Trennung, Tod und Abschiede

elas
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Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von elas »

Guten Tag in die Runde,


mein Thema passt zum heutigen Tag, zu Allerheiligen.

Seit einer ganzen Weile merke ich, dass ich unglaublich traurig bin, und einen Herzdruck kriege, wenn ich es versuche wegzuschieben.

Ich habe Euch ja schon erzählt, dass meine Mutter seit 11 Jahren im Betreuten Wohnen ist, und ich sie dort ja regelmäßig besuchen gehe.
Und selbstverständlich einige alte Damen in mein Herz geschlossen habe, mich mit denen unterhalten habe, und oft sehr viel Anerkennung und Zuwendung von den Damen bekommen habe.

Und nun ist gestern innerhalb einiger Wochen die dritte Dame gestorben, die ich sehr mochte.
Die sind natürlich alle biblisch alt, schwer krank, so dass man schon auch von einer Art Erlösung sprechen kann.
Trotzdem stelle ich fest, dass es mich sehr berührt, auch nachts.
Meine Traurigkeit hat mit diesen Todesfällen zu tun.

Gleichzeitig habe ich so eine Ahnung, dass es eventuell bei meiner Mutter auch sehr schnell gehen kann, zumal jetzt allgemein schon gesagt wird, sie hätte sehr, sehr abgebaut, sie ist 90.
Und ich habe Angst, was noch alles auf uns zukommen wird, und wie ich dann ihren Tod und all das meistern werde.

Wäre ich jetzt in einer "liebenden Familie", Ehe, Kinder aufgehoben, dann wüsste ich, ich hätte einen gewissen Halt, wenn es soweit ist.
Aber so...so macht es mir sehr Angst und ich fühle mich einsam, sehr einsam zwischendrin.

Nun, ich könnte ja mit meiner Mutter trauern über die alten Damen, aber, da kommt wieder der alltägliche Wahnsinn meiner Mutter durch.
(Sie ist psychotisch und dement).
Heute früh habe ich einen ganz schlimmen Streit mit ihr bekommen, weil sie den Tod dieser 3. Dame ungemein ehrabschneidend und verächtlich kommentiert hat.
Sie hat sich lustig darüber gemacht, wie die an ihrem bisschen Leben gehangen habe.
Ich konnte sie nur noch anschreien und sagen, so rede ich keine Sekunde weiter mit ihr, so rede man nicht über Verstorbene etc. etc.

Dann hat mich das wieder enorm getriggert, mein Vater, der viel zu früh an einer Kriegsfolgeerkrankung gestorben ist, hat sich nicht mehr dialysieren lassen.
Und die alte Dame, die jetzt gestorben ist, die konnte man nicht mehr dialysieren.
Es ist schon ein Thema, mit dem ich umgehen kann.
Aber, meine Mutter hat sich auch bei meinem Vater immer drüber lustig gemacht, wie der an seinem bisschen Leben hinge.
Meine Mutter ist ganz einfach verrückt, sie hat kein Gefühl für andere Menschen, geschweige denn für die Würde anderer Menschen und deren Schicksal.
Das ist mir sowas von zuwider.
Und es tut mir weh, und es ist dann immer der Impuls da, dass ich nie wieder mit ihr zu tun haben möchte.

Nun habe ich mich nach einem Gespräch mit einer meiner Freundinnen wieder etwas eingekriegt.
Und, ich habe den Angehörigen der alten Dame eben ein paar liebe Zeilen geschrieben.
Ich mochte die Dame nämlich wirklich, die war sehr tapfer, und trotz ihrer schlimmen Krankheit auch hilfsbereit gegenüber Anderen im Stift.

Schade, dass ich nie mit meiner Mutter oder mit meinem Bruder gemeinsam trauern kann.
Das war auch bei meinem Vater so. Jeder in seinem Kämmerchen.
Und___ich habe doch etwas Mühe, meine Freundinnen so oft zu belasten mit meinem Kruscht.
Nach dem Tod meines Vaters vor 21 Jahren, da dachte ich immer, meine Mutter würde zerbrechen an der Trauer. Ist sie in gewisser Weise auch, weil dann ihre Psychose sowas von offensichtlich wurde.
Leider habe ich nie meinen Bruder mit ins Boot bekommen, sie in eine Behandlung zu bringen. Er hatte immer zuviel Angst vor der Konftontation mit ihr.
Und ich, ich die ungeliebte Tochter, die, die immer an allem Schuld war, ich hätte sie doch gar nicht in eine Behandlung zwingen können.

Puuh, erst einmal Danke fürs Lesen, wenn Ihr es bis hierhin geschafft habt.
Ich glaube, das Beste ist , wenn ich die Trauer angemessen rauslasse, eben auch dieses Gefühl von Traurigkeit , Endlichkeit, Abschied und Einsamkeit akzeptiere.

Für ein paar einfühlsame Worte wäre ich sehr dankbar.



Herzlich
Selas
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FrauRossi
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Selas,

ich kenne das auch, mit dem Trauern ganz für sich..."jeder in seinem Kämmerlein"..

Als mein Vater damals starb war ich auf einer Geschäftsreise, als ich wiederkam feierte meine Oma ihren 80 Geburtstag. Der Freund meiner Schwester holte mich vom Bahnhof ab, weil ich spät zurück kam und es sonst garnicht geschafft hätte.

Ich arbeitete damals im Wald, so sah ich auch aus. Aber ich dachte es wäre wichtiger, ich komme überhaupt. Wenn ich erst noch heim gefahren wäre um mich aufzuhübschen dann hätte ich es erst recht nicht geschafft.

So kam ich also in Wakdklamotten da an. Meine Mutter und meine Schwester musterten mich von oben bis unten und meinten: Wie siehst du denn wieder aus? Und ach übrigens dein Vater ist Tod.

Sie hatten es nicht für nötig befunden mich anzurufen um mir Mitzuteilen dass er ein Herzinfarkt am Steuer hatte, dass er dadurch einen Unfall baute, dass er im Koma lag und schließlich dass sie sich entschieden die Geräte abzustellen und er kurz darauf starb.

Das Krieg ich nebenbei um die Ohren geknallt.

Weder meine Mutter noch meine Schwester sind altersdement oder alterspsychotisch und trotzdem stand ihnen wohl nur ein total respektloser, kaltschnäutziger Umgang mit dem Tod zur Verfügung.

Ich kenne das also auch. Familienhalt fehlanzeige!

Liebe Selas dann trauere halt auf deine Art. Vielleicht zündest du den Damen eine Kerze in einer Kapelle an und verweilst dort einwenig in stummen Gedenken an sie. Vielleicht gehst du ein wenig in dem Seniorenstiftgarten spazieren und rufst dir nette Momente mit den Damen vors innere Auge.

