Wieviel Hoffnung gibt es?

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mechthild
Beiträge: 1
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Wieviel Hoffnung gibt es?

Beitrag von mechthild »

Seit heute ist mein Mann in einer psychosomatischen Klinik. Er leidet seit mehr als 10 Jahren unter depressionen. In Gesprächstherapie ist er seit4 Jahren, geht zur Selbsthilfegruppe und hat alles mögliche getan, um sich immer wieder für das Leben zu entscheiden.Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb litt er in der letzten Zeit des Wartens auf die Klinik besonders unter Angst und Panik, bodenloser Hoffnungslosigkeit und dem Gefühl, sich immer mehr zu verlieren. Ich konnte seine Gefühle oft verstehen (so weit das ein nicht betroffener überhaupt kann) und habe dennoch versucht, den Kopf über Wasser zu halten und zu hoffen, daß doch in der Klinik etwas in Bewegung kommen kann, was er selbst nicht für möglich gehalten hat. Aber ich habe trotzdem Angst, daß unser Leben nach der Klinik nicht entspannter wird, weil so viele schwierige Dinge auf uns warten, vor denen er schon jetzt panische Angst hat: im März kommt unser zweites Kind zur Welt und die Arbeitssuche beginnt für ihn wieder. Er hatte in den letzten Jahren nie feste Stellen, immer stürzte er trotz guter Fähigkeiten nach Beginn einer Stelle in Depressionen ab. Obwohl er anerkannt wurde und gut war, gab es für ihn nie die Chance, sich zu festigen. Er kämpfte sich immer bis zuletzt durch und erntete doch nicht... Jemand, der ähnliches erlebt hat, weiß, daß ihn das noch bestätigt hat in seinem Selbstbild, unnütz auf dieser Welt zu sein. Wenn er nicht ein Zuhause hätte, hätte ihn vielleicht schon manchmal nichts mehr gehalten. Der Selbstmord einer Frau, an der er sich aufgerichtet hatte, nahm uns beide neulich sehr mit und zog uns die letzte Hoffnung weg, denn sie hatte auch getan, was man konnte (sie lebte allerdings allein) Ich hoffe nun, daß im geschützen Raum der Klinik vielleicht wieder etwas wie Lebensmut wachsen kann. Aber er bräuchte auch hinterher Grund zum Gedeien. Die letzte Zeit war sicher auch so schlimm, weil mein Mann vor der Klinik die Medikamente absetzen mußte (Insidon - Dosis war eh zu niedrig).Er hat die Hölle erlebt. Sein Therapeut ist immer fürs Aushalten gewesen, erst nach längerer Zeit hat er dann mal was verschrieben. Ich bin in letzter Zeit nicht mal sicher, ob er kapiert hat, wie schlecht es meinem Mann wirklich geht, denn er sah oft Fortschritte (die es sicher auch gab), die Wahrnehmung meines Mannes ist allerdings, daß es konkret nie schlimmer war als jetzt. Ist es dann nicht besser, Medikamente zu nehmen, um wieder auf die Beine zu kommen? Ich bin froh, die Belastungen der letzten Wochen, in denen mein Mann zu Hause war jetzt etwas abgeben zu können, aber die angst vor dem Danach ist allgegenwärtig. Wer kann mir Mut machen oder hat ähnliche erfahrungen?
Thomas Mueller Roerich

Wieviel Hoffnung gibt es?

Beitrag von Thomas Mueller Roerich »

Hallo Frau Hummel, ich habe 2 schwere depressive Phasen bisher durchlebt, beide dauerten etwa je 15 Monate und gingen fast nahtlos ineinander über, liegen aber inwischen 4 Jahre zurück. Anfangs wehrte ich mich sehr gegen Medikamente und kämpfte ähnlich wie ihr Mann mit allen Kräften und Lebenswillen gegen die Krankheit an. In der Klinik ließ ich mich nur mit Schlafentzug behandeln, ich wollte es unbedingt "alleine" schaffen. Aber es folgte Rückfall auf Rückfall und es wurde irgendwann klar, dass sich die Krankheit jedem Versuch widersetzte, sich auf die "sanfte Tour", d.h. durch Therapie und eigene Anstrengung vertreiben zu lassen. Die Wende kam erst, nachdem ich diese Position aufgab und mich medikamentös behandeln ließ, mir wurde Fluctin verschrieben, in den USA als Prozac bekannt. Ich nehme bis auf den heutigen Tag 1/2 Dosis täglich und habe keine Nebenwirkungen dabei. Natürlich habe ich trotzdem mneine Therapie gemacht (300 Std. Analyse) und die konnte auch anschlagen, weil ich sie nicht in einem Zustand gemacht habe, in dem man kaum zu begreifen fähig ist, was der Therapeut sagt. Um auf den Punkt zu kommen: Natürlich ist es besser, Medikamente zu nehmen, wenn man so lange leidet wie ihr Mann. Sehen sie es einmal so: Was immer die Depressionen ihres Mannes auslöst, vielleicht eine schlimme Kindheit oder was auch immer, es hat auf der körperlichen Ebene Narben hinterlassen, die sich durch Therapie nicht einfach zurückbilden. Wer z.B. durch jahrelangen Stress ein Magengeschwür bekommen hat, kann ja auch nicht erwarten, dass es durch Therpaie verschwindet, sondern muss auf beiden Ebenen etwas tun. Nun weiß ich nicht, ob ich ihr Problem wirklich getroffen habe aber mein Eindruck beim Lesen war, da ist jemand, der will aus eigener Kraft eine Krankheit besiegen, die er für "rein psychisch" hält und der Therapeut bestärkt ihn darin. Wenn ich er wäre, würde ich konsequent nach dem richtigen Medikament suchen und parallel dazu nach den Ursachen forschen, nur beides zusammen verspricht wirkliche Hilfe. Was mich an Ihrem Beitrag auch angesprochen hat, ist der Tod der Freundin, ich habe damals das Gleiche erlebt- eine Freundin von mir nahm sich das Leben und ganz klar sieht man das als schlimmes Omen. Aber ich lebe heute, die Depression ist tückisch und betrügt einen, weil man glaubt, es wird nie mehr anders, aber es kann anders werden. Alles Gute für Sie und Ihren Mann! Thomas
hummel
Beiträge: 2
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Wieviel Hoffnung gibt es?

Beitrag von hummel »

Hallo Thomas, vielen Dank für die so schnelle Reaktion auf meine Situation. Übrigens hat mein Mann auch zwischenzeitlich Medikamente genommen, die er aber nie länger als ein halbes Jahr nahm. Vielleicht ist es an der Zeit, sich dafür zu entscheiden, wirklich für länger etwas zu nehmen, was dazu auch Wirkung zeigt, denn es ging meinem Mann trotz Medikamenteneinnahme meist nur etwas besser, aber nicht gut. Vielleicht hat er auch noch nicht das richtige gefunden. Die Suche danach wird sich auch nicht so leicht gestalten, weil uns noch der richtige Arzt dazu fehlt. Ich versuche dennoch die Hoffnung nicht zu verlieren so gut es geht. Danke auf jeden Fall mal für's Mitteilen Ihrer Erfahrungen! Hummel
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