Und schon wieder..."Wenn Gefühle mich überschwemmen"

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aquamarin
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Und schon wieder..."Wenn Gefühle mich überschwemmen"

Beitrag von aquamarin »

Weil mich das Thema immer noch beschäftigt, hole ich diesen Thread wieder hoch und schreibe einfach mal unten weiter, mit Datum vom 12.03. ...


Guten Tag zusammen,

ich stehe mir selbst gerade mal wieder ratlos gegenüber, deshalb versuche ich es mal mit einem Austausch hier.

In den letzten Wochen habe ich zunehmend festgestellt, dass ich entweder ALLE Gefühle (gleichzeitig) in mir wiederfinde - oder aber GAR KEINE. Was ist damit sagen will: Ist mein Herz verschlossen, spüre ich nicht all die schmerzhaften Anteile meines Lebens, aber ich spüre eben auch sonst nichts - keine Freude, keine Dankbarkeit, keine Zuneigung, keine Angst... einfach NICHTS.

Verstärkt ist es aber im Moment genau das Gegenteil: Mein Herz ist völlig schutzlos geöffnet, so dass ich ganz viel Schmerz, ganz viel Traurigkeit spüre - und nur dann gibt es auch die Momente, in denen ich mich WIRKLICH freuen, in denen ich WIRKLICHE Zuneigung empfinden kann.

Da frage ich mich, ob es mir jemals möglich sein wird, ohne diese permanent vorhandene Traurigkeit auch einfach mal nur so Freude oder andere positive Gefühle empfinden zu dürfen.

Fühlen zu können ist für mich zunächst einmal sehr positiv. Aber es zehrt derzeit so sehr an meinen Kräften, dass ich dem Schmerz so schutzlos ausgeliefert bin. Mir ist klar, dass das Leben nicht nur aus guten Gefühlen bestehen kann, aber es kann doch auch nicht sein, dass die permanente "Gefühlsgrundlage" so schmerzhaft ist.

Wie erlebt ihr das und wie geht ihr mit euren schlechten Gefühlen um?

Ich würde mich über einen Austausch wirklich freuen...

aquamarin
Blaumeise-umk
Beiträge: 85
Registriert: 2. Dez 2009, 20:31

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von Blaumeise-umk »

Hallo aquamarin,
Dein Beitrag hat mich beim Lesen sehr angesprochen, denn ich glaube, mir geht es gerade recht ähnlich... - auch ich merke seit einiger Zeit wie diese schmerzhaften Gefühle wie Traurigkeit, Haltlosikgeit, Angst (vor der Zukunft), Schmerz über nicht Vorhandenes, Sehnsucht... mich irgendwie "überschwemmen". Du schreibst, Dein "Herz ist offen"; ja, so ähnlich fühlt sich das an. Leider kann ich Dir auch nicht sagen, was man dagegen tun kann...; im Grunde ist es ja gut, wenn man etwas spüren kann, aber diese z.T. sehr große Traurigkeit überfordert mich auch irgendwie. Da schaue ich z.B. einen Film und eine Szene berührt mich total, macht mich traurig und das noch tagelang... - so traurig, daß ich gar nicht weiß, "wohin damit", denn irgendeine Sehnsucht wurde dadurch angestoßen (die ich durchaus kenne, aber mit der ich oft auch ganz anders, viel gelassener umgehen kann).
Eine befreundete Heilpraktikerin meinte, die Weihnachtszeit ist schon so eine prädestinierte Zeit für "Gefühle" - wo man einfach viel offener für Gefühle und damit z.B. auch Sehnsüchte ist - scheint durchaus zu stimmen...?!
Mit der Freude ist es bei mir so, daß ich die eigentlich fast nie so "richtig" (bedingungslos) erleben kann - und in Verbindung mit Traurigkeit schon gar nicht. Das ist auch so ein Punkt, der mich immer mal wieder sehr traurig macht, denn ich würde so gerne mal einfach Freude erleben - ohne mich zu fragen, ob ich mich jetzt freuen "darf"/ kann oder wie auch immer....
Tja, das waren jetzt meine Erfahrungen - tut mir leid, daß ich Dir leider auch nicht unbedingt etwas Positives berichten oder guten Rat geben kann.