Nimm Abschied so wie du es für richtig hälst und lass es dir nicht von deiner Mutter kaputt machen.

Wie es mal aussieht wenn deine Mutter mal geht?
Ich kann es nicht vorhersagen, vielleicht entsteht dann ein Zusammenhalt mit deinem Bruder, vielleicht drückt er sich um die Dinge (wie bei dem Geburtstag) die so anfallen wenn jemand stirbt.

Wir wissen es nicht, aber du kannst trotzdem trauern. Vielleicht gibt es dann andere Verwandte die dich unterstützen.

Ich denke auch manchmal daran wie es sein wird wenn meine Mutter stirbt? Werde ich es überhaupt erfahren? Und wenn ja, wird es ähnlich verlaufen wie die Nachricht von meinem Vater? Ich weis es nicht.

Wir werden es erleben und dann werden wir einen Weg finden damit umzugehen.

Mach dir trotz Allerheiligen nicht so viele trübe Gedanken. Genieße den schönen Herbsttag. Trauer darf auch etwas schönes und freudiges sein.

Du kannst der Damen gedenken im Sonnenschein in einem Cafe oder Waldspaziergang und über schöne Momente mit ihnen schmunzeln.

LG FrauRossi
FrauRossi
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von FrauRossi »

Ich nochmal,

Mir fällt gerade ein: ich hatte mal eine Bekannte die hat in einem Seniorenstift gearbeitet. Sie erzählte mir dass man es spührt wenn die Leute bereit sind zu gehen und dass es irgendwie so scheint, wenn es soweit ist, dass sie friedlich werden und man den Eindruck bekommt, als wäre dort tatsächlich jemand gekommen um sie abzuholen. Sie sagt auch dass wenn sie dann sterben es sich so anfühlt als würde etwas das Zimmer verlassen.

Mich hat das damals sehr berührt und ich habe ein Gedicht dazu verfasst. Ich schreibe es dir hier auf. Sieh mir nach dass es auch Sarkasmus enthält, ich war damals noch sehr jung.

Der Schmerz kriecht uns durch alle Wunden
das Alter fließt an uns herab
Wir müssen uns nur Gedulden
irgendwann kommt schon das Grab

Freunde kommen und lesen
aus lieben Büchern uns vor
Sie sprechen vom baldig Genesen
Wir nennen sie heimlich Tor

Davorne hinter den Ecken
steht schon der schwarze Mann
Wir wollen uns nicht mehr verstecken
so legt er die Sense an

Und trennt uns den Halse entzwei
Gern werden wir mit ihm gehn
Die Liebsten eilen herbei
um uns beim Sterben zu sehn

Dann heucheln sie Abschied und heulen
doch wir sind schon garnicht mehr da
am Ende streuen sie mit Freuden
uns Blumen ans Grab


LG FrauRossi

(p.s. damals war ich mit meinem ersten Tod konfrontiert . Mein Lieblingsgroßvater. Ich konnte damals noch nicht verstehen warum die Leute beim Leichenschmaus, lustige Geschichten über ihn erzählten und sehr vergnügt schienen. Ich war am Boden und hielt sie alle für respektlose Heuchler Naja, die Heißblut der Jugend)
Bummel
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von Bummel »

Jeder Abschied tut weh.
Manche Menschen glauben wenn sie zeigen würden wie sehr sie der Tod des anderen berührt, würden sie als schwach gelten. Vielleicht gehört Deine Mutter dazu und verbirgt ihre Trauer und vielleicht auch die Angst vor dem eigenen Tod hinter solchen Bemerkungen. Vielleicht!
Bei mir fällt das Abschied nehmen unterschiedlich aus, manchmal empfinde ich den Verlust so sehr, dass es mich körperlich schmerzt.
Dann stelle ich mir Momente vor in denen wir uns Nahe waren, nicht immer einig aber gedanklich nahe und ich habe das Gefühl das sie mir Mut machen wollen, weiter zu machen und ein Stück Ehrlichkeit und Achtung weiterzugeben.
Es sind mehrer Menschen die ich unendlich vermisse, deren Rat, deren Achtsamkeit im Umgang mit anderen, deren Humor und vor allem die Ehrlichkeit, aber ich freue mich diese Menschen gekannt zu haben. Es ist im Nachhinein für mich sehr schmeichelhaft überhaupt zu deren näheren Bekanntenkreis gehört zu haben, obwohl einige wussten wohher ich komme.
Die Freude tröstet.
"Deine" verstorbenen Damen mochten Dich und freuten sich Dich zu sehen und Du mochtest Sie und es ist vielleicht schön, dass Du sie kennen durftest, Menschen die sich vielleicht ganz anders verhalten als Deine Mutter.
Ich wünsche Dir schöne Erinnerungen, damit Du laslassen kannst

Bummel
elas
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von elas »

Liebe Frau Rossi,


herzlichen Dank für Deine Antworten. Es tut meinem Seelchen gut.

Du schreibst richtigerweise, dass wir Beide nicht wissen, wie wir umgehen werden damit, wenn irgendwann unsere Mütter sterben müssen.
Aber Du denkst richtig, wenn Du sagst, auch dann wird sich irgendein Weg damit finden.
Nur manchmal fehlt mir so das Gottvertrauen mit diesem Thema.
Damit meine ich auch, jemand, der sehr religiös ist, kann sich vielmehr Halt in solch einer Situation geben.
Ich bin leider nicht so religiös, aber so an eine Höhere Macht (Bad Herrenalb winkt) kann ich schon glauben.
Und der dazugehörige Gelassenheits_Spruch tut mir gute Dienste in meinen schlaflosen Nächten.

Nein, die Trauer lass ich mir nicht nehmen, und ich traure auf meine Art und Weise.
So, indem ich halt auch schöne Briefe schreibe an Angehörige...schön wären auch Gespräche mit Menschen, die den Verstorbenen eben kannten. Mal sehen, ob sich da im Stift noch was ergibt.#Die haben da auch so eine kleine Ecke mit Gedenkbuch und Kerze...
....aber am schönsten wäre so ein gemeinsames Trauern z.B. bei Beerdigung. Aber auf die Beerdigung werde ich nicht gehen, da käme ich mir doch auch wieder Fehl am Platz vor.

Ja, nun hab ich heute den Schmerz zugelassen. Mal wieder auf meine Art und Weise. Oft denke ich , es seien verlorene Tage, auch wenn ich so sehe, dass Andere so hoppi, hoppla_hopp ganz anders mit Trauer umgehen als ich.

