich fing an mich über mein Verhalten zu ärgern und war am Abend schließlich so wütend, dass ich mir einen Gummiknüppel gekauft- und auf mein Kopfkissen eingeschlagen habe. Ich habe so in mein Kopfkissen geschrien, bis mir der Hals weh tat und danach habe ich alle Fotos, auf denen meine Mutter zu sehen war regelrecht zerfetzt und alle Bücher von ihr auseinander genommen bis ich einen riesigen Berg Müll in meinem Wohnzimmer hatte. Nun werde ich dem Rat meines Theras folgen und jeden Tag dreimal ein Wutritual vollziehen um den Druck ein bisschen rauszulassen, aber auch das fällt mir unendlich schwer. Nur ist mir nach der gestrigen Stunde klar geworden, dass ich mich nicht immer nur beklagen kann, wie schrecklich ich unter meinen Spannungszuständen leide, wenn ich selbst nichts daran ändere und immer vorher schon weiß, dass bestimmte Vorschläge nichts bringen ohne diese auszuprobieren...Ich war am Abend zwar sehr geschafft aber doch ein bisschen stolz auf mich...

Lieben Gruß
Jessy
Clown
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Clown »

Mensch, Jessy, meinen Respekt! Das war 'die Geburt deiner Wut'. Ich kann gut nachempfinden, wie schlimm du dich vorher und währenddessen gefühlt hast - aber welche Geburt ist schmerzfrei?

Meinen Glückwunsch und weiterhin so viel Mut und Kraft!

Clown
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Lerana
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Jessy,

das ist ja toll!! Das klingt, als kämst du dir immer näher. Juhu!!

Ich habe gestern auch endlich meinen Text gelesen. Ich habe mich furchtbar dabei geschämt, aber nachher war ich erleichtert.

Jetzt versuche ich, mir die Trauer zuzugestehen, die ich eigendlich empfinden müsste. Die hängt aber noch hinter der Scham fest. Ich hoffe, irgendwann platzt der Knoten und ich kann endlich mal weinen!

Herzliche Grüße und immer feste drauf !
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Jessi1980
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo Clown und Lerana,

ich bin auch ein bisschen stolz darauf "ES" endlich mal versucht zu haben. War eben auch noch beim Sport und habe mich mal richtig ausgetobt. Leider habe ich diese Spannungszustände mehrmals täglich...fast stündlich ...Habe heute deshalb schon mehrmals den Knüppel eingesetzt, allerdings ohne dabei emotional richtig bei mir zu sein. Mir fehlt fast immer der Bezug zu mir selbst...es fühlt sich sehr fremd an...

Lerana, ich freue mich für dich, dass du den Mut hattest den Text vorzulesen!
>>Jetzt versuche ich, mir die Trauer zuzugestehen, die ich eigendlich empfinden müsste. Die hängt aber noch hinter der Scham fest. Ich hoffe, irgendwann platzt der Knoten und ich kann endlich mal weinen!<<
Nichts mehr als das, was du hier beschreibst, wünsche auch ich mir!!! In der Sitzung am Mittwoch war ich fast soweit. Die Spannungsgefühle waren unerträglich, zehn Minuten länger, und ich hätte geweint und nicht mehr aufgehört...aber dieses verdammte Schamgefühl blockiert alles!
Darf ich fragen, wie alt du bist und wie lange du dich schon in Therapie befindest?

Lieben Gruß und einen schönen Abend.
Lerana
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Hallo Jessy,

ich bin 35 Jahre alt und seit 1,5 Jahren in Therapie.

Wie alt bist du denn und nimmst du eigentlich Medikamente?

Heute habe ich einen merkwürdigen Tag. Ich habe mich um eine depressive Freundin gekümmert, der es gerade wirklich schlecht geht. Ich mache das gerne für sie, denn sie ist eine tolle, tolle Freundin und es ging ihr wirklich sehr, sehr schlecht.

Trotzdem sind natürlich all meine Sachen, die ich eigentlich hätte tun müssen, liegen geblieben und der Kloß in meinem Hals tut weh.

An solchen Stellen weiß ich immer noch nicht, wie wichtig ich meine eigenen Bedürfnisse nehmen kann, zumal ich mich auf meine Freundin auch immer verlassen kann. Dennoch fühle ich mich völlig kaputt und irgendwie als wäre ich mal wieder auf der Strecke geblieben. Ich weiß ich bin das selber schuld, aber kann man da sagen: Ne, ich lass dich mit deinem Kind allein, sieh zu wie du klar kommst! Ich mein, ich war echt kurz davor sie in eine Klinik zu fahren.

