Panik vor dem Tod

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Lova

Panik vor dem Tod

Beitrag von Lova »

Hallo.
Mich beschäftigt seit einiger Zeit ein sehr erdrückendes Thema. Nachdem ich 2009 eine schwere Depression hatte und es mir heute im Großen und Ganzen wieder echt gut geht, ist eine Sache geblieben: die Panik vor dem Tod. Ich habe während der Krankheit so viel darüber nachgedacht und war dem Tod sicher noch nie so nah wie zu der Zeit. Ich wollte ja auch nicht mehr wirklich leben, das Leben erschien mir als etwas sehr anstrengendes. Heute kann ich mir genau das Gegenteil nicht mehr vorstellen: einfach irgendwann nicht mehr zu sein. Ich kann nicht begreifen, wie es ist, nicht mehr zu existieren. Ich könnte nur heulen, wenn ich mich da hinein steigere, also versuche ich es weitestgehend zu vermeiden. Aber alleine wenn ich auf der Straße alte Menschen sehe, schnürt sich mir der Hals zu. Geht es jemandem ähnlich? Wenn ja, wie gehst du damit um?
Liebe Grüße!
Lova
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Panik vor dem Tod

Beitrag von ben1 »

Hallo Lova

sicherlich ein sehr schwieriges und auch nicht sehr populäres Thema - weder in unserer Gesellschaft, noch in Diskussionen (bzw. -foren).

Bens subjektive Meinung
Sich der eigenen Endlichkeit bewußt zu sein scheint erst mal eher Nach- als Vorteil. Schau Dir Tiere an, die sich am Leben freuen - wenn die nicht direkt bedroht sind, hat für die "Tod" wahrscheinlich keine Bedeutung - die freuen sich einfach am Leben. Genau so geht es mir, wenn ich manche Menschen beobachte - die Leben vor sich hin, als gäbe es den Tod nicht, die machen sich Gedanken über alles mögliche, außer der Möglichkeit der eigenen Endlichkeit und versäumen es (und jetzt kommt der große Vorteil der Bewußtheit der eigenen Endlichkeit), das Leben wirklich zu leben und eigene Werte, die dieser Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit standhalten, zu leben.

Wie kann ein Leben aussehen, das die ständige Möglichkeit "es könnte auch sofort (oder in 2 Wochen oder in 20 Jahren) aus sein" integriert hat?

Ich versuch wieder mal ein Ben-Bild (mal sehen, obs funktioniert

Immer wenn ich im Flugzeug sitze, hab ich ein komisches Gefühl. Wenn das Teil abstürzt, bin ich ziemlich sicher Tod (Rettungsweste hin oder her). So ähnlich sehe ich auch das Leben des Menschen. Wir sitzen alle in einem Flugzeug. Jeder hat seinen individuellen Schleudersitz - der eine bleibt länger, der andere wird früher ausgelöst, aber im Endeffekt werden wir früher oder später aus diesem Leben rausgeworfen. Das ist erst mal die "Conditio Humana". Nun kann man einiges Tun, um die Wahrscheinlichkeit eines frühen Rauswurfes zu verringern. Gesunde Ernährung, anständige Lebensführung, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen usw. usf. Trotz all dieser Maßnahmen (die sicherlich gut und richtig sind) gibt es für uns (zumindest in der Welt des Verstandes) keine Möglichkeit, dieses "Spiel" durch einen geschickten Schachzug zu gewinnen - am Ende werden wir verlieren.

Diese Ausgangssituation überfordert unseren Verstand kollosal. Egal, was ich mache, egal, welche Kniffe und Tricks ich anwende, ich komm da nicht lebend raus.

Ohne wissenschaftliche Beweise zu haben, glaube ich rein subjektiv, das genau diese Erkenntnis viele Menschen in den Selbstmord treibt (bitte weiterlesen!)

Eine Antwort auf diese schwierigste Frage des Lebens überhaupt könnte sein (und ich wechsle wieder zu meinem Flugzeugbild) "Aber JETZT sitz ich ja auf meinem Platz im Flugzeug und da kann ich auch noch das Essen an Board genießen, mich mit meinem Nachbarn unterhalten, die Aussicht genießen, auf dem Gang ein wenig Spazierengehen, mir den Boardfilm ansehen oder ein Buch lesen" - es entsteht plötzlich neuer Handlungsraum genau durch die Endlichkeit!