Aber______________ich bin ich_____________________

Wenn ich so auf mein Leben zurückblicke,dann habe ich schon mit vielen Trauerfällen zu tun gehabt.
In meiner Kernfamilie als Kind, das war am schlimmsten, die Trauerfälle durch den Krieg.
Und von meinen Eltern konnte ich das "gesunde Trauern" nicht lernen.
Später im Studium habe ich Todesfälle erlebt.
Und dann im Schuldienst, mir ans Herz gewachsene Jugendliche , KollegInnen mussten sterben, einfach so.
Schade, sehr schade, dass es da nie solche "Trauerräume" gegeben hat. Es wurde sofort wieder zur Tagesordnung übergegangen, und ich als Lehrperson musste eh stark sein dann für die Jugendlichen....und so hat sich doch auch ne Menge SEELENMÜLL dann angesammelt bei mir.
Meine Seele kam gar nicht so schnell nach.

Heute weiß ich, dass Trauern immer noch schwer ist für mich, weil ich dann immer meine, es müsse mir doch endlich gut gehen, ich müsse doch endlich ein wertvolles und fröhliches Leben führen....
....aber wie sagt doch Giger_Bütler? Trauer ist das, als was es daherkommt. Es ist einfach Trauer. Und Menschen sind dann vielleicht lange Zeit unglücklich. Aber das sei noch keine Depression.

Frau Rossi, mal Dank, dass wenigstens ein Mensch auf dieses Thema geantwortet hat.
Denn: Mir kommt es in diesem Forum vor, so wie mit dem allegemeinen Zeitgeist.
Wenns wirklich an eingemachte Themen geht, so eben auch mit Trauer, da mag auf einmal gar keiner mehr antworten und schreiben.
Auf die schrägsten Gedanken kriegen hier Menschen in diesem Forum Antworten, aber wenns an ganz normale Empfindungen geht, die vielleicht nicht ganz so geschmeidig sind, auweia, dann nix wie weg.

Jeder, eine Jede muss auf Dauer in einem langen Leben einen Umgang mit Trauer, Trennung und Tod finden.
Ich für meinen Teil leide oft, weil ich meine, es dauert oft sehr lange, bis ich mich wieder gefangen habe.
Auf jeden Fall sind das die ungeduldigen Rückmeldungen von Zeitgenossen, die selber gar nicht von der Trennung oder dem jeweiligen Trauerfall betroffen gewesen sind.
Dann heißt es, so wie nach dem Tod von meinem Vater "Du bist doch eine starke Frau"...und das wars dann.

Merci fürs Lesen, falls Ihr es geschafft habt, bis hierher.



Ganz herzlich
Selas
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elas
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von elas »

Liebe(r) ? Bummel,

danke für Deine tröstlichen Worte.

Du schriebst
>"Deine" verstorbenen Damen mochten Dich und freuten sich Dich zu sehen und Du mochtest Sie und es ist vielleicht schön, dass Du sie kennen durftest, Menschen, die sich vielleicht ganz anders verhalten als Deine Mutter.<

Du triffst mit diesem Satz den Nagel auf den Kopf.
Ich suche ja immer nach dem Sinnhaften auch in dem Schwierigen mit meiner Mutter.
Es ist so, ich habe viel übers Altern gelernt durch die vielen Jahre in diesem Stift.
Ich bin noch todtraurig. Aber das Loslassen wird mir schon gelingen, so wie immer.

Danke, dass Du mein Empfinden teilst und Dich nicht erschreckt fühlst von so einem schweren Thema.


Herzlich
Selas
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Bummel
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von Bummel »

Mir ist der Tod schon zu oft begegnet, als das er mich noch schrecken könnte. Meine Tochter war für ein Jahr in der Kinderonkologie, sie ist gesund geworden, viele andere leider nicht.
Da mich das Sterben und der Tod nicht mehr ängstigt, hatte ich ( bevor ich mich um meine Eltern kümmerte) einige Bekannte die an bösartigen Tumoren litten, bekleidet.
Es ist auch irgenwie gut, wenn nichts offen bleibt und wichtiges gesagt werden kann.
Zur Zeit wäre ich dazu allerdings nicht fähig, weil ich sehr aufpassen muß, dass ich nicht wieder in alte Verhaltensmuster falle.

Grund: eben meine Mutter.

Liebe Grüße und ich bin auch Mutter

Bummel
elas
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von elas »

Hi @all,

liebe Bummel,

auch ich bin schon oft dem Tod begegnet.
Und habe so einige Ängste diesbezüglich überwunden.

Ich hab so Probs eher, meine Trauer dann zuzulassen, also das Schmerzhafte. Oft versuche ich lange zu verdrängen, so wie mit den alten Damen.
Meine psychos. Herzschmerzen haben mich dann drauf gebracht.

Es hat gut getan, ein zwei Tage so brunnentief traurig gewesen zu sein, und wie ein Schlosshund zu heulen.

Meine Traurigkeit jeweils zeigt ja dann an, dass ich ganz einfach eine Beziehung zu dem jeweiligen Menschen hatte.

Loslassen schmerzt. Und das tät ich lieber ausradieren, obwohl ich weiß, dass "meinen Trennungsschmerz rauslassen" immer der bessere Weg ist.

Also, ciao
Selas
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Bummel
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von Bummel »

Liebe Selas,

Was ganz anderes, > der Weg ist das Ziel< entspricht in vielem was ich tue meinem Motto, oft ist das Ziel (fertige Ergebnis) zwar Gut geworden, aber auch irgendwie langweilig. Gern setze ich mir dann ein neues Ziel.
Aus Papierstreifen kann man einen 3D-Stern basteln und damit es leicht funktioniert: der Weg ist das Ziel.
Liebe Grüße und traurig sein können ist wichtig, sonst wüßten wir gar nicht wie sich kleine Freuden anfühlen.

Bummel
bigappel
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von bigappel »

Liebe Selas,

abgesehen davon, dass meine persönliche Lebenssituation mich gezwungen hat, mit diesem Thema auseinanderzusetzen, so ist tatsächlich dies auch "mein täglich Brot".

Trauer, ist nichts, für das man sich schämen müßte, Trauer und Sterben gehören zu Leben.

Es hat mich sehr berührt, dass Du den Angehörigen der Dame private Zeilen gewidmet hast. Meine Mutter mußte viel zu früh sterben und ehrliche, schriftliche Zeilen haben mir damals sehr gut getan. Dies wird diesen Angehörigen vermutlich auch so gegangen sein und für Dich war es auch ein Weg des Umgehens. Also sicherlich hilfreich für alle.