Ach sorry, musste das hier mal fragen, hat aber eigentlich nichts mit deinem Thema zu tun. Aber sie hat so viel geweint und ich habe sie im Arm gehalten. Ich weiß es geht ihr furchtbar, aber ich war fast ein bisschen neidisch, dass sie das zulassen konnte. Ich könnte das nie, mich so fallen und dann auch noch in den Arm nehmen lassen. Aber um ehrlich zu sein, ich wünsche es mir sehr.

Ich hoffe, ich kann das lernen! Aber zuerst muss ich wohl lernen, mich selber in den Arm zu nehmen und das geht wohl solange nicht, solange ich mich schäme.

Also: Maulkorb für den Kritiker, der mir immer und immer wieder sagt, mir stünden meine Gefühle nicht zu. Nur woraus macht einen Maulkorb für ein Biest?

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Jessi1980
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo Lerana,

ich bin 31 Jahre alt und nehme keine Medikamente mehr ein. Ich habe festgestellt, dass diese für mich zuletzt nur die "Maske" des Funktionierens aufrecht erhalten haben. Ich möchte nicht, dass die Medikamente das zudecken, was an Emotionen jetzt bei mir hochkommt, so schwer es auch sein mag. Oft wünsche ich mir eine Erleichterung, sehr oft! Als es mir akut sehr schlecht ging, habe ich natürlich AD´s genommen, denn ohne wäre es für mich unmöglich gewesen, einen einigermaßen klaren Verstand zu bekommen.


Ich kann dich sehr gut verstehen, dass du dich eher um deine Freundin als um dich gekümmert hast. Das hätte ich genauso gemacht, weil es ihr ja akut sehr schlecht ging. Ich verstehe auch deinen Kloß im Hals, weil du gemerkt hast, dass du dich selbst wieder zurück stellst. Den kenne ich auch zu gut. Ich war immer für meine Mutter und ihren ganzen Berg an Problemen da und hätte manchmal -heute weiß ich es- vor "Wut" platzen können, auch wenn ich Mitgefühl mit ihr hatte. Diese unterdrückte Wut war mein Kloß.

Deine Aussage, du seist "selber Schuld" ist mein Standardsatz, und jetzt grad hab ich gemerkt, dass es überhaupt nix mit Schuld zutun hat sondern mit einem Verantwortungsbewusstsein, dass anderen gegenüber größer ist, als dir selbst. Dass du danach ziemlich fertig warst, kann ich sehr gut nachempfinden, ebenso die innere Zerrissenheit. Ich hoffe, du konntest dich mittlerweile ein bisschen selbst erholen. Sollte es deiner Freundin beim nächsten Mal wieder extrem schlecht gehen, würde ich sie tatsächlich in eine Klinik fahren, weil dich so ein Vorfall natürlich selbst auch noch weiter herunter zieht.

Deinen Neid auf sie, weinen zu können, kann ich gut nachfühlen. Vor zweieinhalb Jahren war ich in einer psych. Reha und konnte viele Mitpatienten weinen sehen. Ich saß da, meine Emotionen kochten hoch und konnte aber nicht weinen und das ist bis heute so...da könnte ich in so einem Moment innerlich schreien, warum es bei mir nicht geht?!

>>Ich hoffe, ich kann das lernen! Aber zuerst muss ich wohl lernen, mich selber in den Arm zu nehmen und das geht wohl solange nicht, solange ich mich schäme.<<

Ich habe gelesen, dass es sich dabei um Schamangst handelt. Ich schäme mich immer so in Grund und Boden, dass ich z.B. meinen Therapeuten in der letzten Sitzung nicht einmal mehr angucken konnte, selbst beim Tschüss sagen war ich so beschämt, weil´s mir wieder so schlecht ging und ich wie zugenagelt vor ihm saß und im Kreis geredet habe...schrecklich!!!!!

Der Maulkorb für so einen inneren Kritiker, das Biest, ist ihm kräftig mit einem Knüppel eins überzubraten und zu verscheuchen, sobald es wieder auftaucht...wie man es anwendet während der Sitzung?!...gute Frage...vielleicht genauso, nur mit einem inneren Knüppel...Ich bin mir diesbezüglich aber noch unsicher: Vielleicht können wir auch nicht weinen, weil zu viel Wut über der Trauer liegt. Ich denke mal, dass diese vielleicht zuerst raus muss. Ich habe nur ein großes Problem damit, meinem Therapeuten meine Wut zu zeigen. Sie ist dann stark unterdrückt. Ich weiß auch nicht, wie ich diese ausagieren soll. Habe wohl Angst vor diesem mächtigen Berg, der hoch kommen könnte...und vor den damit verbundenen Schamgefühlen. Naja, immerhin weiß ich jetzt, dass die Spannungen Wut bedeuten und nicht ausschließlich Angst.