Schönen Abend noch und einen guten Anfang für die neue Woche!
aquamarin
Beiträge: 262
Registriert: 2. Jul 2011, 19:14

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von aquamarin »

Hallo Blaumeise,

danke zunächst einmal fürs "mit-denken".

Überforderung, das ist es auch, was ich meine. Ich frage mich, ob irgendwann eine Zeit kommen wird, in der meine Gefühle sich "maßvoller" verhalten, so dass es nicht immer so anstrengend ist. Ich bin bereit, auch die unguten Gefühle durchzustehen - aber bitte nicht durchgehend bis zum Ende meines Lebens...

Es kostet unendlich viel Kraft, diese chaotischen inneren Zustände auszuhalten und ich frage mich immer wieder, wie ich damit im normalen Alltag bestehen kann. Es gibt ja nicht für den Rest meines Lebens einen Schonraum, in dem ich mit meiner "Gefühlsüberschwemmung" leben kann.

Ich weiß gerade echt nicht, wohin mit mir...

aquamarin
jonesy
Beiträge: 546
Registriert: 25. Feb 2011, 17:42

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von jonesy »

Hallo Aquamarin,
ja, sie kommt. Diese Zeit, wo du das alles besser einordnen und dosieren kannst.
Es war alles zu lange weggesperrt und kommt jetzt mit Macht.
Kannst du es aushalten?
Man kommt sich vor als würde man 30 Fernsehsender auf einmal schauen und einerseits freut man sich, dass da endlich Gefühle sind und andererseits hauts einen aus den Schuhen.
Aber es wird besser werden.
All die Trauer, die du nicht zu lassen konntest oder wolltest, schwappt jetzt über dich.
Sei schön vorsichtig mit dir und wenn du damit nicht klar kommst, hol dir Hilfe.
Es macht einen ganz sprachlos, oder? Wie reich man da drin ist und wie tief man empfinden kann.
Hab keine Angst, es pendelt sich ein mit der Zeit, ganz sicher.
Liebe Grüße von Pauline
katyfel
Beiträge: 1181
Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von katyfel »

Hallo Aquamarin,

ich würde dir auch gern Mut machen, dass die Zeit noch kommen wird, wo sich die Gefühle der beiden Extreme wieder maßvoll dosiert bemerkbar machen...

Selber bin ich grade allerdings auch (noch) in der Phase, die du/ ihr bis jetzt sehr treffend beschrieben habt.

Für mich stellt sich da auch immer die Frage nach Medikamenten;
EIner der Gründe, warum mir in der Klinik Seroquel verschrieben wurde (nehme ich bis heute) ist, dass es den Gefühlen die "Spitzen" nehmen soll, also die Extreme verhindern.
Generell keine schlechte Idee, wie ich finde, aber -dadurch?- hatte ich zwischendurch wochenlange Phasen, in denen ich das Gefühl hatte, gar nichts zu fühlen.
"gefühlte Gefühllosigkeit", wie es so schön genannt wird.
Das ist für mich auch nicht die Lösung- aber diese "Dauerbeschallung" mit (negativen) Gefühlen aller Art, wie ihr sie ja offensichtlich auch erlebt, halte ich auf Dauer auch nicht aus...

Na ja, natürlich kann der Weg nicht nur über Medikamente gehen, auf gar keinen Fall, aber in manchen Fällen können sie eben unterstützen, woran man selber arbeitet, denke ich..