Du hast geschrieben, dass Du im Fall des Falles keine eigene, enge Familie hast, die Dich auffängt.

Ich denke, dies muss auch nicht zwingend so sein. Manche Familien sind sich leider viel fremder, als Freunde, Nachbarn oder auch fremde Menschen.
Es gibt heute sehr, sehr gute Trauergruppen.

Sofern Dir zu gegebener Zeit Deine Freundinnen nicht ausreichend oder entsprechend zur Seite stehen können, kann dies eine echte Alternative sein.

Die Angst, vor dem Tag allerdings, bleibt.
Egal, ob man psychisch erkrankt ist oder nicht. Trauer gehört zum Leben und sie tut immer weh.

Aber ich denke, man muss sie unbedingt zulassen.

LG
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
momadome
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von momadome »

Liebe Selas,

es ist gut trauern zu können. Nichtgelebte Trauer frisst sich ins Herz.

Ich habe 25 Jahre nicht um meinen vater trauern können, ich konnte überhaupt nicht trauern, dieses Gefühl war mir völlig fremd.

Erst als ich meinen Hund weggeben mußte habe ich getrauert, ich habe wochenlang geheult bei jeder Situation, die mich an ihn erinnert hat. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis ich über ihn sprechen konnte, ohne in Tränen auszubrechen.

Die Trauer um meinen Vater habe ich in meiner Klinikzeit nachgeholt, da erst kam das Gefühl bei mir an.

Wie es bei meiner Mutter einmal sein wird, wird sich zeigen. Ich denke mal, es kommt auch darauf an, wie innig die Beziehung zu Lebzeiten war. Man kann nicht um jeden Menschen aus seinem Umfeld gleich trauern, man hat ja zu jedem eine andere Beziehung.

Aber die Trauer zuzulassen ist wichtig und richtig.

Freunde können einem beim Trauern vielleicht sogar besser helfen als Familienangehörige, denn die sind selbst mit ihrer Auseinandersetzung mit dem Tod und dem Verlust beschäftigt.

Einen sehr lieben Gruß an dich!

jojoma
elas
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von elas »

Guten Morgen in die Runde,


bummel

Pia, hab Dank für Deine Zeilen. Und_____an die Option, dass es ja mittlerweile Trauergruppen gibt, für den Fall der Fälle, an diese Option habe ich gar nicht gedacht.
Hab es schon mal gehört, so am Rande.
Das ist ein guter Hinweis.

Damals, vor jetzt bald 22 Jahren mit meinem Vater, da habe ich schon getrauert, aber das Schlimmste daran war, dass ich damit so alleine geblieben bin. Zumal damalige Freundinnen oder KollegInnen noch gar keine Erfahrungen mit Todesfällen von Elternteilen hatten.
Ich meine, damals gabs ja noch gar keine Trauergruppen.

@jojoma
Danke, dass Du uns das mit Deinem Vater erzählt hast. Ich denke schon auch, Trauer muss raus und bewältigt werden.
Als ich diese Tage diese Herzschmerzen hatte, weil ich dauernd die Tränen und die Trauer um diese 3 Damen unterdrückt habe, habe ich mich doch tatsächlich an eine weitliegende Einzeltherapie bei einer tollen Frau erinnert, die mir gegen Ende der Therapie ans Herz legte, immer meine Körpersymptome zu dechiffrieren, und eben zulassen, dass Abschiede, auch die kleineren schmerzen.
Und sie selber erzählte mir in diesem Zusammenhang, dass sie sich mal eine ganze Zeitlang gewundert hätte, warum sie dauernd erkältet sei, und dann wurde ihr klar, dass 3 Klienten aufgehört hatten, die ihr sehr ans Herz gewachsen waren, und die sie ehrlich mochte, und dass ihr dieser Abschied schwergefallen sei.
Ich finde es spannend, wie doch meine Therapien nachwirken....

Ich freu mich über Eure Beiträge, sie haben mir wieder aufgezeigt, dass ich nicht so hart mit mir selber umgehen darf, ich hab so ein verdammtes Bild von "der immerwährend starken Frau" verinnerlicht.

Das mit den Trauergruppen ist eine Option, und für den Fall der Fälle würde ich mich auch nicht scheuen, noch einmal in einer Psychos. Klinik zu gehen.

Jetzt erst einmal steht meine orthopädische Reha an. Von der PKV habe ich schon grünes Licht bekommen. Das war die größere Hürde als die Bewilligung von Beihilfe. Da bin ich eigentlich auch ganz guter Dinge, dass das jetzt beim Amtsarzt durchgehen wird.

An dieser Stelle möchte ich erneut sagen, dass es mir immer wieder guttut, hier zu schreiben, da ich dann für mich wieder klarer werden kann innerlich.
Und neue Ideen und mögliche Wege aufgezeigt bekommen kann, dann wenn der Schmerz und die innere Panik alles überdecken bei mir.

Nun allen einen schönen Tag.


Herzlich
Selas
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Bummel
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von Bummel »

Falls Du nach Bad Rodach oder Bad Staffelstein kommst, dann willkommen in Oberfranken.
Wir haben hier einen ganz besonderen Charme, aber gute Kliniken und gutes Wasser.

Falls nich dann trotzdem eine gute Zeit und schöne Momente die Dir Freude bereiten, und für Deinen Körper Wohlbefinden bringen.

Liebe Grüße

Bummel
jonesy
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Registriert: 25. Feb 2011, 17:42

Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von jonesy »

Liebe Selas,
bei deiner Mutter kommt es mir vor als hätte sie selber Angst. Ist so ein bisschen wie pfeifen im dunklen Keller, oder ist sie nicht mehr so klar?
Meine Mutter ist auch schon 84 Jahre alt und ich weiß, irgend wann kommt es auf mich zu und ich werde damit umgehen können und du wirst es auch.
Als vor drei Jahren meine Schwester gestorben ist, habe ich die Trauer nicht zu gelassen. Sie kam durch die Hintertür wieder zurück in Form von Depressionen. Erst als ich ihr den Raum gegeben hatte, der ihr gebührt, ging es mir wirklich besser.
Es ist so schwer mit dem Herzen zu begreifen, dass alles endlich ist. Der Kopf weiß da genau bescheid.
Ich wünsche dir eine ganz schöne Reha.
Lieben Gruß von Pauline
2011
Beiträge: 119
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von 2011 »

Hallo Selas,

seit Gestern versuche ich auf deinen Beitrag zu antworten.

