Meine Situation, Angst vor fast allem

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nightowl70
Beiträge: 7
Registriert: 20. Jan 2012, 20:25

Meine Situation, Angst vor fast allem

Beitrag von nightowl70 »

Guten Abend zusammen,

ich weiß im Moment einfach nicht so richtig weiter und möchte mich auch kurz vorstellen. Ich bin 41 Jahre alt, weiblich, habe keine Kinder und habe seit meiner Kindheit mit Depressionen zu kämpfen. Die Krankheit liegt bei uns mütterlicherseits auch in der Familie. Ich habe schon mehrere sehr schwere Episoden gehabt und erlebe jetzt seit zirka zweieinhalb Monaten die schlimmste, die ich je hatte. Dazu kam es nach mehreren „Katastrophen“, wie ein Freund sie nennt. Fast zwei Jahre habe ich neben meinem stressigen Job die gesetzliche Betreuung für meinen schwerstkranken Vater gehabt, der in dieser Zeit in elf verschiedenen Kliniken lag. Im September 2011 verstarb er unter sehr grausamen Umständen. Einen Monat später hatten wir einen weiteren tragischen Sterbefall in der engeren Familie. Da meine Brüder nichts Besseres zu tun hatten, als sich um die Habseligkeiten der Verstorbenen zu bekriegen, zerstritt ich mich über diesen Kleinkrieg mit meiner Familie. Anfang November verlor ich meinen Job. Zwei Wochen später erklärte mir mein Lebensgefährte das Beziehungs-Aus.

Anfang Dezember bekam ich einen Platz in einer psychosomatischen Station eines Krankenhauses. Dort war ich fast sechs Wochen. Mein Zustand verschlechterte sich noch. Ich wurde dennoch entlassen und lebe seitdem in einem Hotel, weil ich nicht in das gemeinsame Haus zurückkehren kann. Während des stationären Aufenthalts war ich stundenweise dort. Danach war ich jedes Mal wieder so fertig und habe stundenlang geweint. Aktuell zieht mein Ex-Partner gerade aus dem Haus aus und ich habe panische Angst, das Haus zu betreten und zu sehen, wie der Stück für Stück unserer Vergangenheit dort herausträgt. Ist das normal?

Mein Psychiater hat mir eine Einweisung für die Psychiatrie gegeben. Aber auch vor diesem Schritt habe ich wahnsinnige Angst. Ich kann es nicht erklären, vielleicht liegt es nur daran, dass die Klinik, die für mich zuständig ist, früher so einen schlechten Ruf hatte...

Für das Krankenhaus müsste ich erst noch ins Haus, um Wäsche zu machen. Da fängt mein Dilemma schon an. Wenn ich nur daran denke, bekomme ich schon Beklemmungen und Herzrasen. Ich frage mich, warum mich diese Trennung nun so klein und hilflos und so hilfsbedürftig macht.

Antrieb habe ich zurzeit gar keinen. Meine Stimmung ist durchgehend sehr gedrückt, seitdem ich Seroquel regelmäßig nehme, werden die destruktiven Gedanken weniger. Ich kann momentan fast nichts essen und frage mich, wie das weitergehen soll. Verhaltenstherapie mache ich seit mehr als zwei Jahren und war da auf einem guten Weg, bis diese ganzen Schicksalsschläge kamen.

Habt ihr einen Rat für mich?

Liebe Grüße
nightowl
Insa40
Beiträge: 1188
Registriert: 25. Mär 2011, 20:44

Re: Meine Situation, Angst vor fast allem

Beitrag von Insa40 »

Hallo nightowl,

das ist wirklich verdammt viel, was Dir in letzter Zeit passiert ist.
Jedes Ereignis für sich ist schon starker Tobak, also kann ich gut verstehen, wieso Du solche Angst hast.

Deine Leistung, neben Deiner Arbeit noch Deinen schwerkranken vater zu pflegen verdient viel Respekt.

Du wurdest sehr allein gelassen. Fühl Dich mal lieb gedrückt, wenn Du magst

Ich finde es verständlich, dass Du unter diesen Umständen nicht ins Haus willst, ich würde da auch eine Krise bekommen.
Frage: Könntest Du Deine Sachen, die Du fürs erste brauchst nicht zusammen mit einer Freundin aus dem Haus holen oder vielleicht sogar holen lassen?
Dann könntest Du das Haus vielleicht erst mal zuschließen und müßtest für einige Zeit nicht rein.Du könntest Dich erst wieder etwas stabilisieren und müßtest keine Entscheidungen oder Erledigungen dort übers Knie brechen.

Was die Klinik betrifft. Wäre es eine Möglichkeit, dass Du ambulant dorthin oder auch in eine andere Klinik gehst?

