Kommen die Gefühle wieder?

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Wueste
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Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von Wueste »

Liebe Beitragsleser,

ich leide seit einem Nervenzusammenbruch im Sommer 2011 an Depressionen. In diesem Zusammenhang sind auch die Gefühle für meinen Mann und für meine Tochter so ziemlich erloschen. Im Oktober konnte ich mich nicht einmal von beiden berühren lassen, was besonders für meine Tochter (9 Jahre) sehr schlimm war. Ich bekam von meiner Psychaterin Venlafaxin verschrieben. Die Tabletten halfen mir, mich einigermaßen den alltäglichen Anforderungen des Lebens stellen zu können und auch zu einem Gute-Nacht-Kuss für meine Tochter konnte ich mich überwinden. Aber mehr war und ist nicht drin.

Es scheint mir, dass sich meine ganzen Emotionen nur noch auf eine andere Person konzentrieren, ein guter Freund, der wohl doch mehr für mich ist als das. Und z.Z empfinde ich für meinen Mann einen gewissen Ekel, was die Sache nicht einfacher macht.

Ein zweiter Nervenzusammenbruch folgte vor wenigen Tagen. Habe nun eine Einweisung in eine Klinik bekommen. Als Diagnose stand dort "schwerwiegende Depressionen/Dysthymie" drauf. Eigentlich ging ich von einer leichten bis mittelschweren Depression aus. Nun bin ich darüber doch etwas "geschockt", da ich meinte, dass ich eher zu bipolarität neige (wegen starker Zuneigung zum Freund), sie das aber nie kommentiert hat.

Können sich die Emotionen in den Ebenen verschieben? Kommen die Gefühle für meinen Mann und meiner Tochter wieder?

Bin super ratlos, welches Ziel ich nach der Klinik ansteuern soll. Mein Mann hat extreme Angst, dass ich mich von ihm trennen könnte.

Ein empfindliches Schaf
pero
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von pero »

Es wird Dir niemand sagen können ob die Gefühle wiederkommen wie Dir auch niemand sagen kann welche Gefühle den "Echt" sind.
Allerdings haben AD's auch durchaus Einfluss auf die Gefühle, vielleicht wäre es eine Idee mal etwas anders auszuprobieren.

lg
pero
Was die Raupe Ende der Welt nennt, nennt der Rest der Welt Schmetterling.
DYS-
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von DYS- »

Hallo empf. Schaf,

Auf einer Einweisung muss eine Diagnose stehen, die den Krankenhausaufenthalt vor der Krankenkasse rechtfertigt.

Hin und wieder ist diese Diagnose nicht ganz korrekt. Eine genaue Diagnostik findet aber in der Klinik statt,

Gruß dys
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
Wueste
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von Wueste »

Hallo Pero,

nun, die Gefühle für den Freund waren schon vor dem Zusammenbruch da, sie sind lediglich intensiver geworden. Ein neues AD - damit tue ich mich verdammt schwer, da die Einschleichphase relativ schlimm war. Ich bin froh, dass ich jetzt so gut wie keine Nebenwirkungen spüre und ich nicht ständig weinen muss. Klar kommt das noch vor, aber nicht mehr so häufig. Und so langsam habe ich auch mal 1 oder 2 gute Tage hintereinander. Das ist trotz einer Einnahmezeit von 4 Monaten etwas Neues für mich. Warum sollte ich jetzt unbedingt wechseln?

Liebe Grüße
ein empfindliches Schaf
Wueste
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von Wueste »

Hallo dys,

die gleiche Diagnose ging auch als Bericht an meinen Hausarzt, das war im November. Da sprach noch keiner von einem Klinikaufenthalt. Ich finde es nur komisch, dass mir die Ärztin nicht klipp und klar sagt, dass ich dieses und jenes habe. Selbst zum Thema bipolar hat sie sich mir gegenüber nicht geäußert.

Dient das vielleicht zum Schutz, dass ich nicht ständig in der Vergangenheit wühlen soll? Ich grübel sowieso schon sehr lange darüber, was bei mir in der Familie der Auslöser war, denn meine Ärztin sieht einen großen Konflikt zwischen mir und meinem Mann bzw. meiner Tochter.

