den eigenen Gedanken nicht trauen können

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Vaf-2Gal
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den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von Vaf-2Gal »

Liebe Forianer,

kennt ihr das auch? Ich war früher ein sehr verstandesgesteuerter Mensch. Wenn es z.B. um Entscheidungen ging, hab ich (kurz) das Für und Wider erwogen und dann entschieden. Oder ich habe Probleme analysiert, wer hat wann was gesagt, was steckt wohl dahinter .....

Und nun in der Depression kann ich meinen eigenen Gedanken nicht mehr vertrauen. Das habt auch ihr mir in anderen threads schon bestätigt, dass vermutlich die Depression meine Gedanken verzerrt.

Wenn ich aus der Depression rauskommen will, muss ich Haltungen ändern, z.B. meine Grenzen wahrnehmen, anderen Grenzen setzen usw. Aber wie soll ich konstruktiv über solche Dinge nachdenken, wenn ich nicht weiss, ob ich gerade die Realität sehe oder das, was die Depression mir einflüstert.

Ein Beispiel, das mich gerade beschäftigt: Ich hab mit zunehmender Häufigkeit Gedankenblitze, in denen ich jemand oder etwas erwürge. Ich sehe immer nur meine Hände, alles andere bleibt so verschwommen dass ich nicht mal sagen kann, ob es eine Person ist. Das wäre ein tolles Thema für eine Therapie: versteckte Aggressionen, wogegen möchte ich mich wehren .......

Aber ich muss bis April warten, bis die Therapie beginnt. Ich habe mich auch in einer Klinik angemeldet, das muss ich 4 bis 6 Monate warten.

Was mache ich solange mit meinen Gedanken? Einerseits ärgert es mich, dass so viel Zeit nutzlos verstreicht, ohne das ich konstruktiv an meinen Problemen arbeiten kann. Andererseit habe ich Angst, das ich irgendwo Schleusen öffne, aber ohne Hilfe nicht verkraften kann, was da heraus kommt. Und drittens habe ich quasi Angst vor dem Nachdenken, weil ich nie weiss, ob ich jetzt die Depression füttere oder ob das Nachdenken konstruktiv ist.

Danke, dass ich von euch immer wieder ein Feedback bekomme, das mir hilft, mich zu sortieren.

LG
Lächeln
Amy1680
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Re: den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von Amy1680 »

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Vaf-2Gal
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Re: den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von Vaf-2Gal »

Das habe ich auch angefangen und immerhin schon einmal was eingetragen .
Bei mir kommt im Moment viel Angst hoch, dass ich ein Fass aufmachen könnte und dann mit dem, was herauskommt, nicht fertig werde. Hier im Forum habe ich komischerweise weniger Angst, vielleicht, weil es doch Gegenüber gibt. Die Reaktionen rücken ja manches zurecht, ich fühle mich nicht ganz so verloren, wie vor dem Tagebuch.
Natürlich sagt mir mein Verstand, dass das Tagebuch eine sehr gute Sache ist, hab mir extra ein dickes Heft dafür gekauft. Aber im Moment ist die Angst stärker.

LG
Lächeln
Amy1680
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Re: den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von Amy1680 »

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Zuletzt geändert von Amy1680 am 30. Mär 2016, 20:49, insgesamt 1-mal geändert.
Vaf-2Gal
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Re: den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von Vaf-2Gal »

Ich lerne gerade erst kennen, was mich triggert. Was andere triggern könnte, kann ich oft nicht einschätzen. einmal habe ich eine Rückmeldung der Moderatoren bekommen. Aber ich bitte auch euch Forianer, mich darauf aufmerksam zu machen, wenn ich was schreibe, was triggert.

Dass ich meine Gedankenblitze in die Tat umsetzen könnte, glaube ich gar nicht. Ich denke eher, dass meine Seele anfängt, mich darauf aufmerksam zu machen, was ich alles verdrängt habe.

LG
LÄcheln
PerryRhodan
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Re: den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von PerryRhodan »

Hallo Lächeln!

> Ich war früher ein sehr verstandesgesteuerter Mensch. Wenn es z.B. um Entscheidungen ging, hab ich (kurz) das Für und Wider erwogen und dann entschieden. Oder ich habe Probleme analysiert, wer hat wann was gesagt, was steckt wohl dahinter .....>Und nun in der Depression kann ich meinen eigenen Gedanken nicht mehr vertrauen.
> Ein Beispiel, das mich gerade beschäftigt: Ich hab mit zunehmender Häufigkeit Gedankenblitze, in denen ich jemand oder etwas erwürge. Ich sehe immer nur meine Hände,
> Bei mir kommt im Moment viel Angst hoch, dass ich ein Fass aufmachen könnte und dann mit dem, was herauskommt, nicht fertig werde.

Die Angst vor der Angst? Davor nicht das bewältigen zu können, was auf dich zukommt, was du vermutlich schön brav sortiert und in die passenden kleinen Kistchen gesteckt hast?

