Stammtischparolen

jonesy
Beiträge: 546
Registriert: 25. Feb 2011, 17:42

Stammtischparolen

Beitrag von jonesy »

Hallo ihr alle,
wie geht ihr damit um? Ich habe das so oft in letzter Zeit, dass ich dieses Gewäsch einfach nicht mehr ertragen kann.
Es geht mir auf die Nerven, unglaublich sogar. Früher habe ich mich noch auseinander gesetzt, Gegenargumente gebracht, an das menschliche Mitgefühl appelliert usw. usw.
Perlen vor die Säue...
Heute in der Raucherpause bei uns in der Klinik: Den Leuten im Knast hier in Deutschland geht es doch super. Ist doch wie im Hotel, die sollten mal in der Türkei eingesperrt werden usw. laberrhabarber blubber blub...
Ob die sich vorstellen können, wie das sein muss? In einer 3x3m großen Zelle, fremdbestimmt bei Tag und in der Nacht?
Selbst das Duschen und wann das Licht ausgeht, wird vorgeschrieben.
Und dann solche Sprüche, es ist zum kotzen. Ähnliche beliebte Themen sind auch Ausländer und ihre kollektive Schuld am Untergang Deutschlands, Hartz VI Empfänger, Alte, Behinderte, die Todesstrafe usw.
Und ich steh dazwischen und jedes Wort tut mir weh. Das sind meine Kollegen, die da sprechen. Menschen, die im helfenden Beruf arbeiten.
Irgend wann habe ich es aufgegeben, dagegen zu reden. Es hat einfach keinen Zweck. Mir ist, als würde ich gegen Windmühlen kämpfen.
Bin eh schon als merkwürdig verschrien.
Mit mir könne man über solche Themen nicht reden.
Doch kann man. Aber ich rede nur mit Menschen
und ich weine, wenn ich die Nachrichten sehe und ein Mann wird in der U-Bahn von drei Jugendlichen zusammen getreten.
Manchmal habe ich das Gefühl, ich passe nicht in die Welt oder die Welt passt nicht zu mir.
Nicht genug Hornhaut auf der Seele.
Es ist nicht nur die Depression. Es ist die Welt und diese vielen herzlosen Menschen, die in ihr leben.
Wer ist hier eigentlich krank?

Danke fürs Zuhören. Dass musste jetzt mal raus.
Pauline
Highque
Beiträge: 11
Registriert: 5. Nov 2011, 14:17

Re: Stammtischparolen

Beitrag von Highque »

Hallo Pauline,

habe mal ein T-Shirt gesehen mit der Aufschrift " Alle doof, außer ICH !". Wäre vielleicht eine prima Dienstbekleidung für Deine Kollegen
FrauRossi
Beiträge: 3165
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

-

Beitrag von FrauRossi »

katyfel
Beiträge: 1181
Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: Stammtischparolen

Beitrag von katyfel »

das mit den T-Shirts find ic hauch eine super Idee...

Und sonst ist sicher die einzige Lösung, um nicht selber daran kaputtzugehen; weghören oder -gehen und nur dagegen argumentieren, wenn du dich grade stark genug fühlst.

Ich finde es auch schlimm, wenn so etwas um mich rum geredet, inzwischen gehe ich dann auch manchmal einfach weg... ist unbefriedigend, aber tut mir letztendlich besser.
Und ganz böse, aber manchmal wünsche ich mir, es würde auch mal solche Leute treffen, mit was auch immer... dann wären sie die ersten, die schreien.
Aber eigentlich wünsche ich das keinem Menschen, nur... ganz manchmal...
So ist das Leben, sagte der Clown und malte sich ein Lächeln auf
icingsugar80
Beiträge: 80
Registriert: 2. Dez 2011, 13:41

Re: Stammtischparolen

Beitrag von icingsugar80 »

darüber hab ich mich gestern noch mit einer freundin auf dem weg in die stadt unterhalten.
das wir sie kaum ertragen, die ganzen oberflächlichen menschen um uns, der weihnachtsrubel,dat dumme gelaber, die pseudoprobleme(oh, ich muss mir die nägel auffüllen lassen!!!)ect. ect...
und dann hab ich auch noch ein interview gegeben zum thema weihnachten.
HAHA!!!!! da hab ich mal so richtig vom leder gezogen! war dat geil! dat ich alles verlogen finde und stressig, dass ich weihnachten eh in der klinik bin und sie mich mal zum thema depressionen fragen sollte und nicht zu solchem quatsch!
sie war sowas von geschockt und überrrascht, dass ich mich so offen zu den problemen bekenne( die soooooooo viele haben).
so, das wollte ich mal kurz erzählen.

