Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Jessi1980
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Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo,

ich mache seit zwei Jahren eine analytische Therapie. Mir ist erst vor zwei Wochen bewusst geworden, dass meine ständigen Spannungszustände "Wut" bedeuten, und dass meine Angst, die Angst vor meiner Wut und den möglichen Folgen ist. Ich leide hin und wieder auch unter Panikzuständen und Entfremdungsempfindungen, immer dann, wenn ich unter Stress gerate. Leider ist meine Stresstoleranz mittlerweile sehr sehr niedrig, sodass ich diese Empfindungen schon bei- objektiv gesehen- kleineren Anlässen habe. Insbesondere im Job ist dies ein Problem für mich, da ich im Kundenverkehr tätig bin.

Jetzt ist aber mein großes Dilemma, dass ich vor meinen Gefühlen grundsätzlich Angst empfinde und große Schuldgefühle habe. Hinzu kommen meine riesigen Schamgefühle, unter denen ich stark leide. Mir ist alles peinlich, sogar jede "normale" Gefühlsregung. Ich komme nicht an meine Gefühle ran, bzw. kann ich nicht konstruktiv damit umgehen. Ich werde teilweise davon überschwemmt und schaffe es nicht, diese "schlimmen" Gefühle auszuleben. Ich kann nicht vor anderen Menschen weinen. Lachen hingegen fällt mir nicht schwer. Immerhin schaffe ich es ab und zu mal alleine zu weinen. Dann bin ich aber so einsam und allein mit diesen Gefühlen, dass ich mich eingraben könnte und stundenlang wie ein Wrack fühle.

Mein Therapeut sagt, ich solle meine Wut und meinen berechtigten Hass ausleben, am Besten bei ihm. Aber genau das ist für mich UNMÖGLICH! Ich bin komplett blockiert und empfinde dies als absolut unlogisch. Warum soll ich meine Gefühle an ihm ausleben, wenn er nichts dafür kann?! Dazu kommen meine starken Hemmungen. Ich schäme mich für alles, dafür, dass ich gern weinen würde aber es nicht kann, dafür dass ich, wenn ich es könnte, mich für´s Weinen schämen würde...es ist ein furchtbarer Kreislauf

Mir ist aber auch bewusst, dass es so nicht weiter geht. Meine Spannungszustände, verbunden mit Schweißausbrüchen und daraus resultierenden schweren depressiven Zuständen, bringen mich um...Wenn ich zur Therapie gehe, steigern sich diese Zustände bis ins Unermessliche. Offensichtlich möchte etwas heraus aber kann nicht. Ich kann diese Gefühle einfach nicht zulassen und das macht mich fertig. Ich leide unter einer schweren Neurose und rez. depressiven Episoden.

Kann mir jemand vielleicht aus eigener Erfahrung berichten, wie mit unterdrückten starken Wut- und Hassgefühlen in einer analytischen Psychotherapie umgegangen wird und wie diese Gefühle herauszulocken sind??? Ich brauche dringend Rat!

Danke und einen lieben Gruß
Lerana
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Hallo Jessy,

leider kann ich dir auch nicht so richtig weiterhelfen, denn ich selber mache eine Verhaltenstherapie und kenne mich daher mit Übertragung von Gefühlen etc. nicht aus.

Was ich aber sehr gut kenne, ist die Angst vor Gefühlen. Ich z.B. gestatte mir nur sehr selten, schwach zu sein und Kummer, Trauer oder Wut lasse ich kaum zu. In der Therapie weinen ist so gut wie noch nie vorgekommen. Wenn es emotional eng wird, werde ich meisten ironisch. Eine Stunde, in der ich viel gelacht habe, war meistens eine, die sehr nah an meine Gefühle gekommen ist und oft weine ich dann nachher (wenn mir das dann gelingt) alleine zu Hause.

Auch ich kenne das Gefühl, das etwas heraus will und vor den Therapiestunden mischt sich bei mir zu der Hoffnung, es möge mir gelingen an meine Gefühle heranzukommen, die Angst genau davor, weshalb ich auch nach über einem Jahr vor jedem Termin immer noch nervös bin.

Für mich habe ich entdeckt, dass es mir hilft, meine Gefühle aufzuschreiben und diese Gedanken dann in der Therapie vorzulesen. Das fällt mir wahnsinnig schwer (manchmal brauche ich mehere Wochen, bis ich mich dann zitternd traue), aber hin und wieder gelingt es mir dann, die beschriebenen Gefühl tasächlich bei meiner Therapeutin zu empfinden und so den Trost, Zuspruch oder die Unterstützung zu bekommen, die ich brauche.

Leider weiß ich nicht, ob dir dieser Erfahrungsbericht weiterhilft, aber da dir noch niemand geantwortet hat, dachte ich, es ist vielleicht ein kleines bisschen Unterstützung.

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Jessi1980
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo Lerana,

mit allem, was du hier geschrieben hast, sprichst du mir aus meiner Seele!

Deine Beschreibung, in der auch du von der Angst vor deinen Gefühlen berichtest in Verbindung mit den anstrengenden Versuchen, die Gefühlsregungen zu unterdrücken, hat mich sehr berührt.

Auch dein Umgang aufkommende Gefühle mit Ironie oder Humor zu überspielen, ist mir vertraut. Die Nervosität vor den einzelnen Therapiesitzungen kenne ich zu gut. Bei mir tritt dieses Phänomen seit zwei Jahren an jedem Mittwoch auf. Mittlerweile sind die Spannungen so stark, dass ich sechsmal zum Klo muss, bevor ich aus der Haustür komme.