Liebe Grüße, Sinfonia
So ist das Leben, sagte der Clown und malte sich ein Lächeln auf
Thes
Beiträge: 23
Registriert: 29. Jul 2011, 12:45

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von Thes »

Alle Zusammen,
ich habe gerade einen Beitrag geschrieben
und plötzlich war alles weg. Jetzt kann ich
nicht mehr. Nur so viel, dass ich aus Erfahrung, durch meine Depressionen weiß,
dass sie wieder weggehen, nur wann weiß ich
nicht.
Habe seit sechs Wochen wieder mal eine schwere
Depression. Ich bin verschweifelt, leer und ausgebrant. Alles fällt mir schwer, aber ich zwinge mich so das eine oder andere zu machen.Ich habe mich bei meinem Beitrag der plötzlich weg war so verausgabt und über mich geschrieben, dass ich jetzt einfach nicht mehr kann.
Es ist mir aber wichtig euch mitzuteilen wie es mir in meinem Leben gegangen ist.

Grüße Euch
Thes
aquamarin
Beiträge: 262
Registriert: 2. Jul 2011, 19:14

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von aquamarin »

Liebe Pauline,

du beschreibst es sehr schön und so treffend, was ich empfinde.

"Wie reich man da drin ist und wie tief man empfinden kann."

DAS finde ich allerdings faszinierend und erlebe es sehr intensiv. Darüber freue ich mich auch, weil ich ungern wie ein stumpfsinniger Klotz durchs Leben laufen möchte. Sogar mein "Schmerz-empfinden-können" ist für mich Reichtum - aber eben einer, der belastet.
Es tut gut, dass du mir Mut machst, dass es besser werden wird... Nur so lange muss ich wirklich gut auf mich aufpassen und das verliere ich gerne aus den Augen...

Liebe Sinfonia,

auch ich nehme Medikamente (Citalopram) und sie haben mir insbesondere in der ersten, ganz schlimmen Phase geholfen, wieder gefühlsmäßig auf ein erträgliches Level zu kommen. Jetzt allerdings, woran es auch immer liegt, kommen eben doch wieder viele Gefühle hoch, wobei sie lange nicht mehr so negativ sind, wie zu Beginn meiner depressiven Episode. Ich kann sie aushalten - aber manchmal dann nichts mehr nebenbei. Und das ist im Alltag halt schwierig...

Liebe Thes,

was wir in erster Linie lernen können, ist auf uns selbst zu achten. Wenn es dir also zuviel wird, setzt dich nicht unter Druck. Und wenn du soweit bist, freue ich mich auch über deine Erfahrungen zum Thema.

Je mehr ich mich mit der Thematik auseinandersetze, desto mehr kommt Dankbarkeit dafür zum Ausdruck, dass ich überhaupt und so intensiv fühlen darf. Und dass ich das auch zulassen kann. Ich habe lange mit jemanden zusammengelebt, der seine Gefühle nicht zeigen und ausdrücken, vielleicht noch nicht einmal wahrnehmen konnte. Und DIESER Zustand führt in meinen Augen zu noch unangenehmeren Lebenserfahrungen als der, in dem sich hier so einige von uns befinden. Ich bin FROH, dass ich intensiv wahrnehme und empfinde, denn so wird das Leben in meinen Augen facettenreicher, farbenfroher, voller Überraschungen.
Schwierig ist es in meinen Augen, in der Phase den Alltag gut zu bestehen. Eigentlich brauche ich Zeit, Kraft und Energie für mich...

Ganz liebe Grüße an euch,

aquamarin
Thes
Beiträge: 23
Registriert: 29. Jul 2011, 12:45

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von Thes »

