Kurzer Bericht aus Wermsdorf

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Kathryn
Beiträge: 236
Registriert: 1. Dez 2010, 14:41

Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von Kathryn »

Ihr Lieben,

Bin auf Antrag heute das erste Mal nach vier Wochen zu Hause, muss aber heute abend 21:00 Uhr wieder in Wermsdorf sein.
Die ersten Wochen waren mehr als aufreibend, zunächst sich erst einmal in dieses Gefüge von Regeln und Verboten einfügen. Für kleinere Vergehen, wie zu spät kommen oder Therapie nicht mitmachen, in den Ort gehen zu nicht dazu vorgesehenen Zeiten oder ähnliches gibt es rote Kreuze. Diese werden 14-tägig gelöscht, schafft man es drei Kreuze innerhalb der 14 Tage zu bekommen, fliegt man entweder gleich oder dein Bezugstherapeut wandelt sie in eine gelbe Karte um. Für gröbere Verstösse, wie Handy auf Station, Betreten fremden Zimmers (und nicht im Türrahmen sondern davor!), zu spät kommen von der BE (Belastungserprobung) oder stationsinterne Sachen an Patienten von anderen Stationen weitergeben etc. gibts gelbe Karten. Die werden nicht gelöscht und wenn du zwei hast fliegst du ebenfalls. Bis jetzt hab ich mir noch nichts zu Schulden kommen lassen.
Die Therapien sind sehr hart und ich war schon mehr als einmal kurz davor alles hinzuschmeissen, weil ich dachte, ich schaff das nicht. Aber ich habe mir vorgenommen zu kämpfen und das bis zum Ende durchzuhalten! Ich will der Krankheit nicht mein Leben überlassen, sondern ich will einen Weg finden, mit der Krankheit zu leben! Persönlichkeitsstörungen behält man leider sein ganzes Leben, aber man kann lernen damit umzugehen.
Die Therapien beginnen früh um sieben Uhr und enden um acht Uhr abends. Montag abend wird immer im Wechsel ein neuer Gruppensprecher oder ein neuer Kultur-und Sportfunktionär (KultiSpofu) gewählt. Der Gruppensprecher hat die Aufgaben neue Patienten einzuweisen, sich um die Verteilung der Verantwortlichen (VA's)für gewisse Therapien zu kümmern und die Wochenendplanung zu machen. Außerdem fungiert er als Bindeglied zwischen Schwestern, Therapeuten und Patienten. Der KultiSpofu unterstützt den Gruppensprecher und ist zuständig für die Vorbereitung bestimmter Therapien. Dienstag abend und am Wochenende gibt es Theraspien nach Wahl, da gibt es einen VA und der kümmert sich um die Gestaltung. Das kann ganz verschieden sein: etwas basteln, musizieren, spielen etc. Am Donnerstag abend ist Tanztherapie, da gibt es zwei VA's die sich um die Musik und alles andere kümmern.
Wir haben auch viele Gruppentherapien: Biographiearbeit, psychodynamische Gruppe, Familienaufstellung, Pantomime und vieles mehr. Da geht es dann richtig an die Substanz, aber das sind die Therapien, die dich weiterbringen auch wenn manche davon ganz schön weh tun. Die Atmosphäre bei uns auf Station ist allerdings anders als ich es von den bisherigen Stationen kenne, nicht so locker und offen. Aber das liegt vermutlich daran, das alle die dort sind, bis auf einige wenige, psychisch schwer gezeichnet sind und sehr viel mehr mit uns kämpfen müssen als das bei anderen Krankheitsbildern der Fall ist. Aber man findet dort auch viel Verständnis, weil man sich nicht groß erklären muss-da jeder mehr oder weniger weiß, womit du zu kämpfen hast.

Ich bin in jedem Fall zuversichtlich, das mich die Therapie ein ganzes Stück weiter bringt, es heisst jetzt nur: durchhalten!