Liebe Grüße erst mal, Regen
nightowl70
Beiträge: 7
Registriert: 20. Jan 2012, 20:25

Re: Meine Situation, Angst vor fast allem

Beitrag von nightowl70 »

Hallo Regen,

vielen Dank für deine liebe Antwort und deinen Tipp. Aber leider habe ich nicht die Möglichkeit, zusammen mit jemandem ins Haus zu gehen oder die Sachen holen zu lassen. Durch die Beziehung und auch durch meine immer wieder kehrenden Depressionen, zudem leide ich seit vier Jahren auch noch an chronischen Schmerzen, habe ich mich sehr isoliert. Ich habe noch zwei, drei sehr gute Freundinnen, aber die leben irgendwo in Deutschland und können nicht mal schnell kommen.

Irgendwann muss ich in dieses Haus zurück. Es muss ja verkauft werden. Bevor mein Ex Schluss machte, wohnten wir gerade ein Jahr darin. Und wenn ich dann zurückkomme, ist es halb leer. Nur noch meine Sachen da. Ich habe noch nicht einmal eine Ahnung, was er mitnimmt. Wir wollten letzte Woche reden, aber dann erfuhr ich, dass er eine neue Beziehung hat. Wir waren über 12 Jahre zusammen! Wie geht sowas? Schmeiss weg und neu?

Bei der Klinik gibt es leider auch keine bessere Möglichkeit. Ich wohne sehr ländlich. Die Akut-Psychosomatik, wo ich zuletzt war, hat eine erneute Aufnahme abgelehnt, da ich mich unter der Therapie dort verschlechtert habe.

Vielleicht sollte ich mich einfach drauf einlassen.

Liebe Grüße
nightowl
bugger
Beiträge: 5
Registriert: 26. Jan 2012, 20:14

Re: Meine Situation, Angst vor fast allem

Beitrag von bugger »

Hallo nightowl,

helfen kann ich Dir nicht, kann Dir nur mitteilen, dass ich sehr gut nachvollziehen kann, wie es Dir geht.

Ich leide auch seit Jahren an Depressionen, nach allem was ich gelesen habe, wohl schon seit meiner Kindheit.

Ich habe von 2003 bis 2008 praktisch jedes Jahr einen Menschen aus meinem nächsten oder näheren Umfeld verloren. Dabei rechne ich Tanten oder Onkel nicht mit ein.

Musste mich um meine Eltern kümmern, die weit weg wohnten und dann auch noch in unterschiedlichen Einrichtungen gepflegt wurden.

2007 habe ich dann auch noch meinen Partner leblos auf dem Zimmerfußboden gefunden. Bevor ich mit der Wiederbelebung beginnen konnte, musste ich sogar eine Warteschleife am Notruftelefon ertragen!

Auch ich habe eine Verhaltenstherapie gemacht, die aber langfristig keine Ergebnisse brachte - leider. Dann kamen noch sehr unschöne Erfahrungen im Zuge einer notwendigen ärztlichen Behandlung und eine entsetzliche Hilflosigkeit nach einer Operation hinzu - alles nicht sehr schön!

Meine Isolation macht mich völlig fertig, ich schaffe es auch nicht mehr, mir wieder ein stabiles soziales Umfeld aufzubauen.

Mir macht es dermaßen Angst, nochmals solch eine Hilflosigkeit zu erleben wie nach der Operation. Damals war eigentlich keine wirklich zuverlässige Hilfe für mich da und ich war mit dem ganzen logistischen Aufwand und den rasenden Dauerschmerzen völlig überfodert. Natürlich hatte ich gemerkt, dass die Aufklärung des Arztes widersprüchlich war und nicht wirklich fundiert - aber ich war körperlich und seelisch so angeschlagen, dass ich einfach nicht gegangen bin.

Nach einer längeren ambulanten Behandlung hab ich mich für einige Zeit in eine Klinik begeben - aus mir nicht erklärbaren Gründen hat sich in dieser Zeit auch noch eine Nachbarin von mir abgewand zu der ich eigentlich einen sehr guten Kontakt hatte.

Super, das hat mir gerade noch gefehlt. Jetzt hab ich auch noch Angst, dass ich ihr begegnen könnte. Leider hat sie auf meine Frage, ob ich sie verärgert hätte nicht reagiert. Gute Freunde habe auch ich nur noch weit entfernt und ich komme mir schon völlig blöde vor, wenn ich dort ständig anrufe.

Diese Isolation ist für mich das Schlimmste, was auf diese vielen Schicksalsschläge noch folgen musste. Es macht die ganze Sache noch unerträglicher und ich finde einfach keinen Weg da raus.