Liebe aquamarin,
vielen lieben Dank für Deine Zeilen und die
lieben Grüße.
Ich bin in einer tiefen Depression und fühle
nur noch Verzweiflung in mir. Kann am Leben nicht
mehr teilnehmen, kann keine Freude, kein Lachen und auch nicht mehr mit den Menschen
fühlen. Habe das Gefühl,dass nur noch der
Körper da ist und meine Seele verletzt ist
und ich Schuldgefühle habe und nur leide.
Fühle mich leer, verlassen und innerlich
voller Unruhe.
Jeder Handgriff um die Wohnung einigermaßen
in Ordnung zu halten ist so eine Anstregnung,
selbst das Schreiben hier kostet mich Kraft
und Energie.
Ich nehme Andidepressium und auch Tabletten
zur Beruhigung und wünsche mir sehnlichst
bald wieder aus diesem Wirrwar von Gefühlen
heraus zukommen.
Ich habe drei Töchter und einen Sohn, der
2003 verstorben ist. Nun habe ich eine Tochter, die teilweise durch das Unvermögen
der Ärzt behindert ist.
Habe mich nur noch um meine Tochter gekümmert für sie organisiert und mich dabei
vergessen. Das wurde mir erst richtig klar,
als Du mir geschieben hast, dass man alle
Energie und Kraft zu allererst für sich braucht.Ich konnte nicht anderst, denn es
ist so furchtbar schwer für mich die Behinderung meiner Tochter anzunehmen und zu
akzeptieren.Ich fühle mich schuldig, das ich
meine Tochter nicht aus der Psychiatrie in
ein Nerologische Krankenhaus zur zweiten Op gebracht
habe. Sie hat sich so Verhalten wie vor der
ersten Kopfoperation und alle hielten mich
davor ab, sie einfach dort rauszuholen.
Meine Tochter ist in einer WG und wird be-
treut. Sie verhielt sich Anfang November
wie vor den beiden Ops. Jetzt habe ich niemand mehr gefragt und habe sie einfach
ins Krankenhaus gebracht. So konnte eine
Op vermieden werden. Sie hat einen Stand
im Kopf und der Schlauch, der gas Gehirn
wasser zum Stand weiterleidet war verstopft
und die Ärtzte konnten ihn wieder erweitern,
so dass das Gehirnwasser wieder ablaufen
konnte.Habe eine Freundin, mit ihr kann ich
darüber sprechen. Sie besucht mich jetzt am
Wochenende.
Ich jammere hier nur, aber im Moment kann ich
einfach nicht anders.Habe eine Therapie be-
konnen und hoffe, dass ich da Hilfe bekomme.
Grüße Dich und alle herzlich
Thes
Gestalt

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von Gestalt »

Hallo Thes,
ich bin neu hier im Forum. Mich hat deine Lebensgeschichte sehr berührt, vor allem die Tatsache,daß Du Dich so schuldig fühlst. Du bist nicht schuldig, Du hast den Ärzten vertraut, was jeder Mensch tut, da sie ja doch das medizin. Wissen besitzen u. eigentlich wissen, was zu tun ist. Hier liegt es bei dem "Unvermögen" der Ärzte, so wie Du sagst, nicht bei Dir. Deine Kraft, nun doch intuitiv das Richtige für Deine Tochter zu tun, sie in eine Klinik zu bringen,gegen alle Widerstände, finde ich sehr bewundernswert. Nutze diese deine innere Kraft nun auch für Dich persönlich. Die Therapie wird Dir dabei helfen!
Ich rede aus eigener Erfahrung, da ich mit einer für mich guten Therapieform/Therapeuten jahrelang gearbeitet habe und so zu vielen veränderten Sichtweisen u. Bewußtwerdung gekommen bin. Z.Zt. ist leider bei mir wieder eine sog. "Winter-Depression" da, die mich ins "Aus" setzt. Aber auch ausgelöst duch die Hormonumstellung der Wechseljahre u. durch Verletzungen in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Ich hoffe für Dich,daß Du in der Therapie die für Dich stützende Hilfe findest!

Grüße an Dich Thes und an alle hier im Forum
Gestalt

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von Gestalt »

Hallo Aquamarin,

Habe deinen Beitrag gelesen. Da ich auch seit längerem wieder unter einer sog. "Winter-Depression" leide, wie alljährlich mit steigender Tendenz, helfen mir Entspannungsübungen, um Zeit, Kraft u.Energie zu tanken u. dabei die negativen Gedanken u. Gefühle auszuschalten. Man gönnt Körper, Geist u.Seele eine Auszeit.Hierbei ist allerdings die Regelmäßigkeit wichtig um dem Körper Entspannung beizubringen. Vielleicht hast du es ja auch schon ausprobiert? oder wenn nicht, versuche es ruhig mal.