Ich bin so froh, dass ich arbeiten kann und auf der Arbeit so fröhlich bin, wie früher. Doch zu Hause sieht es leider anders aus.

Liebe Grüße
ein empfindliches Schaf
pero
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von pero »

Hallo Schaf,
ich hatte das vorgeschlagen weil ich verstanden hatte das Du darunter leidest das die Gefühle für Deinen Freund verschwunden sind.
Ich glaube das es bei allen AD's immer eine Frage der Abwägung ist.

lg
pero
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jolanda
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von jolanda »

Hallo!

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die Gefühle wieder kommen. Das kann allerdings auch mal sehr lange dauern.

Venlafaxin ist dafür bekannt (und auch bei mir war es so), dass es die Libido senkt (ausschaltet) und auch wenn man Sex hat bleibt es unbefriedigend. Das kann auch dazu beitragen, dass du dich vor deinem Mann ekelst.

Nur weil du solche Gefühle gegenüber deinem Freund hast, heißt das noch nicht, dass du bipolar bist.
Bei einer bipolaren Erkrankung wechseln ja Depressionen und überhöte entweder hypomane oder manische Phasen einander ab. In welchem Rhythmus das kann sehr unterschiedlich sein. Auch die Ausprägung. Oft ist es so, dass eine Seite (z.B. Depressiv) überwiegt.
Hattest du mal so eine überhöhte Phase? Und wenn ja, weiß dein Arzt davon?

Dass Anfangs nicht von Klinik die Rede war, ist eigentlich verständlich. Vielleicht war dein Zustand da nicht kritisch. Aber wenn es so lange anhält, dann kann man natürlich schon irgendwann darüber nachdenken.
Wie schwer deine Depression ist, spielt eigentlich doch nicht so eine große Rolle. Wenn dir Klinik evtl. hilft, wieder auf die Beine zu kommen, dann würde ich dir dazu raten.Und ja, es muss was auf der Einweisung stehen, was sie rechtfertigt. Die Diagnostik findet dann auch nochmal dort statt, das ist richtig.

LG, jolanda


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Blümli
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von Blümli »

^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
Annalena2000
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von Annalena2000 »

Hallo Ihr Lieben,

Ihr diskutiert über ein Thema, das mich auch gerade brennend beschäftigt.
Ich bin vor kurzem umgezogen und hatte seit damals einen heftigen Depressionsschub (vorher ging es ohne AD, jetzt nur mit). Nach dem Ortswechsel lebt ich auf wie eine Blume im Frühling. Mir wurde klar, wie sehr die gräßliche Wohnsituation (mobbende Nachbarn und psychopatischer Vermieter) sämtliche Kindheitstraumata in mir wieder aufkochen ließen.
Nun dachte ich, das sei vorbei und mein Mann und ich können endlich wieder unbelastet und konstruktiv miteinander reden.