Eine andere Antwort könnte sein, mich mit Religionen oder Spiritualität zu beschäftigen und den Gedanken "Ich bin mein Verstand" (der überlebt nämlich wahrscheinlich nicht) Stück für Stück zu sprengen und zu erkennen, das wohl in jedem Lebewesen etwas ist, das die dingliche, vergängliche Fassade übersteigt.

Ich hoffe, Du kannst den einen oder anderen Gedanken für Dich rausziehen - ich freue mich auf jeden Fall auf eine Antwort (wenn Du magst)

Beste Grüße

Ben
wütend

Re: Panik vor dem Tod

Beitrag von wütend »

He Lova

>>Aber alleine wenn ich auf der Straße alte Menschen sehe, schnürt sich mir der Hals zu. Geht es jemandem ähnlich? Wenn ja, wie gehst du damit um? <<

Und was ist so schlimm daran, das das Leben endlich ist?
Lil
Beiträge: 85
Registriert: 23. Aug 2011, 01:20

Re: Panik vor dem Tod

Beitrag von Lil »

>>war dem Tod sicher noch nie so nah wie zu der Zeit

Ja, das gleiche Gefühl habe ich auch.
Aber ich glaube, ich kann dir da nicht weiter helfen. Ich hab' den Tod auch danach nie als etwas negatives empfunden, sondern immer als etwas positves.
Und das sehe ich heute noch so.
Kann natürlich auch sein, dass das auch gerade extrem so ist, weil es mir nicht so besonders gut geht. Keine Ahnung.
Aber ich mein, was ist so schlimm daran zu sterben?
Klar, wenn man dann vielleicht Schmerzen hat, ist das nicht besonders angenehm. Aber danach ist sowieso alles vorbei und deshalb ist es sowieso egal. Deshalb ist es letztendlich auch egal, ob man lebt oder schon gestorben ist.
Man kann sein Leben natürlich auch in ständiger Angst vor dem Tod verbringen, aber es wird einem nicht viel nützen, weil man am Ende ja sowieso sterben wird. Wir werden alle sterben.
Also sollte man sich wohl einfach damit abfinden. Man sollte einfach lernen los zu lassen. Das Leben ist halt wie so eine Art Geschenk, das man bekommt, ob man es nun haben will oder nicht. Man wird am Anfang auch noch gezwungen, dass Geschenk zu behalten. Hab zumindest noch nie von einem Säugling gehört der sich umgebracht hat bzw. zweifle auch stark daran, dass er die Fähigkeiten dazu hat. Das heißt man darf sich erst mal jahrelang an dieses Geschenk gewöhnen. Und viele wollen es ja dann gar nicht mehr los werden. Und am Ende wird's einem wieder weggenommen auch vollkommen egal, ob man das Leben nun noch gern behalten hätte oder nicht. Das interessiert nicht.
Keine Ahnung, ich fühl mich durch dieses ganze Leben-Tod-Kram eher verarscht.
pero
Beiträge: 970
Registriert: 8. Apr 2011, 09:23

Re: Panik vor dem Tod

Beitrag von pero »

Es gibt Dinge die man nicht ändern kann, die man einfach nur akzeptieren muss. Menschen haben Angst vor dem Tod. Das ist ein Fakt, daher haben Menschen sich Religionen gegeben um mit dieser Urangst umgehen zu können.
Das ist ein Weg, aber nicht mein Weg.
Mir ist bewusst das ich sterben muss. Ich weis aber nicht wann. Für mich ist das ein guter Grund in mein Leben so viele positive Erfahrungen wie möglich hineinzubringen, mein Leben so genussvoll wie möglich zu machen.
Das gelingt mir nicht immer, manchmal verliere ich diesen Blickwinkel, aber ich versuche den immer wieder zu beleben.
Dabei hilft mir die Frage: "Wenn nicht jetzt, wann dann"
Ich weiss nicht ob ich morgen, den nächsten Monat, das nächste Jahr noch erleben werde, also sollte ich JETZT das tun was ich möchte, was mir gut tut.