Grüße an Dich
aquamarin
Beiträge: 262
Registriert: 2. Jul 2011, 19:14

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von aquamarin »

Liebe Thes,

"Das wurde mir erst richtig klar,
als Du mir geschieben hast, dass man alle
Energie und Kraft zu allererst für sich braucht.Ich konnte nicht anderst, denn es
ist so furchtbar schwer für mich die Behinderung meiner Tochter anzunehmen und zu
akzeptieren."

Das Leben spielt nicht so, dass man alle Kraft und Energie einfach für sich nutzen kann, nur weil man es bräuchte. In deiner Lage ist es gar nicht möglich, nur bei dir zu sein, weil du eine Verantwortung für deine Kinder, insbesondere deine Tochter hast bzw. deutlich empfindest.
Ich weiß - ehrlich gesagt - nicht, wie ich die schlimmste Phase meiner Depression überstanden hätte, wäre ich noch für jemanden anderes als mich verantwortlich gewesen. Hut ab vor allem, was du leisten musst!
Die Kunst liegt wohl darin, seine eigenen Bedürfnisse klarer zu erkennen und ihnen - neben allem "Müssen" und aller Verantwortung ihren Raum zuzugestehen. Denn sonst können wir irgendwann gar nicht mehr und damit ist in unserer Umgebung auch niemandem geholfen.

Ich habe festgestellt, dass das "sich-kümmern" um andere in dem Maße wieder besser klappt, in dem es mir mit mir selbst besser gegangen ist. Und besser wird es bei mir nur deshalb, weil ich mir bewusst werde, was MIR wirklich wichtig ist und danach zu leben versuche.

Das gelingt nicht immer, sonst hätte ich diesen Thread ja nicht starten müssen...


Hallo Gagerl,

danke für den Tipp - mit regelmäßigen Entspannungsübungen hat es bei mir leider (noch) nicht geklappt, ich bin entweder zu abgelenkt oder ich schlafe gleich ein.
Moment hilft mir am besten körperliche Betätigung - ich mache regelmäßig Sport und genieße möglichst oft lange Spaziergänge.

Trotzdem hängt gerade heute Abend wieder ein negativer Gefühls-Wust an oder in mir fest. Blöd eigentlich, weil mein Wochenende wirklich angenehm gewesen ist...
Schwer auszuhalten manchmal...

aquamarin
aquamarin
Beiträge: 262
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Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von aquamarin »

Mich beschäftigt diese "Gefühls-Überschwemmung immer noch, deshalb hole ich den Thread mal wieder nach oben...

Habt ihr es schon einmal erlebt, dass schlechte Gefühle von so tief unten/innen herauf kamen, dass es einerseits kaum möglich ist, sie auszuhalten, dass aber andererseits in diesen Gefühlen eine Art Befreiung oder Erleichterung steckt?

Heute nachmittag erst hat mich wieder etwas derartiges von innen "angefallen", ausgelöst durch ein Telefonat - und ich habe so intensiven Schmerz gespürt, dass es körperlich weh getan hat. Trotzdem konnte ich irgendwo spüren, dass dieser Schmerz gut für mich ist/sein wird.

Jetzt gerade, nach dieser "Anstrengung" fühle ich mich aber erstmal ausgelaugt, müde, wie von einem dumpfen Schleier überzogen. Jetzt pocht der Schmerz im inneren weiter und nimmt mir die Vorstellung, dass er doch für etwas gut sein könnte.