Was mich aber zutiefst belastet, ist das Fehlen von Freude oder Glücksgefühlen. Ich war gestern auf einer Geburtstagsfeier, auf der gut gefeiert und getanzt wurde. Ich habe zwar mitgefeiert und getanzt, war aber gar nicht bei mir. Alles war fremd. Ich empfand einfach nur das Gefühl von "ich will einfach nur nach Hause" und war unendlich traurig darüber, den Abend nicht genießen zu können, weil ich mit diesen komischen Gefühlen beschäftigt war. Ich versuchte ein bisschen in mich hineinzufühlen und bemerkte ein Neidgefühl auf alle, die richtig feiern konnten und fühlte mich auf einmal unendlich einsam in meiner Situation. Ich hatte das erste Mal Mitleid mit mir selbst. Das alles macht mich sehr unglücklich! Vor allem deshalb, weil diese Gefühle schon immer so waren. Als Jugendliche habe ich sie nur extrem mit Alkohol auf Feiern kompensiert...Nach Außen tue ich so, als hätte ich viel Spaß und komme mir dabei selbst so verlogen vor, zumal man mir das Gegenteil auch nicht ansieht...meine Maske eben.

Wie sieht´s bei dir oder auch anderen mit dem Empfinden von positiven Emotionen aus?

Ich wünsche dir weiterhin eine gute Besserung!

Viele liebe Grüße
Lerana
Beiträge: 2088
Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Liebe Jessy,

danke für deinen Antwort! Es tut gut, auf Verständnis zu stoßen. Ich konnte mich nur wenig erholen, da meine Beziehung gerade im Moment auch ein gutes Stück Arbeit ist und ich, nachdem ich meine Freundin nach Hause gebracht hatte, dann in die nächste Runde des Tages übergegeangen bin und ein klärendes Gespräch mit meinem Partner geführt habe. Das ist aber wenigstens ganz ok verlaufen. Jetzt sitze ich am Schreibtisch un korrigiere Tests. Am Dienstag habe ich aber frei!! Ich werde den ganzen Tag in die Sauna gehen!!! Also nur noch zwei Tage durchhalten.

Du schreibst:
>>Vielleicht können wir auch nicht weinen, weil zu viel Wut über der Trauer liegt<<
Ich weiß nicht, ob bei mir Wut über der Trauer liegt. Ich habe mich auch immer für die Bedürfnisse und Probleme meiner Mutter verantwortlich gefühlt (nach der Trennung von meinem Vater wurde ich zu ihrere Vertrauten), aber ich empfinde keine Wut. Vielleicht kann ich sie nur nicht empfinden oder vielleicht ist sie nicht da. Ich weiß es nicht.
Deshalb habe ich das Gefühl mit einem Knüppel so schlecht degen mein Biest ankommen zu können. In Imaginationsübungen versuche ich mir manchmal vorzustellen, meinen Kritiker wenigstens in eine Hütte einzusperren, damit er mal Sendepause hat. Nur so ist es mir gelungen, meinen Text in der Therapie zu lesen.

>>Ich habe zwar mitgefeiert und getanzt, war aber gar nicht bei mir. Alles war fremd. Ich empfand einfach nur das Gefühl von "ich will einfach nur nach Hause"<<
Ich kann dich sehr, sehr gut verstehen. Letztes Jahr war ich auf dem Geburtstag einer Freundin und es wurde viel gelacht und auch ich habe gelacht. Meine Freundin sagte nachher, sie wäre so froh gewesen, mich so gelöst zu sehen. Ich habe nur gedacht: Mann, ist meine Maske perfekt. Es war schlicht wie Theaterspielen. Nichts von dem konnte ich wirklich empfinden. Es war als würde ich einfach tun, was man von mir erwartete, wie im Autopiloten: Witz -- Lacher, Essen? -- Ja bitte!, mehr Wein? -- oja, gerne!
Ich hatte das Gefühl, gefangen zu sein in meinem Kopf und niemand kann hinein und noch schlimmer ich komme da nicht raus.
Mittlerweile ist das jedoch besser. Ich glaube die Medikamente helfen mir, nicht ständig zu grübeln, so dass ich mich meinem Kopf nicht mehr ständig so ausgeliefert fühle. Heute versuche ich einfach nach Hause zu gehen, wenn ich denke: Ich will hier weg. Dann müssen meine Freunde eben Verständnis haben. Alerdings zwinge ich mich immer erst mal loszugehen. Denn bei der letzten Einladung hatte ich überhaupt keine Lust und dann war es authentisch sehr nett und witzig.