Ich würde dir auch gerne mit auf den Weg geben, das es vielleicht eine gute Idee ist mit einer Trauergruppe. Ich bin mir nicht sicher, aber ist es nicht vielleicht auch für dich eine Möglichkeit einer Hospizbewegung beizutreten und dann dort an einer Fortbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleitung teilnehmen? Deine Beiträge hören sich für mich so an als ob du dich gerne noch etwas mehr über den letzten Weg austauschen und erfahren möchtest. Man wird in dieser Fortbildung auch professionell begleitet durch z.B. Supervision, Mentoren und wer mag Pastoren/ Pfarrer. Zu einer Begleitung muss es nicht unbedingt kommen, wenn man sich nicht selbst dazu in der Lage sieht. Man "arbeitet" in einem multiprofessionellen Team und erfährt viel auch über seine eigenen Vorstellungen über den eigenen Tod und Weg dorthin.

Ich bin jetzt älter als mein Vater geworden ist. Er starb / verreckte an Leukämie in Münster an der Uniklinik. In den 80ern waren die Chemata der reinste Horror ( was sich Heute etwas gewandelt hat, vor allem der Umgang mit Sterbenden. )
Ich habe als Kind sehr viel Prügel bezogen von ihm ( Im Kindergarten sollte ich schon perfekt schreiben können, alles mußte perfekt sein was ich tat ) Nur konnte ich seinen Anspüchen nie genügen. Usw...
In der Nacht als er verstarb, sind meine Mutter und ich nicht bei ihm gewesen. An dem Tag habe ich mir geschworen nie wieder zu weinen und nicht zu trauern, ich mußte für meine Mutter da sein. Sie wog irgentwann nur noch noch 39 kg. Allen Menschen die mit mir über den Tod meines Vaters reden wollten und diese verfluchten Beileidsbekundungen begegnete ich mit Wut und beißender Ironie ( bin damals 11 Jahre alt gewesen. ), Hass und stellte diese Menschen als Lügner dar, die nur heucheln. Bis Heute empfinde ich Beileidsbekundungen als nicht autentisch.

Aus einer Familie mit unzähligen Kindern, Onkel, Tanten, Basen und Vetter bin nur noch ich mit meiner Mutter ( Blasenkrebs, fortgeschritten ), Stiefvater ( beginnende Demenz / starke Rheumaschübe )meinem Onkel ( kein Kontackt mehr mit ihm,Tumor in der Speiseröhre, er stibt auch in naher Zukunft und es tut so unendlich weh ) und 2 Basen auch keinen Kontackt mehr.

Ich habe solche Angst irgentwann einmal ganz alleine zu sein, bin mit dieser Situation überfordert, ich darf diesem Gefühl auch nicht lange nachgeben.

Bitte nicht böse sein, hab glaube ich etwas verworren geschrieben und wollte wieder mal alles auf einmal schreiben, was mich an deinem Beitrag berührt hat.
Ich glaube, du bist eine starke Frau, denn meiner Meinung nach lassen nur starke Menschen ihre Gefühle zu und dann auch noch so dosiert, das man selbst darüber nachdenken kann.

liebe Grüße aus dem Norden,

sehr sehr nebelig Heute ( Seenebel sind wunderschön, wenn die Sonne aufgeht und alles in lila - rot Tönen leuchtet )
elas
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von elas »

Guten Morgen @all,


Pauline und Zwiebelchen, merci für Eure Beiträge.
Es bestätigt mich, meiner Trauer_jeweils_Raum geben zu dürfen.

Und nun ist etwas Schönes passiert, was ich dankbar annehme.

Zum ersten Mal wird seit 11 Jahren kommende Woche in diesem Stift ein "Gedenktag" für Mitbewohner, Angehörige und dort Arbeitende angeboten. Ein Gedenktag mit Gedichten, Texten und Liedern, um all denen zu gedenken, die gestorben sind.

Zu verdanken haben wir das einer neuen Heimleiterin, die auch eine psychologisch-familientherapeutische Ausbildung hat, und die Übernahme der Häuser dieser Einrichtung vom ASB. Vorher waren es private Betreiber.

Als ich meine Mutter frug, ob sie mit mir zu diessem Gedenktag ginge, sagte sie nein, sie hätte Wichtigeres zu tun...keine Zeit.
Dann gehe ich eben alleine.

Dieser Gedenktag, der passt so gut in meine momentanen Bedürfnisse danach, irgendwie in einem Ritual Abschied von den 3 Damen nehmen zu können.

Ist das Leben nicht manchmal auch gütig, indem von außen Dinge geschehen, die dem Seelenheil auch guttun?


Herzlich
Selas
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Sprotte
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Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von Sprotte »

Hallo Selas und alle anderen Mitleser,

ein Gedenktag ist ein wirklich schönes Ritual, sehr bewegend, aber gut für die traurige Seele. Ich finde die Idee gut, dass du daran teilnimmst.

Ein Buchtipp für alle, die nach etwas Unterstützung suchen:

Von Roland Kachler (3 Bücher): "Meine Liebe wird dich finden", "Damit aus meiner Trauer Liebe wird" und "Meine Trauer geht- und du bleibst".

Ich persönlich tue mich mit dem allgemeinen Rat "loszulassen" sehr schwer. Roland Kachler hat einen neuen Traueransatz entwickelt. "Nicht das Loslassen, sondern die Liebe zum Verstorbenen steht im Zentrum des Trauerprozesses..."

- wertvolle Impulse, sehr einfühlsam, behutsam, mit viel Achtung und Respekt vor dem Trauernden-

Liebe Grüße
Sprotte
elas
Beiträge: 2102
Registriert: 12. Mär 2009, 16:50

Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von elas »

Hi @ all,
liebe Sprotte,

hab Dank für diese guten Buchempfehlungen, die ich mir prompt notiert habe, dann für den Fall der Fälle.
Allein schon der Titel des einen Buches
>Meine Trauer geht und du bleibst<
ist derart tröstlich, und irgendwie auch richtig.

Dies ließ mich an eine meiner Schülerinnen erinnern, ich nenne sie mal S., eine schwierige Hauptschülerin, mit viel Talent für Theater, einer ungemein eindrücklichen Stimme,die ich immer noch hören kann, wenn ich mich an S. erinnere.
Uns hat eine besondere Beziehung verbunden, noch lange bevor sie an Leukämie sterben musste, mit 15.
Ich habe ihr noch Hausunterricht gegeben, zusätzlich zu meinem vollen Lehrauftrag.
Damals. Ich wollte dieses Mädchen nicht im Stich lassen, und bin damals über mich selber herausgewachsen, so dem Tod in die Augen zu sehen.
Auf die Beerdigung bin ich dann nicht mehr gegangen. Aber ab und an denke ich an S.
Höre ihre Stimme, sehe, wie sie aussieht....
...irgendwie bin ich froh, dass ich mich damals nicht gedrückt habe vor dem Thema, ich war noch jung!!!

off-topic jetzt. Viel zu oft bin ich in meinen depressiven Empfindungen so an dem Gefühl am Nagen , ich würde nicht genügend taugen, da ich nicht über eine alltagstaugliche Liebesbeziehung verfüge, keine eigenen Kinder in die Welt gesetzt habe, nicht soviel Geld habe.....etc. etc.

