Wie geht es weiter...

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qwertz
Beiträge: 27
Registriert: 17. Apr 2012, 22:43

Wie geht es weiter...

Beitrag von qwertz »

Hallo an alle,

ich bin ziemlich neu hier und habe mich schon ein bisschen eingelesen. Das Forum gefällt mir sehr gut und zeigt mir, dass ich nicht alleine bin. Ich mache mir im Moment ziemliche Gedanken über meine Zukunft, die nächsten Wochen und Monate, aber auch Jahre... ich weiß nicht, ob hier überhaupt jemand was dazu sagen kann, aber ich habe das Bedürfnis, mir das mal von der Seele zu schreiben. Ich habe den Eintrag tagelang vor mir hergeschoben, weil "das eh niemanden interessiert". Kennt ihr sicher. Ich ignorier das jetzt und hoffe, dass ich keinem auf die Nerven gehe .

Ich bin schon seit Monaten depressiv und habe seit einiger Zeit das Gefühl, da nie wieder raus zu kommen. Dass das ein Symptom ist, weiß ich, aber das ändert nicht besonders viel. Ich stecke grade mitten im "Abistress", wie es alle nennen. Meine Fehlzeiten im Winter waren enorm hoch, ich war durchschnittlich jede Woche einen Tag in der Schule. Obwohl ich selbst nicht mehr dran geglaubt habe, habe ich mit viel Hilfe und sehr verständnisvollen Lehrern doch noch die Zulassung bekommen. Jetzt ist also Prüfungszeit.
Über Ostern habe ich ein freiwilliges Praktikum gemacht, was mir für meinen angestrebten Ausbildungsberuf sehr wichtig war. Ich habe kaum Antrieb gehabt, obwohl die Woche davor eigentlich gut gelaufen ist. Weil ich nur 4 Tage auf der Arbeit war, habe ich kein Praktikumszeugnis bekommen. Ich habe mich komplett als Versager gefühlt und da hat es auch angefangen, dass ich den Glauben in meine Fähigkeiten verloren habe. Meine Betreuerin sagt, es war ein Erfolg, schließlich habe ich die An- und Abreise plus Unterkunft selbst organisiert und mich zwei Wochen allein in einer fremden Stadt zurechtgefunden. Ich weiß schon, was sie meint, aber für mich war das eher was selbstverständliches und das ich kein Zeugnis bekommen habe, eine totale Niederlage. Ich habe mich da lange drauf gefreut, das Praktikum war eine große Sache für mich (im positiven Sinne), und wenn ich das nicht schaffe, was dann? In der letzten Woche ging es mir sehr, sehr schlecht (zum Glück nur einige Tage, aber jetzt weiß ich, was eine schwere Depression ist...). Ich bin sicher, dass das mit dem Praktikum zusammen hängt.
Demzufolge war ich Donnerstag und Freitag nicht in der Lage, meine Abiprüfungen zu schreiben. Vom Psychiater habe ich Lorazepam 1mg bekommen (zusätzlich zu Venlafaxin 150mg), und jetzt sind zumindest diese unerträglichen Zwangsgedanken weg. Am Wochenende ging es mir soweit "gut", ich war aus eigenem Antrieb einkaufen und generell etwas entspannter. Aber das ändert sich jeden Tag, teilweise stündlich. Ich neige dazu, meine Probleme runterzuspielen, nach dem Motto "heute geht's mir ja wieder gut, passt doch alles, halb so wild", aber gleichzeitig mache ich mir doch ziemliche Gedanken wegen meiner Zukunft und ob ich in der Lage bin, das alles hinzukriegen. Wie das zusammen passt, kann ich euch auch nicht erklären. Jedenfalls habe ich vor, die Nachschreibtermine wahrzunehmen, ich habe ja nichts zu verlieren (das sagen mir meine Lehrer auch dauernd, ich bin froh, dass sie so mitfühlend und geduldig sind!). Anfang Juli habe ich ein weiteres Praktikum, was jetzt, nachdem ich das erste versaut habe, umso wichtiger ist. Und Ende Juli beginne ich mit einem Freiwilligendienst in Osteuropa, für ein Jahr. Darauf freue ich mich schon seit mehr als drei Jahren, und jetzt endlich hat alles geklappt. Wie ihr vielleicht merkt, bin ich immer sehr begeistert und engagiert dabei, wenn es darum geht, meine Zukunft zu planen. Ich weiß ganz genau, was ich in den nächsten Jahren will: erst den Freiwilligendienst, dann eine Ausbildung (da die Bewerbungszahlen sehr hoch sind, hatte ich die Praktika neben der Erfahrung auch für den Lebenslauf eingeplant).