Aber nun geht es wieder los in Form meiner Stieftochter. Ein riesiger Streßfaktor in der alten Wohnung war die Tatsache, dass mein Mann vor Jahren gegen meinen Willen seine halberwachsene Tochter bei uns einziehen ließ. Damit ging die Katastrophe erst richtig los, denn die junge Dame verstand es prächtig, ihren wegen der Scheidung in Schuldgefühlen zerfließenden Vater bestens zu ihren Zwecken zu manipulieren. Böse war dann nicht sie, die z.B. es nicht fertigbrachte, ihr schmutziges Geschirr in die Spülmaschine zu räumen, sondern ich, die böse Stiefmutter, die das arme Häschen dazu aufforderte, es zu tun. Darüber reden konnte man nie, da die Tochter sich stets vor allen Gesprächen drückte. Mich hat das alles erst richtig krank gemacht und ich war so froh, als sie auszog und wir in eine kleine Wohnung zogen, in der es kein Zimmer für sie mehr gibt.
Nun fängt es aber wieder an: Hinter meinem Rücken wird die Tochter für mehrere Tage eingeladen und ich erfahre es einen Tag zuvor. Äußere ich Kritik, stellt mein Mann mich als "die Böse" dar, die ihn von seinen Kindern trennen will. Da wird er dann immer laut und schreit, er diskutiert nicht mehr mit mir.
Das einzige, was ich will, ist: Dass die Besuche vorher mit mir abgesprochen werden und ich nein sagen kann, wenn es mir nicht paßt.
Wißt ihr, ich glaube, ich habe nicht mehr den Nerv für diese Grundsatzdiskussionen. Damit sind wir wieder beim Thema dieses Threads: Wenn jede Diskussion um die "heilige Kuh Stieftochter" wieder in der üblichen Schwarzweißmalerei und der Glorifizierung meines Mannes als väterlichen Helden enden, dann lösen sich sämtliche Gefühle von Liebe in mir in Luft auf. Ich weiß auch nicht, ob ich die wieder zurückholen kann, da geht es mir wie euch. Vielleicht geht das irgendwann nicht mehr, aber deshalb muss das jetzt nicht bei euch genauso sein.

Ich glaubte zwar, dass ich meinen Mann liebe, aber wenn ich ehrlich bin, hört er mir nie zu und es interessiert ihn auch nicht, was in mir vorgeht. Genauso wie in meiner eigenen Familie damals. Da galt auch die Devise: Klappe halten und alles schlucken und ansonsten unsichtbar sein.

Sicher vermischt sich durch die Depression da einiges, aber ich will das einfach nicht mehr. Ich glaube, ich sollte wirklich die Umzugskisten erst gar nicht auspacken, sondern gleich wieder umziehen, in eine eigene Bleibe.
Annalena
ghm
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von ghm »

Hallo Annalena,

meine Depression stellt mir permanent die Frage, "entspricht das, was ich lebe meinem Selbst?".

Wenn ja, geht es mir besser, wenn nein merke ich das Annähern.

Dumm für mich ist, dass ich einer Arbeit nachgehe, die mir nicht entspricht und meine Liebste am anderen Ende der Republik wohnt und wir uns nur selten sehen.

So wie es sich ließt, leben Dein Mann und Du in anderen Kommunikationswelten.

Vielleicht könnte eine Paartherapie helfen, dass ihr Euch besser zuhört.
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
Wueste
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von Wueste »

Ich bin wieder da!

@jolanda
>>Das kann auch dazu beitragen, dass du dich vor deinem Mann ekelst.<<
Danke, dass Du uns allen etwas Mut machst. Aber das Ekelgefühl für meinem Mann entstand dadurch, dass ich beim Sex sein Nasenspülwasser in den Münd bekam (jeden Abend Nasenspülung, das Wasser + Sekret läuft noch 30 Minuten nach der Spülung aus den Nebenhölen). Er lässt sich unheimlich gehen, leckt bei Tisch den Teller ab und kleckert dabei seine Kleidung voll, er fängt an zu schmatzen und andere Dinge). Das hat er vorher nicht getan oder es fiel mir nicht auf.

>>Bei einer bipolaren Erkrankung wechseln ja Depressionen und überhöte entweder hypomane oder manische Phasen einander ab. In welchem Rhythmus das kann sehr unterschiedlich sein. Auch die Ausprägung. Oft ist es so, dass eine Seite (z.B. Depressiv) überwiegt. Hattest du mal so eine überhöhte Phase? Und wenn ja, weiß dein Arzt davon?<<
Ja, im letzten Jahr das erste Halbjahr war ich sehr "beschwingt". Im Gedanken war ich meinem Mann gegenüber sehr überheblich, das ist nicht meine Art. Ich strotzte nur so vor Selbstbewusstsein. Ich war 3 x die Woche eine Stunde mit Nordic Walking zugange und war unheimlich schnell geworden (innerhalb eines Jahres). Hinterher fühlte ich mich richtig ausgelaugt aber auch irgendwie toll. Es ist fraglich, ob das Selbsbewusstsein durch die Bewegung so extrem zum Vorschein gekommen ist. Es kann aber auch sein, dass mir am Anfang des Halbjahres bewusst wurde, dass mein "Freund" sich für mich interessiert und ich dadurch den Aufwind bekam (dachte immer, ich wäre ein häßliches Entlein - mein eines Augen ist asymetrisch, wurde in der Jugend viel gemoppt und dachte immer, dass mich keiner mag). Die Ärztin weiß das, ihrer Ansicht nach fehlen aber mehrere Merkmale für bipolar.
Wueste
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von Wueste »