> Dass ich meine Gedankenblitze in die Tat umsetzen könnte, glaube ich gar nicht. Ich denke eher, dass meine Seele anfängt, mich darauf aufmerksam zu machen, was ich alles verdrängt habe.

Das von was du schreibst könnte mit Zwangsgedanken zusammenhängen. Zwandsideen, -befürchtungen und insbesondere mit dem Zweifen und Grübeln. Du schreibst ja, du warst früher ein verstandsgesteuerter und analytischer Mensch. Du konntest Entscheidungen treffen nach dem Abwägen des Für und Widers. Da du von früher schreibst scheint dir das heute nicht mehr zu gelingen. Ständig hast du Zweifel an deinen Entscheidungen. Eventuell bist du selbst bei gefällten Entscheidungen nicht sicher ob diese nun richtig ist oder war.
Ich kenne die daraus wachsenden Selbstzweifen überhaupt noch Entscheidungen trefffen zu können. Das kann bis zu dem Punkt gehen sich selbst nicht mehr vertrauen zu können. Ich denke das mit dem Tagebuch zu führen sollte sehr hilfreich dabei sein, diese Gedanken aufzuschreiben. Damit hst du im nachhinein nochmals die Möglichkeit zu reflektieren ob diese Gedanken "echt" oder "gelogen" sind. Denn während dem Gedankenmoment stehst du schon so unter Stress und Angst, dass du keine konstuktiven Gedanken mehr führen kannst.
Deinen bisherigen Denkweisen dich zu bemühen, die dir früher hilfreich waren, helfen dir nun nicht mehr. Sie haben dich in die Depression geführt und stellen sich nun gegen dich. ABER es sind deine Gedanken und die darausgehenden Verhaltensmuster NICHT DU. Vielleicht kommt da auch dein Gedankenblitz her, es gibt da ja das Sprichwort: "Ich könnte dich dafür umbringen / erwürgen" was schliesslich nur aussagt wie wütend man auf jemanden ist. Der Gedanke hat sich mit der Zeit verbildlicht abgespeichert und kommt immer wieder durch. Du weisst aber gar nicht mehr was der Auslöser ist und dem zugrundeliegt. Der Vorgang hat sich vollständig automatisiert. Du aber weist das es ein Gedanke ist und das ist ein gutes Zeichen.
Angst ist nicht nur etwas negatives, sondern auch etwas positives. Bei Angst schärfen sich die Sinne. Zweifel führen zum Nachdenken. Doch wenn beides überhand nimmt, dann ist nur noch Dauerstess und Angst da. Zweifeln führt nicht mehr zum Weg einerer besseren Entscheidung, sondern zum Kreisgedanken, weil keine Entscheidung mehr die Richtige ist.
Und die Angst die Büchse der Pandora zu öffnen. Der depressive Mensch hat die Neigung dazu sich an der Vergangenheit festzuhalten. Weil er sich der Ursachen bewusst werden will, was ihn depressiv werden lies. Doch sich an der Suche festzubeissen hilft uns nicht, da wir dadurch vergessen wie wir es heute bewusster und für uns selbst leben können. Indem wir neue Schritte gehen und neue Denk- und Verhaltensweisen versuchen. Um herauszufinden wie unser neues Leben aussehen könnte.

Gruss,
PR
--

"Wozu ist das?" "Das ist blaues Licht." "Und was macht es?" "Es leuchtet blau."
CHF
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Re: den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von CHF »

Liebes Lächeln,

auch ich kenne das, wenn man nicht weiss, ob das was man gerade denkt, normale Gedanken oder Depressionsgedanken sind.

Kommen dann noch Gedanken dazu die einen triggern, wird es besonders verwirrend.

Die Gedanken greifen ja dann in mein Leben ein und ichbirnge es nicht mehr fertig den Alltag richtig zu lösen.

Ich weiss zumindes dann oft nicht, ob ich etwas tue oder fühle, weil ich in einer anderen Gedankenwelt lebe, oder, ob das was ich tue gerade ganz normal ist. Besonders schwer ist es dann wenn ich Entscheidungen treffen soll. Da traue ich mich meistens dann überhaupt nicht, weil ich ja nicht weiss auf was meine Entscheidung letztendlich basiert.

Mein Selbstvertrauen ist momentan ganz dahin. Veilleicht weil ich mich gerade in einer depressiven Episode befinde. Ich weiss aber nicht op ich mich gerade in einer depressiven Episode befinde.

Lg
Chantal
CHF
Vaf-2Gal
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Re: den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von Vaf-2Gal »

Vielen Dank für die tiefgründigen Antworten. Da sind viele gute Einsichten, denen ich vom Verstand her sofort zustimmen kann.

Wenn ich von "früher" rede, dann meine ich mein Leben vor dieser Depression, in die ich im Laufe des letzten Jahres hineingeschlittert bin.