Deine "Entdeckung", dir deine Gefühle aufzuschreiben und diese vorzulesen finde ich sehr bemerkenswert. Das würde ich mich nicht trauen. Ich habe meinem Therapeuten zweimal einen längeren Brief geschrieben, als es mir sehr schlecht ging, bin aber nie auf die Briefe eingegangen, so peinlich war ich mir selbst Diese habe ich in meinem Schließfach vor mir selbst versteckt, und wenn sie mir in die Hände fallen, habe ich Angst darin zu lesen...

Ich sollte sicherlich versuchen mutiger zu werden. Meine Angst vor einer möglichen Blamage oder Abwertung ist noch zu groß. Meine Gefühle kommen in den Sitzungen so flutartig hoch, sodass ich vor mir selbst weglaufen könnte...

Und mir fällt es so schwer, diese Gefühle auf meinen Therapeuten zu übertragen, weil ich nicht weiß, wie???

Lieben Gruß
Lerana
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Hallo Jessy,

es ist wirklich nicht leicht, diese Texte dann zu lesen. Gerade habe ich wieder einen in meinem Therapietagebuch, den ich seit drei Wochen zu jeder Stunde mitnehme und dann ungelesen wieder zurücktrage. Meine Therapeutin weiß, dass er da ist, spricht ihn aber gar nicht an und drängt mich nicht. Ich weiß genau, was du meinst, wenn du schreibst, dass dir der Brief peinlich ist. So geht es mir auch. Ich schäme mich dafür.

Jetzt habe ich etwas gemacht, was ich schon einmal getan habe, als es so gar nicht weiterging. Ich habe meiner Therapeutin eine Mail geschrieben, in der ich sie bitte, mich bei der nächsten Sitzung auf das Vorlesen festzunageln, weil ich mich von alleine nicht traue.

Immer wenn es mir gelingt, mich zu überwinden, werden die Sitzungen super. Mittlerweile weiß ich das und trotzdem fällt es mir schwer. Daher kann ich gut verstehen, dass du denkst, du könntest das nie. Aber vielleicht schreibst du erst einfach mal. Ich habe erst Monate geschrieben, bevor ich Ausschnitte daraus gelesen habe.
Vielleicht ist das aber auch nicht dein Weg und du musst nach einem andere Zugang suchen. Mich fordert er heraus und bringt mich weiter.

Ich wünsche dir von Herzen, dass du einen Weg findest. Aber habe Geduld. Es kommt von ganz alleine. Wenn es raus will, wirst du einen Weg finden und bis dahin kannst du ja in anderen Situationen üben, mutig zu sein.

Herzliche Grüße
Lerana
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Jessi1980
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo Lerana,

ich finde es immer wieder komisch, wofür ich mich alles so schäme. Das war mir früher gar nicht bewusst. Wenn ich z.B. meiner Freundin sage, dass mir dies und jenes peinlich ist, erwidert sie, dass es überhaupt keinen Grund gebe, so zu empfinden. Es sei völlig normal Gefühle zu zeigen und ich müsse mich für nichts schämen. Das haben mir mittlerweile schon viele Menschen gesagt. Trotzdem "sitzt" dieses Gefühl ständig in mir.

Deine Mail mit der Bitte dich aufs Vorlesen festzunageln, finde ich sehr gut. Ich denke, das wäre ein Ansatz für mich. Wie reagiert deine Therapeutin eigentlich auf das Vorgelesene und wie bearbeitet ihr dann die Gefühle?

>>Immer wenn es mir gelingt, mich zu überwinden, werden die Sitzungen super.<<
Das Empfinden kenne ich auch. Leider verschwindet der Stolz auf mich selbst dann nur zu schnell.

Vielen Dank für deine Worte und liebe Grüße
Jessy
Lerana
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Hallo Jessy,

>>Wie reagiert deine Therapeutin eigentlich auf das Vorgelesene und wie bearbeitet ihr dann die Gefühle?<<
Da gibt es kein generelles Vorgehen. Es kommt auf das Thema des Gelesenen an. Irgendwie ergibt sich das spontan und um das genauer zu beschreiben, müsste ich jetzt sehr persönlich werden, was ich hier allerdngs nicht so gerne möchte. Aber auch da gibt es keinen Druck, kein "So mus das jetzt sein". Ich bestimme wie wir damit umgehen. Manchmal sprechen wir über die Inhalte und manchmal auch darüber, warum mir ausgerechnet das jetzt so schwer gefallen ist, zu lesen.

>>Leider verschwindet der Stolz auf mich selbst dann nur zu schnell.<<
Auch wenn ich jetzt manchmal daran zurückdenke, denke ich "Oh je, wie peinlich!" Aber nicht mehr so oft, nicht mehr so dolle, nicht mehr, so, dass ich weglaufen will, nicht mehr so, dass ich nur bei dem Gedanken daran rot werde. Es wird einfach immer besser.

Herzliche Grüße
Lerana
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Eva-M
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Eva-M »

Hallo,

Wut ist auch mein Thema, allerdings weiß ich nocht nicht wo sie herkommt. Dh. ich habe auch keine Idee was ich dagegen tun könnte.

Als ich in der Psychosomatischen Klinik war, habe ich mit einem Mitpatienten "Schreitherapie" gemacht. Wir sind in den Wald gegangen und haben in bequemer Tonlage so lange aaaaaahhhhhh geschrien bis keine Luft mehr da war. Und das ein paar mal hinteinander. Danach waren erstaunlicherweise meine Muskelverspannungen fast weg.

Ich mache das jetzt auch noch manchmal. Aber im Auto auf der Autobahn wo es keiner hören kann. Allerdings muss ich mich dann bewußt auf den Verkehr konzentrieren, sonst könnte es sein das ich was übersehe.

In der Hypnosetherapie würde man Hassgefühle in der Phantasie ausleben.