Wie soll ich das immer wieder aushalten können?

aquamarin
jonesy
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Registriert: 25. Feb 2011, 17:42

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von jonesy »

Hallo Aquamarin,
ich für mich habe mir diesen Schmerz sehr genau angesehen und auch ausgelebt und tue es noch.
Zum Teil war es unerträglich und sehr sehr schwer.
Aber es war ein ganz alter Schmerz, aus meiner persönlichen Biografie heraus und der wollte endlich nach vielen Jahrzehnten meine Beachtung und meine Trauer.
Ich hoffe sehr, du bist in therapeutischer Begleitung, den allein so etwas auf zu dröseln,ist heftig.
Alles an zu nehmen, was da kommt an Gefühlen, es sich an zu schauen und dann ziehen zu lassen, scheint mir der richtige Weg.
Es gehört zu uns und irgend wo passt das Puzzleteilchen in das Gesamtbild und fügt sich ein.
Natürlich macht so was Angst, aber es gehört auch zu dir als Mensch, der du bist.
Sich selber zu zu lassen in der Gesamtheit, mit all der Dunkelheit, aber auch mit dem was strahlt in uns, ist ein schwieriges Unterfangen.
Was bei mir hier so durch das Netz ankommt, ist dass du viel Stärke hast.
Du wirst nicht untergehen in dir, da bin ich mir ziemlich sicher.
Keine Angst vor sich selbst zu haben, ist eine Art Selbstvertrauen.
Ich bin auch noch auf dem Weg und noch lange nicht angekommen, aber ich hoffe, meine Wort helfen dir irgend wie weiter.
Liebe Grüße und viel Kraft
von Pauline
Minze
Beiträge: 72
Registriert: 2. Jan 2010, 10:20

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von Minze »

hallo, aquamarin

>Aber es zehrt derzeit so sehr an meinen Kräften, dass ich dem Schmerz so schutzlos ausgeliefert bin. Mir ist klar, dass das Leben nicht nur aus guten Gefühlen bestehen kann, aber es kann doch auch nicht sein, dass die permanente "Gefühlsgrundlage" so schmerzhaft ist.

ich kenne diesen Zustand und ich habe es damals so gehandhabt - wobei ich nicht weiß, ob das für jeden gleich sinnvoll ist - ich hab losgelassen. Ich hab kapituliert und mich von allen diesen Gefühlen überschwemmen lassen und raus damit. Alles raus! Begleitend war ich in der Therapie. Das war wie ein riesiger Ballasthaufen, der irgendwie abfließen musste.

Und danach wurde es besser, erträglicher, wie nach einer Flut, die dann abebbt und dann geht die Sonne auf, die Vögel fangen vorsichtig an zu zwitschern. Ich war erschöpft aber ich konnte das Licht wieder sehen und plötzlich war da Platz für ganz viele gute Gefühle und positive Erfahrungen, die wachsen konnten. Und seitdem baue ich darauf auf.

Ich möchte dir damit Mut machen, dass so ein Zustand nicht immer so bleibt und dass so ein "Gefühlsüberfluss" vielleicht erstmal eine Art Selbstreinigung darstellt, bevor du neu aufbauen kannst.

Das ist so meine Erfahrung, die ich dir gerne mitteilen wollte.

Alles Gute dir
aquamarin
Beiträge: 262
Registriert: 2. Jul 2011, 19:14

Re: Wenn Gefühle mich überschwemmen...

Beitrag von aquamarin »

Liebe Pauline, liebes Minzblatt,

erstmal vielen Dank für eure mutmachenden Rückmeldungen. Mir hilft es schon viel, mal im Austausch mit Menschen zu sein, die ähnliches erlebt haben - im "realen" Leben finden sich so wenige davon...

@Pauline: Leider bin ich (noch) nicht in therapeutische Begleitung, ist in meiner Stadt so gut wie gar nicht dranzukommen.

"Es gehört zu uns und irgend wo passt das Puzzleteilchen in das Gesamtbild und fügt sich ein."