In Moment sehe ich innerlich, wie dieser Plan zusammenbröckelt und nichts übrigbleibt außer Leere. Meine Betreuerin hat schonmal angesprochen, ob ein Klinikaufenthalt vielleicht das Richtige wär, und (unabhängig davon), ob mich das Abitur vielleicht zu sehr streßt und ich der Belastung nicht gewachsen bin. Ich weiß bei beidem, dass sie recht haben könnte, aber da kommt wieder dieses "mir geht es doch gut, ich krieg das schon hin"-Gefühl raus und ich finde es unnötig, so einen Aufwand zu machen. Außerdem, wenn ich das Abi nicht schaffe, sieht das im Lebenslauf schlecht aus und ich finde keine Ausbildungsstelle. Und kaum jemand in meiner Umgebung weiß überhaupt von der Depression (nur meine Betreuerin [die größte Stütze in meinem Leben, sie steht mir sehr nah], meine Therapeutin, mein Arzt, meine Lehrer und meine beste Freundin). Wie reagieren alle meine Freunde, wenn ich zB in eine Klinik gehe? Ich bin wirklich kein Mensch, der Vorurteile gegen Psychiatrien hat, aber ich kann meine Freunde da nicht einschätzen. Einem hätte ich am liebsten eine Ohrfeige gegeben, als er meinte, Depressionen seien für ihn Einstellungssache. Es ging nicht um mich, sonst hätte er sich das vielleicht verkniffen. Wer weiß.
Ist auch egal, ich schweife komplett ab. Der Punkt ist, ich habe Angst, den Boden unter den Füßen zu verlieren, wenn ich das Abi abbreche oder sogar in eine Klinik gehe. Denn auch wenn ich antriebslos und mit dem Alltag überfordert bin, gibt es mir Halt, zu wissen, was als nächstes kommt. Und was ist, wenn der Freiwilligendienst nicht klappt? Dann erwartet mich nurnoch gähnende Leere und ein Abgrund, der mich verschluckt. So kommt es mir vor. Und dabei empfinde ich mich grade garnicht als besonders depressiv, es ist eine eher logische Überlegung. Oder mache ich mir da was vor? Ich weiß es nicht, ich weiß garnichts mehr. Ich traue mir nicht mehr zu, meinen "Zustand" einzuschätzen, und habe das Gefühl, ich weiß garnicht mehr, wie es mir grade geht. Und dieser Eintrag hier nützt mir auch überhaupt nichts und wird rein garnichts ändern, aber ich habe mir die Mühe gemacht, das alles aufzuschreiben, also schicke ich es auch ab. Wer sich den ganzen Sch**ß hier durchliest, ist ein Held.
ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: Wie geht es weiter...

Beitrag von ndskp01 »

Hallo Qwerts,

das war ein langer Eintrag, aber, stell dir vor, zumindest eine Person hat ihn ganz gelesen ...

Komisch, wenn man jung ist denkt man oft, dass bestimmte Dinge keinen Aufschub dulden. Aus dem Rückblick stimmt das ganz und gar nicht. Das Abitur kannst du auch in einem Jahr noch fertigmachen. Selbst wenn du jetzt einen Platz als - wie heißt das jetzt? Bufdi? - hast; wenn du krank bist, musst du den nicht antreten. Du drehst ne Ehrenrunde und gut ist; das macht nichts, wenn du ein Jahr später erst in ein Leben nach der Schule startest. Auch im Lebenslauf fällt das nicht soo negativ ins Gewicht.

Ich finde übrigens, dass sehr viele Menschen von deiner Krankheit wissen: Lehrer, 2 Ärzte und die Betreuerin. Meine Mutter weiß es bei mir bis heute nicht, meine Vorgesetzten nicht, mein Doktorvater sowieso gar nicht. Alles eigentlich nahestehende Personen, oder? Aber die könnten meiner Wahrnehmung nach nicht damit umgehen (ähnlich wie bei deinem Freund), oder signalisieren, dass sie darüber nichts wissen wollen. Wenn du in die Klinik gehst, dann darfst du lügen. Erfinde eine komplizierte Was-weiß-ich, die körperlich ist ....

Viele gut gemeinte Ratschläge, hören sich irgendwie blöd an, aber vielleicht kannst du ja trotzdem was damit anfangen.

Alles Gute für dich, deine puk
FrauRossi
Beiträge: 3165
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

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Beitrag von FrauRossi »

qwertz
Beiträge: 27
Registriert: 17. Apr 2012, 22:43

Re: Wie geht es weiter...

Beitrag von qwertz »

Danke an euch beide für eure aufmunternden Worte

Am Freitag war ich beim Arzt und habe die Vermutung angesprochen, dass ein Klinikaufenthalt jetzt vielleicht das richtige wär, ich hatte nämlich schon wieder eine Prüfung verpasst und nicht das Gefühl, dass es besser wird. Er meinte jedoch, dafür sei es noch zu früh, wir sollten ersteinmal die Blutergebnisse abwarten (er hat den Medikamentenspiegel gemessen) und nächste Woche weitersehen. Also bin ich wieder gegangen und ich bin ihm dankbar dafür, dass er so entschieden hat. Am Wochenende war ich bei meiner Familie (meine Tante kam noch am gleichen Tag vorbei und hat mich dann Samstag mit zur Geburtstagsfeier von meinem Cousin genommen) und es war wirklich schön. Ich war mit den Kindern auf dem Trampolin und hatte Spaß und heute habe ich mich nach Wochen mal wieder mit Freunden getroffen. Ob es daran liegt oder (endlich) an den Medikamenten weiß ich nicht, aber es geht mir wieder gut. Wirklich gut. Ein schönes Gefühl. Ich warte noch etwas ab und gehe die Dinge langsam an, aber ich traue mir zu, die Abiprüfungen zu schreiben und alles weitere warte ich ab. Was ich schaffe, schaffe ich, und was nicht, nicht.
Ihr habt mir geholfen, die Erwartungen etwas herunterzuschrauben, ohne dabei die Konsequenzen dramatisch negativ zu sehen und dafür danke ich euch. Ich habe die Antworten sofort gesehen, auch wenn ich jetzt erst antworte.
Euch alles Gute
Anna
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