Eure Kate
Wer kämpft, kann verlieren- Wer nicht kämpft, hat schon verloren.
Lilie1981
Beiträge: 230
Registriert: 12. Dez 2011, 22:15

Re: Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von Lilie1981 »

Liebe Kate,

bin ich froh das ich durch Zufall auf deinen Thread gestossen bin. Habe öfter an Dich gedacht, wie es dir so geht und wie es in der Klinik läuft und ob und wann ich/wir mal etwas hören.

Das ist ja ein straffes und strenges Programm, mein lieber Mann...
Stell mir das schwer vor, wenn man behandelt wird wie im Gefängniss, mal krass ausgedrückt.
Aber wenn es einen ein Fünkchen Hoffnung auf Besserung gibt, dann nimmt man das auf sich! Man weiss ja, das es nicht ewig ist.
Ich hoffe ganz sehr für Dich, das es Dir was bringt und ich wünsche es dir vorallem sehr!
Bin ja "nur" eine Angehörige, deshalb kann ich auch evtl mit vielen Sachen nichts anfangen. Trotzdem habe ich gerne deine Beiträge gelesen und tu das auch immer noch !

Schön von Dir zu hören, bzw lesen !

Wermsdorf..in Sachsen..
Na dann viele Grüße aus der Nachbarschaft, ich wohne in Thüringen (ABG)

Liebe Grüsse und alles, alles Gute für Dich!
Halte die Ohren steif
Liebe Grüsse
Lilie
Nic9
Beiträge: 150
Registriert: 27. Okt 2011, 14:07

Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von Nic9 »

Hallo liebe Kate,

es ist wirklich schön von dir zu hören.
Denke ganz, ganz oft an dich und vermisse dich und deine Beiträge sehr.
Manchmal habe ich gedacht "Ach, wäre doch jetzt Kate hier, sie würde wieder genau das richtige sagen!"

Puuuuuhhhh, deine Therapie hört sich wirklich ganz krass an. Ich bewundere mal wieder deine Einstellung und dein Durchhaltevermögen.

Ich wünsche dir weiterhin alles, alles Gute und ganz viel Kraft.

Ganz viele liebe Grüße

Nic
PerryRhodan
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Re: Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von PerryRhodan »

Hört sich eher an wie erzwungene Resozialisierung oder Knast Tät es da keine zwei Wochen aushalten - egal wie schlecht es mir ginge, ehrlich. Das Regelwerk ist ja bei mir Depressionsfördern - muss ich doch das genaue Gegenteil machen: Von innen heraus wollen und nicht müssen.
Gruss,
PR
--

"Wozu ist das?" "Das ist blaues Licht." "Und was macht es?" "Es leuchtet blau."
LaLeLu

Re: Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von LaLeLu »

Zitat von Perry Rhodan:

"Knast Tät es da keine zwei Wochen aushalten - egal wie schlecht es mir ginge, ehrlich."


Keine 2 Tage würde ich es dort aushalten! Das hatte ich mein Leben lang - ich will endlich frei sein!

Schockierte Grüße
Kathryn
Beiträge: 236
Registriert: 1. Dez 2010, 14:41

Re: Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von Kathryn »

Hallo nic, hallo @all,

danke für eure lieben antworten. Vor allem über deine, nic, hab ich mich sehr gefreut. Mir war nicht bewusst, das meine beiträge für euch so hilfreich sind. Freue mich das ich euch helfen konnte, zur zeit ist es leider schwierig, da ich nicht mehr alles verfolgen kann. Aber wenn du oder auch jemand anderes ein problem hat, wobei ich helfen könnte dann postet es einfach in meinen neuen thread, also hier dann kann ich einmal in der woche darauf antworten. Ansonsten lebe ich mich langsam ein, auch wenn es immer noch schwierige phasen gibt. Die strengen regeln haben alle einen sinn, das erkenne ich inzwischen nach und nach und obwohl es manchmal wie im gefängnis zugeht, die therapien schlagen an. Ich merk es an mir immer deutlicher, das sich eine ganze menge tut. Hab zwar ein bissl angst wo das noch hinführt-weiß aber auch das ich dort in guten händen bin und aufgefangen werde wenn es hart auf hart kommt.