ich geh jedenfalls nur noch mit scheuklappen durch die gegend, damit ich mich nicht pausenlos aufregen muss.
ich hoffe auf bessere zeiten!
aber tiefgang kann man nunmal nicht von jedem erwarten.
lg,
y.
FönX
Beiträge: 3370
Registriert: 2. Jul 2008, 11:37

Re: Stammtischparolen

Beitrag von FönX »

Hallo,

das mit dem Zuspruch ist sehr nett, und die Idee mit den T-Shirts finde ich auch ganz witzig. Aber im Ernst - warum geht uns das sinnentleerte Gewäsch nicht einfach "am A**** vorbei"?

Nachdenkliche Grüße
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
ghm
Beiträge: 1665
Registriert: 25. Dez 2010, 12:38

Re: Stammtischparolen

Beitrag von ghm »

dieses "sinnleere Gewäsch" ist Ausdruck von Menschen, die ihrer Menschlichkeit verloren gegangen sind.

Ich denke aber, dass nur so der Wiedersinn unserer Gesellschaft ertragen werdenkann.Wie diese Gesellschaft seit 200 Jahren, mit den Mitmenschen, Mitgeschöpfen und der Welt umgeht ist (für mich) jenseits jeglicher Ethik und Moral.

Aber vielleicht habe ich meine Depressionen auch, weil ich mich von den "überkommenen" Wertmasstäben nicht freimachen kann?

Nein, ich glaube nicht.

Dennoch was lernte ich einst,

"Klugheit musst Du Dir schwer (und täglich) erarbeiten, Dummheit bekommst Du frei Haus"
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
paco
Beiträge: 310
Registriert: 19. Jan 2011, 11:06

Re: Stammtischparolen

Beitrag von paco »

Hi allerseits,

ja, es ist zum heulen, welche Ansichten „zivilisierte“ Menschen vertreten, welche Hartherzigkeit gedacht und gelebt wird. Wie der Materialismus (dickes Auto, schicke Fingernägel (icingsugar)) die Hirne vernebelt und Mitmenschlichkeit vertreibt.

Zu viele Menschen akzeptieren und rechtfertigen die existierenden Verhältnisse, die regierenden Mächte. Wer Macht hat, hat auch die Mittel, notfalls die Büttel, die die Macht absichern, auch mit inakzeptablen Mitteln aus Sicht eines (wirklich) christlichen Menschen. Bezahlte Schläger, Killer und Henker hat es immer schon gegeben.

Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Ich habe mir zum Teil die resignative Einsicht „Es ist wie es ist“ angewöhnt. Ich halte es für nicht immer und überall angebracht, gegen den Verbalbrachialismus anzugehen. Das kostet zu viel Kraft. Wie Sinfonia meine ich, dass man die nur einsetzen soll, wenn man sie gerade hat und wenn sich der Einsatz zu lohnen verspricht.

Aber ich sehe die Menschheit insgesamt auf einem guten Weg. Historisch betrachtet haben sich die Dinge gebessert. Das europäische Mittelalter mit Folter, Hexenverbrennungen ist vorbei, Todesstrafe und Folter gibt es in vielen Staaten der Welt nicht mehr. Ist es ein Zufall, dass dort, wo die materielle Existenz am wenigsten selbstverständlich ist, ein Menschenleben am wenigsten Wert ist?

Auch wenn’s manchmal zum Davonlaufen ist, ich schaue optimistisch in die Zukunft. Und wir sind nicht ganz machtlos: es kommt auch ein wenig darauf an, mit welchen Werten wir unsere Kinder erziehen. Gegen die Stammtischparolen der Zukunft wirkt die gute Herzensbildung dieser Tage.