>>Ich möchte nicht, dass die Medikamente das zudecken, was an Emotionen jetzt bei mir hochkommt, so schwer es auch sein mag.<<
Manchmal habe auch ich Angst, nur zu verdecken, was eigentlich in mir passiert und ich bewundere deinen Mut, dich dem zu stellen. Allerdings hatte ich ohne die Medikamente damals gar nicht die Möglichkeit an irgendetwas zu arbeiten. Mein Kopfkino war so schnell, dass ich nicht hinterher kam und meine Verachtung mir gegenüber so ausgeprät, dass ich nicht gegenhalten konnte. Das geht jetzt.
Trotzdem interessiert mich manchmal, wie es mir wohl ohne ginge? Aber wahrscheinlich ist es günstig, jetzt erstmal mich und meine Partnerschaft zu sortieren, bevor ich mich dann von den ADs verabschiede.

Ich glaube, es gibt keinen guten Tipp, wie man bei einer Einladung wieder Spaß haben kann (möglichst viel Wein trinken, hilft ja auch nur begrenzt und ist wohl keine gute langfristige Lösung ).

Ich wünsche dir, dass du dir auch in den guten Momenten bald wieder näher kommst.

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Gabriele
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Registriert: 11. Jul 2007, 22:18

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Gabriele »

Hallo Jessy, hallo Lerana,

ich glaube Ihr seid ein bisschen zu ungeduldig.
Es dauert eben eine ganze Weile, bis sich spürbare Erfolge zeigen.
Mir wurde als ich beim Depressionstreffen war gesagt, dass ich schon sooo gute Fortschritte gemacht hätte. Nur spürte ich nichts davon.
Erst jetzt im Rückblick erkenne ich auch, wo ich anfange anders zu denken, wo empfinde ich anders als vor der Therapie, wo ist doch etwas Freude endlich mal vorhanden, wann kann ich einen Moment genießen.

Es ist schon sehr mühselig, bis sich endlich Erfolge einstellen. Ich kann Eure Ungeduld verstehen.
Zu mir hat der Therapeut gesagt, ich solle nicht den Fehler machen und jetzt sofort Änderung erhoffen. Das dauert. Erfahrungsgemäß ca. 2-3 Jahre. Genau so war es.
Erfolg heißt aber noch lange nicht, dass alles gut ist. Sehr wahrscheinlich werde ich noch einmal eine Therapie machen. Mal sehen wie es nach den zwei Jahren Pause aussieht.

Jessy, mir ist beim lesen aufgefallen:

>War eben auch noch beim Sport und habe mich mal richtig ausgetobt. Leider habe ich diese Spannungszustände mehrmals täglich...fast stündlich…<

Wenn Du die Kraft hast Dich auszupowern ist das gut. Aber Du brauchst auch eine Phase der Entspannung. Hast Du mal die Achtsamkeitsübungen probiert?
Im letzten Jahr hast Du Dich von Deiner Mutter befreit. Jetzt ist Dein Körper dran. Er hinkt immer etwas hinterher.
Mir kommt es so vor, als ob Du da noch immer in einer Erstarrung verharrst.
Wenn Du den Rat Deines Therapeuten beherzigst und das Wutritual durchführst, Sport treibst und die Achtsamkeits- und Entspannungsübungen machst, hast Du ein gutes Paket, um Dir weiterzuhelfen. Nur musst Du Dich überhaupt erst einmal in Bewegung setzen. Es scheint mir so, als ob Du das mit dem Wutausbruch geschafft hättest.

Angst kannst Du zum Beispiel gut „wegatmen“ und dabei zählen. Die Übung mit dem Ei und das Mikadospiel haben mir geholfen, innerlich ruhiger zu werden.
Barfuß laufen und dabei darauf konzentrieren was die Füße fühlen, das ist auch eine wunderbare Übung. Das lenkt von den anderen Gefühlen ab. Nur musst Du die Übungen schon ein paar Mal gemacht haben, bis Du eine Wirkung spürst.
Wenn Du ruhiger bist, kannst Du auch besser wahrnehmen und dann einen Gedanken einfach „ziehen“ lassen, leichter los lassen

>ohne dabei emotional richtig bei mir zu sein<

Auch dafür sind die Achtsamkeitsübungen gut. Sie helfen das zu trainieren. Probier es einfach aus und verliere nicht die Geduld.