Hallo Blümli,

das, was Du da schreibst ist gar nicht mal so weit hergeholt. Diese Gedanken hatte ich ebenfalls schon. Beim Gespräch mit der Psychaterin kam zum Vorschein, dass ich wohl als Kind von meiner Mutter zu wenig Aufmerksamkeit/Liebe bekommen habe (habe noch 3 weitere Geschwister). Ich glaube, ich bin der Traum aller Psychologen, da ich so etwas von Durchschaubar bin. Da hat die Psychaterin nur eine kurze Frage gestellt, und schon sprudelte aus mir alles heraus und ich landete nach 5 Minuten Dialog bei meiner Kindheit.

>>dass er im Grunde genommen auch vorher schon ( unbewusst) aus diesen Gefühlen raus wollte und ihm dieser Gefühlseinbruch - "unverschuldet" - genau da rausführte?<<

Bei mit es es auch der Gedanke, dass ich meinen Mann aus Dankbarkeit geheiratet habe, dass er sich überhaupt für mich interessierte. Damals dachte ich noch: Wir könnten auch gute Freunde sein, das müsste die perfekte Ehe abgeben. Meine letzte Beziehung war für mich nicht einfach: Schläge, zum Sex gezwungen, er wollte nicht aus gemeinsamer Wohnung ausziehen. Am Ende war er arbeitslos und ich hatte 30.000 EUR Schulden, die ich allein abgezahlt habe. Danach diverse Gerichtsverfahren, die nun svor 4 Jahren endlich ad akta gelegt werden konnten.

>>Du schreibst von Dir ja auch, dass Du jetzt Deine Emotionen konzentriert auf eine andere Person gerichtet hast. Doch Emotionen sind doch nichts anderes als Gefühle.
Ich denke, dass auch Du Dir Deiner Gefühle zu Deinem Mann vor dem Nervenzusammenbruch nicht in dem Maße bewusst warst, als dass Dir ein Zusammenhang kommen könnte.<<

Ja, das könnte durchaus sein. Ich kann hier nicht widersprechen, zumal die Gefühle für den anderen ganz anders sind. Zum ersten Mal fühle ich eine innere Verbundenheit und Vertrautheit, wenn er mich anschaut, schaut er mir direkt ins Herz. Das kannte ich bisher noch nicht.

>>Möchtest Du überhaupt, dass Deine Gefühle für Deinen Mann wieder kommen<<

Sei Dir sicher, ich finde diese Frage nicht provokant, da ich mich in meiner Gefühlswelt nicht zurechtfinde. Ich dachte schon so oft in meinem Leben, dass ich verliebt sei. Doch recht schnell hat sich das wieder gelegt. Zur Zeit möchte eigentlich nur meine Ruhe und meine Freiheit. Diese Frage kann ich also nicht mit ja beantworten. Aber da ist ja noch mein empfindliche 9-jährige Tochter...

>>... und, hat Deine Mann nicht berechtigte Sorge, dass Du Dich evtl. von ihm trennen möchtest ?<<
Ich habe mit meinem Mann darüber gesprochen, dass so etwas passieren kann und er war nicht überrascht, da er so etwas ja auch schon ahnte.

>>Ich hoffe Du fühlst Dich jetzt von mir nicht angegriffen, weil das möchte ich auf gar keinen Fall. Ich erhoffe mir von Deiner Sichtweise etwas mehr Klarheit für mich.<<

Liebe Blümli, keineswegs fühle ich mich angegriffen. Ich suche schon seit so langer Zeit die Ursache und bin mir recht sicher, dass mein Mann eine zentrale Rolle darin spielt. Nur mit meiner Vorgeschichte rücke ich wohl etwas von Deinem Freund ab, denn die spielt wohl auch eine wesentliche Rolle.