LG paco
Topfblume
Beiträge: 89
Registriert: 28. Mai 2011, 16:56

Re: Stammtischparolen

Beitrag von Topfblume »

Mich beunruhigt dieses Gerede deswegen, weil ich Angst habe, dass diese Meinung eine grosse Mehrheit finden könnte, die dann, wie dereinst, solche Menschen wieder 'kostengünstig entsorgt'.
Und mir stellt sich dann auch die Frage, wieviel wir nun eigentlich aus der Geschichte gelernt haben und ob wir nach vorne gehen wollen oder wieder mal rückwärts.
2801
Beiträge: 25
Registriert: 18. Okt 2011, 21:08

Re: Stammtischparolen

Beitrag von 2801 »

Mensch, ist das beruhigend daß ich nicht die Einzige bin die sich so fühlt. Klar, wenn wir uns nicht stabil fühlen, können wir in so einer Diskussion nur schwer bestehen. Ich halte mich da dann aus Selbstschutz auch raus. Aber es gibt auch Runden, in denen man solche Themen gesittet diskutieren kann und seine Meinung transportieren kann. Man muss eben wissen, wo.

In der Clique meines Ex-Freundes ging es bei den Männern auch immer nur darum, wer sich wann mit wem am dollsten betrunken hat und wer wie nach Hause gekommen ist. Habe mich da dann immer sehr fehl am Platze gefühlt und geschämt für diese ewig Junggebliebenen. Mit über 40 Jahren und dazu noch teilweise Familienväter. Traurig wenn man nichts anderes mehr zum Besprechen hat. Nicht mein Ding.

Es geht aber auch anders. In der Klinik, in der Reha und Reha-Nachsorge habe ich Menschen kennengelernt, die tatsächlich noch einen anderen, weiteren Horizont haben. Das habe ich als sehr beruhigend empfunden.

Liebe Grüße
Anna_J
Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu sein.
bibel
Beiträge: 494
Registriert: 20. Okt 2011, 14:45

Re: Stammtischparolen

Beitrag von bibel »

hallo,

also ich mag diese Parolen auch nicht. Aber mit solchen Parolen, vor allem in der Gruppe, kann man sich grösser machen, als man selbst ist. Man kann sehr gut von sich selbst und von seinen eigenen Fehlern ablenken.
Wer mit einem Finger auf andere zeigt,zeigt
mit vier Fingern auf sich selbst.
Wenn man diese Menschen einzeln und persönlich anspricht, sind sie sich oft sehr unsicher.
Auf der anderen Seite, sie leiden selten unter Depressionen. Und da werde ich ja fast neidisch. Sie suchen sich aber unschuldige Opfer als Ventil. Und wir versuchen unsere Depressionen in etwas Gutes umzuwandeln, was aber letztendlich fairer ist.

Liebe Grüsse,

ein kleiner Löffel.

"Ich muss kein grosser Löffel sein, wenn ich ein wertvoller Löffel sein darf.
jonesy
Beiträge: 546
Registriert: 25. Feb 2011, 17:42

Re: Stammtischparolen

Beitrag von jonesy »

Ich konnte so was mal besser wegstecken oder auch mit einem flotten Spruch kontern. Momentan verspüre ich nur einen Würgereiz im Hals und muss ganz schnell weg gehen.
Es ist auch so ein bisschen fremdschämem mit dabei.
Vielleicht sollte ich so was mal ansprechen in der nächsten Dienstbesprechung. Das ich mich für meine Kollegen schäme. Dann bin ich bestimmt ganz untendurch.
Als ich nach diesem Knastgespräch weg gegangen war, weil ich es nicht aushalten konnte, habe ich mich als feige empfunden.
Aber es kostet so viel Kraft. Kraft, die ich für mich brauche.
Manchmal fühle ich mich wie ein Allien und verdammt alleine.
Neulich habe ich einen drüber gekriegt, weil ich zu lange mit den Patienten rede und zu viel erkläre.
Hauptsache, die Dokumentation stimmt.
Ich hab gerade nicht übel Lust, den ganzen Rotz hin zu schmeißen.
Ach Mensch, irgend wie habe ich mein Leben schon mal besser auf die Reihe bekommen.
Es tut so gut, sich hier aus zu jaulen. Auch wenn gerade keiner real da ist, um mich in den Arm zu nehmen und zu sagen, Pauline, du tickst schon richtig so, wie du bist.
Virtuell tut`s auch
Pauline
FrauRossi
Beiträge: 3165
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

-

Beitrag von FrauRossi »

bibel
Beiträge: 494
Registriert: 20. Okt 2011, 14:45

Re: Stammtischparolen

Beitrag von bibel »