Liebe grüße
kate
Wer kämpft, kann verlieren- Wer nicht kämpft, hat schon verloren.
Kathryn
Beiträge: 236
Registriert: 1. Dez 2010, 14:41

Re: Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von Kathryn »

so, meld mich mal wieder. die wochen in der therapie vergehen rasend schnell. hab schon halbwegs das gefühl, dort angekommen zu sein-aber so richtig fuss fassen ist sehr schwierig zumal das vertrauen von mehreren seiten her des öfteren erschüttert wird. innerhalb der gruppe gibt es häufig auseinandersetzung, die nicht selten unter der gürtellinie enden. das alles wird natürlich noch forciert durch das strenge regelwerk auf station. gestern gabs erst wieder ne ausserordentliche versammlung, wo dann erstmal patienten beschuldigt wurden-ohne namen zu nennen, aber so offensichtlich das sowieso jeder wusste wer gemeint ist...was dann damit endete, das besagte person, die solche aktionen immer vom zaun bricht (es sind immer die selben), sich zwar hinterher super fühlte, aber 80% der patienten hinterher völlig fertig waren. die hälfte brauchte bedarfsmedikation und einige waren drauf und dran abzuhauen. für mich war die woche auch nicht einfach-hatte massiv mit dissos zu kämpfen und montag wäre ich auch am liebsten abgehauen.hatte mich dann mittwoch einigermaßen berappelt und fing an mich wieder etwas besser zu fühlen-aber nach der aktion gestern abend dann war alles wieder zunichte. das nächste war, das der medikamentencoctail aus bedarf und der medis die ich eh nehme ziemlich krass war. meine nacht bestand aus teilweise schlafen, teilweise halluzinationen-die akustisch, visuell und haptisch so realistisch waren- das ich die nacht völlig verängstigt ganz hinten in meinem bett an der wand klebte und zwischendurch immer mal wieder in eine dissoziation fiel. die therapie ist hart aber gut-fangen jetzt mit trauma an...mal sehen...
wie ihr seht, kämpf ich noch-aber wenn ich irgendwann doch von dieser welt gehe, dann kann wenigstens keiner sagen ich hätte es nicht versucht...

liebe grüße an euch!
eure kate
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Lilie1981
Beiträge: 230
Registriert: 12. Dez 2011, 22:15

Re: Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von Lilie1981 »

Hallo Kate !

Das klingt ganz schön horrormäßig, was Du da erlebst. aber wie es eben immer so ist, wenn viele Menschen längere Zeit auf einem haufen sind! Und dann habt ihr ja alle mit euch zu kämpfen! Ich wünsche Dir auf jeden Fall ein gutes durchhaltevermögen! Aber wenns Dir zuviel wird, so höre auf dein Gefühl und ziehe nicht etwas durch, wo Du merkst das es Dir nicht gut tut! Ich hoffe jedenfalls für Dich das sich erfolg einstellt und das das mit der Gruppe besser wird.

Liebe Grüsse
Lilie
Conny_11
Beiträge: 291
Registriert: 22. Jul 2011, 00:03

Re: Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von Conny_11 »

Hallo Kate,

Wow, das klingt echt anstrengend. Klar ist so eine Situation mit der Gruppe nicht angenehm - das wär's im "normalen" Leben auch für keinen, und es berührt einen noch mehr, wenn man durch die Depression etc. eh schon wahnsinnig sensibel für Spannungen und Konflikte ist.

Fühlst du dich heute schon wieder besser?

Ich bin seit fast einem Jahr hier im Forum (schreibe aber allerdings nicht so viel), und hab deine früheren Posts schon mitverfolgt und wollte dir nur sagen, wie sehr ich deine Kampfkraft, dein Durchhaltevermögen und deine Zuversicht bewundere! Das ist so wichtig.

Pass gut auf dich auf!

LG
Conny
wütend

Re: Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von wütend »

Hallo zusammen

ich denke, es ist sinnvoll darauf hinzuweisen, das Kathryn keine stationäre Psychotherapie einer Depression macht.

Sie befindet sich in Therpie ihrer Persönlichkeitsstörung.