Meine Angst vor dem Tod blende ich dabei ein Stück weit aus, nutze sie auch als Triebfeder für mein Leben
Der Tod hat auch nicht direkt etwas mit den Alter zu tun. In der Dritten Welt sterben die meisten Menschen bevor sie 20 Jahre alt werden. Auch das blende ich ein Stück weit aus weil ich es selbst nicht ändern kann.

Falten im Gesicht sind für mich ein Zeichen von Erfahrungen. Daher hoffe ich das ich alt genug werde um noch mehr Falten zu bekommen. Ein paar habe ich ja schon...

lg
pero
Was die Raupe Ende der Welt nennt, nennt der Rest der Welt Schmetterling.
bumbum31
Beiträge: 50
Registriert: 20. Sep 2011, 14:32

Re: Panik vor dem Tod

Beitrag von bumbum31 »

Hallo Lova,

also ich kann natürlich nur für mich sprechen! Ich habe zwei Suizidversuche hinter mir,und der erste Versuch ist nur daran gescheitert,weil mein Iphone GPS Signale sendete,so das Feuerwehr und Co mich ziemlich schnell finden konnten,und mich in letzter Sec. "Retten" konnten.
Was ich damit sagen will,und wie gesagt,ich rede nur von mir,seit diesem Vorfall,habe ich keine Angst mehr vor dem Tod,im Gegenteil,ich merke,das das Leben zwar schön und aufregen ist,es immer was neues zu Lernen gibt,neue Menschen kennenlernt,Träume irgendwann auch vielleicht bei mir in Erfüllung gehen,aber ich habe seit dem Tag keine Angst mehr! Die Sache ist auch,was verbigt sich denn wirklich hinter dem "Sterben"? Vielleicht erlöst es uns ja von allen Problemen die uns Quälen,vielleicht aber,werden Sie darduch nur schlimmer!
Versuche die Sache doch einfach mal positiver zu gestalten und Dich nicht zu sehr auf ältere Menschen zu versteifen,und zu denken - Oh Gott der Tod persönlich -
Mir hilft es z.b wenn ich mit meinem Hund gehe und mir dann Menschen entgegenkommen, und ich auch nur ansatzweise daran denke,was mit dem Menschen passiert wenn er Stirbt,oder wie sich der Mensch verhalten würde,wenn er in unsere Situation wäre,höre ich meine Lieblingsmusik und ab und zu auch mal Trauermusik!! Du wirst staunen,welc Emotionen sowas in Dir hervorrufen kann,und damit meine ich keine Negativen,sondern ehe die positiven Emotionen den im enddeffekt sind wir die Starken überlege Dir mal,mit welcher Last wir tagtäglich zu tun haben,und wir schaffen es immer wieder aufs neue,auch diesen tag zu meistern,und das, finde ich für uns alle einfach eine Starke und positive Leistung,auch wenn wir es selber nicht merken und sehen
Und wenn man dann sieht,was andere Menschen schon als "Dilemma" sehen,weil sie einen Schnupfen haben,oder einen Pickel im Gesicht,mal ehrlich Lova,darüber können wir nur gestärkt drüber Lachen!

In diesem Sinne
Lg
Dominique
Lova

Re: Panik vor dem Tod

Beitrag von Lova »

Hallo ihr Lieben,

wow, vielen Dank für die zahlreichen und ausführlichen Antworten! Das war mein erster Beitrag hier und ich bin sehr positiv überrascht, dass sich fremde Menschen tatsächlich die Zeit nehmen und sich die Mühe machen, jemand anderem (ebenfalls Fremden) zu helfen. Das finde ich ganz toll!