Ich frage mich selber, dann wenn ich mich z.B. an S. erinnere, wie ich denn meinen kann, ich hätte keinen Wert und hätte nichts Sinnstiftendes geleistet in meinem Leben.
Da möchte ich schon noch hart an mir arbeiten.

Na,ja, und mit meiner greisen Mutter, da krieg ich das Gefühl, wenn es soweit ist, dass sie nicht mehr lebt, werde ich trotzdem eine Weile trauern, auch wenn sie so schwierig war, und es immer so schwierig mit ihr und mir war, und sie mich enorm verletzt und verletzt hat.
Heute Nacht, als ich mal wieder ein , zwei Stunden nicht schlafen konnte, und mir all dies durch den Kopf ging, war so das Gefühl, doch von ein wenig Liebe oder Zuneigung für sie da, das nur verdeckt ist, durch die schrägen Verhaltensweisen und enormen Verletzungen in ihrer Psychose.

Aber, ich bin überzeugt, auch mit all dem werde ich einen Weg finden, so wie immer.

Ich find es immer wieder klasse, welche Anregungen ich hier bekomme, was sich zeigt, was sich erneut und in Metarmorphose zeigen darf, und dass ebend die seelische Entwicklung doch gar nie Stillstand ist, auch wenns einem schlecht geht, geschieht doch in einem was.

So denke ich es.


Herzlich
Selas
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ChristianeL.

Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von ChristianeL. »

Hallo,

ich möchte gerne etwas hier mitteilen,weil ich sonst nicht weiss, wohin ich soll mit meinen Gefühlen.

Ich bin heute besonders wütend und ungnädig
mit mir und allen, die mir begegnen.
Diese Aggressionen sind einfach da, und ich kann überhaupt nichts dagegen machen.

Mein Vater starb am 18.09. diesen Jahres, und ich weiss natürlich, dass man mit 83 durchaus alt genug ist, um sterben zu dürfen, besonders wenn man eine Patientenverfügung hat.

Modernes Sterben eben, man entscheidet selber in guten Momenten, wo man noch gesund ist.
Ich bin eine Gegnerin, zu schnell wird der Zettel unterschrieben. Sehr schön für die Uni-Kliniken.

Ich bin so wütend auf jeden und alles, dass ich heute gerne jemanden schlagen möchte.
Nur, um meinen Druck abzulassen.
Natürlich mache ich das nicht.
Ohnehin gehen diese Gefühle nach innen, und die einzig Geschädigte wäre ich.

Mein Vater war gesund.
Er gehörte zu der Sorte Mensch, wo Ärzte immer wieder gern sagen, "der wird hundert".
Also einfach eine Bärenkonstitution, undenkbar für mich, dass er nach der Aufnahme im Krankenhaus im Juli wegen Harnwegsentzündung dann Mitte September nach etlichen Darmkeimem und Infektionen, die ihn schwächten, eine Hirnblutung erlitt und sozusagen freigegeben wurde zum Sterben.

Ich kann meine Qual nicht in Worte fassen,ich war hautnah dabei, kenne alle Befunde. Es war nicht notwendig.

Das gefühlsmässige Chaos meiner Mutter und meiner Geschwister war gross,sie, meine Mutter und mein Bruder mussten zusammen mit dem Arzt zwei Tage vor Papas Tod entscheiden, wo sie ihn sterben lassen.

Umsiedelung in ein Heim, Papa hat uns den Gefallen getan und ist bereits 1,5 Tage später dort "eingeschlafen", wie man so schön sagt.
Erstickt ist richtig,es gab weder Sauerstoff noch Nahrung, nur Wasser.

Ich war zu dieser Zeit, wo Tage zuvor keinerlei Gefahr drohte ganz ruhig.
Dann plötzlich Anruf, Hirnblutung, entscheiden sie sich, wir operieren nicht.

Es gab natürlich noch wesentlich mehr Einzelheiten, aber das sprengt den Rahmen hier, denke ich.

Meine Zeit, plötzlich nicht mehr einen "nur" kranken Mann, Papa, zu besuchen, wo die Besserung und nicht der Tod im Vordergrund stand bis hin zur Nachricht "er stirbt" betrug einen Tag.

Dann war er weg, unwiderruflich.

Ich gewöhne mich allmählich daran, habe realisiert, was passiert ist.

Aber die Wut und der Schmerz sind enorm.

Ich versuche alles.
Den Glauben zu reaktivieren, die Welt im ganzen zu sehen, mein Leben zu spüren,weiter zu sehen als innerhalb meines Horizontes, zur Zeit fruchtet nichts.

Ich fühle mich wie getreten und verloren.
Und ich vermisse meinen Vater sehr, seine Stimme, seine grosse Nase, sein Atmen.
Atmen heisst Leben, und über dieses wurde entschieden.

Niemals wieder werde ich so kampflos danebenstehen, wenn meine Mutter "dran" ist. Sie kommt schlecht klar mit ihrer Entscheidung bei Papa, hat hautnah erlebt, was es heisst, aber sie hat die gleiche Verfügung mit anschliessender Körperspende in der Uni. Wie Papa.
Mir ist das nach dem Tod scheissegal, ich will davor. Davor.

Wisst Ihr, ich habe so viele Jahre gegen Depressionen gekämpft, ich weiss wirklich, wie es sich anfühlt, wenn man nicht mehr leben will.
Aber das zuvor beschriebene mache ich nicht noch einmal mit. Es ist brutal und unmenschlich.

Zuschauen, wie der Atem schwächer wird.
Für Angehörige eine fast nicht zu bewältigende Situation.

Ich mache das nicht noch einmal mit, bin sauer auf mich, dass ich das zuliess.
Diese Leichtfertigkeit, mit der zwischen Tod und Leben entschieden wird, macht mich kirre.Es ging zu schnell bei Papa. Ich hatte null Zeit.

Und meine Familie leidet natürlich auch, wir sind aber gegenseitig stumm, reden nicht. Das war schon immer so.

Mutters kauft neue Möbel, ist im Stress und will ihre guten Jahre noch geniessen und redet von nichts anderem.
Kann man machen.Geht mir am A...vorbei.
Wieder Aggressionen. Neid ? Keine Ahnung.