Ich bin in Selbsthilfegruppen gegangen, habe mir eine Meditationsgruppe gesucht und bin bis zu meiner Verletzung auch viel mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Leider geht das jetzt auch noch nicht wieder.

Aber auch mir ging es so, dass ich Erbschaftsärger hatte und auch sonst waren die Todesfälle mit vielen Zerrüttungen verbunden.

Nach dem Klinikaufenthalt ging es mir tatsächlich wieder besser und die medikamentöse Einstellung hat mir auch gut geholfen. Aber die Einbrüche sind jedesmal fürchterlich - seit zwei Tagen kann ich mich kaum noch halten. Jede Anforderung scheint mich völlig aus der Bahn zu werfen. Ich habe mir wieder eine leichte Arbeit gesucht und hatte heute den ersten Tag dort - nach rd. zwei Stunden bin ich schon fast zusammen gebrochen - dabei war ich so froh, über diesen Weg endlich wieder aus der Wohnung zu kommen. Jetzt habe ich sogar schon wieder Angst vor dem bisschen Arbeit.

Das Schlimmste an der Depression ist der Krebsgang, mal geht es zwei Schritte voran, wenn die bessere Stimmung im Gemüt angekommen ist, geht es auch schon wieder mindestens einen Schritt zurück!

Mich macht das so mürbe!

Alpenrose
Wicky2012
Beiträge: 3
Registriert: 22. Jan 2012, 17:00

Re: Meine Situation, Angst vor fast allem

Beitrag von Wicky2012 »

Hallo nightowl,
bin neu hier im Forum und lese mich gerade durch die Beiträge. Ich selber leide unter starken Stimmungsschwankungen, im Moment geht es gerade wieder mal
Das ist ganz schön schlimm, was Du in der letzten Zeit erlebt hast, erst mit Deinem Vater, dann mit Deinem Partner und jetzt auch noch der Job, das ist kein Wunder das es Dir schlecht geht.
Was das Verlassenwerden durch den Partner betrifft - das habe ich auch vor einigen Jahren durchgemacht. Er verlies mich und nahm nach und nach seine Sachen mit, alleine das war schon schlimm. Den eigenlichen Auszug vollzog er dann an einem Samstag. Ich war an dem Tag nicht zu Hause (wollte das nicht mit ansehen) aber es war fürchterlich abends in die halbleere Wohnung zu kommen. Ich glaube ich habe die halbe Nacht nur geheult. Das ist so normal, dass Du das nicht mit ansehen willst und das Du davor Angst hast in das Haus zu gehen.

Aber wenn Du dorthin zurückmusst um Deine Wäsche zu holen, kannst Du nicht vielleicht eine Nachbarin fragen, ob sie mit Dir in das Haus gehen kann? Jeder halbwegs mitfühlende Mensch könnte verstehen, dass Du unter diesen Umständen erstmal nicht alleine in das Haus gehen willst! Du musst ja dann nicht lange im Haus bleiben, Wäsche holen, einpacken und weg. Oder kannst Du Dir sonst irgendwo in Deiner Nähe jemanden finden, der Dir dabei hilft?
Mein Mann hatte damals übrigens auch eine andere, was ich nur durch Zufall herausgefunden habe. Tja Wochen zuvor war ich noch die große Liebe und dann auf einmal konnte er nicht mehr mit mir leben....

Versuche Dich nur darauf zu konzentrieren wieder einigermaßen auf die Füsse zu kommen.
Eins nach dem anderen. Ich bin hier auch der Meinung von RegenamMeer, kannst Du das Haus dann nicht einfach zuschließen und warten was nach dem Klinikaufenthalt ist, vielleicht bist Du dann wieder etwas stärker.

Musst Du wirklich in die Klinik die für Dich zuständig ist? Gibt es keine Möglichkeit in eine andere Klinik zu kommen, die weiter weg ist (auch wenn Du aus einer ländlichen Umgebung kommst)? Kannst Du nicht mit Deinem Psychiater darüber reden, was für Ängste Du in Bezug auf diese Klinik hast und ob er da nicht noch eine andere Möglichkeit weiß?

Ich umarme Dich ganz fest und wünsche Dir alles Liebe und Gute
Wicky
nightowl70
Beiträge: 7
Registriert: 20. Jan 2012, 20:25

Re: Meine Situation, Angst vor fast allem

Beitrag von nightowl70 »

Liebe Alpenrose, liebe Wicky,

vielen Dank für eure Beiträge.