Komisch ist auch, dass meine Selbstliebe nicht so sehr darunter leidet - ok, ab und zu kann ich mich nicht im Spiegel anschauen. Aber mit dem Altern kam die Erkenntnis, dass Äusserlichkeiten im Grunde kaum eine Rolle spielen, nur die Narben in meiner Seele sind immer noch vorhanden und treten manches Mal (bei Misslingen von irgendwelchen Sachen) stärker hervor.

Vielleicht kannst auch Du das eine oder andere für Dich verwerten.

Liebe Grüße

ein empfindliches Schaf
Wueste
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von Wueste »

Und noch einmal ich ...

Es ist wirklich nicht einfach, Gefühle zu empfinden, wenn es einem nicht leicht gemacht wird. Auch, wenn ich z.Z nur wenig Symphtome der Depression zeige (ausser, dass ich mich möglichst in meinen Raum aufhalte, am PC sitze oder Klavier spiele) macht mir mein Mann das Leben nicht leichter. Okay, ich habe vor den Nervenzusammenbrüchen ALLES gemacht, nebenbei habe ich noch 2 Tage voll garbeitet. Neben der gesamten Hausarbeit führe ich die Finanzen, erledige Überweisungen, sämtlichen Schriftverkehr (wir vermieten noch 2 einzelne Wohnungen), kümmere mich um Geschenke aller Art von der gesamten Familie (12 Personen + mein Kind - Ostern, Geburtstag, Weihnachten usw.), forsche im Internet nach Neuanschaffungen, die immer wieder vorkommen und und und. Gesundes essen (natürlich keine Fertignahrung) mit einer Zubereitungszeit von mindestens einer Stunde am Tag stand ebenfalls an. Mein Mann kam von der Arbeit, setzte sich an den gedeckten Tisch oder joggte eine Stunde, liest mit meiner Tochter 10 Minuten und am Wochenende bügelt er vielleicht mal 1 oder 3 Oberhemden, übrige Wäsche mache ich. Ebenfalls kümmere ich mich um Termine mit Freunden, Termine meiner Tochter, Arzttermine für die gesamte Familie usw. So oft sagte mir mein Mann, dass ich die perfekte Frau sei, er könne keine Fehler bei mir feststellen. Ich habe bestimmt noch eine Menge vergessen, aber es war einfach zu viel.

Nun ist es so, dass mein Mann nach Hause kommt, laufen geht und sich vor allem um die Tochter kümmert. Er räumt den Tisch ab, liest mit der Tochter und wir bringen sie beide ins Bett.

Leider vergaß ich, dass meine Tochter für heute eine Spielverabredung hat und die Schwiegereltern sie daher nicht von der Schule abholen müssen. Mein Mann schrie mich gestern dafür an, als er das erfuhr. Er lief runter in den Keller, schlug gegen den Boxsack, kam wieder hoch und entschuldigte sich sichtbar beherrscht bei mir. Ein Anruf bei den Schwiegereltern und alles war erledigt. Doch ich fühle mich wie ein getretener Hund, und das schon den ganzen Tag. Er ist leider jähzornig, und hat schon so einige Sachen in seiner Wut zerstört. Er würde aber nie die Hand gegen mich erheben (sagt er). Offensichtlich geht ihn die Krankheit auch so ziemlich an die Nerven.

Mal ganz ehrlich: Wie sollen da die Gefühle wiederkommen. Zur Zeit sehe ich nur negative Seiten an ihm. Und Sex....er braucht kein Sex (war eh nur lästig für ihn, immer musste ich anfangen)"lieben kann man auch so" (super, er vielleicht, ich nicht!) Das letzte Mal ist schon ein 3/4 Jahr her. Nicht gerade die beste Voraussetzung. Ich könnte auch bei ihm bleiben, er würde akzeptieren, dass ich ihn nicht mehr liebe. Doch über kurz oder lang würde ich ihn hintergehen müssen, und das will ich nicht. Dann lieber allein sein.