Ich kann mich nicht anders mitteilen als so zur Zeit , habe in den letzten Monaten sowas wie Höflichkeit eingebüsst. Bin dermassen geladen, wie wird man das los.
Heute abend bin ich mal allein, habe Zeit und saufe mir einen an.

Drei Monate Uniklnik, andere Welt und Sprache, Stress ohne Ende.
Man will wissen, wie es seinem Papa geht.

Keine Zeit seitens Personal, man muss zu Tricks greifen, um ordentliche und brauchbare Informationen zu bekommen medizinisch, die man seinen Eltern dann verständlich übersetzt, damit Papa keine Angst hat und er versteht, weshalb er plötzlich isoliert liegt und wir uns verkleiden müssen. Nur Keime. Er dachte, er stirbt schon. Was dann viel ja später auch geschah.

Das und vieles weitere tat mir in der Seele weh und der Wunsch niemals alt zu werden entstand. Zum Kotzen alles.

Wenn dies jemand liest und sogar vielleicht antwortet, es sei mir recht. Im voraus danke.

Ich bin so müde, fühle mich wie zweimal angeschossen, Papa ist tot, und ich mag auch nicht mehr reden mit Institutionen wie Psychologen oder Seelesorge usw. nur noch mit Menschen, die das kennen.

Ich habe auch keinen Spruch parat als Untertitel, vielleicht noch "shit happens", aber naja, auch dumm irgendwie.

Danke fürs Lesen, wer es liest.

Christiane
momadome
Beiträge: 610
Registriert: 2. Aug 2009, 15:03

Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von momadome »

Hallo Christiane,

es tut mir leid, daß es dir heute so mies geht.

Aggressionen sind ein Teil der Trauerarbeit, sie gehören dazu wie Tränen, das Nicht-verstehen-können und Nicht-wahrhaben-wollen.
Es ist gut, wenn du dieses Gefühl zulässt, es fühlst (aber nicht ausführst, jedenfalls nicht Menschen gegenüber) und dir bewußt machst. Es wird vorbei gehen, wenn seine Zeit vorbei ist.

Dein Vater hatte eine Patientenverfügung. Er hat für sich selbst entschieden, daß er nicht künstlich am Leben erhalten werden will. Es war sein Wille und ich denke, daß auch du möchtest, das dein Wille respektiert wird.

Natürlich ist es sehr schwer einem geliebten Menschen beim Sterben zuzusehen, man hat den Wunsch dieses geliebte Leben zu verlängern, mit allen Mitteln, zu jedem Preis. Auch wenn der Preis Leiden für den Sterbenden bedeutet, hauptsache man verliert ihn nicht, nicht jetzt schon, nicht so plötzlich.

Da steht der Wunsch des Patienten, nicht leiden zu müssen, und der Wunsch der Angehörigen, ihren Liebsten am Leben zu erhalten im Gegensatz zueinander. Ich denke, es muß der Wunsch des Patienten gelten, es ist sein Leben, sein Leid, sein Tod, sein Entschluß.

Ich wünsche dir einen Menschen, dem du deine Trauer zeigen und erzählen kannst. In vielen Städten gibt es Trauergruppen, vielleicht ist das eine Möglichkeit für dich.

Und "davor" ist die Zeit in der wir leben. Wir machen uns nur viel zu selten klar, daß unser Leben endlich ist. Wir verdrängen den Tod aus unseren Gedanken, wollen nichts davon wissen.

Vielleicht sollten wir uns mehr mit unserer Endlichkeit befassen um die Zeit "davor" mit mehr Leben und Zuneigung zu füllen. Und dann besser loslassen zu können, wenn der Zeitpunkt gekommen ist.

Ich wünsche dir viel Kraft!

Lieben Gruß

jojoma
elas
Beiträge: 2102
Registriert: 12. Mär 2009, 16:50

Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von elas »

Guten Morgen in die Runde,


Hi, Christiane, jojoma hat Dir schon so schön geantwortet, ich könnte es nicht besser formulieren.
Der Tod Deines Vaters, der hätte 100 werden können, von seiner Konstitution her, musste dann doch sterben, weil seine Patientenverfügung es so vorsah. Das ganze ist erst wenige Wochen her.
Und es scheint mir, Du kannst immer noch nicht realisieren, dass Dein Vater wirklich tot ist, viel zu früh sterben musste in Deinen Augen.
Es ist vielleicht auch so schlimm, weil es so unerwartet für Dich/für Euch gewesen ist.

Mein Vater starb erwartet, und eine lange zermürbende Krankheit hatte ihm den Weg dahin bereitet.
Obwohl erwartet, war es ungemein schmerzhaft für mich, und ich musste mich doch ein ganzes Jahr lang durch alle möglichen Gefühle auch widersprüchlicher Art hindurcharbeiten.
Es verändert sich, Trauer, Schmerz, Wut ebben irgendwann einmal ab.
Und dann bleibt die Erinnerung, in der Seele, im Herzen.
Es ist wirklich so.

Jojoma, so schriebst Du:

>Vielleicht sollten wir uns mehr mit unserer Endlichkeit befassen um die Zeit "davor" mit mehr Leben und Zuneigung zu füllen.<

Es ist de facto so, dass Tod und Vergänglichkeit nicht nur ein unerwünschtes, sondern auch ein sehr verdrängtes und gemiedenes Thema ist.
Daraus ergibt sich dann eventuell, dass mensch Träume aufschiebt, etc.
Der Tod, auch unserer möglicher eigener, der ragt ja immer wieder in unsere Leben hinein.
Das hat doch Aufforderungscharakter, eben
sein eigenes Leben so gut zu leben, wie es eben geht, und auch immer wieder Prioritäten zu setzen, was nun für uns selber wichtig ist.


Schönen Tag allen
Selas
________________________________

Der Weg ist das Ziel



Lebensringe sind auch Themenringe
ChristianeL.

Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von ChristianeL. »

An Jojoma und Selas,

ich danke Euch von Herzen.

Ich habe den Punkt der absoluten Verzweiflung und Wut, fürs erste jedenfalls, überwunden heute.

Danke für Eure Antworten.

Ich bin mir darüber bewusst, dass ich zur Zeit einfach in einer so enormen Trauerphase stecke, die, von aussen gesehen, absolut normal ist.

Ich sehe es genauso, und dennoch geht es zu tief.
Jeder Tag ist anders, heute ist ein normaler, es "rüttelt" sich ein,ich bemühe mich schon um meiner Mutter willen.