Davon bin ich fest überzeugt, denn bevor ich so richtig weit unten angekommen bin und diesen Schmerz langsam fühlen konnte, gab es immer Stellen der Leere in mir. Diese Leere konnte ich sowohl psychisch als auch physisch richtig spüren, aber ich habe lediglich durch Äußerlichkeiten versucht, sie zu füllen. Oder ich habe erwartet, dass sie von anderen Menschen gefüllt wird. Hat natürlich überhaupt nicht funktionert...
Jetzt erst, wo ich Schmerz empfinde, fühle ich mich (komischerweise) viel ausgefüllter, so als geselle sich ein Teil von mir dazu, dessen Platz einfach lange frei gewesen ist.

"Keine Angst vor sich selbst zu haben, ist eine Art Selbstvertrauen."

Vor allem finde ich, dass es unendlich viel Stärke gibt, wenn man sich sich selbst stellt. Ich kenne Menschen, die sind mit sehr viel Kraftaufwand damit beschäftigt, sich bloß nicht selbst ansehen zu müssen. Sie wollen bloß nicht spüren, dass sie Angst vor sich und dem, was sie in sich finden könnten, haben - also wird alles abgedeckt.
Wenn man sich aber allen Anteilen in sich selbst stellt, dann kostet es - so wie ich es ja gerade erlebe - unendlich viel Kraft, aber gleichzeitig gibt es auch Kraft, weil ich es wage, hinzuschauen und damit dann irgendwann mit mir ins Reine zu kommen.

@Minzblatt:

"und dass so ein "Gefühlsüberfluss" vielleicht erstmal eine Art Selbstreinigung darstellt, bevor du neu aufbauen kannst."

Das trifft meine Wahrnehmung ziemlich gut. Denn ist gibt, seitdem die Schmerzen immer wieder nach außen dringen, genauso neue Momente, in denen gute Gefühle an die Oberfläche kommen. Eins geht ohne das andere wohl nicht...


Meine Ansprechpartnerin in der Beratungsstelle, die ich zumindest hin und wieder aufsuchen kann, hat mir letztens noch einmal deutlich vor Augen geführt, dass wir die Wahl zwischen zwei Lebensmöglichkeiten haben:
Entweder, wir leben oberflächlich, nur mit wenigen Höhen und Tiefen, aber damit auch irgendwie gleichbleibend, eintönig und langweilig.
Oder, wir leben intensiv, dann aber mit intensiv negativen Gefühlen genauso wie mit den intensiv Positiven. Die Bandbreite dessen, was wir in dieser Variante erleben können, ist um ein vielfaches größer als bei der ersten Möglichkeit. Wir sind vielleicht manchmal tief verzweifelt, aber dafür können wir auch intensiv Glücksmomente genießen. Wir sind vielleicht manchmal sehr müde und antriebslos, aber dafür strotzen wir in anderen Momenten vor Energie und verwirklichen Träume und haben damit wieder intensiv tolle Erlebnisse, die uns niemand mehr nehmen kann.

Nachdem ich lange genug im Dornröschenschlaf gelegen habe, ist für mich nur noch die zweite Lebensvariante denkbar. Auch wenn ich derzeit sehr mit der Intensität der negativen Gefühle hadere...

Ganz liebe Grüße an alle,

aquamarin
aquamarin
Beiträge: 262
Registriert: 2. Jul 2011, 19:14

Re: Und schon wieder..."Wenn Gefühle mich überschwemmen"

Beitrag von aquamarin »

Es hört einfach nicht auf!
Mir wurde sogar schon von "externer" Seite bestätigt, dass ich es offenbar gut verstehe, meine schlechten Gefühle hinter meiner fröhlichen Fassade zu verstecken.

ABER DANN, an Tagen wie heute (ich habe frei), überfällt mich schlagartig ein riesiger Schmerz, der mich von innen zu verbrennen scheint. Wirklich raus kommt er aber auch nicht - er nimmt mir meine Kräfte und vergiftet mein Denken.
Ich verurteile mich aufs Schärfste dafür, dass ich MAL WIEDER nichts gebacken bekommen, weil der Schmerz in meinem Inneren tobt...