Liebe Grüße
ein empfindliches Schaf (welches sich heute getreten fühlt)
Annalena2000
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von Annalena2000 »

Liebes "Schaf",

wenn ich deinen letzten Beitrag lese, könnte der auch von mir stammen.
Dass dein Mann Anerkennung zeigt, indem er dich als "perfekte Frau" bezeichnet (auch wenn du das nicht so toll fandest), ist doch ein Zeichen, dass er dir Wertschätzung entgegenbringt. Oder empfindest du das anders?

Auf so etwas kann ich bei meinem Mann leider warten. Der würde mir dann noch an den Kopf werfen, dass ich ständig nörgle, wenn ich z.B. ihn darum bitte, seine Zigaretten nicht überall in der Küche herumliegen zu lassen. Meistens habe ich die Dinger stillschweigend aufgeräumt und meine Wut und meine Traurigkeit in mich hineingefressen.
Könnt Ihr denn noch irgendwie spüren, dass ihr ein Paar seid? Irgendwelche Gespräche führen, in denen es um euch geht und nicht um den Alltag? Bei uns geht das seit einiger Zeit nicht mehr.

@Gregor: Ja, wir reden sicher aneinander vorbei. Eine Paartherapie haben wir schon gemacht. Da war mein Mann ganz erstaunt, dass ich unserer Ehe nur noch 5% "Überlebenschance" einräumte. Damals waren ganz schlimme Dinge passiert, die er aber wie üblich als "nicht der Rede wert" erachtete. Ich glaube, die Voraussetzung für eine Paartherapie oder was auch immer wäre, dass beide Respekt und Wertschätzung für einander haben. Die ständigen Ausweichmanöver und das Desinteresse meines Mannes lassen mich aber vermuten, dass das bei ihm nicht mehr der Fall ist.
Gregor, du schreibst immer so wunderbare Beiträge und bringst so vieles auf den Punkt. Wenn ICH deine Liebste wäre, würde ich quer über den Erdball zu dir eilen!!!!

Viele Grüße an alle
Annalena
ghm
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von ghm »

Hallo Annalena,

wenn meine Liebste das täte, müsste Sie wichtige Teile Ihres Lebens, Ihre Kinder, zurücklassen.

Damit würde sie aber wohl einen Teil ihres Selbst aufgeben. Das will ich aber nicht.

Wir werden zusammen eine Lösung finden, die uns Beiden gut tut.
Wie Du richtig schriebst, in gegenseitiger Achtung und in Respekt vor einander.
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
Wueste
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Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von Wueste »

Liebe Annalena,

genau das ist es,was mir fehlt. Ich empfinde ihm gegenüber nicht den Respekt geschweige denn Wertschätzung, die ein Partner haben sollte. Es reicht bei mir nur noch für Freundschaft.

>>Könnt Ihr denn noch irgendwie spüren, dass ihr ein Paar seid? Irgendwelche Gespräche führen, in denen es um euch geht und nicht um den Alltag? Bei uns geht das seit einiger Zeit nicht mehr.<<
Vor Jahreswechsel habe ich mehrmals auf unterschiedlichen Wegen versucht, seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken (neue hübsche Unterwäsche, nett Essen gehen, eine Umarmung etc. aber es kam von meinem Mann irgendwie nichts zurück. Die Unterwäsche hat er nicht bemerkt, beim Essen im Restaurant ging es um unsere Tochter und seine Arbeit und die Umarmung hat er nicht wahrgenommen, da der Fernseher lief (war ihm wohl wichtiger). Und überhaupt ist es so, dass ich ihm vor meinem Zusammenbruch 3 mal sagte, dass er sich ein bissche mehr um mich kümmern sollte. Aber er kümmerte sich nur um die Tochter. Die braucht ihre Streicheleinheiten. Wenn er mich überhaupt mal in den Arm nahm, dann kam meine Tochter gleich dazwischen und war eifersüchtig. Wenn die Tochter im Bett ist, bin ich vergessen, es existiert dann nur noch der Fernseher. Und darüber haben wir mehrmals gesprochen, es hat sich leider nichts geändert.