>zehn Minuten länger, und ich hätte geweint und nicht mehr aufgehört...<

Wovor hast Du Angst? Und woher weißt Du, dass Du nicht wieder aufhören kannst? Und wenn es so wäre, was wäre so schlimm daran? Du wünschst es Dir doch. Es wäre eine Erleichterung.
Sag nicht Du schämst Dich vor Deinem Therapeuten. Von dem hast Du die Genehmigung zu weinen. Ich glaube, er würde sich darüber freuen.

>Was mich aber zutiefst belastet, ist das Fehlen von Freude oder Glücksgefühlen.<

Ach Jessy, eines nach dem anderen. Wo sollen die denn jetzt schon herkommen? Die hinken ja noch einmal einen Schritt hinterher.
Mir wurde erst in der letzten Woche bewusst, dass ich in einer ganz alltäglichen Situation unendlich dankbar war, dass ich meinen Mann an meiner Seite hatte. Da spürte ich seit ewig langer Zeit endlich wieder einmal ein Glücksgefühl. Glück darüber, dass er da ist, zu mir hält, mich liebt, Geduld hat und mit mir die Situation aushält.
Ich könnte nicht sagen, wann ich das letzte Mal vor der Therapie glücklich gewesen bin.

Lerana schreibt, dass sie keine Wut für ihre Mutter empfindet. Das geht mir genau so. Wenn ich auf meinen Vater wütend wäre oder ihn gar hassen würde, würde mich das viel zu viel Kraft kosten.

Lerana Du schreibst:

>Maulkorb für den Kritiker, der mir immer und immer wieder sagt, mir stünden meine Gefühle nicht zu. Nur woraus macht einen Maulkorb für ein Biest?<

Wie wäre es, wenn Du den inneren Kritiker ablöst durch eine andere Figur? Was könnte Dir helfen den Kritiker in Schach zu halten? Oder löse ihn ab, durch zum Beispiel eine gute Fee, die Dir hilft, Deine Gefühle wahrzunehmen und Dich zu lieben.
Ich weiß von einigen hier im Forum, dass sie mehrere Helfer haben. Ein richtiges inneres Team.
Wenn Du die Suchfunktion benutzt, findest Du bestimmt einen Thread dazu. Ich weiß, dass darüber geschrieben worden ist.

Wenn ich nach den zwei Jahren Therapie und einem Jahr Pause Bilanz ziehe, dann kann ich sagen, dass es besser geworden ist, viel besser. ABER ES DAUERT EBEN SEINE ZEIT.

Ich wünsche Euch viel Geduld und Ausdauer.

Liebe Grüße
Gitte
Eva-M
Beiträge: 105
Registriert: 10. Jul 2011, 21:35

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Eva-M »

Hallo,

ich habe genau das gegenteilige Problem. Ich fange bei jedem bißchen Ärger oder wenn sich jemand mir gegenüber im Ton vergreift an zu heulen. Ich muss nur an eine Beerdigung denken und mir laufen die Tränen.
Das nervt mich total. Vor allem auf der Arbeit ist das auch reichlich unprofessionell.

Dummerweise kann ich auch nicht genau sagen warum ich dann heulen muss,d.h. ich kann kein bestimmtes Gefühl dazu ausmachen. Bei mit scheint sich jedes Gefühl in Tränen aus zudrücken. Auch wenn mir jemand was gutes tun will und ein Kompliment macht.

Wollt ihr welche von meinen Tränen haben?

Eva
Lerana
Beiträge: 2088
Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Hallo Gitte,

vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag! Ich habe ihn jetzt schon mehrfach gelesen und nehme für mich vor allem Folgendes mit:

1. Ich versuche, geduldig zu sein.
2. Ich werde versuchen, mein inneres Team um eine Heulsuse zu erweitern. Vielleicht kann die das Herz des Kritikers erweichen.

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Jessi1980
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Registriert: 25. Jan 2010, 18:23

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo,

vielen Dank für eure Antworten! Da es mir momentan nicht gut geht, melde ich mich am Sonntag wieder. Leider bin ich nicht in der Lage jetzt ausführlich zu antworten

Einen schönen Abend und liebe Grüße
Jessy
Jessi1980
Beiträge: 450
Registriert: 25. Jan 2010, 18:23

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo!