Vielleicht kannst du es für ein paar Stunden mit einer anderen Therapieform probieren um den Knoten erstmal zu lösen. Müßtest du dann wahrscheinlich aber selbst bezahlen.

VG
Eva
Lerana
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Hallo Jessy,

jetzt habe ich hier ales so groß angekündigt und gestern in der Therapie habe ich es dann doch wieder nicht geschaftt, den Text zu lesen. Ich schäme mich zu sehr. Ich kann dich wirklich gut verstehen. Natürlich ging es lange darum, warum mir das so schwer fällt und daran werden wir wohl arbeiten.

Ich versuche, das selber nicht als Scheitern zu sehen, sondern lediglich als Teil meines Problems. Scheinbar bin ich so streng mit mir, dass ich mir nicht zugesehen kann, legitimen Kummer zu haben. Ich denke, es wird noch etwas dauern, bis diese Nuss geknackt ist aber ich will dran bleiben!! Ich habe Gott sein Dank eine fantastische Therapeutin, bei der ich mich sehr sicher und sehr angenommen fühle und die sehr genau weiß, wie viel sie mir zumuten kann.

Also Rückschläge gehören dazu. Aber ich bin zuversichtlich. Wir werden noch schon noch aufhören, uns für unsere Gefühle zu schämen!

Herzliche Grüße
Lerana

PS: Ich hoffe, das entmutigt dich jetzt nicht.
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Jessi1980
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo Lerana und Eva-M,

die aufgestaute und festgesetzte Wut heraus zu lassen ist für mich ein großes Problem. Die Schreitherapie im Wald, die Eva-M beschrieben hat, ist eine sehr gute Möglichkeit! Ich versuche ab und zu mal in mein Kissen zu schreien, wenn ich das Gefühl habe vor Spannungen zu platzen. Leider habe ich das Gefühl ganztags im Job. Hier ist es natürlich sehr schwierig, den Druck abzubauen. Ich könnte mich manchmal bockig auf den Boden schmeißen...

Mein Therapeut gab mir den Tipp dreimal täglich zu weinen, schreien und zu hassen, um ein "normaleres" Gefühl zu erlangen für "normale" berechtigte Emotionen. Ich schäme mich dann aber schon vor mir selbst, versuche es aber hin und wieder mal. Sicherlich brauche ich eine Regelmäßigkeit, um so die Schamgefühle abzubauen, die mich zusätzlich noch belasten.

So wie du, Lerana, dein "ich schäme mich dafür" beschreibst, kann ich es sooo sehr nachfühlen, weil ich damit jede Woche extrem konfrontiert werde. Ich finde es super mutig von dir diese Texte vorzulesen! Ich schreibe eher etwas, verschicke es und nehme nie wieder Bezug darauf Dabei ist mein Therapeut mittlerweile tatsächlich der wichtigste Mensch für mich. Aber das Thema Vertrauen ist ein großes Problem. Ich rede oft sehr oberflächlich an Gefühlen vorbei und versuche diese sachlich zu besprechen. In den Sitzungen kommt mir alles gleichzeitig hoch: Schamgefühl, Wut, Trauer, Angst. Um diese Gefühle zu regulieren gerate ich in einen so starken Spannungszustand, dass ich nicht mehr sprechen kann und das Gefühl entsteht ohnmächtig zu werden. Manchmal ist mir dann richtig übel und ich habe Angst davor mich zu übergeben. An diesem Punkt bleibt innerlich alles stehen. Ich bin dann wie erstarrt. Es fühlt sich an wie eine innere Sperre, die mir nicht erlaubt Gefühle zu zeigen. Ich möchte so gern einfach mal vor jemandem weinen und mir Trost holen. Gleichzeitig baue ich einen zu starken Druck auf. Stattdessen fange ich an über mich selbst zu lachen...traurig.

Ich empfinde Gefühle, wie Freude und Glück, gar nicht. Mir ist bewusst geworden, dass meine aufgestauten Hass- und Wutgefühle alles Lebendige in mir zudecken. Ich komme nicht an diese Gefühle heran, wahrscheinlich weil ich so eine Angst vor dem Berg "schlechter" Gefühle habe, dass ich diese in Verbindung mit bestimmten Situationen nicht noch einmal durchleben möchte...

Einen schönen Sonntag
Jessy
Gabriele
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Registriert: 11. Jul 2007, 22:18

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Gabriele »

Hallo Jessy,

>Um diese Gefühle zu regulieren gerate ich in einen so starken Spannungszustand, dass ich nicht mehr sprechen kann und das Gefühl entsteht ohnmächtig zu werden.<

Das ist ja auch eine Ohnmacht. Nämlich die, mit diesen Gefühlen umzugehen.

Die Übelkeit kommt von dem Gefühl der starken Anspannung.

>Ich bin dann wie erstarrt.<

Vor lauter Angst Dich übergeben zu müssen, erstarrst Du und trittst auf die Bremse. Besser wäre, es einmal darauf ankommen zu lassen und den Tränen freien Lauf zu lassen.

>Stattdessen fange ich an über mich selbst zu lachen<

Das habe ich auch ganz oft gemacht. Aus Verlegenheit und um meine Verlegenheit nicht zu zeigen.
Dabei weiß der Psychotherapeut ja eh wie es in uns aussieht.

>Mir ist bewusst geworden, dass meine aufgestauten Hass- und Wutgefühle alles Lebendige in mir zudecken.<

Irgendwann wird der Hass vergehen. Bei mir ist eine Gleichgültigkeit dem Vater gegenüber eingetreten. Er ist mir egal geworden. Alles andere kostet mich zu viel Kraft.