Dass meine Psychologin mir dann den Rat gab, bei der Psychotherapie auf keinen Fall einer Paartherapie zuzustimmen, hat mir eigentlich nur die Augen geöffnet. Denn ich möchte noch mehr erleben, nicht nur den blöden Fernseher jeden abend anhaben. Mein Mann geht ungerne aus, im letzten Jahr waren wir 3 Mal essen. Das war alles. Das reicht mir nicht. Ich möchte mal ins Kino oder auch mal in ein Konzert gehen. Früher hat er das doch auch gemacht. Da bin ich immer ihm zuliebe mitgekommen, obwohl ich die Musik nicht mochte. Er hat mir diesen Gefallen nie getan. War die Musik nicht sein Ding, musste ich mir jemand anderen suchen. Und so geht es auch mit Kino und Essen. Alles nach seiner Nase, das Zusammensein und das Zusammenerleben stand nie an erster Stelle.

Ich kann es kaum erwarten, meinen Klinikaufenthalt Ende April anzutreten. Dann komme ich erst einmal für ein paar Wochen raus, der Kopf wird mir zurechgedreht und ich kann dann weitere Entscheidungen treffen.

Es grüßt
das emfpindliche Schaf
Blümli
Beiträge: 782
Registriert: 18. Jan 2011, 18:41

Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von Blümli »

^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
Wueste
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Registriert: 28. Feb 2012, 16:21

Re: Kommen die Gefühle wieder?

Beitrag von Wueste »

Liebe Blümli,

ich versuche, Dir ein besseres Bild von mir zu verschaffen. Durch meine Vergangenheit (Schläge vom Exfreund, zum Sex gezwungen usw.) habe ich einen großen Fehler gemacht; ich habe den erstbesten Mann, der mir seine Liebe zeigte, zum Ehemann gemacht. Ich wollte nur geliebt werden. Nur musste ich jetzt erkennen, dass ich meinen Mann nicht aus Liebe geheiratet habe. Ich war froh, dass ich es wert bin geliebt zu werden. Dieser eine Freund, der mir schon seit Jahren zu verstehen gibt, dass er an mir interessiert ist, ich ja auch an ihn, wir passen viel besser zusammen, haben viele Gemeinsamkeiten, mögen die gleiche Musik, bevorzugen den gleichen Kleidungsstil (ich trage z.B. gerne Kostüme/Etuikleider, mein Noch-Ehemann abgewetzte Jeans, Lederjacke mit Nieten - das sah oft echt komisch aus, wenn wir ausgegangen sind)etc. Doch dagegen konnte ich mich bis vor kurzem wehren (lass dich nicht auf so etwas ein, du bist verheiratet, wenn du dich scheiden läst, bist du die Schande der Familie usw.). Habe die Gefühle einfach nicht wahr haben wollen. Nun ist es aber so, dass ich mein Leben so, wie es bis vor kurzem war, nicht weiterführen will. Ich möchte mehr, als nur auf dem Sofa sitzen. Man kann es auch als Sinnkrise sehen, die auf der Depression sitzt.

>>Es geht mir jedoch aber genau darum, dass ich glaube verstanden zu haben, dass dieses Symptom ( und vielleicht ist das bei anderen Symptomen ähnlich zu sehen) zwar wirklich zur Depression zugehörig zu sehen ist, jedoch aber nicht losgelöst von dem anderen, - was es gleichzeitig neben der Depression immer noch in Verbindung mit diesem Menschen gibt - zu verstehen gilt.<<
Liebe Blümli, ich möchte Dir Deine Hoffnung nicht nehmen, es ist wohl so, dass meist nahestehende Personen des Depressiven mit dieser Gefühlslosigkeit behaftet sind. Die Mutterliebe ist eigentlich etwas, was durch die Krankheit nicht betroffen sein dürfte (lt. meiner Psychaterin). Denn Mutterliebe (damit meine ich die Mutterliebe, welche erst nach 2 - 3 Jahren der Behütung und Ernährung entsteht, nicht die, die nach der Geburt da sein sollte!) gehört zu den "Urinstinkten" eines Menschen. Ich habe hier viel im Forum gelesen, dass ich in dieser Zeit viel Gutes für mich selbst tun soll. Damit stehen meine anderen Familienmitglieder (Schwestern und Eltern) so ziemlich am Ende der Schlange. Freunde sind mir insofern wichtig, dass ich Abwechslung bekomme und mich auch mal ausquatschen kann und auch andere Sichtweisen zu hören bekomme.