@Lerana - Ich hoffe, du konntest deinen freien Dienstag gut in der Sauna genießen!

Was das Thema Wut angeht, schließe ich manchmal von mir auf andere; Ich war immer die Vertraute meiner Mutter, ihre Seelentrösterin, ihr Partnerersatz, ihr Fußabtreter und letzteres besonders. Leider musste ich für all ihr eigenes Versagen büßen und fühlte mich immer verantwortlich für ihre schlechten Stimmungen, Launen und jähzornigen Ausbrüche...Ich habe immer mit allen Mitteln versucht, ihre Stimmungen ins Positive zu bewegen und mich damit selbst komplett aufgegeben. Das ist offensichtlich meine Wut! Ich habe nur beständige Liebe gesucht aber nie bekommen. Es hing davon ab, wie ich mich verhalten habe, ob ich dann liebevoll oder voller Ablehnung behandelt wurde. Das wird mir langsam schmerzlich bewusst. Sie liebte mich nur dann, wenn ich so war, wie sie es wollte. Eine eigene Entwicklung ließ sie nicht zu, sondern empfand mich dann als ihr Feind. So hat sie mich auch behandelt, 30 Jahre lang. Ich konnte nichts dagegen tun, war ihr irgendwie hörig, habe sie gehasst und geliebt...und ich ersticke an Schuldgefühlen.

Ich konnte nur überleben mit einer Maske, die das widerspiegelte, was ich nicht war: lustig, selbstbewusst, vernünftig, offen, freundlich (auch zu den ätzensten Leuten.) Ich habe um Anerkennung von jedem gebettelt, unbewusst. Diese Maske setze ich immer noch zwischendurch auf, so wie du. Nur erbettel ich mir keine Anerkennung von anderen mehr. Es ist mir egal geworden!

Es ist vernünftig von dir an ein Absetzen der AD´s erst dann zu denken, wenn die gröbsten Probleme bewältigt sind. Vorher hätte ich dies auch niemals geschafft!!!

@ Gitte - du hast recht! Ich bin immer noch sehr ungeduldig, bemerke es aber mittlerweile manchmal und gehe dann mit mir etwas behutsamer um.

Das Auspowern beim Sport dient für mich hauptsächlich dazu meine Sozialkontakte aufrecht zu erhalten und meine starken Spannungen zu regulieren. Ich nehme mir nun auch öfters mal die Zeit einfach nur zu "gammeln". Das war ein Auftrag meines Theras. Die Achtsamkeitsübungen tun mir gut, trotzdem muss ich mich noch ein wenig dazu zwingen...es braucht halt noch ein bisschen Übung.

Ich glaube mittlerweile auch, dass sich mein Therapeut darüber freuen würde, wenn ich einfach mal loslassen und weinen könnte. Er sagte mir beim letzten Besuch, dass ich ihm Sorgen bereite. Ich werde in Zukunft versuchen, meinen Kritiker und Schweinehund sanft beiseite zu schieben. Ich brauche so dringend Trost, weil mich der ganze Kummer innerlich so hart und kaputt macht. Und das will ich gar nicht. Für mich sind normale Gefühlsregungen so komisch, dass ich sie nicht einmal vor meinem Thera zeigen mag. Ich fühle mich dann so unendlich schwach und minderwertig.

@ Eva-M - Ja, ich hätte sehr sehr gern welche von deinen Tränen! Ich kann mir einerseits schon vorstellen, dass es belastend sein kann, so nah am Wasser gebaut zu sein. Andererseits fühlst du dich dann bestimmt sehr befreit.

Als ich vor einer Woche einen Wutausbruch hatte und weinen konnte wie ein Schlosshund, war ich allein. Genau davor habe ich Angst. Mit diesem Schmerz allein zu sein. Mir fehlt dann der Mut meinen Thera, Freund oder eine Freundin um Hilfe zu bitten. Ich habe dann immer das Gefühl, ich würde mich anstellen. Es gäbe ja Schlimmeres. Ich weiß, dass sich das blöd anhört und auch immer noch zeigt, dass ich mich nicht so richtig ernst nehme. Aber mich selbst zu überwinden ist unendlich schwer!