Freude und Glück kann ich auch kaum empfinden. Schon eher Dankbarkeit und die Liebe zu meinem Mann und unserem Sohn.

Es wird auch sicher noch eine ganze Zeit dauern bis Du an Deine Gefühle heran kommst.
Wenn ich zurück schaue, sehe ich schon eine Verbesserung. Aber es dauert.

Wichtig ist, dass wir die Zusammenhänge erkennen. Das hat mir geholfen den Druck zu mindern.

Liebe Jessy, ich wünsche Dir viel Kraft und Geduld.

Liebe Grüße, Gitte
Blaumeise-umk
Beiträge: 85
Registriert: 2. Dez 2009, 20:31

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Blaumeise-umk »

Hallo Jessy,
in Deinem Eingangs-Posting finde ich mich z.T. wieder und ich möchte Dir einfach einen Hinweis geben: es gibt eine spezielle Trauma-Therapie, die sich mit den körperlichen Auswirkungen früher erlittener Traumata beschäftigt. Dabei wird davon ausgegangen, daß durch ein Trauma-Ereignis Lebensenergie sozusagen "eingefroren" wird, was sich v.a. in körperlichen Spannungszuständen bemerkbar macht. Mehr dazu und bessere Erklärungen als ich sie geben kann findest Du z.B. unter http://www.somatic-experiencing.de
Das nur als Information; ob es das Richtige oder Passende für Dich ist, mußt Du natürlich für Dich entscheiden, aber beim Lesen mußte ich einfach sofort daran denken....
Alles Gute!
Jessi1980
Beiträge: 450
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo Gitte,

meine aufgestauten Hass- und Wutgefühle kann ich leider nicht bewusst in der Therapie ausleben. Ich weiß, dass diese Gefühle alles Lebendige zudecken, komme aber emotional nicht an sie heran. Dass diese da sind zeigt sich leider in körperlicher Form.
Es ist schwierig dies zu erklären: Wenn ich bei meinem Thera sitze, kommt in mir alles mögliche an Gefühlen hoch. Manchmal weiß ich gar nicht so recht, was das alles für Emotionen sind. Mein Thera meint, ich solle mal davon ausgehen, dass es bei mir immer um Wut und Angst handelt. Rational verstehe ich, worin mein Problem liegt, emotional komme ich nicht an den Kern, weil ich blockiert bin.

Ich wünsche mir eine Gleichgültigkeit meiner Mutter gegenüber, bekomme dies aber nicht hin. Sie kreist wie ein Adler in meinen Gedanken herum. Der Hass und die Wut auf sie müssen hoch kommen, damit ich frei sein kann, aber es passiert einfach nicht. Oft gebe ich mir noch selbst die Schuld und verfalle in depressive Stimmungslagen, wenn der Druck zu groß wird. Ich hoffe, du verstehst ein bisschen, was ich meine?!

Dankbarkeit empfinde ich auch, insbesondere meinem Therapeuten gegenüber, aber leider ist auch das Gefühl von Liebe nicht da. Ich habe eher den Impuls, weglaufen zu müssen, wenn´s ernst wird. Und dieses Empfinden habe ich auch in der Therapiesitzung. Umso näher mir mein Therapeut innerlich kommt, umso größere Spannungen habe ich und würde am liebsten nie wieder dort hin gehen.

Leider bin ich mir gegenüber noch etwas zu ungeduldig. Es hat sich gebessert, aber ich habe noch viel zu tun, um gelassener und entspannter zu werden.

Die Zusammenhänge werden mir langsam auch klarer, jedoch wird der Druck größer statt kleiner... Ich habe Angst vor dem "Wie geht´s weiter in der Therapie" und davor, wie tief ich wohl fallen werde, wenn ich mich nicht mehr im Griff habe. Ich habe Angst davor, dass alles, was mir dann hochkommt und was ich zulasse, so heftige Reaktionen auslöst, dass ich nicht mehr arbeiten kann und in die Klinik muss...

Hallo Blaumeise,

vielen Dank für deinen Tipp! Ich werde mir den Link mal ansehen. Für mich kommt allerdings parallel keine andere Therapie in Frage, weil ich sehr große Probleme habe, mich anderen Menschen gegenüber so in der Tiefe zu öffnen. Bin froh darüber, dass ich mich wenigstens meinem Therapeuten anvertrauen kann...

Vielen Dank für eure Unterstützung und Verständnis!
Jessy
no name
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Registriert: 29. Okt 2008, 11:09

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von no name »

Hallo Jessy,

Vor mehr als zwei Jahren habe ich meine tiefenpsychologisch orientierte Therapie beendet, da ich das Gefühl hatte, dass mich diese nicht weiterbringt.
Hab dann in die Verhaltenstherapie gewechselt und da aber sehr schnell bemerkt, dass dies auch nicht das Richtige war.

Inzwischen habe ich einen sehr guten Therapeut gefunden, zu dem ich sehr viel Vertrauen habe und arbeite bei ihm wieder tiefenpsychologisch.

Die Settings sind immer noch nicht einfach und da geht es mir beim Thema Emotionen, Zugang dazu zu finden, mir diese zuzugestehen und diese dann auch zulassen zu können, häufig noch wie dir, dass ich in heftige Spannungszustände gerate, die sich sowohl in körperlicher, wie auch psychischer Anspannung äußern.
Dazu reichen oftmals bereits Schlüsselworte die mein Therapeut erwähnt. Und seien es nur Begriffe wie Sehnsucht, Trost etc.
Ich bin dann wie erstarrt, nahezu bewegungsunfähig und in solchen Momenten werde ich zudem sprachlos.