>>Dass ich dieses sehen kann, ist für mich sehr wichtig, weil es bis jetzt für mich nur zwei Erklärungen dafür gab, einmal die, dass es eben depressionsbedingt ist oder, wenn das nicht zutrifft, dass er persönlich ein "A..." ist und ich mich habe " vera..." lassen.<<
Da ich Deinen Freund nich kenne, kann ich mir kein Urteil erlauben. Die Gefühlslosigkeit ist ein Teil der Erkrankung. Und das ist etwas, was die meisten miteinander teilen. Wenn ich in mich hineinschaue, erkenne ich eine gewisse Desorientierung. Ich habe alles, was man sich eigentlich wünschen kann. Meine Schwestern beneiden mich um meinen Job, meine Tochter (ein wahres Goldstück), unser Zuhause, ein Mann der mich liebt, keine finanziellen Sorgen, die Schwiegereltern usw. Die "Rama-Familie", wenn ich es einmal so ausdrücken darf.

>>Doch .... ich sehe, dass dies alles nicht so einfach gestrickt ist <<
Du darfst nicht vergessen, dass ich auch gern wüsste, was mich so aus der Bahn geworfen hat. Ich beschäftige mich sehr viel mit meiner Vergangenheit. Jeder Mensch ist einzigartig, jeder reagiert anders, fühlt anders. Und wenn es so einfach wäre, würde ich es schon lange aus dem Loch geschafft haben. Denn ich habe den Willen dazu!

>>In meiner Übersetzung würde das heißen, dass nicht Deine Gefühlsfähigkeit weg ist, sondern nur ganz speziell Gefühle für spezielle Menschen. Sehe ich das so richtig?<<
Ja, das siehst Du richig, näheres steht ja schon oben. Das soll aber nicht heißen, dass die nahestehenden Personen zur Krankheit beitrugen (viell. im meinen Fall schon, aber generell wohl eher nicht). Und ich bin froh, dass ich die Gefühle für meinen Freund schon vor der Erkrankung bemerkt habe, und diese jetzt so richtig aus mich herauslassen kann. Nein, betrügen tue ich meinen Mann nicht. Wir lassen es ganz langsam angehen. Ich brauche erst einmal die Kraft, mir eine eigene Wohnung zu nehmen und meinen Mann zu verlassen. Wir schlafen schon lange in getrennten Betten ..

Ach Blümli, ich glaube nicht, dass Du an ein "A......" geraten bist. Es ist oft alles so Hoffnungslos und manchmanl recht schwierig. Ich habe in den letzten 20 Jahren so oft kämpfen müssen, und bisher habe ich die Kämpfe - wenn auch anderer Art - alle gewonnen. Ich habe daher große Hoffnung, dass ich in der Klinik den richtigen Weg für mich finden werde. Ich brauche für mich viel Zeit, sitze oft stundenlang in meinem Raum und möchte nicht gestört werden. Ich würde es z.B. in einer 3-Zi-Whg. mit meiner Familie nicht aushalten können.

Liebe Grüße
vom empfindlichen Schaf

Nachtrag: Würde ich mich schon nicht vor der Depression in meinen Freund verliebt haben, hätte ich aktuell keinen Drang nach einer neuen Beziehung verspürt. Für mich steht an erster Stelle wieder gesund zu werden. Und das kann ich nur alleine schaffen.
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