Wirksamkeit von Antidepressiva - nur Placebo?

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PeterL
Beiträge: 2
Registriert: 6. Feb 2012, 08:13

Wirksamkeit von Antidepressiva - nur Placebo?

Beitrag von PeterL »

Hallo,
ich habe seit meiner Geburt eine bestimmte psychische Erkrankung, die mit verschiedenen Einschränkungen verbunden ist. Mir ist in meinem Leben schon relativ früh klar geworden, dass dies eine schwere Belastung für mein Leben bedeutet und wurde depressiv. Wegen der Depression bekomme ich Antidepressiva. Die Wirkung der Tabletten ist gleich Null, eher negativ wegen den Nebenwirkungen. Ich habe mittlerweile schon drei verschiedene Wirkstoffe "ausprobiert".

Sind Antidepressiva in jedem Fall wirklich sinnvoll? Die Wirkung der Tabletten ist doch sehr begrenzt. Sie können keine Lebensumstände ändern. Ich bin immer noch sehr deprimiert und erschöpft. Ich frage mich, ob es wirklich sinnvoll ist, zu einem Psychiater zu gehen, wenn er eh nur zu seinem Rezeptblock greift. Ich bin auch psychologischer Behandlung, was ich für mich als wesentlich effektiver empfinde. Leider ist der Arzt immer der erste Ansprechpartner für Behörden und Krankenkassen.

Ich werde mit meinem Arzt darüber sprechen, ob Tabletten für mich wirklich eine Lösung sind. Was sind Alternativen?

VG Peter
Emmari
Beiträge: 44
Registriert: 28. Nov 2011, 14:13

Re: Wirksamkeit von Antidepressiva - nur Placebo?

Beitrag von Emmari »

Hallo Peter,

ersteinmal herzlich Willkommen hier im Forum. Hoffe, dass du bald für dich Antworten findest, die dir weiterhelfen.

Auch ich habe hier im Forum mal die Frage gestellt, ob es immer gleich AD sein müssen

http://www.diskussionsforum-depression. ... 1326817313

Dort sind ein paar Meinungen dazu. Schau einfach mal, ob etwas passendes für dich dabei ist.

Liebe Grüße
Emma
katyfel
Beiträge: 1181
Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: Wirksamkeit von Antidepressiva - nur Placebo?

Beitrag von katyfel »

Hallo Peter,
auch von mir ein herzliches Willkommen!

Ich stimme der gängien Meinung zu, dass ab einem bestimmten Schweregrad der Depression am besten zweigleisig behandelt werden soll;
Medikamentös und therapeutisch.

Ich selber habe inzwischen schon 6 (oder 7?) Antidepressiva ausprobiert und so ganz das richtige war auch noch nie dabei.
Das frustriert natürlich, vor allem, weil man sich ja einiges davon erhofft, z.b. schnellere Besserung als bei der Psychotherapie,...

aber es gibt eben (noch?) keinen einfachen Test, durch den das richtige Medikament für jede Person gefunden werden kann, sondern es ist immer "trial and error".
Das werden dir auch viele Beiträge hier zeigen; viele sind (noch oder wieder) in einer Phase des Wechsels oder Probierens, aber meiner Erfahrung nach kann für die allermeisten eben doch das "passende" Medikament gefunden werden.

Ich selber habe auch gehadert, ob überhaupt noch etwas wirkt... im Moment nehme ich "nur" Seroquel prolong und fühle mich damit auch nicht gut, aber... vielleicht hat mein Arzt eine neue Idee.

Wenn Medikamente tatsächlich gar nicht wie gewünscht anschlagen und der schlechte Zeitraum sehr lang und schlimm ist, kann letztendlich stationär auch im EInverständnis zwischen behandelndem Psychiater und Patienten sowas wie Schlafentzug, Elektrokrampftherapie,... durchgeführt werden.

Also; die Möglichkeiten sind "nur" mit Medikamenten nicht erschöpft,
es ist doch gut, dass du das Gefühl hast, dass dir zumindest die Therapie schon hilft.

Liebe Grüße, Sinfonia
So ist das Leben, sagte der Clown und malte sich ein Lächeln auf
Erdgespenst
Beiträge: 99
Registriert: 2. Mai 2011, 16:52

Re: Wirksamkeit von Antidepressiva - nur Placebo?

Beitrag von Erdgespenst »

Normalerweise muss ein Antidepressivum im Rahmen seines Prüfverfahrens die Wirksamkeit eines Placebos signifikant übertreffen. Im Klartext: Statistisch gesehen wirken AD deutlich besser als Placebos. Von solchen Ressentiments gegen die Medikamente sollte man sich also nicht verrückt machen lassen.

Allerdings schlägt nicht jedes Medikament bei jedem Patienten an und nicht jeder Arzt ist fähig genug, das wirklich zu verinnerlichen.

Als ich in der Tagesklinik war hiess es, ich hätte gar keine Depression, da sonst mein Medikament (das zweite AD, das ich ausprobiert hatte) wesentlich stärker angeschlagen hätte, bei mir sei sich die Oberärztin "absolut sicher", dass mir keine Medikamente helfen würden.

Das Gelaber der Oberärztin war rein fachlich gesehen absoluter Quatsch, der aber leider von manchen Patienten gerne geglaubt wird. Eine Depression liegt nicht nur dann vor, wenn Medikament X anschlägt.
Meine ambulante Ärztin hat mir dann das Medikament Nr. 3 verschrieben (Moclobemid) und das wirkt bei mir hervorragend. Das hat nichts mit einem Placebo-Effekt zu tun, sondern damit, dass unser Gehirn chemisch funktioniert und eine chemische Störung durch chemische Stoffe behoben werden kann.