Was, bzw. wie mir dann mein Therapeut schon manches Mal geholfen hat, war, dass er mich aufforderte aufzustehen, mich zu bewegen und im Anschluss daran einen anderen Sitzplatz einzunehmen.
Gelingt mir auch nicht immer, aber mit seiner Unterstützung schaff ich es schon häufiger und das löst dann oft die Blockade.
Gleichzeitig bringt es mich dann wieder häufig in die Bedrängnis die Kontrolle nicht zu verlieren, wobei dies in solchen Momenten, denke ich, wieder etwas damit zu tun hat, dass ich Angst davor habe Gefühle zu empfinden, vor allem natürlich die unangenehmen.
Geholfen hat mir da die Aussage meines Therapeuten, dass es im Leben nicht nur positive Emotionen gibt, sondern eben auch solche die weh tun können.
Hört sich evtl. banal, aber bei meiner näheren Betrachtung ist mir klar geworden, dass ich genauso wie ein Gesunder, lernen muss mit diesen Emotionen (wieder) umzugehen und so eventuell eher bereit bin sie zuzulassen.

Auch wenn z. B. Emotionen wie Wut, aber auch Freude immer noch ein schwieriges Thema für mich sind.
Um die Wut während der Therapie anzugehen, haben wir auch schon mal hin und wieder Kissen gegeneinander gedrückt. Klingt vielleicht jetzt blödsinnig, hat aber geholfen.

Freude, besser gesagt wirkliche Freude, empfinden zu können ist auch nach wie vor schwierig. Wenn sich auch an diesem Punkt schon viel getan hat, so ist es oft noch so, dass ich das Gefühl habe, dass ich mich zwar freuen kann, aber diese Freude dennoch nicht in die Tiefe geht.

Obwohl es mir im Moment für meine Verhältnisse psychisch relativ gut geht, empfinde ich die Therapie immer als sehr anstrengend und eine gewisse Angst vor totaler Destabilisation, Klinik und was passieren könnte, wenn ich die Kontrolle verliere und mich einfach so alles überrollt, bleibt nach wie vor.

Aber im Gegensatz zu meiner ersten Therapie weiß ich heute, dass ich das Ziel habe in der jetzigen Therapie wirklich an mir zu arbeiten, mich darauf einzulassen, auch wenn es schmerzhaft ist und sicher noch eine ganze Weile dauern wird. Und Geduld gehört in dieser Hinsicht nicht gerade zu meinen Stärken.

Alles Gute, viele Grüße

no name
Lerana
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Hallo!

Das mit dem Zugang zu den Emotionen ist aber auch wirklich so schwer.

Jessy, wie schon so oft gesagt, kann ich dich nur zu gut verstehen. Besonders mit der Anspannung. Meine Thera fragte mich letzte Woche, als ich mit dem Text vor mir da saß und bereits den fünften Anlauf, ihn zu lesen, abgebrochen hatte, wie ich mich fühle und ich sagte: Ich will nur hier weg! Es kostet mich dann ehrlich Überwindung nicht aufzustehen, den Scheiß in den Papierkorb zu werfen und zu gehen. Und ich habe auch Angst vor dem totalen Zusammenbruch. Habe Angst, dass, wenn dieser Kummer raukommt, ich mich verliere. Da rede ich mir doch lieber ein, dass das eh alles nur Pillepalle der Vergangenheit ist.

Ich komme nicht dagegen an. Ich finde meine Probleme meist einfach lächerlich!

Es tut mir leid, jetzt jammere ich dir was vor, dabei wollte ich dir Mut machen, aber verdammt, schon beim drüber Schreiben bekomme ich einen Kloß im Hals. Ich könnte heulen, aber selbst das geht ja fast nie!

Ich denke, man kann nur warten und sich immer wieder sagen: Mir steht dieses Gefühl zu und ich werde nicht daran ertrinken, denn ich bin nicht allein. Glauben kann ich es aber im Moment selber nicht und dieser Kampf kostet Kraft und sperrt mich wieder in meinen Kopf ein. Ein Gefühl vor dem ich schreckliche Angst habe.

Ich kann leider gerade gar nicht produktiv sein, sondern nur mitleiden. Ich hoffe du bist nicht verärgert, dass ich deinen Thread jetzt als Jammerbude genutzt habe.

Ich hoffe, du findest deinen Weg und solange suchen wir gemeinsam.

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Jessi1980
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo no name und Lerana,

Ihr glaubt gar nicht, wie gut es mir tut, das von Euch zu hören, was mich selbst so belastet. Es erleichtert mich ein kleines bisschen. Auch wenn ich weiß, dass diese "Gefühle" für Euch eine große Belastung bedeuten. Manchmal habe ich von mir den Eindruck, ich sei die einzige Frau auf Erden, die nicht weinen kann und sich schämt Gefühle zu zeigen. Aber offensichtlich ist es ja nicht so...

Eure Beschreibungen mit der körperlichen und psychischen Anspannung bis hin zur Erstarrung und Sprachlosigkeit, wenn die Therapiesitzung mehr in die Tiefe geht, empfinde ich haargenau so. Dazu kommt dann noch Schwindel, Ohnmachtsgefühle und das Gefühl mich übergeben zu müssen, sowie ein Reflex "ich will raus hier". Ich komme dann in den Situationen nicht weiter. Ich schaffe es nicht dieser Starre zu entfliehen.

>>Geholfen hat mir da die Aussage meines Therapeuten, dass es im Leben nicht nur positive Emotionen gibt, sondern eben auch solche die weh tun können.<<
Diese Aussage hat mein Therapeut auch getroffen.

Über dein Beispiel, Kissen aneinander zu drücken, musste ich ein wenig schmunzeln, weil mein Therapeut in der vorletzten Sitzung zu mir sagte, ich solle mal kräftig gegen seine Fußsohle treten Darüber habe ich dann gelacht und es nach mehrmaliger Aufforderung gemacht, allerdings nicht so stark, wie er es wollte...