Zudem habe ich das Problem, dass ich so viel für meinen Therapeuten empfinde, dass ich manchmal gar nicht klar denken kann. Ich möchte ihm gefallen und nicht wie ein verheultes Bündel vor ihm sitzen. Mir ist klar, dass er Therapeut ist, es sich dabei um Übertragungsliebe handelt, aber es hindert mich daran, mich fallen zu lassen. Diese Gefühle schwelen in mir und sind wie eine Mauer, durch die nichts durchdringen kann. Mein Therapeut hat das Thema auch schon angesprochen, dass ich schon wieder nur gefallen möchte und doch mal den Mut aufbringen sollte zu sein wie ich bin...nur weiß ich gar nicht so genau, wie ich bin?!

Bin ich vielleicht ICH, wenn ich vor ihm sitze oder im normalen Alltag?! Diese Frage stelle ich mir seit einer Woche...

Ich wünsche euch einen schönen Sonntag!
Herzliche Grüße
Jessy
Lerana
Beiträge: 2088
Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Liebe Jessy,

ich hoffe, es geht dir etwas besser!

Ich möchte dir etwas Mut machen. Sich zu öffnen, auch und vor allem emotional, ist ein Gewinn.

Nachdem ich meiner Therapeutin den Text vorgelesen habe, gab sie mir als Hausaufgabe, meine Freunde zu befragen, was sie davon halten. Mir blieb der Mund offen stehen. Das konnte ich doch nie!! Aber: Ich habe es getan. Ich habe drei gute Freunde diesen Text lesen lassen und bei einem habe ich sogar geweint. Gut trösten lassen kann ich mich natürlich noch nicht, aber meine Tränen leifen leise, während er dort saß und las.

Alle sind der Meinung, der Text sei traurig (ich denke ja stets ich jammere da nur rum und das ist alles dummes Zeug) und ich hätte ein Recht auf Trost.

Das hat gut getan.

Außerdem habe ich mich von dem Druck befreit, vor meiner Therapeutin weinen zu müssen. Denn vor allem muss ICH MIR SELBER Kummer zugestehen, vielleicht ist Trost erst der nächste oder gar der übernächste Schritt!

Abends wenn ich jetzt im Bett liege, gönne ich mir, mich zu bedauern für das, was gerade schwierig ist, oder auch für das, was in meiner Kindheit nicht so toll war. Ich meine kein Selbstmitleid, sondern Selbstmitgefühl. Und dann nehme ich mich gedanklich selber in den Arm.

Es geht mir im Moment trotz Bezeihungkrise ziemlich gut. Ich bin zwar oft traurig aber fühle mich nicht so depressiv!

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Jessi1980
Beiträge: 450
Registriert: 25. Jan 2010, 18:23

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Liebe Lerana,

mir geht es besser, zeitweise sogar mal richtig gut! Auch wenn ich die positiven Dinge kaum spüre, so versuche ich wenigstens mit mir selbst besser umzugehen und Dinge zu tun, von denen ich weiß, dass sie mir immer gut getan haben oder gut tun würden. Auch ich bin dabei mir meinen Kummer zu erlauben, mir ein bisschen Selbstmitgefühl zu schenken und versuche hin und wieder mal eine Träne zu vergießen...wenn auch nur allein für mich.

Ich finde es sehr mutig von dir, Freunde einen sehr intimen Text lesen zu lassen! Den Mut hätte ich noch nicht...Ich habe, wie schon mal beschrieben, bis heute mit meinem Therapeuten nie über die beiden Briefe an ihn gesprochen...jetzt ist es so lange her...ich traue mich einfach überhaupt nicht mehr

Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich, umso näher ich ihm emotional komme, mich umso weiter entferne. Ich kann meinen Therapeuten teilweise überhaupt nicht mehr in die Augen sehen. Ich könnte mich verstecken. Das Gefühl, weinen zu müssen, habe auch ich mal überdacht und gelockert. Wenn´s kommt, dann ist es halt so. Vielleicht habe ich ja deshalb eine so starke Nervosität, dass ich schweißgebadet vor meinem Therapeuten sitze, weil mir die Trauer so geballt hochkommt, dass ich es fast nicht mehr aushalte...

Ich bin gespannt auf den weiteren Verlauf der Therapie, habe aber eine noch größere Angst und sehr sehr große Hemmungen...

Liebe Grüße
Jessy
Lerana
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Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Liebe Jessy,

>>Auch ich bin dabei mir meinen Kummer zu erlauben, mir ein bisschen Selbstmitgefühl zu schenken<<
Ich glaube das ist der wichtigste Schritt. Wenn man das geschafft hat, kommen die Tränen ganz von allein und vielleicht können wir dann auch irgendwann einmal zulassen, dass uns dabei jemand in den Arm nimmt.
Auch ich kann im Moment gelegentlich weinen und so paradox sich das anhört, das tut gut.