Das richtige Medikament findet man durch ausbprobieren. Es ist auch unverantwortlich, wenn ein Arzt sinngemäß sagt "falls Sie nicht simulieren, müsste dieses Medikament anschlagen."
Pustekuchen! Du kannst das mit einem Auto vergleichen, das nicht mehr fährt. Daran ist in jedem Fall was nicht in Ordnung. Jedes Auto braucht Treibstoff, aber das heisst nicht, dass es bei jedem Auto reichen muss, den Tank aufzufüllen. Manchmal sind es auch die Zündkerzen, manchmal die Elektrik etc.

Genauso muss man bei Depressionen einfach mal schauen, was hilft und dazu braucht man einen "Seelen-Mechaniker" (Arzt), der sich nicht nur selbst für toll hält, sondern der seinen Beruf ernst nimmt und nicht die Segel streicht, wenn das erste Medikament nicht die erwünschte Wirkung zeigt.
Manche Psychiater geben die Suche nach dem richtigen Medikament extrem schnell auf und krankhaft entmutigte Patienten sowieso. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung nur sagen: Dranbleiben und hoffen, dass aus der Vielzahl der Medikamente sich irgendwas findet, was bei Dir mehr bringt, als ein Placebo. Jedes zugelassene Antidepressivum bringt einem bestimmten Patientenkreis mehr als es nur der Glaube daran bringen würde. Und die meisten hofnungslosen Patienten gehören bei irgendeinem Medikament zu jenem gesegneten Personenkreis, dem es dadurch besser geht.
pero
Beiträge: 970
Registriert: 8. Apr 2011, 09:23

Re: Wirksamkeit von Antidepressiva - nur Placebo?

Beitrag von pero »

>Sind Antidepressiva in jedem Fall wirklich sinnvoll? Die Wirkung der Tabletten ist doch sehr begrenzt. Sie können keine Lebensumstände ändern.

Wie sinnvoll sind für Dich den Schmerzmittel? Sie ändern auch nichts an der Ursache.
Aber sie machen die Situation erträglich. Für mich ist das schon ein guter Grund für die Einnahme. Ist aber auch immer eine Frage der persönlichen Reaktion und der Nebenwirkungen.
Da muss jeder für sich selbst herausfinden ob "das" Mittel ihm hilft oder eher behindert.


lg
pero
Was die Raupe Ende der Welt nennt, nennt der Rest der Welt Schmetterling.
PeterL
Beiträge: 2
Registriert: 6. Feb 2012, 08:13

Re: Wirksamkeit von Antidepressiva - nur Placebo?

Beitrag von PeterL »

Ich werde die Tabletten eigenmächtig absetzen, falls ich nach 4 Wochen keine Wirkung verspüre. Ich würde jedes Medikament absetzen, dass bei mir nicht wirkt. Ich habe auch nicht die Lust, weitere Wirkstoffe auszuprobieren. Dazu sind mir die Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu stark.

Das Medikament hatte ich schon einmal erfolglos genommen. Darauf hatte ich meinen Arzt auch hingewiesen. Trotzdem hat er es mir wieder verschrieben. Ich finde, dass Ärzte viel kritischer mit AD umgehen sollten. Ich möchte noch auf folgenden Artikel hinweisen:

http://www.welt.de/wissenschaft/article ... cebos.html


Der Unterschied zu Schmerzmittel ist, dass Schmerzmittel relativ schnell wirken. Bei AD soll ich 4 Wochen warten.
pero
Beiträge: 970
Registriert: 8. Apr 2011, 09:23

Re: Wirksamkeit von Antidepressiva - nur Placebo?

Beitrag von pero »

Leider ist es ein Fakt das einige AD's erst nach einigen Wochen wirken. Für mich ist das ein Beleg das sie tatsächlich wirken, wenn es sich nur um einen Placeboeffekt handeln sollte würde ich erwarten das die Wirkung sofort einsetzt.
Letztlich ist es mir aber auch egal ob die Wirkung durch das Mittel oder "nur" durch den Placebo Effekt wirkt. Wichtig ist für mich die Wirkung bei mir, nicht in irgendwelchen Studien die ich ohnehin nicht überprüfen kann.

Ich kenne aber auch die Probleme mit den Nebenwirkungen. In meinem Fall (Citalopram) habe ich massiv mit Müdigkeit zu kämpfen.
Da ist es letztlich eine Frage der Abwägung. Was ist für mich schlimmer, die Nebenwirkung oder die Situation ohne Medikamente.
Am Ende muss das jeder für sich selbst entscheiden.

Für mich ist es eine gute Idee erst mal 4 Wochen abzuwarten.
Dabei würde ich aber durchaus auch andere nach deren Eindruck befragen. Häufig haben Partner oder gute Freunde feinere Antennen als man selbst. Die Wirkung tritt ja auch nicht schlagartig ein, ist ein schleichender Prozess. Und ich glaube das man selbst den nicht so stark bemerkt...

Mit meinem Schmerzmittel vergleich wollte ich nur verdeutlichen das auch Medikamente die die Ursache nicht direkt bekämpfen durchaus ihre Berechtigung haben.
In meinem Fall wurde ich durch die AD's erst therapiefähig.

lg
pero
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