Freude empfinde ich auch nur sehr oberflächlich, aber leider nicht in der Tiefe...und das belastet mich sehr! Wie schon geschrieben, ich kann lachen und das manchmal auch sehr viel, aber das Gefühl dazu ist nicht da. Ich albere eher anstatt Freude zu empfinden.

>>Obwohl es mir im Moment für meine Verhältnisse psychisch relativ gut geht, empfinde ich die Therapie immer als sehr anstrengend und eine gewisse Angst vor totaler Destabilisation, Klinik und was passieren könnte, wenn ich die Kontrolle verliere und mich einfach so alles überrollt, bleibt nach wie vor.<<
>>Und ich habe auch Angst vor dem totalen Zusammenbruch. Habe Angst, dass, wenn dieser Kummer raukommt, ich mich verliere. Da rede ich mir doch lieber ein, dass das eh alles nur Pillepalle der Vergangenheit ist.<<
Ich hätte meine Ängste nicht besser beschreiben können. Das, was ihr beschrieben habt, fühle und bin ich.

Auch ich empfinde meine Probleme als lächerlich, weil ich mich immer mit aus meiner Sicht noch schlimmeren Fällen vergleiche...und immernoch immer wieder eine Entschuldigung für das Verhalten meiner Mutter suche...

Lerana, Du brauchst dich bei mir nicht zu entschuldigen, weil ich deinen Beitrag nicht als "Jammern" ansehe. Du hilfst mir sehr damit mich an deinen Erfahrungen teilhaben zu lassen. Und auch ich habe einen Kloß im Hals und merke schon, dass ich wieder aufhöre zu atmen und nicht weinen kann, obwohl ich es will...

Auch ich sage mir immer wieder, dass es normale Gefühle sind und ich ein Recht auf Trost habe und auch darauf ernst genommen zu werden. Das Gefühl dafür ist nur nicht da. Vielmehr die Einsamkeit alles allein bestehen zu müssen, so wie es immer war. Auch ich habe entsetzliche Angst davor, mich vollkommen zu öffnen und fallen zu lassen. Es ist so als würde ich mich vor meinem Therapeuten nackt ausziehen müssen.

Ich hoffe auch für Euch, dass Ihr den richtigen Weg findet und suche auch gern gemeinsam danach. Alleine würde ich es nicht schaffen...

Wie kommt ihr eigentlich im Job zurecht? Habt Ihr dort auch mit Spannungszuständen zu kämpfen?

Liebe Grüße
Jessy
no name
Beiträge: 425
Registriert: 29. Okt 2008, 11:09

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von no name »

Hallo Jessy,

Über dein Beispiel, Kissen aneinander zu drücken, musste ich ein wenig schmunzeln, weil mein Therapeut in der vorletzten Sitzung zu mir sagte, ich solle mal kräftig gegen seine Fußsohle treten
Darüber habe ich dann gelacht und es nach mehrmaliger Aufforderung gemacht, allerdings nicht so stark, wie er es wollte...

Ja, selbst bei meinem Psychiater ging es mir so, als er merkte unter welcher Anspannung ich stand, stellte er eine Taschentücherbox die er auf seinem Schreibtisch hatte vor mich hin und forderte mich auf diese nach ihm zu werfen, da er meinte, dass die Ursache für diese extreme Anspannung Wut sei.
Da konnte ich dann trotz der großen Anspannung auch lachen, hab's aber natürlich nicht getan. Woraufhin er anfing mich so richtig zu provozieren, damit ich diese Box endlich nach ihm werfe. Ich konnte es trotzdem nicht. Und als er wohl merkte, dass sich bei mir durch die Provokation noch mehr Druck aufbaute, hat er es dabei belassen.
Übrigens ein sehr kompetenter und bemühter Psychiater, zu dem ich sehr viel Vertrauen hatte (leider arbeitet er nicht mehr in dieser Institutsambulanz).
Von ihm hab ich einmal eine Gefühlesammlung in Form eines „Gefühlsrad“ erhalten und er hat mir dazu eine Tabelle aufgezeichnet, in der ich täglich eintragen sollte, welche Tätigkeiten, wahrgenommene Termine, Gespräche mit Familie, Freunde und selbst Dinge die z. B. im Haushalt anfielen und mit Hilfe des Gefühlsrades direkt im Anschluss an die Aktivität eintragen, welches Gefühl ich dabei empfunden habe.
Eine äußerst schwierige Aufgabe, da ich zu dem Zeitpunkt keinerlei Zugang zu meinen Gefühlen hatte. Ich konnte zwar das Gefühl an Hand der Begriffe zuordnen, aber das Spüren war dennoch nicht vorhanden.
An jedem Termin bei meinem Psychiater über viele Monate hinweg sind wir meine Aufzeichnungen gemeinsam durchgegangen, er gab mir Tipps und Anregungen, die er teilweise schriftlich in meinen Aufzeichnungen fixierte, damit ich damit besser zurechtkomme.
Es hat sehr lange gedauert, aber was ich dabei gelernt habe, ist einfach dem Gefühl das ich meinte in dieser Situation zu empfinden, wirklich nachzuspüren und zu überprüfen, ob es sich denn so richtig anfühlt.
Durch das schriftliche fixieren, konnte ich es mir auch besser vor Augen führen.
Der nächste Schritt war dann, die Situationen zu analysieren, in denen ein bestimmtes Gefühl auftaucht (z. B. das Gefühl der Anspannung) und zu erkennen, bzw. zu bewerten, ob dieses Gefühl für diese Situation passend ist und was genau dieses Gefühl auslöst.
Das Ziel war, solche Gefühle schneller zu erkennen und anders reagieren, bzw. damit umgehen zu können. Manchmal auch festzustellen, dass ich dieses jeweilige Gefühl falsch bewerte, ja, ich möchte fast sagen, mich in die Irre führen lasse oder was wohl viel entscheidender war, gerade bei Gefühlen wie Anspannung, Nervosität, Angst, Sorge etc. zu erkennen, diese möglichst richtig zu bewerten (meist fand hier von meiner Seite eher eine Überbewertung statt), da es sonst natürlich in einer Spirale von weiteren unangemessenen Gefühlen (evtl. Schuldgefühle, Verzweiflung, Ärger/Wut/Zorn – den ich dann in erster Linie gegen mich selbst richte, usw.).