Gestern habe ich mich mit einer Freundin unterhalten, die seit Jahren mit Depressionen kämpft und der es zur Zeit auch nicht gut geht. Wir haben gemerkt, dass es uns sehr unterschiedlich geht. Während sie nur schwer alleine sein kann, kann ich zur Zeit nur schwer mit Menschen zusammen sein.
Ich kann es kaum aushalten, mich mit jemand darüber zu unterhalten, wie es mir gerade geht, während sie heilfroh ist, wenn jemand fragt und sie darüber reden kann.

Was mich auch erstaunt und was ihr mir auch rückgemeldet habt, ist: wieviel Angst ich habe. Bis vor kurzem hätte ich über mich gesagt, dass ich ein Mensch mit extrem wenig Angst bin. Ich bin/war eher jemand, der sich selbst in Gefahr bringt, weil der Schutzfaktor Angst nicht funktioniert (hab z.B. mal einen Einbrecher verfolgt und war hinterher erschrocken, der hätte ja gewalttätig werden können. Ich hab ihn aber zum Glück nicht erwischt.)

Und nun stehe ich vor meinem Inneren wie vor einer Besenkammer. Wenn ich die Türe aufmache, weiss ich nicht, was dahinter ist. Es könnte ein aufgeräumter Raum sein mit Dingen, die man im Moment nicht braucht. Sehr viel wahrscheinlicher ist aber, dass der Raum bis obenhin vollgestopft ist und einem alles entgegenkommt, wenn man die Tür auch nur ein bisschen öffnet. Am liebsten wäre mir, ich könnte die Dinge aus der Besenkammer einzeln herausholen, anschauen, bewerten und überlegen, ob ich sie noch brauche. Meine Angst ist, das hinter der Tür soviel Zeug wartet und mir entgegenfällt, dass ich es weder verkraften kann noch wieder zurückstopfen kann.

LG
LÄcheln
losingAngel
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Re: den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von losingAngel »

Das Beispiel mit der Besenkammmer ist auch mir sehr zutreffend und ich finde mich in deinen Worten wieder.

Was deinen Anfangsthread angeht, da kann ich nur ein kleines labiles Beispiel nennen. Wenn ich mal irgendwo bin, mir was zu essen aussuchen soll oder will, ich brauche echt eine lange Zeit meine Gedanken kreisen dann und ich finde das echt schlimm, da es nur eine Kleinigkeit ist, wie welches Essen will ich bestellen.
Vaf-2Gal
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Re: den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von Vaf-2Gal »

das Problem mit Entscheidungen hatte ich bis vor wenigen Tagen nicht. Ich dachte schon, prima, wenigstens ein typisches Symptom für Depression, das du nicht hast.
Und dann hatte ich am Donnerstag und Freitag drei verschiedene Dinge zu erledigen und hab ewig rumgemacht, an welchem Tag und in welcher Reihenfolge ich sie mache. Dabei war es eigentlich völlig egal und trotzdem hab ich Stunden gebraucht, um mich zu entscheiden.

LG
Lächeln
katyfel
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Re: den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von katyfel »

Hallo Lächeln,

das Besenkammer-Beispiel kenne ich auch,
hab es sogar bei meinem ersten Klinikaufenthalt mal spontan gezeichnet, weil es mich so unter Druck gesetzt hat, diese Tür irgendwie öffnen zu müssen, gleichzeitig aber auch zuzuhalten, damit eben nicht all das "Dunkle" was dort drin ist auf einmal rauskommt.
Bei mir kam dann noch ein weiterer Raum dazu, der davor lag und vor dem wiederum alles- na ja, vor allem eben Ich- ganz wunderbar und fröhlich aussah.

Aber auch die Entscheidungsprobleme sowie eine inzwischen total generalisierte Unsicherheit haben sich bei mir immer mehr geäußert und sind im Moment sehr quälend.
Leider funktionieren so Dinge wie die Tresorübung oder "einfach mal alles aufschreiben und danach sortieren" etc. bei mir nur selten bzw. in ruhigen Momenten, wo also um mich rum nichts und im mir selbst möglichst nicht so viel los ist...

Liebe-und verwirrte- Grüße,
Sinfonia
So ist das Leben, sagte der Clown und malte sich ein Lächeln auf
Amy1680
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Re: den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von Amy1680 »

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Zuletzt geändert von Amy1680 am 30. Mär 2016, 20:51, insgesamt 1-mal geändert.
Vaf-2Gal
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Re: den eigenen Gedanken nicht trauen können

Beitrag von Vaf-2Gal »

Ich stelle gerade fest, dass es drei Ebenen gibt in meinen Gedanken:

ein großer Teil stammt aus meiner bisherigen Art zu leben (mit dem Erfolg, dass ich in der Depression/Burnout gelandet bin)

ein weiterer großer Teil sind Gedanken, die aus der Depression stammen

und dann gibt es einen (noch) kleinen Teil an Gedanken, die gesund sind, die auf Veränderung zielen, die den Weg in eine gesündere Zukunft zeigen.

Leider weiss ich selten, auf welcher Ebene meine Gedanken gerade unterwegs sind.

LG
Lächeln
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