Am Freitag werde ich in die Klinik gehen, ich habe mich inzwischen ein wenig mit dem Gedanken angefreundet. Ich war heute bei meiner Hausärztin, sie hat mir noch mal Mut gemacht. Es gibt wirklich nur bedeutend schlechtere Alternativen. Eine Reha habe ich ja schon beantragt, warte da aber noch auf die Kostenzusage. Aber ich kann nicht länger in Hotels wohnen, alleine mit meinen Gedanken, der unendlichen Traurig- und Freudlosigkeit und dabei unfähig, die kleinsten Dinge zu erledigen. Wenn es dort gar nicht geht, habe ich ja immer noch die Möglichkeit, die Klinik zu verlassen.

Die Trennung hat mich quasi vor ein Nichts gestellt. Plötzlich war das bisschen Lebensplanung, das ich hatte, auch vernichtet. Die Kündigung kam ja kurz zuvor. Einen besseren Zeitpunkt hätte er sich nicht aussuchen können. Er sagte mir, dass sich seine Gefühle schon seit längerer Zeit, seit über einem Jahr, ins freundschaftliche verändert hätten. Und das sei keine Basis für eine Beziehung für ihn. Aber kauft dann noch ein Haus mit mir!!! Jetzt haben wir die Schulden an der Backe.

Finanziell habe ich ihn viele Jahre unterstützt. Und er lässt mich jetzt hängen.

Was meine Wäsche angeht, ich muss sie teilweise noch waschen und trocknen. Da ich stark abgenommen habe und wegen des Hauskaufs wenig Geld, habe ich nicht so viel Kleidung. Ich muss da wohl durch. Unsere Nachbarn kenne ich nicht so gut. Wir wohnen in einer 150-Seelen-Gemeinde am Ortsrand und ich war wegen meinem Vater eigentlich nie zuhause. Aber wenn ich ein bekanntes Gesicht sehe, werde ich fragen!

Also muss ich mindestens drei Stunden in dem halbleeren Haus einplanen.

Liebe Grüße
nightowl
nightowl70
Beiträge: 7
Registriert: 20. Jan 2012, 20:25

Re: Meine Situation, Angst vor fast allem

Beitrag von nightowl70 »

Eine kleine Ergänzung noch:

Die Einweisung für Freitag hat nicht geklappt. Ich gehe am Dienstag. Und: ich muss auf eine geschlossene Station. Die offenen dort haben auch Wartezeiten von bis zu sechs Wochen.

Hilfe! Was kommt da wohl auf mich zu? Aber ich weiß, dass ich JETZT Hilfe brauche und aus dieser Vagabunden-Hotel-Situation heraus muss, und nicht in ein paar Wochen.

Es tut so weh, nirgendwo zuhause zu sein und sich so alleine zu fühlen, gerade, wenn man in einer solch schlimmen Phase ist. Entschuldigt bitte, falls ich mich wiederhole.

Liebe Grüße
nightowl
Insa40
Beiträge: 1188
Registriert: 25. Mär 2011, 20:44

Re: Meine Situation, Angst vor fast allem

Beitrag von Insa40 »

Hallo nightowl,

wollte Dir sagen, dass ich Dir die Daumen drücken werde.

Wenn Du auf der geschlossenen Station nicht bleiben willst, kannst Du dort auch wieder gehen, da Du ja freiwillig gekommen bist.

Schade, dass Du von der einen Nachbarin keine Antwort auf Deine Nachfrage bezüglich ihres distanzierten Verhaltens bekommen hast.
Aber vielleicht bekommst Du die Antwort irgendwann nochmal.
Eine gute Bekannte von mir hat auf meine Frage, wieso sie kaum noch mit mir redet, seitdem sie das mit der Angststörung weiß erst nach 5 Monaten! auf meinen Anruf reagiert. (und auf nochmalige Nachfrage)

Alles alles Gute Dir. Evtl. berichtest Du ja mal, wie es Dir geht, wenn Du dazu kommst.

Viele liebe Grüße und fühl Dich gedrückt, Regen
nightowl70
Beiträge: 7
Registriert: 20. Jan 2012, 20:25

Re: Meine Situation, Angst vor fast allem

Beitrag von nightowl70 »

Liebe Regen,

vielen Dank, auch und insbesondere für's Daumendrücken.

Ich hoffe, dass ich mein Schlepp-Top mitnehmen darf. Dann berichte ich gerne. Werde mich morgen dort erkundigen.

Bei dieser Sache mit der distanzierten Nachbarin hast du mich wohl kurz verwechselt. Da ich in dem guten Jahr, in dem ich den kleinen Örtchen wohnte, fast immser in Sachen Vater unterwegs war, kenne ich meine Nachbarn/innen nur flüchtig. Vielleicht auch nicht so schlecht. Da muss ich jetzt auch nicht so viel erklären. Als Verlassene schäme ich mich natürlich auch.

Liebe Grüße
nightowl
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