Ich habe tatsächlich noch nie versucht, das Ende positiv zu sehen... Ich habe mal ein Buch zu dem Thema gelesen ("In die Sonne schauen") und dort geht es die ganze Zeit um das bewusstere Leben, wenn man sich bewusst ist, dass das Leben endlich ist. Das ist bei mir nur irgendwie nicht eingetreten. Bei mir stellte sich in den letzten Monaten dann eher so eine Haltung ein wie "Da kann ich noch so bewusst leben wie ich will, sterben tue ich trotzdem!". Mir fällt auch gerade auf, dass das irgendwie so eine verzweifelte Trotzhaltung ist... Ich habe so große Angst vor dem Nicht-mehr-sein, dass ich vergesse, dass es irgendwann (sagen wir mal mit 80 oder 90, wenn's gut läuft) vielleicht sogar ok ist, abzutreten. Das Bild mit dem Flugzeug finde ich sehr gut! Man hat halt irgendwie immer die Wahl - entweder ich genieße den Flug, tue all die netten Dinge, die du (ich glaube Ben war's) beschrieben hast oder ich entscheide mich dazu, die ganze Zeit nur Angst zu haben. Von höherer Lebensqualität wäre wahrscheinlich die erste Option.
Ich glaube, mein Problem ist, dass ich so gerne alles unter Kontrolle habe. Ich sitze gerade an meiner Bachelor-Arbeit und kriege die Oberkrise (sprich Angst und Verzweiflung), weil ich nicht sicher weiß, wie es ausgeht. Obwohl ich einen Notendurchschnitt von 1,3 habe, also wäre es sogar rein theoretisch egal, wenn ich die Arbeit verkacke. Aber dieses Dinge-nicht-unter-Kontrolle-haben kann ich einfach irgendwie nicht ertragen. Und vielleicht ist das auch das Problem mit dem Tod - wir sterben alle, definitiv. Und wir können einfach so gar nichts daran ändern...

Danke euch allen nochmal! Auch dir, Dominique, dein Geschichte hat mich sehr nachdenklich gemacht (denn so nah war ich dem Tod zum Glück (?) noch nicht).

Liebe Grüße

Lova
bumbum31
Beiträge: 50
Registriert: 20. Sep 2011, 14:32

Re: Panik vor dem Tod

Beitrag von bumbum31 »

Hallo Lova,

als erste möchte ich Dir sagen,das doch ziemnlich begeistert von dem bin,was du schreibst,ich habe am anfang wirklich gedacht,das du mit allem abgeschlossen hast,kaum am Leben teil nimmst ect.
Aber nach dem ich jetzt Lese das du kurz vor Deiner Prüfung stehst,und nen Notendurschnitt von 1,3 hast bin ich doch wirklich beruhigt,das dies nicht so ist!!
Mich freut es,das Dich meine Sätze zum nachdenken gebracht haben!
Man liest ja oft oder sieht in Dokumentationen über Menschen die sich entschieden haben den Freitod zu wählen,oder kurzeitig Tod waren,das "weiße Licht" gesehen zu haben,kurz bevor sie wieder belebt wurden. Als ich kurz davor stand, machte ich die Augen zu,und ich sah kein weisses Licht oder dergleichen,ich habe mein Leben wie in einem langsamen Film Szene für Szene noch mals vor meinen Augen gesehen,das verwunderliche war,das es nur die schönen Momenten in meinem leben waren,keine negativen Szenen,obwohl immer behauptet wird,das man nur negative Szenen sehen würde! Es macht mich in diesem Moment einfach nur glücklich,nochmals meine ganze Familie vor Augen zu haben,alle glücklich,alle lachten und hatten Spass!
Im nachhinein,weiss ich,das dies irgendwas zu bedeuten hatte,für mich!!
Und wenn ich jetzt ehrlich bin,bin ich auch wirklich froh darüber,das mir nichts passiert ist!
Demnach bedenke,wie du es auch schon selbst sagtest,Sterben,werden wir alle,die Frage ist nur wie und vor allem wann! Also mache Dich deshalb nicht verrückt,und versuche im Leben einfach das schöne nur zuzulassen!
Ich weiss,das das einfacher gesagt ist als getan,aber es wird daran liegen das ich gerade meine einstündige gute Phase habe am Tag!!
Was ich Dir wünsche ist,viel Kraft und natürlich eine satte 1,0

Lg
Dominique
jonojo

Re: Panik vor dem Tod

Beitrag von jonojo »

wütend

Re: Panik vor dem Tod

Beitrag von wütend »

He lova,

>> Ich habe so große Angst vor dem Nicht-mehr-sein, dass ich vergesse, dass es irgendwann (sagen wir mal mit 80 oder 90, wenn's gut läuft) vielleicht sogar ok ist, abzutreten.<<

Und was ist so schlimm am nicht mehr sein? Warum macht dir das Angst?
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