>>Ich habe, wie schon mal beschrieben, bis heute mit meinem Therapeuten nie über die beiden Briefe an ihn gesprochen...jetzt ist es so lange her...ich traue mich einfach überhaupt nicht mehr<<
Wenn du meinst, dass ein Brief auch für dich eine Möglichkeit ist, deinen Therapeuten an deinen Emotionen teilhaben zu lassen, schreib doch einen neuen.

>>Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich, umso näher ich ihm emotional komme, mich umso weiter entferne.<<
Wie meinst du das genau?

>>Vielleicht habe ich ja deshalb eine so starke Nervosität, dass ich schweißgebadet vor meinem Therapeuten sitze, weil mir die Trauer so geballt hochkommt, dass ich es fast nicht mehr aushalte<<
Ich habe mal zu meiner Theraoeutin gesagt: Wenn ich jetzt weine, dann höre ich nicht wieder auf. Dann schaffe ich es nicht mehr, mich nachher wieder zusammenzusetzen.
Aber es passiert nicht. Man kann wieder aufhören, vielleicht nicht sofort, vielleicht muss da erst mal einiges raus. Aber einen Deckel drauf zu machen, erhöht nur den Druck. Lieber kontrolliertes Ablassen, als die Explosion. Ich weiß, das ist viieeel leichter gesagt als getan!!

Mir geht es so viel besser im Moment. Um ehrlich zu sein, denke ich fast, dass ich mich nach 1,5 Jahren zum ersten mal wieder nahezu depressionsfrei fühle und ich glaube, meine eigenes Selbstmitgefühl mir gegenüber (freigeworden u.a. durch die Arbeit mit meinem Text) hat sehr viel dazu beigetragen.

Ich wünsche dir weiter viel Mut!

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Annanym

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Beitrag von Annanym »

Jessi1980
Beiträge: 450
Registriert: 25. Jan 2010, 18:23

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Liebe Lerana,

entschuldige, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Ich hatte auf der Arbeit viel zu tun und bereite gerade meinen ersten Allein-Urlaub vor...

Wenn ich mal weinen kann, merke ich auch, wie gut es mir eigentlich tut.

Im Moment versuche ich meinem Therapeuten gegenüber so offen wie möglich zu sein und möchte keinen Brief schreiben. Vielleicht liegt es daran, dass ich am Samstag in den Urlaub fliege und daher tatsächlich ganz gut drauf bin. Mal sehen, wie es in einem Monat aussieht. Im Moment verdränge ich alle Dinge, die mich belasten könnten.

>>Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich, umso näher ich ihm emotional komme, mich umso weiter entferne.<<

Ich meine diesen Satz so, dass ich langsam merke zunehmend mehr Vertrauen zu meinem Therapeuten zu bekommen. Es ist ein tiefes Gefühl, dass mir aber auch Angst macht. Dadurch entferne ich mich zeitweise aber auch wieder und ziehe mich zurück. Ich vermute mal, dass dahinter eine Verlustangst steckt und ich mich lieber zurückziehe, als mich dem Gefühl hinzugeben, dass da jemand ist, der für mich da ist. Ich kenne dieses Gefühl gar nicht, weil ich immer alles mit mir selbst ausgemacht habe.

Ich habe meinem Therapeuten geschrieben, dass ich Angst davor habe nicht mehr mit dem Weinen aufhören zu können. Aber es stimmt: "einen Deckel drauf zu machen, erhöht nur den Druck." So fühle ich mich auch.

Ich freue mich, dass es dir besser geht und du ein Ventil (deine Texte) gefunden hast, um dich besser öffnen zu können!

Auch ich wünsche dir weiterhin viel Mut!

Liebe Grüße
Jessy


Hallo Annanym,

Natrium Muriaticum habe ich auch von meiner ehem. Homöopatin bekommen, allerdings nicht in einer C- Potenz. Vielen Dank für den Tipp. Werde mir das Mittelchen mal besorgen.

Liebe Grüße
Lerana
Beiträge: 2088
Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Liebe Jessy,

kein Grund sich zu entschuldigen.

Meine Therapeutin meinte mal: Irgendwann muss man einfach aufhören, sich andauernd zu entschuldigen!

Ich wollte dir nur schnell einen ganz, ganz schönen Urlaub wünschen. Ich hoffe, du kannst ihn genießen.

Ich fahre auch für ein paar Tage ans Meer und hoffe, mich dort etwas entspannen zu können.

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
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