Liebe Pauline,

natürlich denkst DU richtig, unsere Erde wird immer grausamer, liebloser, Mobbing,
Gestreite, Scheidungen usw. Aber leider können wir uns nicht gegen alles wehren, es kostet viel zu viel Kraft, und die hast DU gerade nicht.
Gehe DEINEN Weg, sei achtsam zu DIR, wenn es
eine gute Gelegenheit gibt, sage etwas, wie
DU es denkst.
DU kannst nicht den ganzen Bertrieb verändern, und leider sieht es in anderen Arbeitsplätzen nicht viel besser auf.
Habe zuerst DICH selbst lieb, das ist erstmal das Wichtigste. Und wenn ich kein Mann wäre, würde ich dich in den Arm nehmen,
und dich trösten.
Leben ohne Leiden geht leider nicht. Aber DU
kannst das Beste für DICH darraus machen.

Liebe Grüsse,

ein kleiner Löffel.
paco
Beiträge: 310
Registriert: 19. Jan 2011, 11:06

Re: Stammtischparolen

Beitrag von paco »

Hi zusammen,

ich will mal die Pessimismusbremse treten, sonst geht es deprimäßig nur noch weiter runter.

Ich meine: ES WIRD NICHT ALLES SCHLIMMER !!
Da muss man schon genauer hinschauen und nicht so pauschal Pessimismus verbreiten. Klar, die Wohlstandsschere öffnet sich. Und Krieg, Mord, Totschlag, Ungerechtigkeit und Gier sind noch nicht ausgerottet.

Aber wir haben alle unseren kleinen Mikrokosmos, in dem wir wesentlich für unser und unserer Mitmenschen Wohlbefinden sorgen können, ganz nach unseren Wünschen. Und diesen Spielraum gilt es zu nutzen.

Gegen Stammtischparolen in der Gruppe an zu argumentieren dürfte in der Mehrzahl der Fälle vergebliche Liebesmüh sein. Viel wirksamer ist ein Gespräch im kleinen Kreis.

Es gibt vieles, was einen an dieser Welt und den Mitmenschen stören könnte. Aber zum Selbstschutz sollte man nicht alles an sich ran lassen. Lieber einmal mehr auf Durchzug schalten und sich nur dann engagieren, wenn man was bewirken kann.

Das meint

paco
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Stammtischparolen

Beitrag von Antiope »

Ich denke, man kann dagegen argumentieren - aber es kostet sehr viel Kraft und Einsatz, Leute von ihrer einfachen Meinung abzubringen.
Es gibt sogar von der Bundeszentrale fuer politische Bildung eine kleine Schrift "Argeumente am Stammtisch", wo diese Pauschalverurteilungen auseinandergenommen und mit konkreten Argumenten widerlegt werden. Also quasi ein Spickzettel fuer die Stammtischdiskussion.

Ich jedenfalls habe es jedoch inzwischen aufgegeben, gegen solche Vorveruteilungen zu argumentieren - sondern weise nur noch darauf hin, dass es ja wohl ein globales Stammtisch-Totschlag-Argument sei. "Gestern die juedischen Mitbuerger, heute die russischen oder die koerperbehinderten" - so in etwa meine Antwort, um die Leute mal genau in Erklaerungsnot zu bringen.
"DIE xy's" lasse ich so nicht mehr gelten. Wenn es einfach weitergeht, habe ich schon gesagt, dass ich auf diesem Niveau nicht weiterdiskutieren will und bin aufgestanden.
Habe die Flucht ergriffen
PerryRhodan
Beiträge: 329
Registriert: 9. Apr 2011, 14:14
Kontaktdaten:

Re: Stammtischparolen

Beitrag von PerryRhodan »

@Pauline
Diese Stammtischparolen dienen nur dazu, um selbst nicht so klein und unwichtig zu sein. Dazu, um durch den Fingerzeig von sich wegzuzeigen. So dass die anderen nicht sehen, was die eigenen grossen Fehler sind, wie unvollkommen der Einzelne doch selbst ist.