Und wider besseren Wissens reagiere ich so, wie ich es nie für möglich gehalten habe.
Mangels Vorstellungskraft und Angst.
Jojoma, es geht irgendwie nur ums Überleben,
und dieses moderne Sterben, welches man vorher beschliesst, macht mir Angst.
Ich akzeptiere es, weil ich muss.
Ich jedoch kann solche Entscheidungen nicht treffen.

Tief im Inneren wusste ich natürlich, dass es passieren wird und weiterhin passieren wird, das Sterben, ich habe im Gegensatz zu meiner übrigen Familie wie Mutter und Geschwistern kaum Ressourcen, ich bin so gesehen das schwächste Mitglied.

Ich kannte meinen Vater sehr viel besser, wir waren enger, vertrauter, sehr liebevoll und ehrlich miteinander.
Er war mein Stiefvater seit über 45 Jahren.

Ich hatte in den ersten Tagen nach dem Tod meines Vaters nur einen einzigen Trost, nämlich, dass ich ja auch sterben werde und nicht mehr leiden muss.

Diese Tiefe des Schmerzes hat mich einfach überrollt.

Es ist so wie Du sagst, Selas, ich war noch nicht bereit.
Und wie auch ?

Auch Du hast trotz möglicher Vorbereitung
eigentlich keine Zeit gehabt.

Kann man sich daran gewöhnen ?
Nein.

Danke nochmal und liebe Grüsse

Christiane
strickliesel
Beiträge: 32
Registriert: 26. Nov 2003, 12:39

Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von strickliesel »

liebe Christiane, mein herzliches Beileid.

du kommst damit nicht klar, dass dein Vater entschieden hat keine lebensverlängernden Massnahmen zuzulassen. Das ist dein gutes Recht.

Mein vater strab vor zwei jahren, nein stimmt nicht, er starb seit August 2008 und im Mai 2009 war er endlich tot. Ja endlich. ich empfand es so.
Angefangen hat es damit, dass meine Mutter einen Herzinfarkt hatte und ins Krankenhaus kam. Mein Vater wollte sie besuchen, der Bus war leider weg, mein Vater denkt praktisch und fährt mit dem Rad.
Im Krankenhaus angekommen fallen dem Arzt dort die blauen Lippen meines Vaters auf. Er und meine Mutter überreden ihn, dass er sich untersuchen lässt, es stellt sich raus, dass die Stents von seinem früheren Herzinfarkt ziemlich verschlossen sind. Eine Bypassop wird angeordnet. Und damit der Anfang vom Ende. Während der OP erleidet er einen Schlaganfall. Er wird ins künstliche Koma versetzt und liegt monatelang auf der Intensiv. dann wird beschlossen, dass er nicht mehr therapierbar ist und er kommt auf die geriatrische Station. Zum Sterben quasi. Dort wird er nicht mehr gewaschen,nicht rasiert, es findet keine Physiotherapie mehr statt, die Logopädin kommt auch nicht mehr. Lohnt sich doch nicht bei so einem alten Mann. Schlussendlich entzündet sich die OP-Wunde. Es kommen die Krankenhauskeime hinzu, die man nicht behandeln kann. Mein Vater wird noch monatelang künstlich ernährt und mit Luftröhrenschnitt beatmet. Mein Vater hatte eine Patientenverfügung, die eindeutig aussagte, dass er das so nicht will. Aber keiner von meinen Geschwistern und schon gar nicht meine Mutter hatte den Arsch in der Hose, zum Arzt zu gehen und diese PV auch vorzulegen.
Ich lebte zu dem Zeitpunkt mehrere hundert Kilometer weit weg, so dass ich mich nicht darum kümmern konnte. Erst zu Himmelfahrt 2009 konnte ich mich mit meinen Geschwistern insoweit verständigen, dass wir ihn gehen lassen wollen. Bei meinem letzten Besuch bei ihm habe ich mich verabschiedet, er hatte zwar die Augen offen, sah aber durch mich durch. Wir brachten dann noch meine Mutter nach Hause, ich sehe heute noch das Bild vor mir, wie sie am Gehsteig steht und winkt.Drei Stunden später war er tot.

Meine Mutter starb vor acht Wochen am 14. September. Sie hatte einen Nierentumor, der nicht erkannt wurde. Sie musste nicht lange leiden und war bis einen Tag vor ihrem Tod noch bei vollem Bewusstsein.
Es gibt für jedes Problem eine Lösung, die einfach, klar und falsch ist!







lg evelyna
ChristianeL.

Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von ChristianeL. »

Evelyna,

mein aufrichtiges Beileid, es ist sehr hart, was Du durchmachst.

Ich ahne mehr als dass ich es weiss, wie Du Dich fühlst.
Es ist unfassbar, unlogisch, eigentlich nicht beschreibbar.

Ich halte jetzt mal inne und denke an unsere Verstorbenen.

Herzlicher Gruss

Christiane
2011
Beiträge: 119
Registriert: 15. Feb 2011, 20:07

Re: Trennung, Tod und Abschiede

Beitrag von 2011 »

Hallo Christiane,

ich möchte dich nicht in der Zeit deiner Trauer stören oder kontrovers diskutieren.

Vielleicht... , etwas später kannst du noch einmal darüber nachdenken?

Ich bin der Meinung, das eine Patientenverfügung kein modernes sterben ist, sondern das sich die Menschen wieder an sich selbst erinnern. Und dazu gehört auch ein Leben mit dem Gedanken an den eigenen Tod, der doch auch zum Leben gehört.

Früher ist der Tod sicherlich grausam gewesen, es gab noch nicht die Möglichkeit der Schmerztherapie ( die nicht Lebensverkürzend ist! ) Jedoch hat die Familie den Sterbenden begleitet. Man ist zu Hause gewesen, an einem Ort, wo man sich sicher und geborgen fühlen konnte.
( Ausnahmen gab es natürlich auch )
Ist es nicht gut wenn man als Sterbender beruhigt seine Angelegenheiten geregelt hat und ein gutes Gefühl hat gehen zu dürfen? Dies kann man ( leider ) in unserer jetzigen Gesellschaft nur mit einer Patientenverfügung, da unsere Rituale und Wissen in Vergessenheit geraten sind.

Der Tod ist einmalig, so wie jedes Leben einmalig ist. Jeder hat seine eigene Vorstellung von beidem. Manchmal glaube ich, ( bitte, bitte nicht falsch verstehen ) das man sich im sterben mehr um die Angehörigen bemüht als um den Sterbenden.

Ich wünsche dir und uns allen ganz viel Kraft, solch schwere Zeit gut zu überstehen und das "unvermeidliche" anzunehmen.

viele Güße aus einer Mond hellen Sternennacht.
( Dort stelle ich mir immer meine Lieben vor, wie sie auf mich warten )

Zwiebelchen
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