Ich erwähne da deshalb, damit Depressive kein falsches Bild von einer stationären Depressionstherapie entwickeln und dann aus Angst vor so einem Knast diese verweigern.

Also, eine stationäre Psychotherapie der Depression ist völlig anders und vor allem freier!!!
Kathryn
Beiträge: 236
Registriert: 1. Dez 2010, 14:41

Re: Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von Kathryn »

Hallo ihr,

ja parson-dein kommentar ist nüchtern und treffend wie immer... es ist keine standart- klinikbehandlung, sondern eine für persönlichkeitsstörungen.
An alle anderen... vielen dank für eure aufmunternden worte, das kann ich jetzt gut gebrauchen! Momentan geht es mir besser, mal sehen wie lange es anhält...

ich bin in gedanken bei euch und wünsch euch allen viel kraft! Glaubt an euch, auch wenns schwer fällt!

Eure kate
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Kathryn
Beiträge: 236
Registriert: 1. Dez 2010, 14:41

Re: Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von Kathryn »

Hallo,

heut kommt wieder mal ein kurzer Bericht aus Wermsdorf. Die letzten Wochen waren, wie immer, sehr turbulent. In der Traumatherapie geht es nur mühsam voran, da ich mich von Zeit zu Zeit selber „ausschalte“. Am vergangenen Wochenende habe ich nach mehreren heftigen Albträumen vier Stunden in der Disso gehangen. Aber nachts kriegt das ja keine Schwester mit, ob du schläfst oder dissoziierst. Am Donnerstag musste ich meinen kompletten Lebenslauf vor der Gruppe und einer Therapeutin halten, das war ziemlich heftig. Das von der Gruppe wenig Rückmeldung kam hat die Therapeutin natürlich gleich als Aufhänger benutzt um uns als Gruppe runterzumachen. Wir hätten keinen Zusammenhalt etc. Nach der Therapie wurde ich allerdings von meinen Gruppenmitgliedern aufgefangen. Den restlichen Tag über war immer mindestens ein Gruppenmitglied an meiner Seite, damit ich nicht allein bin. Das war echt gut, sie haben versucht mich auf andere Gedanken zu bringen. So hab ich es halbwegs über den Tag geschafft. Nach dem Schreiben des Eigenberichtshefters kam allerdings alles in geballter Form nochmal hoch-und während der andere Gruppenteil seinen Bericht schrieb lag ich schon wieder in der Disso. Diesmal hat es etwa anderthalb Stunden gedauert, dann ist es einer Schwester gelungen mich mit nem Eisbeutel wieder zurückzuholen.

Ansonsten versuch ich weiterhin mich durchzukämpfen und die Zuversicht zu bewahren, das ich die Therapien schaffe, auch wenn es manchmal schwer ist und ich nicht weiß, wo ich die Kraft noch hernehmen soll. In diesen Zuständen habe ich dann natürlich auch den Dissos wenig entgegenzusetzen. Aber wenigstens gibt es jetzt eine Möglichkeit mich zurückzuholen ohne das ich mich selbst verletzen muss.


Liebe Grüße
Eure Kate
Wer kämpft, kann verlieren- Wer nicht kämpft, hat schon verloren.
Anne Blume
Moderator
Beiträge: 1699
Registriert: 7. Dez 2006, 13:25

Re: Kurzer Bericht aus Wermsdorf

Beitrag von Anne Blume »

Hallo Kathryn,
ich bin ein bißchen in Sorge darüber dass Ihre Berichte andere Forianer verunsichern könnten. Wie weiter oben in diesem Thread schon geschrieben wurde, Sie sind nicht hauptsächlich wegen Depression in Therapie. Der Schwerpunkt liegt auf einer anderen Diagnose und deshalb können Sie auch ganz andere Begleitumstände Ihrer Therapie schildern. Dies wird auch dazu führen, dass Sie hier wahrscheinlich nicht so ganz verstanden werden. Vielleicht wäre es sinnvoller, wenn Sie in einem Forum entsprechend Ihrer "Hauptdiagnose" schreiben?!

Viele Grüße
Anne Blume
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