Schau dir die Menschen doch an, die da in der Runde stehen und Nachreden, was für Kleidung sie tragen: Made in India? Unter welchen Bedingungen werden wohl diese Kleidungsstücke geschneidert.
Was haben die Menschen auf ihrem Teller liegen? Fisch von den afrikanischen Küsten. Und was haben die Küstenländern auf den Tellern, die mickrigen Reste.
Woher kommt das Handy, TV, der neue Laptop? Aus Asien! Dort bringen sich die Menschen um, damit die Menschen hier sich eine neueres Modell kaufen können.
<b>Wenn sie wollten, könnten sie das alles sehen!</b>
Lass sie doch dumm sterben... Das lässt sich zwar schwer aushalten, aber lässt uns nicht noch weiter an unseren eigenen Resourcen zehren, als notwendig. Würden wir die Kraft haben, etwas daran zu ändern, so würden wir es doch tun. Haben wir leider nicht und deshalb wären doch die Starken gefordert.
In dieser Runde würden sich jedoch keine Starken finden Deshalb bleiben sie still und sprechen Lemming.

Gruss,
PR
--

"Wozu ist das?" "Das ist blaues Licht." "Und was macht es?" "Es leuchtet blau."
bibel
Beiträge: 494
Registriert: 20. Okt 2011, 14:45

Re: Stammtischparolen

Beitrag von bibel »

hallo,

ja, ich würde mir auch vieles anders wünschen, an mir selbst, an anderen und in der Welt. Von Natur aus neige ich auch dazu, eher über alles nachzugrübeln. Und je länger ich mich gedanklich mit diesen negativen Dingen beschäftige, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, eher negativ zu denken.
Ich denke, es kommt da sehr auf unsere Einstellung an. Und da kann ich auch sagen, es wird alles schlechter, aber auch gleichzeitig, ich mache das Beste für mich rein persönlich daraus, um nicht in der Depression zu landen.

Unsere Atomkraftwerke produzieren sehr viel
schädlichen Atommüll, und bis der entsorgt ist. Es wird zurecht protestiert.
Aber wieviel Müll produzieren wir in uns selbst, oder wurde in uns hineingelegt.
Diesen Müll herauszufinden, ist heutzutage nicht mehr schwer, durch Therapien usw.
Aber wie kriegen wir diesen Müll un uns los.
Nicht wie die Stammtischparolen, über allen und jeden herziehen.
Wenn ich ehrlich bin, bin ich oft auch nicht viel besser als diese Stammparolenschreier, nur mache ich es vielleicht auf etwas feinere Art.
Aber ganz ohne Schuld, ganz ohne Müll in mir bin ich auch nicht.
Am besten finde ich, diesen ganzen Müll "umzuwandeln" in etwas Gutes, Schönes,
Positives. Um so versöhnt zu leben, mit mir selbst und meiner Umwelt. Nicht um alles gutzuheissen, sondern um auch zu verstehen, wieso manche Menschen mit Stammtischparolen um sich werfen.
Wir Menschen mit Depressionen wollen ja auch verstanden werden, diese Menschen vielleicht auch. Letztendlich entstehen diese Stammtischparolen ja auch aus einer Hilflosigkeit heraus, mit dem Leben richtig
umzugehen. Wenn ich das erkenne, habe ich schon mal eie ganz andere Sichtweise, dass
es letztenbdlich auch ein Schrei nach Hilfe ist, nur auf einer anderen Art.
Auch diese Menschen haben Angst.

ein kleiner, aber wertvoller Löffel.
jonesy
Beiträge: 546
Registriert: 25. Feb 2011, 17:42

Re: Stammtischparolen

Beitrag von jonesy »

Meistens versuche ich jeden so zu lassen wie er ist, aber an manchen Tagen tut`s dann schon mal weh und man kommt ins Zweifeln, ob man nicht selber eine falsche Sicht auf die Dinge hat.
Aber ich wusste auch, dass ihr nicht so denkt, umsonst haben wir alle keine Depressionen.
Paco hat schon recht damit, die Notbremse zu ziehen, damit ihr nicht alle in mein Loch fallt.
Heute geht es auch schon besser und ich musste dann auch ein bisschen grinsen über so viel Polemik.
Meine Schwester sagt immer: Du zwei Ohren.Eines für raus und eines für rein.
Vielleicht ist eines bei mir Attrappe und ich hab nur eins für rein?
In dem schmalen Raum, der mir bleibt für Individualität, versuche ich einfach, die Welt zu verbessern.
Ich glaube, genau das ist das Problem.
In der Realität ist kein Platz für Träumer, Visionäre, Spinner.
Da zählt nur Leistung, die irgend wie messbar ist.
Menschliche Wärme, Hand halten, Trösten, Angst nehmen ist nicht ab zu rechnen und bringt auch kein Geld. Ergo nichts wert, also auch nicht angesagt.
Ich bin sicher kein Gutmensch, aber ich will das auch leben, was mir wichtig ist.
Mir ist es oft zu laut, zu kalt, zu schnell.
Aber das ist überall so, also, wo passe ich hin?
LG v. Pauline
bibel
Beiträge: 494
Registriert: 20. Okt 2011, 14:45