Ein schwieriges Unterfangen, aber es hatte insgesamt den Erfolg, dass ich anfing meinen Gefühlen nachzuspüren und noch heute in meiner jetzigen Therapie auch noch viel intensiver auf diesem Weg bin.

...Leider ist meine Stresstoleranz mittlerweile sehr sehr niedrig, sodass ich diese Empfindungen schon bei- objektiv gesehen- kleineren Anlässen habe. Insbesondere im Job ist dies ein Problem für mich, da ich im Kundenverkehr tätig bin.

...Leider habe ich das Gefühl ganztags im Job. Hier ist es natürlich sehr schwierig, den Druck abzubauen. Ich könnte mich manchmal bockig auf den Boden schmeißen...

Liebe Jessy, dass kann ich sehr gut nachvollziehen, dass bei dir selbst kleinere Anlässe schon ausreichen, um in entsprechende Zustände zu geraten.
Bei mir sind es auch oft nur banale Dinge, die mich nach wie vor sehr schnell an meine physische und psychische Belastungsgrenze bringen.
Aber du hast ja z. B. erkannt, dass deine Spannungszuständen Wut bedeuten, und das finde ich, ist schon einmal der erste Schritt.
Als nächstes könntest du evtl. mal versuchen, dieser Wut ein Stück näher zu kommen, nachzuspüren wo im Körper diese Wut sitzt, sie besser kennenzulernen und wenn dies möglich ist ihr dann zumindest für einen Moment ein wenig mehr Raum zu geben.
Das ist das, was ich die letzte Zeit in der Therapie bearbeite und wo ich merke, dass mich dies vorwärts bringt, wenn auch nur sehr, sehr langsam und das fordert sehr viel Geduld von mir und mit mir.
Also, nicht nur Kissen gegeneinander drücken oder gegen Fußsohlen treten , sondern einem Gefühl Raum geben und es damit allmählich zulassen zu können.
Ganz und gar nicht einfach wie ich merke, aber ich habe das Gefühl eine wichtige Spur zu verfolgen.

Für den Alltag, bzw. für den Feierabend könnte dir ja vielleicht auch das schriftliche Fixieren und damit das Bewerten und Analysieren einzelner Situationen helfen und so ein wenig den Druck rauszunehmen.
Denn vor Ort und noch dazu im Kundenverkehr ist es schon mehr als schwierig die Spannungszustände abzubauen, ein Ventil zu finden, denn selbst das kurzzeitige Verlassen der Situation ist in so einem Fall ja meist nicht möglich.

So, das war jetzt ein halber Roman, aber ich hoffe, ich konnte dir evtl. ein paar Anregungen geben.

Viele Grüße

no name
Lerana
Beiträge: 2088
Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Liebe Jessy,

danke für dein Posting. Ich bin froh, mal jammern zu dürfen.

Zur Anspannung kann ich auch einiges sagen. Um diese überhaupt erstmal wahrzunehmen, habe ich für eine Zeit ein Anspannungsprotokoll geführt. Ich habe für jede Uhrzeit mit einem Kreuzchen in eine Koordinatensysthem notiert, wie hoch meine Anspannung auf einer Skala von 0 -100% lag und dazugeschrieben, was ich zu der Zeit gemacht habe. Das ist dann wohl dem Gefühlsrad recht ähnlich.

Das hat mir geholfen, überhaupt ersteinmal belastende Situationen aufzuspüren und in mich reinzuhören.

Ich habe dann festgestellt, dass ich vor allem vor dem Job besondes angspannt war (So nach dem Mott: Das schaffst du nie!) Nachhher habe ich dann oft gedacht: Doch geschafft, bevor es wieder von vorne losging, weil ich dachte, ich schaffe den Nachmittag mit meinem Sohn nicht. (Traurig, wenn das eine Mutter sagt, aber ich wusste manchmal nicht, wie ich die fünf Stunden bis er ins Bett geht, überstehen soll, dabei ist er ein absolut tolles, frohes und hinreißendes Kind.)

Aber auch während des Jobs wusste ich manchmal nicht, wie ich mit der Anspannung umgehen sollte. Ich musste zum Teil einen Kollegen bitten, kurz zu übernehmen, damit ich mich auf der Toilette erst mal wieder sammeln konnte. Als Grundschullehrerin gar nicht so einfach. Die Verantwortung für über 20 Kinder und gleichzeitig das Gefühl nur im eigenen Kopf zu existieren, hat mich oft fertig gemacht. Ich habe es aber doch hinbekommen! Eine Zeit lang habe ich leider sehr verzwifelt reagiert (SVV), aber das können wir hier nicht besprechen. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei.

Meine Therapeutin hat mit mir überlegt, was ich gegen die Anpannnung tun kann. Die Tipps reichten dann von Atemübungen, über Treppenlaufen bis hin zu in Zitronen oder auf ein Pfefferkorn beißen. Da kam ich mir auch erstmal dämlich vor, aber igendwie hat es funktioniert.