Es ist ein Teufelskreis... Denn wenn ich mal Zeit habe, dann nehme ich mir vor, allerhand zu schaffen, aber GENAU DANN kommt dieser allesumfassende, wahnsinnige Schmerz und lähmt mich.
Wenn ich dagegen meinen Alltag einfach abarbeite, mir viel hinsichtlich Freizeitgestaltung vornehme, dann spüre ich den Schmerz nicht. Dann funktioniert die Fassade. Aber meine Wohnung wird davon auch nicht sauber, die Steuerunterlagen suchen sich davon nicht zusammen, Mails beantworten sich davon nicht...

Verdammt, ich bin so voller Hass auf mich selbst und komme mit diesen besch... Gefühlen nicht klar!

Wo soll das hinführen????

Verzweifelte Grüße von aquamarin
katyfel
Beiträge: 1181
Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: Und schon wieder..."Wenn Gefühle mich überschwemmen"

Beitrag von katyfel »

Hallo Aquamarin,

leider kann ich dir keine hilfreichen Tipps geben oder so,

aber ich habe grade das Gefühl, mich komplett in dem wiederzufinden, was du beschreibst.
Ich hätte es sicher gar nicht mal so genau sagen können, aber diese Problematik macht mich einfach fertig...

Vielleicht hat ja irgendjemand anders noch einen sinnvollen Vorschlag zum Umgang mit dieser "perfekten Fassade" und Situationen, wo der große Schmerz dahinter doch mal rauskommt....?

Liebe Grüße, Sinfonia
So ist das Leben, sagte der Clown und malte sich ein Lächeln auf
ghm
Beiträge: 1665
Registriert: 25. Dez 2010, 12:38

Re: Und schon wieder..."Wenn Gefühle mich überschwemmen"

Beitrag von ghm »

Hallo aquamarin,

bitte entschuldige, aber wenn Du Deine Arbeit als "Schmerzmittel" missbrauchst, kann der Schmerz nur kommen, wenn Du frei hsst, oder?

Ich mache es zu oft ähnlich, aber ich wundere mich dann nicht, wenn ich Zuhause von der Depression "in die Ecke" gepackt werde.

Auch wenn es mir leid tut, aber dem Schmerz muss ich mich stellen.
Wenn es sein muss, jede Minute, bis ich ihn erlöst, die Ursache geklärt (beste Lösung) oder mich daran gewöhnt (schlechtere Lösung) habe.
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
aquamarin
Beiträge: 262
Registriert: 2. Jul 2011, 19:14

Re: Und schon wieder..."Wenn Gefühle mich überschwemmen"

Beitrag von aquamarin »

Hey Sinfonia,

manchmal ist es auch schon gut, sich nicht allein mit dieser Problematik zu wissen. Das hilft uns zwar beiden nicht, aber es lässt mich zumindest nicht als völlige Exotin dastehen, die nicht mehr ganz sauber tickt...
Mal davon ab, dass ich wohl echt nicht mehr ganz sauber ticke...


Hey Gregor,

du hast sowas von Recht! So richtig wundert es mich auch gar nicht, dass an Tagen wie heute alles hochkommt. Ich kann bloß überhaupt nicht damit umgehen...
Das Schlimmste ist, dass ich mich selbst dafür verurteile, überhaupt diese Gefühle zu haben. Und dann kann ich sie eben "nur" spüren, nicht aber zu fassen bekommen, geschweige denn, sie zu verstehen.
Obwohl ich mittlerweile sicher bin, dass dieses "die Gefühle verdrängen" aus meiner Kindheit herrührt, genauso wie die Ursache des Schmerzes.

Aber ich komme da einfach nicht weiter und das lässt mich verzweifeln.

Was tust du, Gregor - und was tut ihr anderen - ganz konkret, wenn der Schmerz gerade wieder so mächtig ist?

aquamarin
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