Re: Stammtischparolen

Beitrag von bibel »

hallo liebe Pauline,

doch es ist Platz für dich. Wenn du dich zuerst einmal selbst annimmst, dich selber lieb haben kannst. Und aus der Liebe zu dir, die Liebe zu deinen Mitmenschen.
Wenn du andere mehr wie du magst, magst du sie eigentlich weniger.
Die Welt, die Erde braucht Menschen wie dich, barmherzig, gütig, einfühlsam, liebevoll, aber sei das auch zu dir selbst.

Überfordere dich nicht, du bist sehr wertvoll, das spürt man dir ab, und du bist bestimmt eine gute Freundin oder ein guter Freund.

Sei nicht gegen dich, sei für dich. Lebe die
Liebe, dein SEIN in dieser WElt, mit deinen
Gaben, deinen Möglichkeiten und deinen Fähigkeiten.

liebe Grüsse,

ein kleiner Löffel.

muss kein grosser löffel auf dieser Erde

sein, wenn ich ein wertvoller Mensch sein

darf.
overandout
Beiträge: 19
Registriert: 26. Nov 2011, 13:22

Re: Stammtischparolen

Beitrag von overandout »

Hallo Pauline,
ich verstehe dich nur zu gut. Mir gehts ja genauso. Und das von Paco find ich auch sehr richtig.
Aber am meisten hat mich berührt, dass du schreibst, du fühlst dich als Allien. Ich sag da lieber als Fremder in dieser Welt. Ich hab das Gefühl, ich gehör hier überhaupt nich her. ich passe nicht in diese Welt.
Und die Depression ist hier nich der Auslöser solcher Gedanken, eher die Folge.
Wäre schön, wenn sich hier auch jemand findet, mit dem man sich auch am Telefon austauschen kann... Das bringt mir die Menschen etwas näher.
Lieben Gruß an alle hier,
irgendetwas sagt mir: WIR sind am richtigen weg.
Emmari
Beiträge: 44
Registriert: 28. Nov 2011, 14:13

Re: Stammtischparolen

Beitrag von Emmari »

Hi Jo und Ihrs, ich habe in einem deiner Beiträge gelesen, dass du Robert Betz erwähnt hast. Ich kenne viele seiner Bücher und Hörbücher. Teilweise stimmen diese Sachen. Aber in der Theorie ist es eben anders als in der Praxis. So auch mit den Menschen, die Stammtischparolen von sich geben. Wenn wir uns im gleichen Raum befinden, vielleicht sogar noch, weil wir im gleichen Büro arbeiten, dann ist es nicht immer einfach die Ohren auf Durchzug zu stellen. Wir bekommen die gehörten Sachen nicht mehr aus dem Kopf und fangen an zu grübeln. So geht es mir jedenfalls oft, auch wenn ich weiß, dass ich mir darüber keine Gedanken machen sollte. Wenn mir jemand nun noch den Tipp geben kann, wie ich das "Mit"hören abstelle und damit auch das Grübeln nicht stattfindet, dass würde mich echt freuen. Was meint ihr?

Liebe Grüße
Emmari
TelefonTelAviv
Beiträge: 394
Registriert: 29. Okt 2010, 21:56

Re: Stammtischparolen

Beitrag von TelefonTelAviv »

bibel
Beiträge: 494
Registriert: 20. Okt 2011, 14:45

Re: Stammtischparolen

Beitrag von bibel »