Jetzt versuche ich, schon vorher mitzukriegen, wenn die Anspannung steigt und mir dann ganz bewusst was Gutes zu tun. Leider brauche ich dafür noch oft meinen Körper und so merke ich es doch oft erst dann, wenn meine Finger zitern, mein Herz stolpert oder meine Knie weich werden, so wie eben beim Blick in den Terminkalender.

Ich habe als mein neues Motto: Don´t run! Und versuche, mich daran zu halten. Was ich in Ruhe nicht schaffe, bleibt eben liegen. Aber leider brauche ich dazu noch sehr viel Kognition. Das Gefühl der Gelassenheit hinkt hinterher.

Was den Job betrifft, leide ich leider immer wieder an Versagensängsten.

Ich weiß ja nicht ob dir das hilft, aber so war es oft bei mir beim Arbeiten. Mittlerweile geht es mir aber viel besser. Ich habe meine eigenen Ansprüche an mich hinterfragt und dem Feedback meiner Kollegen, Eltern und Kindern mal zugehört. Scheinbar waren außer mir alle recht zufrieden mit meiner Arbeit. Jetzt denke ich, ich mache das gar nicht so schlecht. Doch auch hier hinkt das Gefühl hinterher, denn alte Muster schleichen sich leider schnell wieder ein.

Lang, länger, am längsten. Ich hoffe es nervt nicht!

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Eva-M
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Eva-M »

Hallo,

die Idee mit dem Gefühlsrad find ich gut. Habs gleich mal gegoogelt und mir eines ausgedruckt. Mal sehen was bei mir rauskommt wenn ich mich damit ne weile beschäftige....

Gruß
Eva
Salvatore
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Salvatore »

Hallo,

ich finde das Gefühlsrad auch toll, vielen Dank für den Tipp!
Unter http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=& ... F05LrDVaGA

gibt es eine pdf Datei, wo man das Gefühlsrad (zum Zusammenkleben) ausdrucken kann.

Lg, Salvatore
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no name
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von no name »

Hallo Eva-M, hallo Salvatore,

ich wünsch euch viel Erfolg mit dem Gefühlsrad, wie gesagt mich hat es auf jeden Fall weiter gebracht.

Salvatore, vielen Dank für den Link!

Viele Grüße

no name
Lerana
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Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Lerana »

Hallo Jessy,

ich fand den Austausch mit dir hier sehr spannend. Leider geht es mir im Moment nicht so gut, deshalb ziehe ich mich für eine Zeit hier raus. Wenn dich Näheres interessiert: Ich habe einen Beitrag unter Umgang mit der Krankheit gepostet.

Herzliche Grüße, vielen Dank und alles, alles Liebe!
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
I-AAH
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von I-AAH »

...
Salvatore
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Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Salvatore »

Hallo I-AHH,

das ist gerade auch mein Thema. In der Therapie geht es für mich aktuell darum, Gefühle wahrzunehmen, zu erkennen und auch eine Bezeichnung zu finden.
Ich habe festgestellt, dass ich ein emotionaler Eisblock bin. Dass ich mehr Kopf- als Gefühlsmensch bin, ist mir ja schon lange klar; jetzt stelle ich fest, dass ich insgesamt Probleme habe, Gefühle zu erleben, bei mir läuft auch das eher rational ab, sozusagen "Aha, zu dieser Situation passt dieses oder jenes Gefühl, also handele ich jetzt danach."

Tja, das erklärt wohl auch, warum ich mich besonders gut "abgrenzen" kann in dem Sinne, dass ich mir die Problem von anderen nicht zusätzlich auflade. Und es erklärt wohl auch, warum ich so ein "dickes Fell" habe...

Irgendwie erschütternd. Ich kenne die Gefühle, weil ich sie bei anderen wahrnehme. Bei mir? Fehlanzeige.

Weil ich den angesprochenen Gefühlskreis nicht kannte, habe ich den mal gegoogelt und bin auf den Link gestoßen. Habe ich mir gleich ausgedruckt, den Kreis sogar zusammengeklebt und die Liste liegt vor mir auf dem Tisch.
Ich schaue sie mir nebenbei an und forsche nach Situationen, in denen ich das eine oder andere Gefühl selbst hatte und versuche, in diese Situation zurückzugehen. Bislang mit eher mäßigem Erfolg, aber wir werden sehen, wo mich das noch hinführt.

Vielleicht kann man das wirklich üben? KVT'ler würden sicher überzeugt ja rufen. Schaumerma.

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
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Jessi1980
Beiträge: 450
Registriert: 25. Jan 2010, 18:23

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von Jessi1980 »

Hallo,

ich melde mich am Wochenende wieder. Im Moment geht´s mir nicht so gut.

Liebe Grüße
Jessy
HäNsChEn

Re: Wie baut Ihr aufgestaute Gefühle in der Therapiesitzung ab?

Beitrag von HäNsChEn »

Guten Morgen!

Ich hätte da evtl. auch einen Tip für euch wegen dem Gefühlsrad. Hab mal gegoogelt und da wurde mir u.a. dieses Buch hier präsentiert. "Jeden Tag weniger ärgern!-Das Anti-Ärger-Buch" von Vera F. Birkenbihl. Da ist auch was mit dem Gefühlsrad drin, anscheinend gibts da auch eine Version mit Poster. Weiß es nicht genau. Ich werd nachher mal im Weltbild-Laden bei uns reinschauen.

Danke für euren Anreiz zu diesem Thema!!! Das hat mich sofort angesprochen und ich habe gleich mal recherchiert. Bin ja eh schon ewig wach heute


LG Yvi
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