hallo,

zu laut, zu kalt wir gehören nicht auf diese Erde. Au, das ist voll das Depridenken, da muss man echt aufpassen.
Natürlich gehören wir auf diese Erde, und natürlich haben wir eine Daseinsberechtigung, so wie alle Menschen, Tiere, Pflanzen.
Es muss alle Arten von Menschen geben, die Leisen, und die Lauten. Wichtig ist, seinen ganz persönlichen Platz zu finden, und versöhnt mit sich und der Welt zu leben.
Das hat was mit unserer inneren Einstellung zu tun.
Wir können uns nicht gegen alle Ungerechtigkeiten einsetzen. Das macht uns voll fertig und depri. Aber man kann sich ein Gebiet aussuchen, wo ich meine mir zur Verfügung stehende Kraft einsetzen kann.
Das genügt, das reicht aus, da seinen persönlichen Frieden zu finden.
Frieden mit mir selbst, und meiner Umwelt.Dazu gehört auch mal zu sagen, es tut mir leid, auch ich habe meine Macken, meine Fehler, auch in kann neidisch und was weiss ich sein, wir sind doch alle nur Menschen. Trotzdem so gut es geht, achtsam mit mir selbst, den anderen Lebewesen umgehen, so gut ich es nur kann. Dazu bedarf es keiner komplizierten schwierigen Worte, das ist einfach, menschlich und verständlich.

ein kleiner Löffel, aber wertvoll, das genügt.
jonesy
Beiträge: 546
Registriert: 25. Feb 2011, 17:42

Re: Stammtischparolen

Beitrag von jonesy »

Ich finde es ziemlich schwierig zu differenzieren, was ist die Depression und was davon bin ich.
Vielleicht hört sich das ein bisschen depri an, zu laut, zu schnell, ist so aber gar nicht gemeint.
Ich hätte es gern ein wenig langsamer so insgesamt. Was heute in der Zeitung steht ist morgen schon vergessen, alles rauscht an mir vorbei, ohne das ich die Gelegenheit bekomme, genauer hin zu sehen. Was jemand heute sagt, ist morgen nicht mehr wahr usw. usw.
Vielleicht ist es die Sehnsucht nach Beständigkeit. Das es etwas gibt, was morgen noch genauso ist wie gestern.
Ich wähle immer den langsamsten Zug um ein Ziel zu erreichen, immer das dickste Buch.
Meine Therapeutin hatte gestern eine ganz tückische Frage für mich. Wenn ich drei Wünsche hätte, was ich mir wünschen würde.
Das Erste war einfach, weil ich mir das schon ewig wünsche: Ein Haus am Meer, wo ich in Ruhe malen und schreiben kann.
Das Zweite, was ich mir gewünscht war Unmengen an Zeit.
Beim Dritten habe ich dann irgend was gefaselt und sie hat gemerkt, dass ich gelogen habe.Püüüüüüüüh.
Was ist ihnen als Erstes in den Kopf gekommen fragt sie und dann hab ich gesagt: Isolation.
Erstaunlicherweise konnte sie das gut nachvollziehen, trotzdem habe ich mich geschämt, mir so was zu wünschen.
Ich mag Menschen, aber bei mir ist so, dass ich immer und überall angesprochen werde, ob im Supermarkt oder an der Bushaltestelle. Sie reden mich sprachlos und manchmal fühlt es sich an, als würde sie alle Schilder hoch halten: Gib mir...
Gib mir deine Zeit, gib mir Wärme, gib mir deine Nähe, gib mir dein Ohr, gib mir dein Leben. Und ich schaffe es nicht an diesen Schildern vorbei zu gehen, weil ich ihre Bedürfnisse so viel deutlicher spüren kann als meine eigenen.
Es ist so schwer, sich zu verändern und jedes Mal, wenn ich es wieder nicht geschafft habe, weg zu hören, weg zu sehen, fühle ich mich wie der letzte Mensch.
Das kann doch jeder, auf sich achten, nur ich nicht.
Das ich das wirklich jetzt hier hin geschrieben habe...
Grübelmonster ist übrigens ein schönes Wort, mein Kopf rattert unentwegt, gar nicht mal zwingend Depri, sondern auch so Sachen wie:
Was bedeutet eigentlich CD, ist bestimmt ne Abkürzung für irgend was, muss ich mal googeln. Wer hat den Reißverschluss erfunden und was für ein Idiot ist eigentlich für die neue Rechtschreibung verantwortlich?
Fragen, die die Welt bewegen<g>.
Ich brauch`mal Raumleere da oben oder ne Putzfrau für`s Gehirn.
Es ist schön, sich mit euch aus zu tauschen(warum darf ich das nicht mehr zusammen schreiben?) und ich fühl mich nicht mehr ganz so merkwürdig und außerirdisch.
Danke von Pauline.
Antworten